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Dajobama

Bewertungen

Insgesamt 132 Bewertungen
Bewertung vom 06.05.2021
Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte
T_îbuleac, Tatiana;Tîbuleac, Tatiana

Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte


sehr gut

Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte – Tatiana Tibuleac

Es ist der blanke Hass, der dem Leser gleich auf den ersten Seiten dieses ungewöhnlichen Romans entgegenschlägt. Ungefiltert und beinahe unerträglich stark sind die negativen Gefühle, die der siebzehnjährige Aleksy seiner Mutter gegenüber empfindet. Nach einer schwierigen Kindheit holt sie ihn aus dem Erziehungsheim ab, um einen ganzen Sommer in Nordfrankreich mit ihm zu verbringen. Was Anfangs unvorstellbar erscheint, wird tatsächlich ein Urlaub, der alles verändert.

Dieser Roman beginnt richtig stark. Aleksys Hass erschlägt einen regelrecht. Was ist passiert, dass er seine Mutter so sehr hasst? Die Sprache ist knallhart, spiegelt seine Gedanken wider, wie eben ein Siebzehnjähriger, der von der ganzen Welt enttäuscht ist, so denken mag. Mit sämtlichen Beleidigungen, auch unterhalb der Gürtellinie. Der Erzählstil ist zudem sprunghaft, abrupt.

Wie gesagt, dieser spezielle Stil hat mich gerade im ersten Teil sehr begeistert. Eindringlich und besonders. Diese Begeisterung hat dann aber stark nachgelassen. Zu unwahrscheinlich manche Entwicklung, zu sehr schwarz-weiß manche Darstellung. Durch die etwas sprunghafte Erzählweise blieb doch vieles ungeklärt und sehr offen. Zu viele Bruchstücke, die mir für eine runde Geschichte fehlten.

Dennoch – sowohl Aleksy als auch seine Mutter machen eine wahnsinnige Entwicklung durch, die wirklich schön zu verfolgen ist. Damit reiht sich dieser Roman ein in eine ganze Riege „dieser-eine-spezielle-Sommer-Bücher“, die dieses Jahr scheinbar vermehrt erscheinen. Allerdings hab ich bereits mehrere gelesen, die mir besser gefallen haben. Deshalb reicht es hier gerade noch für 4 Sterne!

Bewertung vom 05.05.2021
Die Geschichte von Kat und Easy
Pásztor, Susann

Die Geschichte von Kat und Easy


ausgezeichnet

Die Geschichte von Kat und Easy – Susann Pasztor
Um es vorab zu sagen: das ist für mich ein Jahreshighlight 2021! Ein Roman, so berührend und aufwühlend, dass er mich noch lange beschäftigt hat.
Die Geschichte einer ganz besonderen Freundschaft zwischen Kat und Easy wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Im Heute treffen sich die beiden inzwischen erwachsenen Frauen auf der griechischen Insel Kreta. Dort verbringen sie eine Woche zusammen und versuchen, ein jahrzehntelanges Schweigen zu brechen und die Ereignisse eines schicksalhaften Sommers ihrer Jugend aufzuarbeiten. Der zweite Erzählstrang spiel in eben jenem Jahr 1973, als beide Mädchen in denselben Jungen, Fripp, verliebt waren. Nach einem tragischen Unfall nimmt die Freundschaft ein jähes Ende. Aber was ist damals wirklich passiert?
Susann Pasztor hat einen wahnsinnig tollen Schreibstil. Von der allerersten Seite an, hat sie mich damit gepackt und nicht mehr losgelassen. Augenblicklich fühlte ich mich in meine eigene Jugend zurückversetzt. Insbesondere der Erzählstrang in der Jugend erinnerte mich stark an den Schreibstil von Benedikt Wells. Schnoddrig und mit guter Portion Herzenswärme. Auf jeden Fall ganz nah am echten Leben. Mit einer unglaublichen Authentizität und Eindringlichkeit erweckt sie Kat und Easy zum Leben. Das gelingt ihr sowohl bei den sechzehnjährigen Mädchen, als auch bei den reifen Frauen. Das finde ich wirklich bemerkenswert.
Dieses Jahr 1973 hat für beide Frauen Weichen gestellt, hat sie fürs Leben geprägt. Wären diese anders (glücklicher?) verlaufen, wären sie Fripp niemals begegnet? Kann eine einzige tragisch endende Liebe in der Jugend, ein ganzes Leben beeinflussen? Und was ist denn nun eigentlich genau passiert? Es sind große tiefgreifende Fragen, die hier aufgeworfen werden, die vermutlich jeden Leser bereits einmal beschäftigt haben.
Es passiert nicht allzu oft, dass mich ein Buch nach dem Beenden noch derart beschäftigt. Immer wieder überlegte ich mir andere Variationen. Was wäre gewesen, wenn… Warum hat Easy so gehandelt.. etc. etc.
Ein tolles, ein großartiges Buch und eine absolute Leseempfehlung!
Highlight – 5 Sterne!

