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Forti

Bewertungen

Insgesamt 203 Bewertungen
Bewertung vom 19.02.2019
Und dein Leben, dein Leben
Kindermann, Magret

Und dein Leben, dein Leben


sehr gut

Magret Kindermann bezeichnet ihr schmales Büchlein "Und dein Leben, dein Leben" selbst als philosophischen Thriller. Diese Beschreibung passt meiner Meinung nach gut – ein Thriller, der ohne viel Brutalität oder in die Länge gezogene Spannung auskommt. Die Geschichte über die Autorin Carmen – ich möchte gar nicht viel über die Handlung verraten – ist meiner Meinung nach auf den 112 Seiten rund erzählt, auch wenn mir das Verhalten von Carmen nicht in allen Szenen schlüssig vorkam.
Sprachlich solide und gut lesbar.

Bewertung vom 19.02.2019
Ein wirklich erstaunliches Ding
Green, Hank

Ein wirklich erstaunliches Ding


gut

"Ein wirklich erstaunliches Ding" wird von einigen für ein Jugendbuch gehalten; ich glaube, es wurde auch anfangs als ein solches angekündigt. Jetzt ist es ja als 'Roman' bezeichnet und ich würde es auch eher ab dem jungen Erwachsenenalter empfehlen.

Hank Green verknüpft in seinem Debüt zwei verschiedene Geschichten: die phantastische Geschichte des plötzlich in New York auftauchenden, titelgebenden "wirklich erstaunlichen Ding" Carl und die Geschichte der 23-jährigen, sympathischen April, die im Zusammenhang mit diesem Vorfall zu einer (Internet-)Berühmtheit wird. Die Kombination dieser zwei Geschichten finde ich eigentlich sehr gelungen, da sich ein Buch ergibt, das die Problematiken Auftreten im Internet, den Zwang, ständig neuen content zu generieren, und die Schattenseiten der Berühmtheit mit einer spannenden Rahmengeschichte verknüpft.
Leider hat das Buch aber trotz dieses gut gedachten Ansatzes seine Längen. Es gibt immer wieder längere Abschnitte im Buch, bei denen ich mich gefragt habe, was dort denn nun passiert ist, das entweder die Handlung voran treibt oder aber die Denkanstöße, die der Autor geben möchte, unterstützt.
Außerdem fiel mir die zeitliche Einordnung schwer. Wie viel Zeit ist im Laufe der Handlung vergangen? Irgendwann wird erwähnt, dass ein ganzes Jahr vergangen sei ohne dass mir richtig klar wurde, wie April ihren fame so lange halten konnte. Was für neuen content entwickelte sie in dieser Zeit, in der unter dem Strich scheinbar nicht viel berichtenswertes passiert ist?

Ansonsten wird das Leben als Internet-Star (soweit ich das beurteilen kann) gut und realistisch beschreiben: Berühmtheit, plötzlicher Reichtum, Einfluss, die Suche nach Bestätigung und so weiter. Manches hätte vielleicht noch mehr in die Tiefe gehen können.
Einige Stellen kann man auch als knappen Kommentar auf die heutige politische Situation in den USA und das raue Klima in der weltweiten Politik lesen.

Geschrieben ist das in einer etwas schnodderigen Sprache, die ich passend zur Ich-Erzählerin April fand und die sich gut und flüssig liest.

Leider mit leichten Schwächen und nicht durchgängig spannend, aber dennoch eine interessante Lektüre.

