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SBS

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Insgesamt 362 Bewertungen
Bewertung vom 25.09.2021
Morgen, Klufti, wird's was geben
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Morgen, Klufti, wird's was geben


sehr gut

Klufti ist einfach herrlich. Wer das nicht so sieht, wird mit diesem Büchlein keine Freude haben, aber auf allen anderen wartet eine sehr kurzweilige Weihnachtsgeschichte mit dem typisch verpeilten Kommissar, der in diesem Buch keinen Fall, aber dafür immerhin 24 Katastrophen zu managen hat. Manch einer würde sagen, die hat er sich selbst eingebrockt (ich zum Beispiel), aber Klufti wird einfach sehr oft fehlinterpretiert und hat es tatsächlich auch alles andere als leicht. Er wird beispielsweise mitten in seiner Lieblingssendung von der von der Leiter stützenden Frau unterbrochen. Zum Kümmern muss dann ausgerechnet noch Doktor Langhammer vorbeikommen und Erika muss tatsächlich ins Krankenhaus. Klufti soll sich derweil ganz allein um die Weihnachtsvorbereitungen kümmern. Wer ihn kennt, weiß – das wird nicht ohne Probleme abgehen. Und dann muss auch noch ausgerechnet jetzt das Schwiegerdings Joschi aus Japan zu Besuch kommen. Kluftis Denglisch und seine Versuche die deutschen Weihnachtstraditionen an den japanischen Mann zu bringen – einfach köstlich. Kriminalistisch wird es nie, aber ich möchte nicht viel mehr verraten, lest einfach selbst.



Was das Lesen betrifft, so ist das Buch in 24 Katastrophen eingeteilt, was es ermöglicht das Buch als eine Art Adventskalender zu nutzen. Mir war das allerdings nicht möglich, denn ich musste einfach wissen, was alles passieren wird. So habe ich das Büchlein quasi in einem Rutsch gelesen und dabei völlig die Zeit vergessen. Wer die Klufti-Reihe kennt, weiß: Natürlich darf man keine politische Korrektheit erwarten, das Frauenbild ist eher antiquiert und Klufti ziemlich konservativ in vielen Belangen, aber hier ist das so überzeichnet, dass es einfach nur urkomisch daherkommt. Humor ist ja immer schwierig zu bewerten, aber ich kann für mich sagen, dass ich etliche Male wirklich schallend gelacht habe. Und ich würde auch wieder zu einem Buch ohne einen Kriminalfall mit dem Kommissar greifen. Sein Privatleben bietet mehr als genug Potential...



Für Fans der Reihe ist das Büchlein, trotz des extrem stolzen Preises, sicher eine gute Sache und ich kann es mir auch sehr gut als Geschenk vorstellen. Nur Weihnachtsstimmung ist dabei nicht wirklich aufgekommen (und das liegt sicher nicht nur daran, dass es im September zum Lesezeitpunkt dafür zu früh gewesen wäre) - dafür war es dann doch bisschen zu sehr Klamauk und Chaos, aber der absolut humorvollen Art.

Bewertung vom 23.09.2021
Der schwarze Winter
Lindemann, Clara

Der schwarze Winter


ausgezeichnet

Der Krieg ist vorbei, doch das Leben noch immer hart. Rosemarie und Silke Bensdorf arbeiten auf einem Hof, bekommen kaum etwas zu essen und werden schlecht behandelt. Das gipfelt in einem Gewaltausbruch und die beiden Frauen fliehen – nur wohin? Auf ihrem Weg treffen sie auf Egon, der ihnen den Weg nach Hamburg zeigt und den Kontakt zum „Krüppel“ vermittelt, der ihnen möglicherweise helfen kann. Arbeit zu finden fällt beiden in der völlig zerstörten Stadt schwer, aber die beiden lassen sich so schnell nicht unterkriegen. Die Umstände ermöglichen Silke eine Bar für die Tommys zu führen und das zieht natürlich die Missgunst etlicher Männer auf sich…

Oft denkt man, der Krieg war vorbei, das Schlimmste überstanden. In Teilen ist das zwar richtig, aber die unmittelbare Nachkriegszeit war natürlich alles andere als rosig. Das Essen war knapp, überall lagen Trümmer, die Sitten waren rau und der Schwarzmarkt heiß umkämpft. Zudem war der Winter 1946 extrem kalt und die Kohle knapp. Viele Menschen, vor allem Kinder, Alte und Kranke litten unter den kleinen Rationen und mussten sehen, wo sie bleiben. Besser ging es jenen, die im Schwarzmarkt eine große Nummer waren, keine Skrupel kannten und gnadenlos ihr Ding durchzogen. Der Überlebenskampf ging also, auch unter den in britischen Besatzern in Hamburg, gnadenlos weiter.

