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R. S.

Bewertungen

Insgesamt 168 Bewertungen
Bewertung vom 14.10.2022
Lektionen
McEwan, Ian

Lektionen


sehr gut

Roland Baines - Ein Leben voller Lektionen

"Lektionen" von Ian McEwan ist die Geschichte eines ganzen Lebens und zwar die von Roland Baines. Man folgt Roland Baines von klein auf bis ins hohe Alte, auch wenn nicht geradlinig. Am Beispiel Rolands illustriert der Autor hierbei die letzten sechs Jahrzehnte, er ist eine Chronik der britischen und europäischen Politik, Kunst, Musik und Mentalität.

Die Geschichte, eine Art literarische Biografie, beginnt zu einem Zeitpunkt in Roland Baines Leben, als dieses schon fast in sich zusammenfällt. Er wird von seiner Frau Alissa verlassen und muss sich nun selbst um den gemeinsamen Sohn kümmern. Zuerst wirft man dann einen Rückblick in seine Kindheit, dessen Leben sich mit 11 Jahren drastisch ändert, als seine in Afrika lebenden Eltern beschließen, ihn nach England zurückzuschicken, damit er dort ein Internat besucht, um eine klassische Ausbildung zu erhalten. Während sich die politische Landschaft nach dem Zweiten Weltkrieg neu formiert, nimmt der Junge Baines Klavierunterricht bei Miss Cornell, die nicht nur seine Vorstellung von Musik prägen wird, sondern ihn auch körperlich und sexuell missbraucht.
Was folgt, ist ein Bericht über Rolands Leben, der den Zweiten Weltkrieg bis zu den COVID-19-Sperren umfasst. Zufällig oder vom Schicksal initiiert, bleibt dabei Rolands Leben eng mit globalen Ereignissen verbunden, sei es die Wolke von Tschernobyl, der Beginn und das Ende des Kalten Krieges oder große Krisen wie AIDS und die Pandemie. Roland, der eifrig Tagebuch führt, berichtet über seine Teilnahme am Weltgeschehen und seine zwischenmenschlichen Beziehungen. Das Buch befasst sich mit seinen komplizierten Gefühlen in Bezug auf den Angriff, dessen Auswirkungen auf sein Leben (insbesondere in Bezug auf seine weiteren Beziehungen) und welche Auswirkungen dies auch auf andere hatte. McEwan schafft es hierbei, die Folgen des Missbrauchs einfühlsam und realistisch darzustellen.

"Lektionen" ist insgesamt ein ruhig erzählter, aber dennoch eindringlicher Roman, der die globalen Ereignisse mit dem persönlichen Leben des Protagonisten Roland und seiner Familie verwebt. Es geht um Schuld, Freundschaft, Familie, Verrat und spiegelt das Weltgeschehen in kleinem, intimem Rahmen wider.
Der Roman ist mit seinen rund 700 Seiten sehr umfangreich, aber es wird nie richtig langweilig, trotz mancher längeren Abschnitte. Sprachlich toll geschrieben werden die historischen Ereignisse und das Leben und die Gefühle von Roland Baines unter der Feder von McEwan lebendig.
Ein anspruchsvoller literarischer Roman, der Spaß macht zu lesen.

Bewertung vom 14.10.2022
Intimitäten
Kitamura, Katie

Intimitäten


gut

Fehlende Intimität und Emotionalität

3.5/5

Katie Kitamuras "Intimitäten" ist ein ruhiger Roman, direkt und schnörkellos geschrieben, dem, obwohl in der ersten Person aus Sicht der Protagonistin erzählt wird, eine persönliche und emotionale Note fehlt.
Es ist ein Roman mit einem sehr interessanten Schauplatz, der mich leider jedoch nicht komplett überzeugen konnte.