Bewertung vom 09.01.2019
Stella
Würger, Takis

Stella


ausgezeichnet

So wie von Takis Würger beschrieben habe ich noch nie über die Zeit des Nationalsozialismus gelesen. Zunächst einmal hat er mit der Figur Stella eine ungewöhnliche, aber doch auch realistische Person in den Mittelpunkt seines Buches gestellt. Ich möchte hier nicht zu viel über die spannende Figur und die teils erschütternde, teils unbeschwerte Handlung verraten, da ich das Buch ohne Vorwissen über die genauen Hintergründe gelesen habe, und (wenn möglich) genau zu dieser Lektüre raten möchte – natürlich mit der Empfehlung, sich anschließend anhand des (etwas knapp gefassten) Nachworts und weiterer Quellen über die realen Hintergründe zu informieren. Die Geschichte wird vom Schweizer Ich-Erzähler Friedrich erzählt, der einen spannenden Gegenpol zu Stella bildet. Beide Personen sind mir ans Herz gewachsen und ich habe mit den beiden mitgefiebert, mitgelitten.
Eine Stärke von Takis Würgers Erzählkunst liegt aber auch im Detail. Durch viele kleine Einzelheiten wird das Berlin 1942 bei ihm lebendiger als bei den meisten anderen Autoren. Teilweise ist es ganz anders als erwartet und beleuchtet dabei bestimmt nicht unbedingt den Alltag des damaligen Durchschnittsbürgers, aber gerade auch diese hier beschriebene Subkultur ist spannend. Diese Beschreibung war für mich genauso faszinierend wie die eigentliche Geschichte. Dazu gehört auch die zeitliche Einordnung, die sich zu Beginn jedes der 12 Kapitel findet, in der der Autor in aller Kürze sowohl wichtige als auch scheinbar nebensächliche Ereignisse des jeweiligen Monats in der Weltgeschichte auflistet – eine rasante Reise durch ein Jahr Geschichte.
Sprachlich ist das von Takis Würger intelligent und einfühlsam umgesetzt worden.
Spannende, erschütternde Geschichte trifft auf große Erzählkunst – Leseempfehlung! Ein erstes literarisches Highlight 2019.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.12.2018
Der Narr und seine Maschine / Tabor Süden Bd.21
Ani, Friedrich

Der Narr und seine Maschine / Tabor Süden Bd.21


gut

Ein Krimi? Nein. Eine Detektivgeschichte? Schon eher, aber wirklich eine ungewöhnliche. Tabor Süden ist allerdings schon eine eher typische literarische Ermittlerfigur, die Alkohol- und Probleme mit Vorgesetzten zu haben scheint. Seine Vergangenheit bleibt für mich als Ani-Erstleserin etwas unscharf, was aber nichts macht: der Geschichte von "Der Narr und seine Maschine" kann man auch ohne Vorkenntnisse gut folgen. Die Geschichte mit zwei Hauptpersonen - einer Ermittler, der andere der Gesuchte - fand ich aufgrund der Ähnlichkeit der beiden Charaktere interessant, wenn auch nicht herausragend. Wirklich spannend, überraschend oder aufregend wird es aber nicht - muss es auch nicht, aber man könnte das anders erwarten. In der ersten Hälfte hat das Buch mit seinen 143 großzügig gesetzten Seiten mich nicht richtig fesseln können. Irgendwann packte mich das Buch, dessen düstere Stimmung und Handlung im Kontrast zum an den Sommer 2018 erinnernden lähmend heißen Setting steht, dann doch etwas mehr, sodass ich es gerne zu Ende gelesen habe.
Sprachlich interessant und wechselhaft.

Bewertung vom 19.12.2018
Ofirs Küche
Graizer, Ofir Raul

Ofirs Küche


ausgezeichnet

Ofir Raul Graizer hat in seinem Erstlingswerk 80 vegetarische Familienrezepte aus seinem israelisch-palästinensischen Freundes- und Familienkreis gesammelt, woraus sich ein mit 237 Seiten ungewöhnlich umfangreiches Kochbuch ergibt. Das Buch umfasst die zu erwartenden verschiedenen Arten von Gerichten von herzhaft bis süß (in der Leseprobe findet man das Inhaltsverzeichnis).

Ich habe jetzt schon sowohl kalte als auch warme herzhafte Gerichte sowie zwei Kuchen aus dem Buch zubereitet und bin begeistert. Die Zutaten, die ich nicht sowieso regelmäßig im Haus habe, hielten sich mengenmäßig in Grenzen und waren problemlos im türkischen Supermarkt zu besorgen. Die von mir zubereiteten Rezepte waren durchweg machbar; ich würde sogar sagen, dass sie für auch für Seltenkocher gut umzusetzen sind. Und jetzt das wichtigste: alles hat mir auch sehr gut geschmeckt!

Ich vermisse allerdings Tipps, welche Rezepte man miteinander kombinieren kann oder welche Beilage man jeweils dazu reichen kann. Passt zum Salat eher Fladenbrot oder doch Reis? Gerade weil das Buch viele "kleine" Rezepte, die kein vollwertiges Hauptgericht ergeben, umfasst, hätte ich mich hier über mehr Ratschläge gefreut.