Ich habe mittlerweile schon einige historische Bücher zu jener Zeit gelesen und muss sagen, dass dieser Roman auf jeden Fall einer der besten war. Der Schreibstil ist einfach phänomenal. Wie die Autorin die Situationen schildert, egal wie grausam - man hat das Gefühl mittendrin im Geschehen zu sein. Wie sie die Verhältnisse darstellt, wie alles miteinander in Beziehung steht – so sollte es auch in Schulbüchern stehen, dann wäre vieles, viel schneller verständlich und nachvollziehbar. Auch die Ungerechtigkeiten werden deutlich herausgearbeitet und vor allem Frauen hatten ein hartes Los, wurden nicht ernstgenommen und dass eine Frau Geschäfte machen sollte, dass wollten so einige Männer nicht akzeptieren und haben entsprechend immer wieder versucht Silke zu denunzieren. Doch damit hatte sie es noch besser als andere Frauen… Hier gab es etliche Passagen, die mein Blut in Wallung brachten, die Ungerechtigkeit und Missgunst war überbordend und man hofft einfach, dass die schwarzen Schafe ihre gerechte Strafe erhalten. Doch sie stellen sich sehr geschickt an….
Die Charaktere, vor allem Silke, Rosemarie, Allan und Hans sind extrem gut ausgearbeitet. Die Schwestern sind sehr verschieden, dennoch raufen sie sich zusammen und finden Freunde, die ihnen zur Seite stehen.

Insgesamt ist es ein oft erschütterndes Buch, dass einen nachdenklich stimmt und noch einmal verdeutlicht, wie gut wir es heute haben. Es ist ein Buch gegen das Vergessen und teils auch wirklich einfach schlimm, jedoch lässt sich das Buch trotzdem sehr gut lesen und fesselt von der ersten Seite an.

Und auch wenn ich nun viel gelobt habe, dieses Ende nach dem Showdown war einfach viel zu lieblich. Ein Hollywood-Ende aller erster Güte, dass zum Glück nicht viele Seiten einnahm, denn ein schönes, hoffnungsvolles Ende hatte ich mir zwar gewünscht, aber hier lief es dann für meinen Geschmack zu glatt, fast hatte ich das Gefühl die letzten Seiten hätte jemand anderes geschrieben. Unter dem Strich tut es dem Buch jedoch keinen Abbruch, sodass ich es nur empfehlen kann und 4,5 Sterne vergebe.

Bewertung vom 14.09.2021
Die andere Tochter
Golch, Dinah Marte

Die andere Tochter


sehr gut

Antonia entrümpelt die Wohnungen Verstorbener und verunfallt in einer Wohnung schwer. Sie erblindet, doch durch eine Hornhautspende erlangt sie wieder das Augenlicht. Doch Toni hat sich geändert, ihre Welt wurde aus den Angeln gehoben. Sie möchte sich bei der Familie des Spenders bedanken – und setzt damit eine Kette unerwarteter Ereignisse in Gang.

Ich hatte meine Startschwierigkeiten mit dem Buch. Schon schnell geschieht der Unfall, die OP und die Kontaktaufnahme zur Spenderfamilie, Auch wenn das sehr flott ging, lief es mir an anderer Stelle einfach viel zu langsam. Andererseits passiert auch irgendwie zu viel. Klingt merkwürdig und ambivalent, aber in der Nachbetrachtung ist ein sehr zwiespältiges Gefühl entstanden, dass ich nicht loswerde. An sich passt es auch zur Geschichte sehr, denn auch da ist manches sehr ambivalent.

