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YukBook
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München

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Insgesamt 283 Bewertungen
Bewertung vom 15.12.2021
Miss Veronica und das Wunder der Pinguine
Prior, Hazel

Miss Veronica und das Wunder der Pinguine


sehr gut

Für eine bedeutungsvolle Tat ist es im Leben nie zu spät. Das denkt sich auch die Romanheldin Veronica McCreedy die mit ihren 86 Jahren noch rüstig ist, aber zurückgezogen an der schottischen Küste lebt und überlegt, wem sie ihr Vermögen hinterlassen könnte. Nachforschungen haben ergeben, dass sie einen Enkel hat, doch die erste Begegnung ist eine herbe Enttäuschung. Als sie eine Fernsehsendung über bedrohte Adeliepinguine sieht, ist sie Feuer und Flamme und beschließt, dem Forschungsteam einen Besuch abzustatten und sich ein Bild vor Ort zu machen.

Es war zu erwarten, dass der anfangs konfliktreiche Alltag mit drei Wissenschaftlern auf engem Raum und die Beobachtung der Pinguinkolonien Veronicas Leben und ihre Einstellung verändern werden, doch das Wie erzählt Hazel Prior sehr warmherzig und unterhaltsam. Die blumigen Beschreibungen versetzten mich augenblicklich in die märchenhafte Landschaft.

Ich hätte mir noch mehr Details zur Forschungsarbeit gewünscht, doch im Mittelpunkt steht nun einmal Veronica und wie sie sich durch die Liebe zu einem speziellen Pinguin allmählich ihren Mitmenschen öffnet. Aus ihren Tagebüchern erfährt man zudem, welche tragischen Ereignisse sie zu dem verschlossenen Menschen gemacht haben. Manches in der Geschichte erschien mir etwas unrealistisch, manches zu vorhersehbar, doch im Ganzen habe ich Veronica sehr gern auf ihrem Abenteuer begleitet.

Bewertung vom 11.12.2021
Was damals geschah (eBook, ePUB)
Jewell, Lisa

Was damals geschah (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Der Roman beginnt mit einer erfreulichen Nachricht: Libby Jones erbt mit 25 eine noble Stadtvilla in Chelsea. Das Haus hat jedoch eine düstere Vergangenheit: Drei Leichen und ein unversehrtes Baby wurden darin gefunden. Man geht von einem Selbstmordpakt aus.

Parallel betreten weitere Personen die Bühne: Lucy lebt mit ihren zwei Kindern in Nizza in bitterer Armut und ist gezwungen, ihren gewalttätigen Ex-Mann um Hilfe zu bitten. Noch kann man die Figur nicht so recht in das Geschehen einordnen. Licht in das Ganze bringt ihr Bruder Henry, der uns in die 1980er Jahre und nach Chelsea versetzt. Er ist in der besagten Villa aufgewachsen und rekonstruiert, was sich dort über mehrere Jahre hinweg zugetragen hat. Die Leichen ließen bereits Unheil erahnen, doch was Henry schildert, stellt jede tragische Familiengeschichte in den Schatten.

Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, einige Figuren auseinanderzuhalten, doch schon bald war ich völlig gefangen in der Geschichte, zumal die einzelnen Geschehnisse und auch kleine Details immer mehr einen Sinn ergeben. Die Spannung entsteht besonders dadurch, dass sich nicht nur zwielichtige Personen, sondern mit ihnen auch das Unglück in Henrys wohlhabende Familie einnisten. Diesen Part erzählt die Autorin in der Ich- Form und ist dabei so nah an Henrys Figur, dass ich jede Minute mit ihm litt - angefangen von den harmlosen Teenagerproblemen bis hin zu seiner Wut und Hilflosigkeit angesichts der Katastrophe, auf die die Wohngemeinschaft zusteuert. Ebenso spürte ich das Machtgefüge zwischen den Bewohnern und die beklemmende Atmosphäre im Haus.

Raffiniert führt Lisa Jewell die einzelnen Erzählstränge zusammen, überrascht mit Wendungen und lässt uns schaudern angesichts der Machtgier und Scheinheiligkeit von Menschen und zu welcher Tyrannei und Manipulation sie fähig sind.