Bewertung vom 04.12.2018
Der Apfelbaum
Berkel, Christian

Der Apfelbaum


sehr gut

Der Schauspieler Christian Berkel legt mit "Der Apfelbaum" sein Debüt-Buch vor – ein biografischer Roman. Im Mittelpunkt der Familiengeschichte steht Berkels mittlerweile verstorbene Mutter Sala. Der Autor maßt sich nicht an, die Geschichte seiner Eltern bis ins Detail wahrheitsgemäß wieder zu geben, sondern wählt für seine persönliche Familiengeschichte den Roman als literarische Form, womit er sich die Möglichkeit gibt, eine runde Geschichte zu erzählen und unbekannte Details frei zu ergänzen. Die Geschichte seiner Eltern Sala und Otto, insbesondere die seiner Mutter ist eine besondere – mit Charakteren, die durchweg außergewöhnliche Lebensläufe und Eigenschaften haben. Die unbewusste 'halbjüdische Abstammung' der Mutter und die Konsequenzen, die sich dadurch in der Zeit des Nationalsozialismus ergeben, tragen zu einer Geschichte bei, die ich so noch nie gehört hatte. Zu viel möchte ich hier über die Handlung aber nicht verraten. Am Anfang des Romans springt der Roman zwischen den Figuren, Zeiten, Liebespaaren, sodass es mir hier schwer fiel, den Überblick zu behalten. Das wurde aber besser, als sich die Handlung auf Sala und Otto konzentrierte und somit nur eine Generation an Protagonisten im Mittelpunkt stand.

Christian Berkel schreibt meist flüssig – es finden sich aber kleine Stellen, die sprachlich nicht ganz gelungen sind, Sätze die nicht ganz eingänglich waren oder klischeehaft klingen.

Die Vorschuss-Lorbeeren, die das Buch des berühmten Schauspielers erhielt, kann ich als Leserin deshalb nur in Teilen nachvollziehen. Es ist ein gutes Buch mit interessanten Charakteren und Themen, aber eine literarische Sensation ist es nun auch nicht. Gerade im Detail wäre hier sprachlich und inhaltlich Kleinigkeiten verbesserbar.

Durchaus lesenswert, aber bitte nicht zu viel erwarten.

Bewertung vom 20.11.2018
Gehen. Weiter gehen
Kagge, Erling

Gehen. Weiter gehen


sehr gut

Der norwegische Verleger, Abenteurer und Autor Erling Kagge hat ein schmales Buch über das Gehen geschrieben, in dem er seinen grundsätzlich eher philosophischen Ansatz durchaus auch mit Fakten unterlegt. So ergibt sich ein anspruchsvolles und lesenswertes Buch, das weder zu trocken noch zu philosophisch-meditativ ist. "Gehen. Weiter gehen" ist eher ein Essay als ein Buch mit klassischem Aufbau in Kapitel, so mag manchem Leser vielleicht ein roter Faden bzw. einer klarer Aufbau mit Inhaltsverzeichnis fehlen. Der Rundumschlag aus historischen und wissenschaftlichen Fakten, eigenen Erlebnissen und Denkanregungen ist in meinen Augen aber dennoch gelungen. Wie schon beim Vorgänger "Stille" sehe ich bei Erling Kagge auch eine Nähe zur Achtsamkeitsbewegung. In seinem neuen Buch sieht er das Gehen z.B. als langsamere Fortbewegung, bei der man dadurch Gelegenheit hat, mehr auf seine Umgebung zu achten, sie zu beobachten.
Ein Buch, das bei den weit verbreiteten Schrittzähler-Apps auf Handys schon irgendwie einen Zeitgeist trifft, aber den Schwerpunkt fernab von Tageszielen und der Reduzierung auf eine körperliche Betätigung hat und somit dem ein oder anderen einen neuen Blick aufs Gehen gibt – Entschleunigung und Achtsamkeit statt Challenges und Hektik.