Dazu hatte ich mit der Protagonistin ein wenig zu kämpfen, denn so richtig warm wurde ich mit ihr nicht. Ihr ambivalentes Verhalten als solches war aber schon gut dargestellt und unter den Umständen verhält man sich vielleicht auch nicht sehr rational und je weiter die Geschichte voranschreitet, desto klarer wird auch, warum ihr Verhalten manchmal sehr überraschend ist.

Ich denke eine etwas dünnere Version der Geschichte hätte mir persönlich besser zugesagt, denn gerade die rund ersten 150 Seiten waren mir einfach auch nicht spannend genug. Aber die Neugier war da und daher habe ich weitergelesen, in der Hoffnung, dass es noch besser werde und das wurde es auf jeden Fall.

So, ganz schön viel Kritik, aber der Roman hatte auch seine positiven Seiten. Es gibt überraschende Wendungen und der Roman ist extrem vielschichtig und teils auch unerwartet spannend. Der Schreibstil ist an sich gut zu lesen, flüssig und stimmig. Besonders gut gefielen mir die beiden Zeitebenen, die zeitlich nicht weit auseinander liegen, aber Welten trennen.

Mir gefällt sehr gut, dass das Thema Organspende und mögliche Auswirkungen so präsent ist. Das ist kein Thema, dass man mal eben zwischen Tür und Angel entscheidet und die Auseinandersetzung damit ist daher eine gute Sache. Es gab auch noch weitere große Themengebiete, die ich nicht näher beschreiben kann, um Spoiler zu vermeiden, aber auch die waren für sich interessant - nur war es mir dann doch einfach zu viel für ein einziges Buch.

Für mich war der Anfang einfach zu zäh, hintenraus war das Buch dann aber schon ziemlich überzeugend, sodass ich am Ende 3,5 Sterne vergebe und das Familiendrama gerne Lesern empfehle, die eine Geschichte zu den psychologischen Folgen einer Organspende lesen möchten.

Bewertung vom 08.09.2021
Gegen alle Regeln / Strafverteidiger Pirlo Bd.1
Bott, Ingo

Gegen alle Regeln / Strafverteidiger Pirlo Bd.1


ausgezeichnet

Der Strafverteidiger Pirlo schwamm nach einem großen – gewonnenen – Fall auf der Erfolgswelle. Damit zog er Neider an und die sorgten für seinen tiefen Fall. Aus der Kanzlei geworfen, scheint Pirlo am Anfang des Buches bereits am Ende, doch dann klingelt eine Frau an seiner Haustür und hat einen Fall für ihn. Einen scheinbar sehr eindeutigen und gleichermaßen aussichtslosen Fall, aber Pirlo nimmt ihn an, eröffnet eine Art Wohnzimmerkanzlei. Unterstützt wird er von einer jungen Anwältin und dann ist da noch die Familie. In Pirlos Fall eine ganz spezielle Besonderheit, die für zusätzlichen Stress sorgt…

Justizgeschichten lese ich nicht sehr regelmäßig, dabei mag ich sie eigentlich. Nur – muss man auch die guten Geschichten erst einmal entdecken. Bei Pirlo hatte mich direkt der Klappentext angesprochen, verspricht er doch einen besonderen Protagonisten und genau den bekommt der Leser. Nicht unbedingt auf Anhieb sympathisch und mit einigen Problemen behaftet, aber ziemlich gewitzt und ehrgeizig kommt der Strafverteidiger daher. Er ist erfrischend anders, sein familiärer Backround alles andere als alltäglich. Und genauso außergewöhnlich sind auch seine Methoden – zumindest, wenn er in die Enge getrieben wird. Der Titel „Gegen alle Regeln“ passt, soviel sei gesagt. Unterstützt wird er von einer jungen Anwältin, die ebenso viel Schneid hat, und doch so ganz anders ist, als ihr Chef. Das macht das Zusammenspiel der beiden sehr unterhaltsam und bringt auch den Fall immer wieder voran.

Der übernommene Fall wirkt sehr eindeutig, eine Verteidigung extrem schwierig bis aussichtslos und dann ist die Mandantin auch noch sehr speziell. Zu viel will ich nicht verraten, aber ich hätte das Mandat sicher ganz schnell niedergelegt….nicht so Pirlo.