Bewertung vom 24.11.2021
Oh, William!
Strout, Elizabeth

Oh, William!


sehr gut

Wie gut kennt man einen Mann, an dessen Seite man knapp zwanzig Jahre gelebt und zwei Töchter großgezogen hat? Ich-Erzählerin Lucy Barton ist sich bei ihrem Ex-Mann gar nicht sicher. Eines steht immerhin fest: Es ist William, an den sie sich wendet, als ihr Ehemann David verstirbt. Und er sucht seinerseits Halt bei ihr, als ihn seine Frau Estelle verlässt.

So kommen sich die beiden besonders auf einer gemeinsamen Reise durch Maine wieder näher, doch das geschieht weder auf kitschige noch plumpe Weise. Vielmehr ruft die Annäherung bei Lucy Erinnerungen an prägnante Erlebnisse hervor. Sie bemüht sich, einzelne Szenen und ihre Gefühle möglichst genau zu rekonstruieren und dabei richtig verstanden zu werden, weshalb sie häufig bekräftigt: „Das will ich damit sagen.“ Man hat jedoch mehr den Eindruck, dass ihr erst im Nachhinein so manches klar wird, nicht nur über William und ihre Schwiegermutter, die eine zentrale Rolle spielt, sondern auch über sich selbst und ihre Herkunft. Ehrlich und selbstkritisch geht sie ihren widersprüchlichen Gefühlen während ihrer Ehe wie Geborgenheit und Vertrautheit einerseits und Abscheu und Einsamkeit andererseits auf den Grund.

Die Erzählweise wirkt zusammenhanglos, steigert aber auch die Spannung, weil man nach jedem Abschnitt eine neue Erkenntnis oder Offenbarung wittert. Elizabeth Strout vereint auf faszinierende Weise einen lockeren Plauderton mit tiefgründigen Themen wie Lucys schwere Kindheit und Unsicherheit und Williams Schuldkomplexe und Ängste.

Bewertung vom 21.11.2021
Schwierige Frauen
Gay, Roxane

Schwierige Frauen


sehr gut

„Schwierige Frauen“ lautet der Titel dieser Kurzgeschichtensammlung, doch treffender für die Protagonistinnen fände ich die Beschreibung „Frauen, die es im Leben schwer haben oder es sich schwer machen“.

Einige wie Carolina und ihre Schwester leiden unter einem schweren Kindheitstrauma und können einander auch als Erwachsene nicht allein lassen, obwohl eine von ihnen verheiratet ist. Natasha, die einen schweren Verlust erlitten hat, bekommt immerhin unvermittelt eine neue Chance. Auch Hanna kann ihre aktuelle Lebenssituation mit ihrem Ehemann, den sie hasst, nicht länger ertragen und reflektiert über ihre verpassten Chancen. Doch sie belässt es nicht dabei, sondern plant einen Ausweg.

Genau diese Stärke zeichnet die Frauen aus, die Roxanne Gay skizziert: Sie kämpfen darum, etwas zu verändern, ihr Leben zu verbessern und scheuen dabei keine Konfrontation. In solchen Momenten schlägt die Autorin einen härteren Ton an in ihrer sonst unaufgeregten Erzählweise.

Die meisten Geschichten sind entweder traurig, brutal oder verstörend und allesamt schwer zu verdauen, bis auf „Requiem für ein Herz aus Glas“, die von einem überfürsorglichen Steinewerfer und seiner Glasfrau handelt und fast etwas Märchenhaftes hat. Roxane Gay thematisiert die Bandbreite zwischen emotionaler sowie körperlicher Widerstandskraft und Verletzlichkeit innerhalb verschiedener Formen von Liebe, Hass und Abhängigkeiten in ihrem ganz eigenen Stil, der mir gut gefiel.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.11.2021
Das unsichtbare Leben der Addie LaRue
Schwab, V. E.