Nach dem Tod ihres Vaters und dem Umzug ihrer Mutter nach Singapur verlässt die namenlose Erzählerin New York, um ein Jahr lang als Dolmetscherin in Den Haag zu arbeiten. Dort wird sie mit einem wichtigen Job betraut. Privat dagegen gerät ihr Leben ins Wanken. Ihr Freund ist weggezogen, um mit seiner ihm entfremdeten Frau über das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder zu streiten, die Nachbarschaft ihrer besten Freundin fühlt sich nach einem brutalen Überfall nicht mehr sicher, und sie muss sich mit Intimität (oder dem Fehlen derselben) in all ihren Formen auseinandersetzen.

Gut gefallen haben mir die Szenen, in denen die Vorgänge am Internationalen Gerichtshof dargestellt werden, als sie dort für einen afrikanischen Staatschef, dem Völkermord vorgeworfen wird, dolmetscht und die Rolle des Gerichts als "unwirksames Instrument des westlichen Imperialismus" beschreibt. Man erhält einen detaillierten Einblick in die Aufgaben von Dolmetscher*innen. Die Erzählerin beschreibt, wie sie sich so sehr auf die korrekte Übersetzung konzentriert, dass sie schließlich den Sinn der Worte, die sie sagt, verliert.
Die Arbeit als Dolmetscherin ist auch die einzige Stelle im Roman, an der die Protagonistin irgendeine Verletzlichkeit zeigt, ansonsten sind ihre Beziehungen und Freundschaften sehr subtil und ohne wirkliche Tiefe dargestellt.
Der Ton des Romans ist oft so unpersönlich, dass es mir sehr schwerfiel, irgendeine eine emotionale Nähe zur Protagonistin herzustellen. Es gibt nicht viel Handlung und die Dialoge wiederholen sich. Die Figuren wirken sehr oberflächlich, und ich hätte mir mehr von den Interaktionen der Erzählerin gewünscht. Vielleicht war das beabsichtigt, weil es zeigen sollte, dass sie keine Intimität hat, aber es hat die Lektüre nicht spannend gemacht.

Insgesamt ist "Intimitäten" von Katie Kitamura eine interessante Meditation über Sprache, Übersetzung und zwischenmenschliche Beziehungen, der einen tollen Einblick in das Haager Gericht und all die Faktoren, die bei den Prozessen eine Rolle spielen, liefert. Das sind zwar alles interessante Themen und Gedankengänge, die am Ende leider nirgendwo wirklich hinführten, sodass der Roman mich am Ende unbefriedigt zurücklässt. Ich hatte mir mehr erhofft.

Bewertung vom 30.09.2022
Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit
Pulley, Natasha

Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit


sehr gut

Mysteriöse und gefühlvolle Geschichte über Zeitreisen und ihre Folgen

"Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit" ist eine teils verwirrende, aber auch originelle, komplexe und spannende Geschichte, die geschickt das Konzept verarbeitet, wie bei einer Zeitreise selbst winzige Veränderungen in einer Zeitebene zu großen Veränderungen in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft führen können.

Im Jahr 1898 kommt Joe Tournier an einem Bahnhof in London an, ohne sich zu erinnern, wer er ist oder wie er dorthin gekommen ist. Er kennt andere Namen und Personen als die, die vor ihm stehen. Noch unheimlicher ist, dass er eine Postkarte von vor 95 Jahren erhält, die ihn auffordert, nach Hause zu gehen. Das ist der einzige Hinweis, den er hat. Die alte Postkarte eines Leuchtturms ist mit M. unterschrieben und Joe ist entschlossen, den Autor zu finden. Die Suche nach M. wird Joe jedoch dazu bringen, die Geschichte und sich selbst neu zu schreiben.