Das Geschehen vor Gericht ist sehr bildlich, das Kopfkino springt sofort an und man bemerkt die Erfahrung des Autors ganz deutlich. Die Spannung ist nicht immer auf dem höchsten Level, aber immer ist die Frage im Hinterkopf: Was ist denn nun wirklich vorgefallen? Kann Pirlo der Wahrheit auf die Sprünge helfen? Das Ende fand ich stimmig, gut durchdacht und mir gefiel es sehr gut.
Der Schreibstil ist angenehm flüssig, gut zu lesen und die Geschichte mit ihren Perspektiv- und Zeitsprüngen so gut aufgebaut, dass man das Buch irgendwann kaum mehr aus den Händen legen mag.

Der Auftakt hat mich fast auf ganzer Linie überzeugt, auch wenn mir dann manches mit dem Clan doch ein wenig zu viel war. Die Reihe werde ich sicher fortsetzen und empfehle sie auch gerne weiter.

Bewertung vom 02.09.2021
Eskalation
Benrath, Nora

Eskalation


gut

Dina will eigentlich nur schnell nach Hause fahren, doch ein Mann hat sie auf dem Handy angerufen und bedroht sie. Er fährt hinter ihr her und zwingt sie nach seinem Willen durch die Gegend zu fahren – ein echter Alptraum. Dina weiß nicht, wie sie sich verhalten soll, dann gerät sie in eine Polizeikontrolle und das reinste Chaos bricht aus. Dina verschwindet, ihr gesamtes Umfeld wird von der Polizei durchwühlt, aber sie bleibt verschwunden…

Der Plot und die Leseprobe haben mich so angesprochen, dass ich gar nicht mehr lange überlegen musste, schon befand sich das Buch im Warenkorb. Anfangs hat mich die Geschichte auch extrem gefesselt und ich kann schon verraten: Das Gefühl hielt lange an, aber es wurde nach und nach leider deutlich schwächer.

Was hat Dina getan, um so bedroht zu werden? Was ist die Motivation des Täters? Wird Dina noch gerettet werden? Fragen über Fragen, die sich nach und nach ergeben und auf die ich natürlich eine Antwort haben wollte. Ich tappe sehr lange im Dunklen, hatte den einen oder anderen Verdacht. Mit manchem lag ich auch richtig, allein die tatsächlichen Hintergründe, darauf wäre ich im Leben nicht gekommen. Und hier liegt auch einer meiner Kritikpunkte, den ich, um Spoiler zu vermeiden, nicht richtig ausarbeiten kann, aber so viel: Die Ausgangslage hat richtig Potential, und der Mittelteil war auch mehrheitlich richtig gut, während die Tätermotivation und das Ende insgesamt dann doch etwas dürftig waren, teils fand ich es auch einfach nicht ganz nachvollziehbar. Und dazu wirkte es auf mich auch ziemlich konstruiert. Der ach so übermächtige Täter ging mit gelegentlich auf die Nerven und wirkte nicht immer glaubwürdig.

Die Geschichte ist in weiten Teilen sehr spannend und durch die meist kurzen Kapitel, zahlreiche Cliffhanger und das Tempo einfach kaum aus der Hand zu legen. Das Tempo ist hoch und gefallen haben mir auch die verschiedenen Perspektiven, die ein ganzheitliches Bild ergeben und z.B. auch die Ermittlungen genauer beschreiben. Das Geschehen nimmt auch schnell Fahrt auf und der Stil ist insgesamt gut, mit kleineren Ausnahmen, die jedoch nicht so sehr ins Gewicht fallen. Die Charaktere fand ich ausbaufähig, aber beim Lesen hat es nicht gestört, dass sie vielleicht noch etwas mehr Potential gehabt hätten. Aber und das fand ich richtig gut: Man bekommt einmal vor Augen geführt, was passieren kann, wenn man zu sorglos mit seinen persönlichen Daten umgeht…

Bewertung vom 24.08.2021
Wellenflug
Neumann, Constanze

Wellenflug


ausgezeichnet

Anna Reichenheim ist jüdischen Ursprungs und in ihrer Zeit war es eminent „richtig“ zu heiraten. Genau das ist ihr gelungen und sie gebar einige Kinder, um deren Wohl sie ständig gemüht war. Einzig der Älteste schlägt aus der Reihe und vergnügt sich lieber im nächtlichen Treiben Berlins. Dort trifft er auf Marie, eine junge Frau, die alles andere als standesgemäß, aber herzensgut ist. Reibereien und Streit innerhalb der Familie sind vorprogrammiert.