Das unsichtbare Leben der Addie LaRue


sehr gut

Die Geschichte beginnt in dem kleinen französischen Dorf Villon-sur-Sarthe im Jahr 1714. Es ist eine Zeit, in der Frauen einen hohen Preis für ein selbstbestimmtes Leben zahlen mussten. Die junge Addie LaRue geht gar einen Pakt mit dem Teufel ein, um vor ihrer Hochzeit zu fliehen. Und das hat Folgen! Von nun an kann sie zwar in völliger Freiheit leben, wird jedoch niemals altern und von allen Menschen vergessen.

Verwoben ist dieser Erzählstrang mit einer zweiten Zeitebene, die uns in das Jahr 2014 nach New York katapultiert. Spannend wird es, als Addie dort den Buchhändler Henry kennenlernt, der sich als einziger an sie erinnern kann.

Auch wenn die Geschichte an manchen Stellen Längen hat, fühlte ich mich der Hauptfigur sehr nahe – wie sie unter ihrem Fluch und der Einsamkeit leidet und jeden Moment und jede Begegnung euphorisch auskostet. Wir begleiten Addie durch drei Jahrhunderte europäischer Geschichte, in denen sie als Muse zahlreiche Künstler inspiriert und sich in ihren Werken verewigt. Eine außergewöhnliche Idee, die V.E. Schwab in poetischer Sprache und atmosphärischen Bildern in einen Fantasy-Roman verpackt.

Bewertung vom 14.11.2021
Madame Pylinska und das Geheimnis von Chopin
Schmitt, Eric-Emmanuel

Madame Pylinska und das Geheimnis von Chopin


ausgezeichnet

Mit der Devise „Übung macht den Meister“ kommt man bei Madame Pylinska nicht weit. Das bekommt auch Eric zu spüren, der nach Paris gezogen ist und auf Empfehlung die titelgebende polnische Klavierlehrerin aufsucht.

Seitdem ihm in seiner Kindheit seine Tante Aimée ein Stück von Chopin vorgespielt und ihn mit den Klängen regelrecht verzaubert hat, will er diese nun selbst dem Klavier entlocken können, was ihm allerdings missglückt. Doch was tut Madame Pylinska? Sie hält ihn vom Klavier fern und gibt ihm stattdessen ganz merkwürdige Aufgaben: Er soll im Jardin Du Luxembourg Blumen pflücken, ohne den Tau fallen zu lassen oder an einem windigen Tag die Bewegung der Bäume und Blätter beobachten.

Von Chopin, einem meiner Lieblingskomponisten, habe ich vor langer Zeit den Minutenwalzer rauf und runtergespielt. Zu gern hätte ich eine Lehrerin wie Madame Pylinska gehabt, die mir nicht nur das fehlerfreie Spiel und Fingerfertigkeit, sondern körperliche und geistige Feinfühligkeit beibringt und den Weg zu einer sinnlichen Erfahrung in allen Lebenslagen aufzeigt.

Wie die exzentrische und resolute Lehrerin ihren anfangs voreingenommenen Schüler und seine Sicht auf die Dinge verändert, erzählt Eric-Emmanuel Schmitt humorvoll, poetisch und mit typisch französischem Charme. Zum Schluss schlägt er einen schönen Bogen zu Chopins und auch Tante Aimées Geheimnis.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.11.2021
Dein Bücherregal verrät dich
Snider, Grant

Dein Bücherregal verrät dich


ausgezeichnet

Dass Bücher unsere Fantasie anregen, ist wohl unumstritten, doch Grant Snyder setzt noch eins drauf. Selbst entrückte Büchernarren werden staunen und schmunzeln über die vielen originellen Ideen, die in seinen liebevoll gezeichneten Cartoons stecken.

Ein Buchmarkt im Freien mit einem Dichterstreichelzoo, einem Kettenromankarussell und einem Antagonisten-Autoscooter – Da wäre ich sofort dabei. Manches Schreibwerkzeug wie Textglättbrett oder Metaphernmixer würde ich mir ebenfalls wünschen. Natürlich erkannte ich mich in vielen Situationen wieder, zum Beispiel wie ich das Bücherregal anderer inspiziere, meine Bücher sortiere oder was ich mit halbgelesenen Büchern anstelle.

