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Klara

Bewertungen

Insgesamt 179 Bewertungen
Bewertung vom 25.11.2019
Drei
Mishani, Dror

Drei


ausgezeichnet

Die Sehnsucht nach Liebe kann gefährlich sein
Im Mittelpunkt von Dror Mishanis neuem Roman “Drei“ stehen drei Frauen, die nacheinander dem sympathischen Anwalt Gil, Anfang 40, begegnen . Orna ist von ihrem Mann wegen einer anderen Frau verlassen worden und ist seitdem geschiedene, alleinerziehende Mutter des 9jährigen Eran. Emilia aus Lettland arbeitet als Pflegekraft in Israel und pflegt Gils Vater bis zu seinem Tod. Danach ist sie mittellos, ohne Wohnung und Einkommen. Gil hilft ihr, und man kommt sich näher. Die Dritte im Bunde ist eine Mutter von drei Töchtern, die auf der Suche nach Anerkennung ein Masterstudium absolviert. Über den zurückhaltenden, geheimnisvollen Gil erfährt man wesentlich weniger, außer dass er Vater von zwei Töchtern ist und beruflich öfter in Bukarest und Warschau zu tun hat. Mehr kann man über die Handlung kaum sagen, ohne zu viel zu verraten.
In seinem raffiniert konstruierten Roman liefert Mishani Psychogramme der drei Frauen, die gestresst, in unsicheren Lebensumständen auf der Suche nach Liebe und Anerkennung sind. Lange weiß der Leser nicht, wohin die Reise in diesem literarisch anspruchsvollen Roman geht, der sich allmählich zum Krimi entwickelt. Mir hat diese spannende Geschichte hervorragend gefallen.

Bewertung vom 23.11.2019
Der Sprung
Lappert, Simone

Der Sprung


ausgezeichnet

Leben oder Sterben?
In Simone Lapperts Roman “Der Sprung“ steht eine Frau namens Manu auf dem Dach eines Hauses. Was hat sie vor? Der Roman ist in drei große Kapitel unterteilt: Der Tag davor, Erster Tag und Zweiter Tag. Vor jedem Kapitel findet sich ein Abschnitt aus der Sicht der Protagonistin, die das Fallen beschreibt und was sie dabei denkt und fühlt bis zum Aufprall. Hat der Sprung in den Tod bereits stattgefunden? Eine große Zahl kürzerer Kapitel bietet den Blick einer Vielzahl von Personen auf die Ereignisse. Diese Menschen stehen Manu nahe oder kennen sie flüchtig: Maren, Felix, Finn, Theres, Egon, Winnie, Astrid usw. Sie haben alle ihre eigene Geschichte, Schwierigkeiten im Alltag, belastende Erinnerungen. Gleichzeitig erfährt der Leser auch einiges über Manu, z.B. durch ihre Schwester Astrid oder ihren Freund Finn, der allerdings nicht einmal ihren Nachnamen kennt, geschweige denn ihre Vergangenheit. Niemand liefert jedoch irgendeine Information, die einen Todeswunsch erklären könnte.
Während Manu auf dem Dach bis zur Kante hin und herläuft, sammelt sich unten eine Menschenmenge, die vor allem eins will: das Foto des Todessprungs schießen. Die Polizei ist im Einsatz, hat eine Absperrung angebracht und nimmt von der obersten Wohnung aus Kontakt zu der Frau auf, um ihren Selbstmord zu verhindern. Man lässt niemand zu ihr, nicht einmal ihren Freund Finn. Manu verlässt das Dach nicht, sondern bekommt dort Wutanfälle und wirft immer wieder Dachziegel und Gartengeräte nach unten. Das Drama zieht sich über zwanzig Stunden hin.
Die Autorin zeichnet das Porträt einer Kleinstadt an der Schweizer Grenze und ihrer Bewohner. Anfangs ist die Personenvielfalt etwas verwirrend, jedoch werden viele Figuren dem Leser im Laufe der Geschichte sehr vertraut. Wir erleben, wie die Extremsituation eines scheinbar bevorstehenden Selbstmords sie alle verändert. Sie setzen sich mit belastenden Erinnerungen auseinander, treffen wichtige Entscheidungen für ihr Leben oder wagen einen längst überfälligen Neuanfang. Das wird von der Autorin, die übrigens mit dem bekannten Schweizer Autor Rolf Lappert verwandt ist, spannend und auch sprachlich sehr überzeugend dargestellt. Ein beeindruckender Roman.