Bewertung vom 01.05.2021
Weiße Finsternis
Wacker, Florian

Weiße Finsternis


ausgezeichnet

Weiße Finsternis – Florian Wacker
Nachdem mich bereits sein Werk „Stromland“ damals sehr begeistern konnte, musste ich Florian Wackers neuen Roman „Weiße Finsternis“ unbedingt lesen. Und tatsächlich hat mir dieses Buch sogar noch besser gefallen! Ein literarisches Meisterwerk!
Der Autor greift den historisch belegten Fall zweier vermisster Seeleute der Amundsen-Expedition von 1919 auf und beschreibt einen möglichen Verlauf der Geschichte.
Peter und Paul sind beste Freunde, bereits seit Kindertagen. 1919 befinden sich die beiden auf einer gefährlichen Reise, per Ski und Hundeschlitten durchs ewige Eis des Polarmeers. Sie gehören zur Crew von Amundsens Forscherschiff Maud, die im Eis steckengeblieben, dort überwintern muss. Peter und Paul sind aufgebrochen, um Nachrichten zur weit entfernten Wetterstation zu bringen. Doch Peter ist krank, die Reise gefährlich, gerade zur ungünstigsten Reisezeit im Winter. Die Männer verbindet außerdem die Liebe zu ein und derselben Frau, Liv. Dieses Abenteuer entwickelt sich zum Überlebenskampf und die Frage wird immer offensichtlicher: worum geht es wirklich, bei diesem waghalsigen Unternehmen?
Zwei Jahre später bricht ein Expeditionsteam auf, um nach Spuren der nie bei der Station angekommenen Männern zu suchen. Dieser Roman wird auf zwei Handlungssträngen erzählt: 1919, Peter und Paul, der Überlebenskampf im ewigen Eis. Und 1921, die Suchmission. Geradezu genial verwebt Wacker die beiden Stränge. Parallel erfährt man immer mehr über das Schicksal der beiden Hauptprotagonisten. Mal erlebt man ein Abenteuer in einer Bucht mit Peter und Paul, wovon auf den nächsten Seiten das Expeditionsteam die Spuren entdecken. Dann wieder finden die Männer der Suchmission Hinterlassenschaften, deren Ursprung kurz darauf aufgeklärt werden. Wobei die Suchenden durchaus dem ein oder anderen Irrtum aufsitzen.
Ergänzt wird dieser spannende Abenteuerroman durch Briefe von und an Liv. Bereits im Klappentext wird eine Dreiecksgeschichte angekündigt, die mit dem Überlebenskampf von Peter und Paul zu tun hat. Dazu gibt es etliche wundervolle Rückblenden in die Kindheit der drei. Tatsächlich fand ich diese Geschichte im Hintergrund fast genauso spannend, wie die Reise der Männer selbst.
Florian Wacker hat einen ganz wundervollen Schreibstil. Bildgewaltig und literarisch hochwertig nimmt er seine Leser mühelos mit ins ewige Eis. Die Geschichte ist unheimlich komplex und atmosphärisch dicht. Hatte ich anfangs Probleme mit den vielen Namen und unbekannten Orten, war ich bald wie gebannt von diesem Abenteuer in einer höchst unwirtlichen Gegend. Allerdings muss man dem Buch schon etwas Zeit widmen, um seinen Lesesog entwickeln zu können. Mich hat es zu etlichen Internet-Recherchen angeregt.
Ein wunderbares Leseerlebnis und ganz sicher eines der Lesehighlights dieses Jahres! Große Leseempfehlung, 5 Sterne.