Dank Natasha Pulleys sehr anschaulichen und stimmungsvollen Schreibstil liest sich das Buch leicht und flüssig und ich hatte so keine Probleme, die verschiedenen Zeitebenen auseinanderhalten. Das Element der Zeitreise ist gut durchdacht, auch wenn der Roman sich Zeit lässt an dem Punkt in der Geschichte zu gelangen, an dem alles zusammenfällt und einen Sinn ergibt.
Neben den interessanten und vielschichtigen Charakteren kann die Geschichte auch durch ihre stimmungsvolle Beschreibung der Szenerie überzeugen, so hat man z. B. beim Lesen das Gefühl, man befinde sich an Bord von einen der dunklen, feuchten Marineschiffe.
Durch den Text fließt zudem eine leichte Magie, die geheimnisvoll und unerklärlich ist, die einen aber völlig in die Geschichte hineinzieht. Eine Liebesgeschichte, die durch Raum und Zeit reist und die die Geschichte verändert.
Auch ist das Buch voller Sehnsucht. Joe sehnt sich die ganze Zeit über nach etwas, das er nicht einmal kennt, aber je weiter man in die Geschichte eindringt, versteht man nach und nach, was sich Joe sehnt und was es mit seinem Gedächtnisverlust auf sich hat.

Ein Buch, das seine Zeit braucht um auf einen zu wirken und zu fesseln aber dann wenn man sich darauf einlässt, einen mit einer außergewöhnlichen und gefühlvollen Zeitreisegeschichte und deren Folgen belohnt wird.

Bewertung vom 26.09.2022
Unsre verschwundenen Herzen
Ng, Celeste

Unsre verschwundenen Herzen


ausgezeichnet

Leise aber kraftvolle Dystopie

4.5/5

"Unsre verschwundenen Herzen" von Celeste Ng ist eine bewegende Hommage an die Liebe um jeden Preis und die Suche eines Jungen nach der Wahrheit. Die Geschichte selbst ist eindringlich erzählt, erschütternd, erschreckend, aber letztlich auch hoffnungsvoll.

Der dystopische Roman spielt in einer nahen Zukunft, die durch die Augen des zwölfjährigen Bird Gardner betrachtet wird.
Im ersten Abschnitt lernt man Bird kennen, der von seinem Vater Noah genannt wird. Birds Mutter Margaret Miu, die chinesischer Abstammung ist, verschwand, als er neun Jahre alt war. In den letzten drei Jahren haben Bird und sein weißer Vater versucht, ein ruhiges, konformes Leben zu führen, das nicht die Aufmerksamkeit der Nachbarn, Lehrer, Kollegen oder anderer Menschen um sie herum erregt, die auf den kleinsten Hinweis auf etwas Unamerikanisches achten. Bird geht zur Schule, er lernt über PACT - das Gesetz zum Schutz der amerikanischen Kultur, ein Gesetz, das eingeführt wurde, nachdem das Land sich in einem schlechten sozialen und wirtschaftlichen Zustand befand, es herrschte Hunger und es kam zu Aufständen auf den Straßen, niemand war sicher. Die Regierung hat dieses Gesetz erlassen, um die Lage zu beruhigen. Um die Menschen zu schützen. Doch es hat eher zu Misstrauen und Rassismus geführt.
In der zweiten Hälfte erfährt man aus der Sicht eines Erwachsenen, wie es zu dieser Situation kam und was es mit dem Verschwinden von Birds Mutter auf sich hat.

Obwohl man weiß, dass es sich hier um eine fiktive Geschichte handelt, fühlt es sich sehr real an, was den Roman so eindringlich und bedrückend macht.
Es ist ein Buch über Familie, Liebe, die Suche nach der Wahrheit und über einen kleinen Jungen, der Antworten sucht und mutig ist.
Es ist auch ein zutiefst politisches Buch, das sich mit Themen wie Anti-Asiaten-Hass, Mutterschaft, Familientrennung, Polizeibrutalität, sozioökonomischer Ungleichheit und mehr auseinandersetzt. Es ist erschreckend zu lesen, denn obwohl es sich um ein fiktives Werk handelt, fühlt sich der Zustand der Welt in diesem Buch nur allzu real an.