In ersten Teil geht es um die Geschichte Annas, die als Kind schon irgendwie ihren eigenen Kopf hatte und sehr gerne mit dem Vater im Kontor unterwegs war – auch wenn die Mutter das nicht sehr gerne sah. Mit dem Tod ihrer Schwester muss Anna schnell erwachsen werden. Fortan wurde Wert daraufgelegt, dass sie standesgemäß heiraten wird und einen großen Haushalt führen kann. Anna findet dann tatsächlich einen passenden Mann, den sie auch gernhat, doch Adolph Reichenheim war immer schon kränklich und verstirbt früh. Dessen Bruder nimmt jedoch seine Stelle ein und Anna lebt mit ihren Kindern wohlhabend mitten in Berlin. Immer mehr Kinder kommen zur Welt und alle sind wohl geraten – nur der älteste Sohn Heinrich hat nur Flausen im Kopf. Statt im Textilbetrieb seines Vater zu arbeiten oder anderweitig Karriere zu machen, ist er auf seinen Lustgewinn aus und schert sich nicht um Familientraditionen.

Im zweiten Teil geht es um Marie, die aus ärmlichen Verhältnissen stammt und die es auch in Berlin nicht so richtig voran schafft, trotz ihrer Bemühungen. Sie trifft auf Heinrich und Welt prallen aufeinander. Marie heiratet Heinrich, obwohl einiges im Argen liegt und sie nicht von dessen Mutter akzeptiert wird. Die beiden Frauen sind so unterschiedlich in ihrem Denken und Handeln, sind dazwischen nicht nur eine Generation, sondern eben auch eklatante Standesunterschiede, die unüberbrückbar scheinen.

Beide Frauen sind etwas Besonderes und ich mochte auch beide, denn aus ihrem Blickwinkel betrachtet haben sie immer nur das Beste gewollt und versucht. Im ersten Teil war mir Anna ziemlich sympathisch und man verstand ihre Beweggründe sehr gut anhand ihrer Biografie. Auch Annas Handeln ist verständlich – nur in der Geschichte der jeweils anderen hält sich die Sympathie dann in Grenzen. Hier wird sehr deutlich, dass an dem Spruch – „Bevor du urteilst, ziehe meine Schuhe an und gehe meinen Weg“ – schon einiges dran sein kann.
Besonders reizvoll ist natürlich, dass der Geschichte reale Personen und Ereignisse zu Grunde liegen und die Geschichte somit noch deutlich mehr Tiefe hat, als ein rein fiktionale. Die Verbindung der beiden Frauen, die unterschiedlicher kaum sein könnten, eingebettet in den historischen Hintergrund, der immerhin die beiden Weltkriege beinhaltet, ist richtig gut gelungen.
Der Schreibstil ist ansprechend, fesselnd, spannend und unterhaltsam. Die Autorin schafft es, trotz schier endloser Figuren, die wesentlichen Charaktere so gut zu beschreiben, dass man sie auseinanderhalten kann. Die Entwicklung des Nationalsozialismus ist sehr gut nachvollziehbar dargestellt, auch das manche eben nicht direkt verstanden, wie schlimm noch alles werden würde.

Mich hat das Buch wirklich begeistert und ich empfehle es daher auch gerne weiter, besonders an Leser mit Faible für besondere Familiengeschichten.