Bewertung vom 17.04.2021
Laudatio auf eine kaukasische Kuh
Jodl, Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh


ausgezeichnet

Laudatio auf eine kaukasische Kuh – Angelika Jodl
Olga Evgenidou, Medizinstudentin, ist in Deutschland aufgewachsen und fühlt sich so „deutsch wie ein Bamberger Hörnchen“. Mit der georgischen Familie und deren Werte- und Moralvorstellungen hat sie es nicht immer leicht. Insbesondere als eine überstürzte Reise in die alte Heimat Georgien ansteht. Die Eltern und Großmutter sind begeistert, Olga eher befremdet. Gleich zwei Männer, reisen Olga verliebt hinterher. Kein Wunder, dass es nicht lange dauert, bis das Chaos ausbricht….
Mit einem großen Augenzwinkern erzählt Angelika Jodl diese Geschichte einer jungen Frau zwischen verschiedenen Kulturen und ebensolchen Männern. Humorvoll, aber auch mit ganz viel Fingerspitzengefühl und Tiefe begleitet die Autorin ihre Protagonistin von Norddeutschland über München bis nach Georgien und wieder zurück. Mich persönlich erinnerten Schreibstil und Plot ein bisschen an eine Mischung zwischen Alina Bronski und Vea Kaiser, die ich beide sehr schätze.
Der Leser erhält einen tiefen Einblick in die georgische Kultur. Ebenso spannend fand ich allerdings Olgas Zwiespalt zwischen den beiden Männern. Felix, der nüchterne Arztkollege wäre zweifellos eine gute Partie. Herzklopfen bekommt sie aber beim etwas ziellosen Jack, der sich überraschend gut in die georgische Familie eingliedert. Aber will Olga das überhaupt? Weil die kaukasischen Moralvorstellungen sehr streng sind, beginnt ein Versteckspiel. Tatsächlich muss sie noch die ein oder andere Brautschau über sich ergehen lassen; mit Mitte Zwanzig ist Olga in den Augen der Familie nämlich beinahe schon zu alt zum Heiraten.
Unterhaltsam und spannend fliegen die Seiten nur so dahin. Auch die Liebesgeschichte (vielleicht ein klein wenig kitschig) mochte ich sehr! Ich fühlte mich bestens unterhalten und habe sogar noch was dazugelernt. Deshalb von mir klare 5 Sterne!

Bewertung vom 05.04.2021
Der Schneeleopard
Tesson, Sylvain

Der Schneeleopard


gut

Der Schneeleopard – Sylvain Tesson
Zusammen mit einem befreundeten Tierfotografen reist der Autor Sylvain Tesson in die eiskalte Bergwelt Tibets, immer auf den Spuren der selten gewordenen Schneeleoparden. Im Hochgebirge muss er sich vor allem in Geduld und Verzicht üben, es gelten andere Regeln als im hektischen Paris. So ist dieser Reisebericht geprägt von philosophischen Überlegungen und meditativen Betrachtungen.
Die Sprache ist poetisch schön, die raue Bergwelt wird wunderbar detailliert beschrieben, ebenso die Tiere, die perfekt an ihre Umgebung angepasst sind. Angenehm sind auch die relativ kurzen Kapitel.
Ein sehr stiller Reisebericht, mit vielen wahren Gedanken. Mir persönlich hat hier dennoch etwas gefehlt. Tatsächlich passiert nämlich kaum etwas, so etwas wie eine Spannungskurve fehlt gänzlich. Tesson wartet und denkt nach und zwingt sich zur Ruhe. Ab und an ein paar Tiere, die aber niemals zur Gefahr werden.
Die Stärke dieses Buches ist die wirklich wunderbar eingefangene Stimmung. Eine kalte Atmosphäre in der eisigen Bergwelt Tibets. Für mich ist das nur leider nicht genug. Meine Gedanken sind immer wieder abgeschweift. Es fehlte ein fesselndes Element.
Trotzdem fand ich es durchaus lesenswert und außergewöhnlich. 3 Sterne.