Bewertung vom 21.09.2019
Harz
Riel, Ane

Harz


ausgezeichnet

Eine Dunkelheit voller Schmerz
In “Harz“, dem neuen Roman der preisgekrönten dänischen Autorin Ane Riel, geht es um eine Familie, die auf einem einsamen Hof im Norden einer dünn besiedelten dänischen Insel lebt, dem sogenannten Kopf. Die Familie besteht aus dem Schreiner Jens Haader, seiner Frau Maria und der Tochter Liv. Ursprünglich hatte Liv einen Zwillingsbruder namens Carl, der zu ihrem unsichtbaren Freund wird. Er hilft ihr, ein Leben zu ertragen, das alles andere als normal ist. Jens Haader hat anfangs Möbel und Särge auf Bestellung gezimmert, seinen Beruf aber später aufgegeben. Irgendwann sammelt er nur noch die Dinge ein, die andere wegwerfen und geht nachts auf Beutetour. Anfangs nimmt er seine Tochter mit, später zieht sie allein los, um Gegenstände und Lebensmittel zu stehlen, denn Jens ist nicht mehr in der Lage, seine Familie und die Tiere auf dem Hof zu versorgen. Liv wurde den Behörden als ertrunken gemeldet, damit sie nicht zur Schule muss und lebt seitdem in einem alten Container inmitten von allerlei Gerümpel. Livs Mutter wird immer dicker und liegt schließlich nur noch im Bett. Niemand hat Zugang zu Haus und Hof, denn Jens hat seinen Besitz mit allerlei tödlichen Fallen gesichert. Alles scheint unausweichlich auf eine Katastrophe zuzusteuern.
Erzählt wird diese düstere, beim Leser Beklemmung verursachende Geschichte überwiegend aus Livs Perspektive, aber es gibt auch von einem auktorialen Erzähler berichtete Teile, und immer wieder kommt Maria, Livs Mutter und Ehefrau von Jens Haader, zu Wort. Sie wendet sich in kursiv gedruckten Briefen direkt an ihre Tochter, will ihr alles erklären, vor allem, dass sie Jens liebt, obwohl sie vermutet, dass sie irgendwann von seiner Hand sterben wird. Wie soll Liv diese prekäre Situation, ein Leben umgeben von Müll, Gestank und Ratten überleben? Wie könnte sie nach vielen skurrilen Erlebnissen noch ein normales Leben führen? Als kleines Mädchen ist sie dabei, als ihr Vater die Großmutter ermordet. Bizarr ist auch das Probeliegen in gezimmerten Särgen, bevor sie den Kunden überlassen werden oder das Konservieren von toten Körpern mit Hilfe von Harz, das schon die alten Ägypter für diesen Zweck nutzten.
Der Roman ist kein typischer Thriller, sondern das Soziogramm einer Familie in der Hand eines psychisch Kranken. Ein außergewöhnliches Buch, aber keine leichte Kost.