Bewertung vom 14.08.2021
Der Mauersegler
Schreiber, Jasmin

Der Mauersegler


ausgezeichnet

Arzt Prometheus ist am Boden zerstört und weiß weder ein, noch aus. Völlig planlos ist er geflüchtet, vor den Ereignissen in seiner Umgebung, aber auch sich selbst und seiner tiefen Schuld. Er strandet in Dänemark und trifft dort auf zwei besondere Frauen.
Prometheus, eigentlich Marvin, ist seit seiner Kindheit mit Jakob befreundet. Sie sind immer gemeinsam durch dick und dünn gegangen. Nun ist Jakob an Blasenkrebs erkrankt, und es haben sich auch schon Metastasen gebildet. Prometheus, ein engagierter Arzt, hat gerade eine Studie am Laufen, die sich genau mit dem Krankheitsbild beschäftigt. Anstelle von Chemo forscht er mit Immuntherapien und schleust Jakob in die Studie ein. Die scheint nicht so anzuschlagen und es wird wirklich dramatisch.
Eigentlich hatte ich genug von Krebsbüchern (vor ein paar Jahren hatte ich ständig welche gelesen), aber hier mache ich natürlich eine Ausnahme. Die Autorin hat einen bemerkenswerten Schreibstil. Man liest sich schnell fest, zum einen aufgrund der Geschichte als solcher, aber auch weil sie eine gelungene Mischung aus humor- und gefühlvollen Momenten bietet. Die Kapitel sind kurz und man will unbedingt mehr erfahren, zudem ist ihre Schreibe einfach sehr locker und leicht zu lesen. Auch die verschiedenen Zeitebenen sind gut kombiniert. Lange ist auch unklar wo genau Prometheus einen Fehler gemacht haben will. Erst nach und nach wird immer mehr erkennbar und man fragt sich: Was hätte ich getan? Kann man Prometheus Handeln nachvollziehen? Bis zu welchem Punkt? Das Buch zeigt sehr deutlich: Gut gemeint ist nicht gut gemacht.
Jasmin Schreiber hat das Zeug zu einer Lieblingsautorin mit ihrem schönen Stil, dem man immer wieder anmerkt, dass sie auch Biologin ist. Und das ist im positivsten Sinne gemeint, denn man erfährt hier nicht nur über den Mauersegler so einiges.
Mich hat das Buch einfach begeistert, ich freue mich schon auf die nächste Geschichte der Autorin und empfehle diese solange weiter, auch wenn es alles andere als leichte Kost ist.

Bewertung vom 13.08.2021
Diabolic - Fatales Vergehen / Wyoming Bd.2
Jackson, Lisa;Bush, Nancy;Noonan, Rosalind

Diabolic - Fatales Vergehen / Wyoming Bd.2


gut

Ruth, Shiloh und Kat baden als Jugend nachts nackt in einem kleinen See und werden dabei beobachtet. Als wäre das nicht genug, greift der Täter an und vergewaltigt Ruthie, die Tochter des Pfarrers. In letzter Sekunde können die Mädchen noch schlimmeres verhindern und flüchten. 15 Jahre später sind sie alle wieder zurück in der Kleinstadt. Es verschwindet ein Mädchen und das Geheimnis aus der Vergangenheit scheint ans Licht zu kommen, muss es vielleicht sogar, um den Täter zu stoppen.

Ich fand es nicht so ganz nachvollziehbar und auch nicht wirklich authentisch, dass die Mädels wirklich 15 Jahre über das Erlittene schwiegen. Wie konnten das die Eltern nicht merken? Klar, jede von ihnen hatte Eltern, die etwas speziell waren bzw. anderes um die Ohren hatten, und dennoch. Auch andere Bezugspersonen, wie beispielsweise Lehrer scheinen nicht gemerkt zu haben, dass da was ganz böse schiefgelaufen ist. Und Geheimnisse - die kommen doch eigentlich auch immer wieder raus. Aber nun gut, wenn man das als gegeben annimmt und sich nicht weiter daran stört, dann stellen sich doch direkt einige spannende Fragen. Wer hatte Ruthie damals vergewaltigt? Ist er auch am Verschwinden der anderen Mädchen beteiligt? Ist er noch aktiv?