Bewertung vom 24.03.2021
Der ehemalige Sohn
Filipenko, Sasha

Der ehemalige Sohn


sehr gut

Der ehemalige Sohn – Sasha Filipenko
Franzisk verunglückt beim Besuch eines Rockkonzerts in Minsk schwer und fällt ins Koma. Die Aussichten, wieder aufzuwachen sind schlecht, beinahe alle in seinem Umfeld haben ihn längst aufgegeben. Doch schließlich geschieht das Wunder – Franzisk erwacht 2009, nach zehn Jahren im Koma. Er erholt sich schnell und vollständig, ein weiteres Wunder. Dennoch ist er fassungslos. Dieses Minsk, in dem er sich nun zurechtfinden soll, hat sich zur letzten Diktatur Europas entwickelt. Machthaber Lukaschenko regiert mit eiserner Hand, das Land liegt am Boden.
Sasha Filipenko wurde in Minsk geboren, lebt heute allerdings in St. Petersburg. Er prangert ganz offen die Missstände in Weißrussland an. Auch wenn er Lukaschenko nie beim Namen nennt, ist sofort klar, wen er meint. Etliche historische Begebenheiten hat er in diesem Roman verarbeitet. Damit hat er es geschafft, mich zur weiteren Recherche anzuregen. Es war mir nicht bewusst, wie lange Lukaschenko tatsächlich sein Volk bereits systematisch unterdrückt, wie aussichtslos sämtliche Versuche der Opposition ihn abzulösen, sind. Auch die Tatsache, dass es bereits 2010 Proteste und Demonstrationen gab, die brutal niedergeschlagen wurden, war mir nicht bekannt.
Franzisk wird schwer verletzt in ein weißrussisches Klinikum eingeliefert. Erst ist unklar, ob er überleben wird, schließlich liegt er im Koma. Sämtliche Ärzte geben ihm keinerlei Chance wieder aufzuwachen. Dass er dies nach langen zehn Jahren tut und dann noch ohne bleibende Schäden ist eigentlich unmöglich. Tatsächlich war das ein Punkt, den ich kritisch sehe und der dem Roman unter anderem einen Stern meiner Bewertung gekostet hat. Aber gut. Im Prinzip ist in all der langen Zeit nur eine Person ständig an Franzisks Seite. Und zwar seine Großmutter. Diese zieht ganz und gar zu ihm ins Krankenzimmer, kümmert sich um alles, ist die gute Seele. Eine sehr resolute Frau, die all die negativen Prognosen einfach nicht akzeptieren kann und will.
Sobald Franzisk ins Leben zurückgekehrt ist, erhält der Autor die einmalige Chance, die Missstände eines Regimes von Grund auf zu erklären. Franzisk ist schließlich weitgehend ahnungslos und muss sich in der neuen Wirklichkeit erst zurechtfinden. Er fühlt sich wie „eine Geisel in diesem Irrenhaus.“
Grundsätzlich mochte ich Filipenkos Schreibstil sehr gerne und ich bewundere seinen Mut, über all diese Dinge zu schreiben. Er hat eine sehr direkte, unverblümte Erzählstimme, die gut zum jugendlichen Protagonisten passt. Es gab viele Stellen, die mich sehr berühren konnten. Ab und an fand ich allerdings die Entwicklungen etwas unglaubwürdig. Das Problem hatte ich ganz ähnlich übrigens bereits bei „Rote Kreuze“. Hier kam ich etwas besser damit zurecht, ich fand hier auch die Handlung nicht ganz so hoffnungslos.
Auf jeden Fall ein sehr beeindruckendes Buch, das mich stellenweise sehr berührt hat und mich zur Recherche über die Geschichte Weißrusslands angeregt hat. Gerade dieser starke Bezug zu realen Ereignissen und die Tatsache, dass ebendieser autoritäre Machthaber nach wie vor Angst und Schrecken verbreitet, haben mich sehr erschreckt und fasziniert. Von daher, ein Roman, der dem Leser ein Stück Zeitgeschichte näherbringt.
4 Sterne

Bewertung vom 20.03.2021
Undercover Robot - Mein erstes Jahr als Mensch
Edmonds, David;Fraser, Bertie