Ng schafft es, die Charaktere lebendig werden zu lassen, besonders Bird wächst einem ans Herz.
Mit ihrem emotionalen und leicht poetischen Schreibstil fängt sie die Hilflosigkeit derjenigen Familien ein, bei denen die Eltern von ihren Kindern getrennt werden sowie Hass und Ausgrenzung ausgesetzt sind. Anfangs noch etwas verwirrend, offenbart sich mit jeder zusätzlichen Seite, wie es dazu kam, dass Familien getrennt wurden und warum Bird und sein Vater versuchen nicht aufzufallen. Einmal angefangen fällt es schwer, mit dem Lesen aufzuhören, auch wenn das Thema kein leichtes ist.

Eine Geschichte, die nachdenklich macht.

Bewertung vom 21.09.2022
Teen Couple Have Fun Outdoors
Jayan, Aravind

Teen Couple Have Fun Outdoors


gut

Teen couples have fun outdoors but not me while reading it

Der Roman "Teen couples have fun outdoors" handelt über die Moral der Mittelklasse in einer indischen Kleinstadt und wird aus der Sicht einen etwas naiven, namenlosen Erzählers erzählt.

Die Hölle bricht für ihn und seine Familie aus, als ein Sexvideo von seinem Bruder Sree und dessen Freundin veröffentlicht wird und sich unter Gleichaltrigen und seiner Familie verbreitet. Was folgt, ist ein rein chaotisches Familiendrama, bei dem sein jüngerer Bruder die zerbrochenen Teile seiner Familie zusammenfügen muss.

Ich bin zwiegespalten, was meine Meinung zu dem Buch betrifft.
Einerseits ist es ein interessanter und tiefer Einblick in die indische Gesellschaft und Kultur sowie in das Internet und die sozialen Medien, aber andererseits konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass ich mehr wollte. Es liest sich schnell, die Handlung zieht sich nicht unnötig in die Länge trotz mancher Wiederholung und ist unterhaltsam und teils such zynische geschrieben, aber trotzdem hinterlässt es bei mir keinen bleibenden Eindruck. Was ein bisschen Schade ist, da die Idee und die Thematik viel Potenzial hatten für eine gute Story. Beim Lesen habe immer auf eine Wendung gewartet oder dass da noch mehr kommt, aber ich hatte insgesamt das Gefühl, dass das ganze Buch am Ende ziemlich eintönig war. Zu keinen der Charaktere konnte ich eine wirklich emotionale Verbindung aufbauen, keiner war besonders sympathisch, und obwohl aus Sicht eines namenslosem Erzählers geschrieben wirkte die Handlung stellenweise oberflächlich und belanglos. Ich habe das Gefühl, dass ich die ganze Zeit darauf gewartet habe, dass mir die Pointe klar wird, und das ist nie wirklich geschehen.

Kulturell interessant, aber auch nicht mehr.

Bewertung vom 21.09.2022
Monsieur le Comte und die Kunst des Tötens / Monsieur le Comte Bd.1
Martin, Pierre

Monsieur le Comte und die Kunst des Tötens / Monsieur le Comte Bd.1


sehr gut

Charmanter Auftragsmörder wider Willen- Kurzweilig und unterhaltsam

3.5/5

Mit Witz, Charme, kulinarischen Genüssen und französischem und auch italienischem Flair kann "Monsieur le Comte und die Kunst des Tötens" von Pierre Martin aufwarten.

Lucien Comte de Chacarasse, Nachfahre eines alten französischen Adelsgeschlecht, genießt sein Leben als Frauenheld und Besitzer eines gut laufenden französischen Restaurants. Doch sein sorgenfreies Leben endet jäh als sein Vater im Sterben liegt und an seinem Sterbebett Lucien schwören lässt, die besondere Tradition der Familie weiterzuführen. Und die hat es in sich, denn die Chacarasse sind Auftragsmörder. Auch wenn Lucien für dieses besondere Erbe von Kindesbeinen an trainiert hat, konnte er sich der Pflicht, die ihm widerstrebt, bis jetzt entziehen. Schon bald hat jedoch sein Onkel Edmond den ersten Auftrag für ihn und für Lucien beginnt der Versuch ein Auftragsmörder zu sein ohne dabei selbst zum Mörder zu werden.