Man sollte sich unbedingt Zeit nehmen, um sich die vielen Details nicht entgehen zu lassen, besonders im „Schreibblock“ oder „Im Ministerium für Poesie“, die Wimmelbildern gleichen. Die Liebe des New-York-Times-Zeichners zu Büchern spricht aus jeder Zeichnung, aus jedem Strich. Auch die ausgefallenen Konzepte anderer Künstler wie Rudine Sims Bishop oder Remy Charlip, die ich nicht kannte, setzt er gelungen um.

Grant Snyder widmet sich nicht nur Büchern, sondern auch der Schrift und der schreibenden Zunft, stellt Wundermittel gegen Schreibblockaden und einen Kurort für Schreibende vor. Die humorvollen Bildgeschichten illustrieren auf zauberhafte Art, wie kostbar die Momente sind, „die du nur kennst, wenn du Bücher liebst“.

Bewertung vom 01.11.2021
Madame Exupéry und die Sterne des Himmels
Villard, Sophie

Madame Exupéry und die Sterne des Himmels


ausgezeichnet

Bei vielen Künstlern frage ich mich, was aus ihnen geworden wäre, wenn sie nicht eine starke Frau an ihrer Seite gehabt hätten. Nachdem ich diese Romanbiografie gelesen habe, gehört nun auch Antoine de Saint-Exupéry dazu.

Sophie Villard erzählt die Liebesgeschichte zwischen ihm und der jungen Witwe Consuelo Suncin Sandoval de Gómez aus El Salvador, die sich auf einer Party in Paris kennenlernen. Diese erste Begegnung, die in einen abenteuerlichen Flug mündet, ist bezeichnend für ihre gesamte Beziehung und ihre turbulente Ehe.

Durch die lebendigen Dialoge und Szenenbeschreibungen, sei es in Nizza, Casablanca, Buenos Aires oder New York, hatte ich die beiden klar vor Augen: Er ein übermütiger Streckenpilot bei der Luftpost, der die Nachtflüge liebt und immer wieder egoistische Entscheidungen trifft, sie eine Frau, die von seiner Fantasie und schriftstellerischen Begabung fasziniert ist und alles tut, um ihn darin zu fördern. Dabei ist sie selbst eine talentierte Malerin, die mit Künstlern wie Derain, Picasso und Bréton verkehrt.

Wie schwer muss es für sie gewesen sein, an der Seite eines Mannes zu leben, der es mit der Treue nicht so genau nimmt, sich ständig in waghalsige Abenteuer stürzt und nur knapp dem Tod entrinnt. Was sie dabei durchmacht, wie sie mit sich hadert und wie die Liebe zwischen ihnen vielen Schicksalsschlägen standhält, erzählt die Autorin so einnehmend, empathisch und elegant, dass ich den Roman verschlungen habe. Es gelingt ihr wunderbar, das Porträt einer bemerkenswerten Frau mit der Entstehungsgeschichte von „Der kleine Prinz“ zu verweben – ein Buch, das zum Lieblingsstoff meines Französischlehrers zählte, und das ich nun mit ganz anderen Augen lesen werde.

Bewertung vom 27.10.2021
Einzeln sein
Safranski, Rüdiger

Einzeln sein


ausgezeichnet

Ob Social-Media-Hype oder Corona-Krise – das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft begegnet uns im Alltag immer wieder. Daher weckte dieses Hörbuch gleich mein Interesse. Rüdiger Safranski unternimmt mit uns eine Zeitreise beginnend in der Renaissance und zeigt, wie Philosophen und Künstler sich selbst und die eigenen Möglichkeiten, die sich dabei auftun, entdeckten.

Den Drang, seine eigene Originalität nach außen zu tragen und unverwechselbare Spuren zu hinterlassen, erkennt der Autor bei Renaissancekünstlern wie Raffael oder da Vinci, die glaubten, sich mit ihren einzigartigen Begabungen zum Göttlichen erheben zu können. Ganz anders Luther, der erst über die Vereinzelung und Selbstüberwindung in einem Kloster die Ängste vor seinen Schuldgefühlen ablegen und zu der 'Freiheit eines Christenmenschen' finden konnte.