Die Geschichte wird aus drei Perspektiven geschildert. Da ist die taffe Shiloh, die damals nach den Ereignissen abgehauen ist und nun zurückkehrt, auch die Pfarrerstochter Ruthie hatte der Stadt den Rücken gekehrt und ist nun wieder mit ihrer Tochter zurückgekommen. Und dann gibt es noch Kat, die in die Fußstapfen ihres Vaters getreten ist und als Polizistin in der Kleinstadt tätig ist. Nun treffen sie alle wieder zusammen und nicht nur das – auch der Täter scheint noch aktiv zu sein. Was tun? Spätestens als die drei Frauen direkt bedroht werden, wird klar: Das Schweigen muss ein Ende haben. Können die drei noch das jüngst entführte Mädchen retten?

Weitere Kritikpunkte: Zum Ende hin ging es dann ein bisschen arg schnell und plötzlich ist alles klar. Da hätte ich ein wenig mehr erwartet, zumindest etwas mehr zum Motiv des Täters. Und dann sind die Männer allesamt so dermaßen potent und unersättlich. Irgendwann musste ich doch mit den Augen rollen und hatte echt genug von den Liebesszenen, die einander die Hand reichten. Klar- es darf zwischendurch auch mal gerne die eine oder andere Bettszene kommen, wenn es passt, dann ist das kein Problem. Hier erschien es mir aber sowas von zwanghaft die Protagonistinnen in Action zu erleben. Da hätte ich mir doch lieber mehr Thriller gewünscht. Da die Geschichte als solche gut war, ich es – bis auf einige Stellen gerne gelesen habe - und der Schreibstil auch weitgehend gelungen, gibt es dann 3,5 Sterne.

Bewertung vom 10.08.2021
Heimatsterben
Höflich, Sarah

Heimatsterben


ausgezeichnet

Familienoberhaupt Tilde hatte den zweiten Weltkrieg mit einem Säugling an der Seite überlebt, doch nun ist ihre Zeit gekommen. Als sie stirbt, bittet sie ihre Enkelin Hanna auf deren Schwester aufzupassen. Aus gutem Grund, denn Hannas Schwager hat große politische Pläne.
Familiengeschichten, dazu noch in einem politischen Kontext eingebettet, sind genau mein Ding, darum war schnell klar: Das Buch muss ich haben und ich kann schon direkt verraten, dass das Buch meinen Erwartungen weitgehend entsprach.
Der Schreibstil ist rund und somit lässt sich das Buch fast in einem Rutsch lesen, zumal man sich immer wieder fragt, wohin alles führen wird. Die Protagonisten, allen voran Hanna sind schnell eingeführt und man hat direkt ein Bild vor Augen. Die Familienkonstellationen werden gut nachvollziehbar geschildert – notfalls kann man ja auch mal bei dem optisch schön in Szene gesetzten Stammbaum nachsehen. Manche Charaktere bleiben etwas blasser, aber ihre Beweggründe werden offensichtlich und darauf kommt es letztlich an. Wie alles ineinandergreift fand ich nachvollziehbar und vieles auch ein wenig absehbar, aber das tat der Geschichte keinen Abbruch.
Überrascht hatte mich ein wenig, dass die Geschichte in der Zukunft spielt, aber das hat auf jeden Fall einen Reiz, denn aktuelle Entwicklungen können somit „weitergesponnen“ werden und es zeigt sich, was passieren könnte. Dabei sind die Entwicklungen teils wirklich sehr dramatisch, aber nicht völlig utopisch, wenn man sich mal so manches genauer ansieht und gewisse Tendenzen in mancher Bevölkerungsschicht mal genauer unter die Lupe nimmt. Und was das Buch auch eindrücklich zeigt: Man kann seine moralischen Vorstellungen haben und doch in Geschichten reingezogen werden, die den eigenen Vorstellungen eigentlich widersprechen. Und wenn man dann einmal drin hängt….
Die Familiengeschichte ist konstant Thema, aber immer und immer wieder wird das politische System gekonnt eingebunden und die Geschichte vorangetrieben, teils mit Rückblicken in die jüngere Vergangenheit, teils bis zurück in den zweiten Weltkrieg und die Flucht Tildes. Dann gibt es auch noch weitere Themenkomplexe, wie Homosexualität, was macht die Macht mit Menschen, wie arbeitet der Wiederstand und so vieles mehr – was in Summe ein gutes, stimmiges Gesamtbild ergibt. Wenn schon die Rede von „Bild“ ist, dann muss ich auch mal eine Ausnahme machen und etwas zu Cover sagen: Es passt extrem gut und auch wenn es sicher erst einmal nicht ganz so schön wirkt – es hat seinen Reiz.
Es ist ein fiktionales Werk, ein Gedankenspiel, wie sich unsere nähere Zukunft entwickeln könnte, dass ich sehr gerne weiterempfehle und mich sicher immer wieder zum Nachdenken anregen wird.