Locker und unterhaltsam geschrieben folgt man gern Lucien dabei, wie er versucht der Familientradition gerecht zu werden und sein bisheriges unbeschwertes Leben weiterzuführen. Nebenbei wird der Leser in die Kunst des (Nicht)Tötens eingeführt und macht Bekanntschaft mit mehr oder weniger liebenswerten Charakteren. Zu Ersteren zählen die gutmütige aber schwerhörige Rosalie und die mit allen Wassern gewaschene Francine, zu Letzteren Luciens Onkel Edmond.
Die französische Mittelmeerküste, die kulinarischen Genüsse, die kurzen Kapitel und eine wendungsreiche Handlung sorgen hierbei insgesamt für ein kurzweiliges Lesevergnügen.

Auch wenn nicht jeder Witz zündet und manches zu klischeehaft dargestellt wird, ist dem Autor eine originelle Geschichte mit spannenden Kriminalementen gelungen, die Lust auf mehr macht.

Wer auf der Suche nach einem kurzweiligen, unterhaltsam geschrieben und teilweise absurden Kriminalroman über einen liebenswerten Auftragskiller wider Willen ist macht mit "Monsieur le Comte und die Kunst des Tötens" nichts falsch. Zu viel Tiefe und Realismus sollte man jedoch nicht erwarten.
Perfekt für Zwischendurch und Liebhabern von Wohlfühlkrimis zu empfehlen.

Bewertung vom 21.09.2022
Der Sturm
Harper, Jane

Der Sturm


sehr gut

Spannungsarmer aber atmosphärischer und psychologischer Krimi

In "Der Sturm" von Jane Harper geht es vor allem um Überlebende. Es geht um Katastrophen und die Menschen, die nach einer Tragödie zurückbleiben. Es handelt von Trauer, Schuld und Reue und darum, wie sich Familien und Freunde mit stillen Vorwürfen oder gar offener Feindseligkeit voneinander entfernen. Der Schwerpunkt liegt auf der Familie und darauf, wie sie einen näher an sich heranziehen und für Stabilität sorgen oder aber auch wegstoßen können.

In dem eher als Spannungsroman mit Krimielementen statt als spannenden Thriller anzusehenden Buch wird die Handlung aus Sicht der Hauptperson Kiernan erzählt.
Kiernan, seine Freundin Mia und ihre kleine Tochter kehren nach über einem Jahrzehnt in die Kleinstadt Evelyn Bay zurück, um seinen Eltern beim Packen des Familienhauses zu helfen. Als die Leiche einer jungen Frau unweit ihres Hauses am Strand gefunden wird, kommen alte Geheimnisse und Lügen an die Oberfläche. Und Fragen über ein anderes junges Mädchen, das während des großen Sturms vor 14 Jahren verschwunden ist, kommen auf.

Langsam wird nach und nach das Rätsel gelöst was vor 14 Jahren wirklich passiert ist. Die Handlung besticht hierbei besonders durch die tiefgehende Charakterzeichnung und dem atmosphärischen Schreibstil. Die Autorin schafft es genau die Stimmung in einer abgelegenen Kleinstadt in Tasmanien einzufangen und wie es sich in einer Kleinstadt lebt. Denn wenn man in einer Kleinstadt lebt, wird nichts jemals vergessen. Kleine Fehler verfolgen einen für immer, klammern sich fest und lassen einen nie mehr los. Es ist definitiv ein Slow-Burn-Krimi, der sich Zeit lässt und erst zum Ende hin richtig an Fahrt aufnimmt und dann etwas zu abrupt endet und manche Aspekte unbefriedigend auflöst.