Undercover Robot - Mein erstes Jahr als Mensch


ausgezeichnet

Undercover Robot – Mein erstes Jahr als Mensch
Dotty ist ein Roboter und teil eines supergeheimen Projekts. Ein Jahr lang soll sie ganz normal zur Schule gehen – und dabei darf niemand bemerken, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Natürlich stolpert Dotty von einem Fettnäpfchen zum nächsten, denn diese Menschen verhalten sich manchmal wirklich seltsam…
In erster Linie ist dieses Buch einfach total witzig. Dotty ist ein sehr sympathischer Android und man kann ihre Probleme gut nachvollziehen. Uns Menschen wird dabei des Öfteren der Spiegel vorgehalten. Darüber hinaus wirft dieses Kinderbuch durchaus existentielle Fragen auf: Was ist eigentlich menschliches Leben? Können Roboter Gefühle haben? Was ist Freundschaft, was Liebe? Ein Gesamtpaket, das ich auch als Erwachsene sehr interessant fand. Mein Elfjähriger zeigte sich in erster Linie von den teils krassen Fettnäpfchen begeistert, in die Dotty arglos und gutmütig stolpert.
Meiner Meinung nach ist dieses Kinderbuch für Jungs wie Mädchen gleichermaßen geeignet. Der Schreibstil ist angenehm und der Zielgruppe angemessen. Aufgrund der Länge des Textes richtet es sich schon an geübtere Leser ab 10 oder 11 Jahren. Uns hat es gut gefallen! 4 Sterne!

Bewertung vom 28.02.2021
Sprich mit mir
Boyle, T. C.

Sprich mit mir


sehr gut

Sprich mit mir – T.C. Boyle
Boyle schafft es immer wieder, seine Leser in „unvorstellbare“ Situationen zu entführen. Durch seinen eingängigen Schreibstil gelingt das problemlos. Auch hier widmet er sich wieder tiefpsychologischen Themen, verpackt in eine ungewöhnliche, fesselnde Geschichte.
„Wo verläuft die Grenze des menschlichen Bewusstseins – und sind uns Tiere ähnlicher, als wir vermuten?“ Zitat Buchrücken. Wie schon in „Die Terranauten“ verarbeitet Boyle ein tatsächliches Experiment aus den 70er Jahren. Und natürlich ist auch dieses zum Scheitern verurteilt.

Es ist ein groß angelegtes Experiment mit einem Schimpansen „Sam“, der bereits als Baby von dem Forscher Guy adoptiert wird und wie ein „Menschenbaby“ erzogen wird. Später erhält er dabei Hilfe von Aimee, einer schüchternen Studentin. Es geht in erster Linie um die Erforschung des Spracherwerbs. Tatsächlich kann Sam seine Zieheltern verstehen und mit Hilfe von Gebärdensprache antworten. Absichtlich soll der Schimpanse sich selbst als Mensch fühlen. Das mutet beim Lesen teils grotesk an, lässt sich doch mit zunehmenden Alter keineswegs verleugnen, dass es sich bei Sam um ein wildes Tier handelt, das nur allzu leicht außer Kontrolle gerät. Dem Leser dämmert es schnell, dass es geradezu verantwortungslos ist, was diese Leute treiben. Sowohl den Menschen im Umfeld gegenüber, noch viel mehr jedoch Sam gegenüber. Denn klar ist, dieses Schimpansenkind, das sich als Menschenkind fühlt und so behandelt wird, wird dieses Leben nicht sehr lange führen können. Und was dann?
Diese unverrückbare Tatsache wird von Guy und Aimee, sowie all den anderen Helfern immer wieder erfolgreich verdrängt. Zumindest Aimee ist dennoch durchaus eine Sympathieträgerin. Eine Einzelgängerin, die sich auf den ersten Blick in Sam verliebt und ihn unter keinen Umständen aufgeben will. Niemals. In der Hinsicht ist sie kompromisslos. Dieses Gespann Sam – Aimee ist ein herzzerreißendes Gespann, dem man gerne auf allerlei Abenteuern folgt.
Hilfreich sind zudem die vielen Kapitel, in denen Sam zu Wort kommt. So kann man sich noch besser in ihn hineinversetzen und vor allem auch sehen, wie nahe er einem menschlichen Bewusstsein kommt.
Sprachlich finde ich Boyle – wie immer – gut, aber nicht herausragend. Es lässt sich flüssig lesen, konzentriert sich jedoch vielmehr auf den Inhalt. Und dieser liefert hier ein weiteres Mal viel Stoff zum Nachdenken. Die von mir so deutlich empfundene Kritik an Experimenten mit Menschenaffen, an dem Versuch, einen Schimpansen zum Sprechen zu bringen, grundsätzlich an nicht artgerechter Haltung – diese Kritik wird im Roman leider nicht ganz so deutlich. Ich gehe stark davon aus, dass Boyle, genau das mit dieser Geschichte sagen will, er fehlen mir persönlich ein paar klare Spitzen und eine deutliche Stellungnahme. In erster Linie sehe ich dieses Buch als Unterhaltungsroman. Über die Hintergründe kann man sich wunderbar Gedanken machen, muss man aber vermutlich nicht.
Sehr unterhaltsam, sehr Horizont erweiternd, sehr lesenswert.
4 Sterne