Ich fand es sehr spannend, dem Werdegang und den Gedanken eines Rousseau, Montaigne, Stendhal oder einer Hannah Arendt zu folgen und zu beobachten, wie sich aus dem zunehmenden Hang zur Selbstdarstellung und Selbstinszenierung essentielle Konzepte zur Selbstverwirklichung, die die gesellschaftliche Vielfalt bereichern, entwickelten. Rüdiger Safranski geht dabei auf ganz unterschiedliche Erfahrungen und feine Nuancen ein, zum Beispiel wie manche versuchten, sich zu ihrem eigenen Vorteil von anderen zu unterscheiden während andere den völligen Rückzug zu sich selbst in der Natur erlebten oder das Einzelnsein zu ihrer Lebensaufgabe machten.

Ich war verblüfft, wie viele Denkansätze sich in heutigen Selbsthilfebüchern wiederfinden. Das Thema Massenpsychologie und die Gegenüberstellung von Originalität und Nachahmung ließen mich an Influencer und Follower denken. Der Stoff, den uns Rüdiger Safranski präsentiert, ist sehr umfangreich, doch nie ermüdend oder langweilig, was auch dem Sprecher Frank Arnold zu verdanken ist, der genau im richtigen Tempo und mit angenehmem Timbre spricht. Zwischen- und Schlussbetrachtungen, in denen der Autor das Wesentliche zusammenfasst, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Thesen herausstellt und zum Nachdenken anregt, runden das sehr aktuelle und lesenswerte Werk ab.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.10.2021
Lasst uns tanzen und Champagner trinken - trotz alledem!
Karl, Michaela

Lasst uns tanzen und Champagner trinken - trotz alledem!


sehr gut

Isadora Duncan – eine Frau, die als Pionierin des modernen Tanzes gilt und ihn zu einer Kunstform erhob. Sehr viel mehr wusste ich über die weltberühmte Tänzerin nicht, bis ich mich in dieser Biografie tiefer in ihr Leben versenken konnte.

Die geschichtliche Einordnung zu Beginn fand ich sehr hilfreich, um zu verstehen, dass der Amerikanerin mit irischen Wurzeln, die in San Francisco aufwuchs, Werte wie Unabhängigkeit, Individualismus und Selbstvertrauen in die Wiege gelegt wurden. Nach einer schweren, entbehrungsreichen Kindheit träumt sie davon, eine Tanzschule zu gründen, in der sie nicht nur Ausdruckstanz, sondern auch freie Lebensführung vermittelt.

Doch der Weg dahin ist steinig und verschlägt sie in verschiedenste Städte wie Chicago, London, Paris, München und St. Petersburg. Von Hochs und Tiefs zu sprechen, wäre glatt untertrieben. Schlief sie an einem Tag noch mittellos und ausgehungert auf der Parkbank, quartiert sie sich am Tag darauf im teuersten Hotel der Stadt ein und schlürft Champagner. Diese extremen Widersprüche, die sich durch ihr Leben ziehen, macht die Autorin bereits im Buchtitel "... trotz alledem!" und durch zahlreiche Zitate aus ihren Memoiren und aus Briefen und Tagebüchern ihrer Zeitgenossen sichtbar.

Auch ich war hin- und hergerissen zwischen Bewunderung, Anteilnahme und Unverständnis. Die Isadora, die im British Museum mit ihren Geschwistern die Posen der griechischen Antike studierte, sich von der Natur inspirieren ließ und unerschrocken auf der Bühne barfuß und in flatternden Gewändern tanzte, gefiel mir. Ihr extremer, ausschweifender Lebensstil nach einem Schicksalsschlag und ihr Umgang mit hilfsbereiten Freunden machten sie dagegen unsympathisch. Michaela Karl zeigt in dieser detailreichen Biografie, welcher Mensch mit seinen täglichen Sorgen, Freuden und ehrgeizigen Träumen hinter der Legende steckt.