Nichtsdestotrotz habe ich Gefallen an dem Buch gefunden, da der psychologische Aspekt der Handlung sowie die Themen Schuld, Trauer, Scham und wie sie - unverarbeitet - die Beziehungen beeinflussen können gut herausgearbeitet wurde.

Ein stimmungsvoller Krimi der ruhigen Art.

Bewertung vom 21.09.2022
Erste Hilfe für die Erde
Maslin, Mark

Erste Hilfe für die Erde


gut

Kurzes und informatives Klimawissen aber auch nicht mehr

"Erste Hilfe für die Erde - Die Fakten" von Prof. Mark Maslin ist ein kleines und kompaktes Buch über den Klimawandel, das mich leider nicht komplett überzeugen konnte.

Positiv hervorzuheben ist, dass es Maslin gelungen ist, äußerst komplexe Sachverhalte auf leicht verständliche Informationen zu reduzieren. Das Sachbuch ist gut geeignet als Einführung in das Thema Klimawandel und richtet sich vor allem an all diejenigen, die bis jetzt noch wenig über das Thema wissen, noch skeptisch sind oder einfach eine kompakte Zusammenfassung dazu suchen.
Neben historischen Fakten und aktuellen Entwicklungen zeigt er auch Maßnahmen auf, die Einzelpersonen über Unternehmen bis hin zu Regierungen ergreifen können bzw. umsetzen sollten, um so gegen die Klimaerwärmung und deren Auswirkungen vorzugehen.

Aber darüber hinaus hat es nicht viel mehr zu bieten. Es ist als eine bloße Darstellung von Informationen und/oder Fakten in gut zitierfähigen Sätzen geschrieben, die sich mehr wie eine PowerPoint-Präsentation lesen als ein gut verfasstes
sachliches Buch. Ein tieferes Verständnis und ein differenzierter Blick auf den Klimawandel, dessen Auswirkungen und Maßnahmen dagegen wird so nicht wirklich geschaffen, was jedoch in Bezug auf die Maßnahmen besonders wichtig wäre. So setzt er z. B. meiner Meinung nach zu viel Vertrauen in die Initiative des Einzelnen, der Unternehmen und der Regierungen im Kampf gegen den Klimawandel und dessen Folgen.

Alles in allem stellt "Erste Hilfe für die Erde - Die Fakten" eine informative und grundlegende Zusammenfassung zum Thema Klimawandel und die Auswirkungen der Menschheit auf die Umwelt dar, aber für alle die schon ziemlich vertraut mit der Materie sind, für die ist das Buch ein wenig zu vereinfacht und zu wenig kritisch dargestellt. Außer ein paar wenig interessanten Punkten, ist nicht viel Neues dabei.

Bewertung vom 14.09.2022
Die Mauersegler
Aramburu, Fernando

Die Mauersegler


ausgezeichnet

Ein Jahr, ein Leben - fesselnd und bewegend erzählt

In „Die Mauersegler“ von Fernando Aramburo führt der Ich-Erzähler Toni die Leser*innen Monat für Monat durch das letzte Jahr seines Lebens. Der Grund hierfür ist das Toni, 54-jähriger Philosophielehrer, beschlossen hat, am 31. Juli 2019 sein Leben zu beenden. Auf über 800 fesselnd geschriebenen Seiten wird jeden der 365 Tage bis zu seinem geplanten Suizid ein Kapitel gewidmet, die entweder von seinem gegenwärtigen oder vergangenen Lebensereignissen berichten. Die Erzählform des Romans erinnert dabei an ein Tagebuch, in dem Toni über seine Kindheit, seinen Beruf als Lehrer, die Beziehung zu seinen Eltern und seinen Bruder Raulito, sein Liebesleben, seinen Freund Humpel, seinen Hund Pepa, seine gescheiterte Ehe mit Amalia, seinen Sohn Nikita und seine jetzt demente Mutter reflektiert.