Bewertung vom 21.02.2021
Hard Land
Wells, Benedict

Hard Land


ausgezeichnet

Hard Land – Wells Benedict
Es ist der Sommer 1985 in Missouri, der Sommer von Sams 16. Geburtstag. Für Sam wird es der Sommer seines Lebens, eine Zeit des Erwachsenwerdens und der ersten Liebe. Endlich schließt der notorische Außenseiter Freundschaften. Mit den neuen Freunden feiert er Nächte durch, er verliebt sich, bekommt den ersten Kuss. Leider ist es auch der Sommer, in dem seine Mutter an Krebs stirbt. Und so ist es ein Wechselbad der Gefühle: von tieftraurig bis himmelhochjauchzend.
Wells hat einen wunderbaren Schreibstil. Locker flockig ist er ganz nah an seinen jugendlichen Protagonisten und deren Problemen. So schafft er mühelos den Spagat zwischen sehr ernsten Themen und dem ganz besonderen Zauber des für Sam legendären Sommers. Der Autor hat eine sehr authentische Art zu schreiben und ist darüber hinaus witzig und klug. Ein wahrer Lesegenuss und auch für den Leser ein Wechselbad der Gefühle. Wells fängt wunderbare Stimmungen ein von Ausgelassenheit, Partys, Musik, Mutproben, unendlicher Freiheit und echter Freundschaft. Mit Sicherheit fühlt sich jeder Leser dabei an die eigene Zeit des Erwachsenwerdens erinnert! Im nächsten Moment möchte man Sam in den Arm nehmen angesichts seiner Verlassenheit und Trauer um die Mutter. Und schließlich geht irgendwann auch der schönste Sommer zu Ende…
Ich war vollkommen in der Geschichte gefangen und konnte es kaum mehr zur Seite legen. Auch im Nachhinein hatte ich oft Szenen aus dem Roman im Kopf. So unglaublich lebendig und echt sind die Szenen. Ich bin begeistert!
Unbedingt lesen! 5 Sterne

Bewertung vom 13.02.2021
Hannas Geheimnis / Hüterin des Waldes Bd.1
Larch, Mona

Hannas Geheimnis / Hüterin des Waldes Bd.1


sehr gut

Hüterin des Waldes, Hannas Geheimnis – Mona Larch

Hanna zieht mit ihren Eltern in das alte Haus ihrer verstorbenen Großmutter Hilda. Kaum angekommen, wartet bereits die erste Herausforderung auf sie: ein Vogel mit einem verletzten Flügel! Zum Glück taucht das sprechende Wiesel Flitz auf und weiht Hanna ein, in ihre neue Aufgabe als Hüterin des Waldes….

Eine ganz süße Geschichte um das Mädchen Hanna und deren Verbundenheit zur Natur und den Tieren des Waldes. Hanna muss sich den Tieren gegenüber erst einmal als würdig erweisen. Und nebenbei alles vor ihren Eltern geheim halten, die von nichts wissen. Dabei wird es natürlich auch spannend, aber nie zu sehr. Dieses Buch enthält zudem viele interessante Informationen zu den Pflanzen und Tieren im Wald. Hanna weiß schon einiges, muss aber noch viel lernen. Wiesel Flitz hilft ihr natürlich gerne dabei!

Durch die relativ große Schrift und die vielen schönen Illustrationen ist dieses Buch geeignet für kleine Leser ab 2./3. Klasse.

Eine wunderbare Geschichte und der Auftakt einer neuen Reihe. Sehr empfehlenswert! 4 Sterne