Bewertung vom 01.08.2021
Julius oder die Schönheit des Spiels
Saller, Tom

Julius oder die Schönheit des Spiels


sehr gut

Julius, ist ein Adeliger, der mit seinen Eltern und den Schwestern noch oben auf einer Burg im Rheinland lebt. Dort beginnt er zum Spaß mit dem Tennis, und erkennt bald, dass es mehr für ihn ist, als ein Freizeitvergnügen. Seine Gedanken kreisen nur um den Sport und das entsprechende Talent und den Willen hat er ebenso. Während Julius zur Schule geht und sich dem Sport verschreibt, beginnt die kurze Herrschaft der Separatisten zur Rheinischen Republik. Julius trainiert, legt das Abitur ab und zieht nach Berlin zum Studium und Tennis spielen. Er wird immer erfolgreicher, aber das Leben in Berlin zieht nicht spurlos an dem jungen Mann vorbei. Trotzdem bleibt er meist der Gentleman auf und neben dem Platz, doch das passt nicht jedem.

Tennis ist an sich so gar nicht mein Sport – weder zum selbst spielen und schon gar nicht zu zuschauen. Früher war es mir zu elitär, heute ist es nicht viel anders. Dennoch hatte das Buch mich direkt angesprochen. Es hatte mich selbst ein wenig überrascht, aber ich lese gerne von Sportlern und Geschichten rund um den Sport und als ich dann sah, dass der fiktive Roman, inspiriert vom Leben von Gottfried Freiherr von Cramms, dem „Tennis-Baron“, vor allem in den 20er und 30er spielt, da war klar: Will ich lesen.

Ich habe es auch nicht bereut, auch wenn mit der Tennis-Baron kein Begriff war und seine Lebenswelt mir fremd (was für den Spannungsaufbau des Buches auch gut war, also ich rate dringend vom Recherchieren im Vorfeld ab!), so habe ich doch mit Julius die Schönheit des Spiels tatsächlich erkennen können. Tennis wurde hier auch für den Laien greifbar. Doch nicht nur Tennis war interessant und gut verständlich dargestellt, ebenso die feine Sportlerseele, sowie das Leben jener Zeit. Die Ausschweifungen der 20 in Berlin, aber auch die dunklen Zeiten, die danach kamen. Die Mischung von Leistungssport und Nationalsozialismus ist gut dargestellt und wirklich interessant. Wie das Regime vorging, ist sehr gut dargestellt und zeigt ihre widerliche, niederträchtige Vorgehensweise sehr gut. Nur weil sich Julius nicht so einfügt, wie das das Regime gerne hätte, muss er einen hohen Preis bezahlten. Man hofft und bangt bis zur letzten Seite mit.

Zwischendurch gab es immer wieder mal Stellen, die mir dann etwas zu sehr ins Detail gingen (meist beim Tennis), aber das war schnell auch wieder vorüber und es kamen neue Kapitel, andere Einblicke, neue Zeiten – nicht immer bessere, sodass ich das Buch wirklich schnell gelesen hatte und mir den Autor merken werde, denn es war für mich das erste seiner Bücher, aber der Schreibstil war so überzeugend, dass ich sicher auch seine anderen noch lesen werde. Der Schreibstil ist sehr bildlich, selbst die Situationen auf dem Platz konnte ich mir lebhaft vorstellen. Das eine Grundthema, dass ich hier ganz bewusst nicht anschneide, hat mir sehr gut gefallen in seiner Umsetzung.

Ich kann dieses Buch sportaffinen, historisch interessierten Lesern und natürlich Freunden des Tennis ganz besonders als Herz legen.