Bewertung vom 21.09.2019
Die Altruisten
Ridker, Andrew

Die Altruisten


gut

Wie lebt man richtig?
In Andrew Ridkers Debütroman “Die Altruisten“ geht es um eine Mittelschichtfamilie im Mittleren Westen. Arthur Alter, 65, ist seit knapp zwei Jahren Witwer. Seine Frau Francine, eine Paartherapeutin, starb an Krebs. Arthur ist in seinem Beruf als Ingenieur und Universitätslehrer gescheitert. Sein Wunsch nach einer Festanstellung an der Universität hat sich nie erfüllt, und inzwischen hat er so wenige Kurse, dass es nicht zum Überleben reicht, erst recht nicht, um nach dem Wegfall von Francines Einkommen die Hypothek für das Haus zu bezahlen. Als letzten Ausweg aus der Krise bleibt ihm nur noch, sich an seine in New York lebenden Kinder Ethan und Maggie zu wenden, denen die Mutter ihr Vermögen vererbt hat. Er lädt sie nach St. Louis in sein Haus ein. Arthur und seine Kinder sind einander entfremdet und haben seit dem Tod der Mutter keinen Kontakt mehr. Maggie nimmt dem Vater übel, dass er die Mutter bis zu ihrem Tod betrogen hat, und Ethan hatte wegen seiner Homosexualität schon immer einen schweren Stand. Tatsächlich geht es aber auch den Kindern nicht gut, weder finanziell noch in ihren Beziehungen. Maggie hat zwar ihr Erbe nicht angerührt, schlägt sich stattdessen mit mehreren schlecht bezahlten Nebenjobs durch und hat dennoch Schuldgefühle wegen ihrer privilegierten Situation.
Ridker erzählt mit wechselnder Erzählperspektive die Vorgeschichte der Überlebenden, aber auch Kindheit und Jugend der Verstorbenen sowie die ersten Jahre mit Arthur. Dabei holt er sehr weit aus, und das ist nicht immer spannend zu lesen. Es gibt einen satirischen Blick auf das Amerika von 2015 vor Trump sowie komische und teilweise sehr poetisch formulierte Szenen. Komisch und traurig zugleich sind zum Beispiel die Passagen, in denen Maggie einen von ihr betreuten Jungen Kampfsporttechniken an sich ausprobieren lässt, wodurch sie sichtlich gezeichnet von diesen Arbeitseinsätzen zurückkehrt. Die überlebenden Mitglieder der Familie Alter sind mit ihren Plänen und guten Vorsätzen grandios gescheitert, vor allem Arthur, der bei seinem von einer dubiosen Organisation finanzierten Projekt in Simbabwe schwere Schuld auf sich geladen hat. Ridker liefert das Porträt einer schlecht funktionierenden Gesellschaft und einer dysfunktionalen Familie, von denen es in der zeitgenössischen amerikanischen Literatur eine ganze Reihe gibt. Er bietet keine Lösungsvorschläge an, lässt aber Vater und Kinder am Ende aufeinander zugehen, wodurch die Geschichte etwas weniger trostlos ist. Der Roman ist nicht schlecht, für mich aber kein Sensationsdebüt eines Ausnahmeautors.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.07.2019
Bell und Harry
Gardam, Jane

Bell und Harry


sehr gut

Ferien in Yorkshire
Im Mittelpunkt von Jane Gardams Roman “Bell und Harry“ steht die Freundschaft zwischen zwei Jungen. Bell Teesdale und Harry Bateman werden als Kinder Freunde, seit die Batemans aus London Jahr für Jahr im ländlichen Yorkshire ein Bauernhaus mieten. Anfangs sind die Gegensätze zwischen den Städtern und den Bauern und Schafzüchtern aus der Region groß, aber allmählich werden nicht nur die Kinder Freunde. Die Jungen erleben zum Teil gefährliche Abenteuer, z. B. in einer still gelegten Silbermine oder im eisigen Schneesturm bei einem Fahrradausflug. Wer die Faszination dieser Landschaft mit ihren Sagen und Bräuchen und der langen Geschichte von Invasoren erfahren hat, kommt immer wieder zurück oder bleibt wie Poppet, Tochter einer namenlosen prominenten Londonerin, die hier als 11jährige einige Tage verbringt, danach immer wieder zurückkehrt und schon beim ersten Treffen beschließt, sechs Jahre später Harry Teesdale zu heiraten und für immer zu bleiben.
Die Autorin reiht neun Geschichten um die beiden Familien und andere Dorfbewohner aneinander. Sie decken einen Zeitraum von fast 30 Jahren ab und zeigen Bell und Harry auch im Erwachsenenalter. Gardams im Original unter dem Titel “The Hollow Land“ bereits 1981 veröffentlichtes Buch wurde mit dem Whitbread Book Award in der Kategorie Kinderbuch ausgezeichnet, wendet sich aber inzwischen an Leser jeden Alters. Das Buch ist humorvoll und mit großer Wärme geschrieben und zeigt, wie tief die Menschen in ihrer Heimat verwurzelt sind und das schon seit Generationen. “Bell und Harry“ macht alle Fans von Gardams berühmter Trilogie um den Richter Edward Feathers mit dem lohnenden Frühwerk der Autorin bekannt. Ein schönes kleines Buch.