Mit einem klaren und direkten Schreibstil zeichnet der Autor ein berührendes, realistisches und teils wenig sympathisches Bild von Toni und seinen Ansichten, seinen Handlungen und den Beziehungen, die er zu den ihm Nahestehenden Personen unterhält, die einen tieferen Einblick in seine Persönlichkeit geben und seine Gründe für seine Entscheidung liefern, ohne dabei darüber zu urteilen. Letztendlich sind Tonis philosophische und teils auch sehr körperlich betonte Reflexionen über sein Leben Spiegelbild eines Menschen, der das Leben aufgegeben hat, der sich nicht mehr um die öffentliche Meinung schert und der es sich leisten kann, zu sagen, was er denkt und tut.
Auch wenn es eine lange Reise ist, die man Toni auf seinen vermeintlichen letzten Tagen begleitet, bei der nicht jeder Abschnitt gleich interessant ist, so kann man trotzdem nicht aufhören zu lesen und taucht gerne in das Leben von Toni ein.

Das Buch wird nicht jeden ansprechen, die Länge des Romans, der realistische Schreibstil, das Thema und der teils zynische und leicht obszöne Inhalt werden auf manchen schon auf den ersten Seiten abschreckend wirken aber diejenigen, die sich auf die Geschichte einlassen, werden mit einem ausdrucksstarken, tiefgehenden und bewegenden Roman belohnt, der einem auch nach dem Lesen der mehr als 800 Seiten nicht so schnell loslässt.

Bewertung vom 10.09.2022
Die Buchhändlerin von Paris
Maher, Kerri

Die Buchhändlerin von Paris


weniger gut

Spannungsarmer und detailverliebter Roman über Sylvia Beach

„Die Buchhändlerin von Paris“ von Kerri Maher liest sich eher wie eine ausführliche Biografie anstatt als ein historischen Romanes über Sylvia Beach und ihrer englischsprachigen Pariser Buchhandlung "Shakespeare and Company", in der viele bekannte Schriftsteller und Denker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wie z. B. Joyce oder Hemingway.
Berühmt wurde Sylvia durch die Veröffentlichung von James Joyces Ulysses, als niemand sonst es veröffentlichen wollte. In Amerika wurde das Buch als pornografisch eingestuft, wodurch es dort weder veröffentlicht noch verkauft werden konnte. Weiteres Thema ist ihre Beziehung zu Adrienne Monnier, ebenfalls Inhaberin einer Buchhandlung in Paris und wie Sylvia, eine Förderin amerikanischer, französischer und britischer Schriftsteller.

Der Roman ist gut recherchiert und lässt sich auch leicht lesen, aber inhaltlich fokussiert er sich meiner Meinung nach zu sehr auf die Veröffentlichung von Ulysses und Sylvias Kampf diesen zu veröffentlichen. Als Folge dessen blieb die Charakterzeichnung abgesehen von Sylvia ziemlich schwach, so hatte ich mir z. B. einen tieferen Einblick in ihre Beziehung mit Adrienne Monnier gewünscht. Auch der eher nüchterne Schreibstil führt dazu, dass man wenig emotionale Nähe zur Handlung und den Charakteren aufbaut, worunter die Spannung des Romans deutlich leidet. Zudem nahm mit fortschreitender Seitenzahl Sylvias Besessenheit mit Joyce und Ulysses mir regelrecht die Lust am Weiterlesen.

Folglich konnte „Die Buchhändlerin von Paris“ mich nicht wirklich begeistern, nach Lesen des Klappentextes hatte ich mir einen spannenderen Roman über Sylvia Beach vorgestellt. Die Liebesbeziehung zu einer Frau, ihre Leidenschaft für Literatur und ihr Kampf Ulysses veröffentlichen zu können, hatten als Themen an sich auf jeden Fall das Potenzial dazu. Doch die Umsetzung konnte dem nicht gerecht werden. Ein zu sachlicher und wenig emotionaler Schreibstil gepaart mit zu vielen Details in Bezug auf Joyce als Person und sein Werk machen es zu einer interessanten Biografie über Sylvia Beach aber auch nicht mehr.