Bewertung vom 07.07.2019
Weiße Fracht / Leander Lost Bd.3
Ribeiro, Gil

Weiße Fracht / Leander Lost Bd.3


ausgezeichnet

Ein neuer Fall für Leander Lost
Mit “Weiße Fracht“ legt Gil Ribeiro alias Holger Karsten Schmidt den dritten Roman um den deutschen Polizisten Leander Lost aus Hamburg vor, der für ein Jahr in Fuseta an der Algarve tätig ist. Lost ist ein Asperger-Autist und hatte es nicht leicht – in seiner Kindheit und Jugend genauso wenig wie bei der Hamburger Polizei. In Fuseta hat er jedoch in der Sub-Inspektorin Graciana Rosado und ihrem Kollegen Carlos Esteves verständnisvolle Kollegen gefunden, die seine Eigenheiten akzeptieren und seine ganz besonderen Fähigkeiten zu schätzen wissen. Zudem hat er sich in Gracianas Schwester Soraia verliebt, was ihn noch zusätzlich an sein neues Umfeld bindet.
In Fuseta ist der deutsche Aussteiger Uwe Ronneberg ermordet worden. Es scheint Verbindungen zu zwei ungelösten Fällen auf der anderen Seite der Grenze zu geben. Dann passiert ein weiterer Mord, und der Fall weitet sich aus. Da sehen auch die beiden deutschen Polizisten Manz und Muhrmann, die der Hamburger Polizeipräsident zur Unterstützung an die Algarve geschickt hat, nicht klarer. Ausgerechnet Leander Lost steuert die entscheidenden Hinweise bei und sichert sich einen festen Platz im portugiesischen Team.
Der neue Krimi von Ribeiro lebt von der gelungenen Charakterzeichnung und dem portugiesischen Ambiente, das der Autor so sehr schätzt. Als Leser möchte man nach der Lektüre auch gern Land und Leute kennenlernen. Der Roman besticht außerdem durch viele humorvolle Szenen, die uns die Besonderheiten eines Asperger-Autisten näherbringen. Ein sehr empfehlenswerter Krimi.

Bewertung vom 22.06.2019
Das Verschwinden der Stephanie Mailer
Dicker, Joël

Das Verschwinden der Stephanie Mailer


gut

Wer steckt hinter den Morden von Orphea?
Fans von Joel Dicker haben den neuen Roman “Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ sicherlich schon mit Spannung erwartet. Die Handlung spielt sich im beschaulichen Ort Orphea in den Hamptons an der Ostküste ab. Am Tag der Eröffnung des ersten Theaterfestivals im Jahr 1994 werden Bürgermeister Gordon, seine Frau und sein Sohn sowie eine Joggerin ermordet. Der Fall wird von den beiden jungen Ermittlern Jesse Rosenberg und Derek Scott bearbeitet. Alle Indizien deuten auf einen Täter, der allerdings bei der Flucht vor der Polizei ums Leben kommt. Zwanzig Jahre später konfrontiert die Journalistin Stephanie Mailer Rosenberg bei seiner Verabschiedung mit ihrer Überzeugung, dass er sich mit dem Täter geirrt habe. Wenig später ist sie unauffindbar und wird nach ein paar Tagen ermordet aufgefunden. Die Akte wird wieder geöffnet und Rosenberg und Scott ermitteln erneut zusammen mit der jungen Polizistin Anna Kanner.
Auf fast 670 Seiten werden immer neue, meist falsche Spuren verfolgt, und es zeigt sich, dass unter der scheinbar intakten Oberfläche alles anders ist als vermutet. Es kommen weitere Menschen ums Leben, von denen einige indirekt mit dem Fall zu tun haben. Vielleicht wussten sie etwas, und der Täter fühlte sich bedroht. Nicht nur die Zeitebene wechselt in den kurzen Kapiteln ständig, sondern auch die Erzählperspektive. Mal erfährt der Leser die Sicht verschiedener Ich-Erzähler, mal berichtet ein auktorialer Erzähler. Das macht die Lektüre etwas mühsam und mindert die Spannung. Ich finde die Geschichte einigermaßen verwirrend, um nicht zu sagen stellenweise wirr. Auf die Frage, ob er vor Beginn des Schreibens einen Plot erarbeitet, antwortete der Autor in einem Interview “Mein Plot ist nicht zu plotten.“ Das glaube ich ihm aufs Wort.
Joel Dickers “Die Geschichte der Baltimores“ hat mir noch gut gefallen. Von dem neuen Roman bin ich eher enttäuscht.

Bewertung vom 22.06.2019
Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem / Golden Cage Bd.1
Läckberg, Camilla

Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem / Golden Cage Bd.1


gut

Frauen, wehrt euch
Faye und Jack Adelheim scheinen ein rundherum glückliches Paar zu sein, verkehren unter den Reichen und Schönen und haben eine kleine Tochter namens Julienne. Der Roman beginnt fast mit dem Endpunkt einer Entwicklung. Julienne ist spurlos verschwunden, und Jack wird verdächtigt. Hat er seine eigene Tochter umgebracht?
In vielen Rückblenden wird die Vergangenheit nachgeholt: wie Jack und Faye sich kennenlernen und die erste glückliche Zeit. Faye ordnet sich völlig unter, will in allem ihrem Mann gefallen, der sie immer schlechter behandelt und seine Verachtung offen zeigt. Dabei hat Faye, die ursprünglich Matilda hieß und ihren alten Namen zugunsten eines kompletten Neubeginns in Stockholm abgelegt hat, für Jack ihr Studium abgebrochen und jeden Gedanken an eine eigene Karriere aufgegeben. Ihren Beitrag zum erfolgreichen Unternehmen Compare leugnen sowohl Jack als auch sein Freund Henrik. Erst als sie gnadenlos ausgebootet und mittellos zurückgelassen wird, besinnt sich Faye auf ihre Stärke, die sie in ihrer schweren Kindheit in Fjällbacka gebraucht hat, um zu überleben. Darüber spricht sie nicht, das darf niemand wissen. Auch der Leser wird nach zahlreichen Hinweisen auf Geheimnisse und Fayes dunkle Seite erst spät darüber informiert, was damals geschah.
Der Roman liest sich nicht schlecht, ist aber in seinen negativen Porträts fast aller Männer sehr düster und teilweise recht einseitig. Jack ist ein so monströses Scheusal, dass er schon wieder unrealistisch wirkt. Allerdings ist auch Faye keine Unschuldige, die das Gute verkörpert. Ihre ausgeklügelte Rache zeigt, dass es auch für sie letztlich keine Grenzen gibt, keine ihr Handeln bestimmenden moralischen Prinzipien. Sie kämpft in einem Haifischbecken ums Überleben und will anderen Frauen helfen, es ihr gleichzutun. Was ist also die Botschaft dieses ersten Psychothrillers einer Autorin, die wir bisher nur aus ihrer Krimiserie kennen? Keine Frau sollte sich einem Mann bis zur Selbstaufgabe unterordnen und sich klein machen, um dem Partner zu gefallen. Materieller Wohlstand hat einen zu hohen Preis, und eine solche Beziehung ist dennoch zum Scheitern verurteilt, wie Läckberg überzeugend darlegt.

Bewertung vom 20.06.2019
ALLES WAS ICH DIR GEBEN WILL
Redondo, Dolores

ALLES WAS ICH DIR GEBEN WILL


ausgezeichnet

Unfall oder Mord
In Dolores Redondos Roman “Alles was ich dir geben will“ steht ein homosexuelles Paar im Mittelpunkt. Eines Tages teilt die Polizei dem Schriftsteller Manuel Ortigosa mit, dass sein Mann Alvaro in Galicien bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sei. Ortigosa war der Überzeugung, dass sich sein Partner geschäftlich in Barcelona aufhielt. Er fährt sofort nach Galicien und erfährt eine Menge Dinge, von denen er nichts wusste. Alvaro stammte aus einer reichen adligen Familie und war vor dem Tod des Vaters zum Alleinerben eingesetzt worden – trotz der Spannungen, die es in der erzkonservativen Familie natürlich wegen seiner Homosexualität gab. Seitdem führte Graf Alvaro Muniz de Dávila die Geschäfte und hielt das Familienvermögen zusammen.
Von Anfang an äußern ein Kommissar und die Gerichtsmedizinerin Zweifel an der offiziellen Todesursache. An den folgenden Ermittlungen beteiligen sich nicht nur Manuel Ortigosa, sondern auch der Priester Lucas, ein Freund von Alvaro und seinem Bruder Santiago. Es gibt weitere Tote. Alles hängt zusammen. Im Laufe der Zeit kommen immer mehr Intrigen und Geheimnisse ans Licht, die zeigen, wie weit einige Mitglieder dieser Familie zu gehen bereit sind, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Für Ortigosa ist es tröstlich, dass sein Partner ihn nicht hintergangen hat, sondern die Familiengeheimnisse aus gutem Grund gewahrt hat.
Redondo ist ein spannendes, sehr lesbares Porträt einer Gesellschaftsschicht gelungen, eingebettet in eine ganz besondere Landschaft. Mir hat der Roman sehr gut gefallen

Bewertung vom 10.06.2019
Ein perfider Plan / Hawthorne ermittelt Bd.1
Horowitz, Anthony

Ein perfider Plan / Hawthorne ermittelt Bd.1


sehr gut

Ein komplizierter Fall
Die Witwe Diana Cowper regelt im Detail ihre Beerdigung bei einem Bestatter und wird nur wenige Stunden später in ihrem Haus ermordet. Ihre Putzfrau findet sie erdrosselt erst zwei Tage später. Wurde Diana Cowper bedroht? Hat sie aus Angst ihre Angelegenheiten geordnet? Die Polizei hat den Privatdetektiv Hawthorne beauftragt, Ermittlungen in dem undurchsichtigen Fall anzustellen. Hawthorne nimmt Kontakt zu dem erfolgreichen Schriftsteller Anthony Horowitz auf, weil er möchte, dass ein Buch über diesen Mordfall und speziell seine erfolgreichen Ermittlungen geschrieben wird. Nach einigem Zögern nimmt Horowitz an.
Das Motiv für den Mord scheint mit einem 10 Jahre zurückliegenden Unfall zu tun zu haben, bei dem Diane Cowper einen Jungen tötete und seinen Bruder schwer verletzte. Sie beging Fahrerflucht, um ihren Sohn, den bekannten Schauspieler Damian Cowper, zu schützen und stellte sich erst Stunden nach dem Unfall. Ihr Freispruch könnte nach all den Jahren den Wunsch nach Rache ausgelöst haben. Normalerweise ist der Detektiv dem Schriftsteller immer einen Schritt voraus, aber dann glaubt Horowitz etwas entdeckt zu haben, was Hawthorne vielleicht übersehen hat. Er verabredet sich mit einem Verdächtigen an einem abgelegenen Ort und gerät in große Gefahr.
Mir hat der spannende Krimi gut gefallen. Hawthorne und Horowitz erinnern an das berühmte Duo Sherlock Holmes und Doctor Watson. Hier gibt es zusätzlich die Besonderheit, dass der Autor mit vielen bekannten Tatsachen aus seinem Leben zugleich als handelnde Person Teil der Fiktion wird. Das ist ausgesprochen raffiniert umgesetzt. Ich werde mit Sicherheit weitere Romane von Anthony Horowitz lesen.