Bewertung vom 30.10.2018
Ich komme mit
Waldis, Angelika

Ich komme mit


sehr gut

Die Geschichte von Vita und Lazy ist einerseits eine ungewöhnliche Freundschaft – andererseits gab es das doch schon oft in Literatur und Film: ältere, einsame Frau trifft jungen, kranken Mann. Mit großen Überraschungen wartet "Ich komme mit" dann auch nicht auf. Vita und Lazy nähren sich an, machen gemeinsam mehr oder weniger verrückte Unternehmungen und befassen sich unweigerlich mit dem Tod, dem sich beide nahe sehen.
Obwohl in der langsam erzählten Geschichte wenig handfestes und überraschendes passiert, hat mir das Buch von Angelika Waldis gut gefallen. Ich finde die Geschichte realistisch erzählt – so ist es eine langsame Annäherung zwischen den beiden, die auch Distanzen und Differenzen beinhaltet. Zwischendurch klingt auch immer wieder Witz an und die Geschichte wird nie schwermütig. So beschäftigen sich Lazy und Vita natürlich mit dem anstehenden Tod, aber mindestens genauso mit dem Leben. Es finden sich nachdenkliche Stellen, Gespräche, Gedanken – oft pointiert, ohne dass das Überhand nimmt.

Die Geschichte wird im Wechsel aus der Perspektive der beiden Protagonisten erzählt. Vita und Lazy haben dabei jeweils ihre eigene Erzählweise und Sprache, was ich ebenfalls sehr gelungen finde.

(Auch) aufgrund des Anhangs kam das Ende für mich etwas abrupt.

Bewertung vom 22.10.2018
Mein Ein und Alles
Tallent, Gabriel

Mein Ein und Alles


ausgezeichnet

Puh, weder das harmlose Cover noch der etwas explizitere Klappentext lassen vermuten, was für eine heftige Geschichte "Mein Ein und Alles" ist. Die intensive, kranke Beziehung zwischen Turtle und ihrem Vater wird zwar beschrieben ohne dass das ganze jemals an der Grenze zum voyeuristischen kratzt, wie es Thriller (das hier ist kein Thriller) manchmal tun, trotzdem geht die Geschichte wirklich unter die Haut – wohl auch weil dem Leser Turtle unweigerlich schnell ans Herz wächst und man ihr so sehr den Ausweg aus dieser Beziehung wünscht.

Turtle ist eine außergewöhnliche 14-jährige – in fast jeder Hinsicht: ein Überlebenswunder, abgebrüht (mit weichem Kern), eine harte Kritikerin ihrer selbst und – obwohl sie in der Schule eher schlecht ist – auf ihre Art ein kluger Kopf. Überhaupt benehmen sich die Kinder und Jugendlichen alle ungewöhnlich, meist ihrem Alter voraus.

Ungewöhnlich einen Roman für Erwachsene mit einer so jungen Hauptdarstellerin zu lesen, aber ich fand es sehr gelungen und eindringlich.

Für mich in den Top 3 der Neuerscheinungen 2018! Eine intensive, lohnenswerte Lektüre.

***
Achtung: Als Geschenk finde ich das Buch eher ungeeignet. Falls dieses Buch aber doch ein Geschenk sein soll, sollte man sich als Schenker 100% sicher sein, dass der Beschenkte eine solch intensive, teils bedrückende Geschichte wirklich lesen möchte.

Bewertung vom 05.10.2018
Das Vogelhaus
Meijer, Eva

Das Vogelhaus


ausgezeichnet

Die niederländische Autorin Eva Meijer stieß bei Recherchen für ein anderes Buch auf die Vogelforscherin Len Howard, die Ende des 19. Jahrhunderts geboren wurde. Über mehrere Jahrzehnte lebte diese bis zu ihrem Tod 1973 in ihrem 'Vogelhaus' in englischen Sussex. Dort beobachtete sie zahlreiche einheimische Vögel (vor allem Kohlmeisen), baute Vertrauen auf, lebte mit den Vögeln zusammen, richtete ihr Leben nach ihnen aus und veröffentlichte mehrere Artikel und zwei Bücher über ihre Beobachtungen. Obwohl sie nie ein wissenschaftliches Studium absolvierte und von der damaligen Wissenschaft nicht ernst genommen wurde, war sie bei den Forschungsmethoden ihrer Zeit voraus und beobachtete die Vögel in ihrem natürlichen Habitat und betrachtete sie als Individuen. Geprägt ist Len Howards Vorgehen von einer Empathie, die auch heute noch vorbildlich ist.
Im Roman vermischen sich Wahrheit und Fiktion, was mich zunächst vor allem in den Passagen über die Meise Sternchen irritierte, die Eva Meijer so schreibt, als würde es sich um von Len Howard geschriebene Zeitschriftenartikel handeln. Irgendwann warf ich diese Bedenken aber über Bord und ließ mich von der Geschichte einer ungewöhnlichen Frau unterhalten und bezaubern.
Eva Mejer beschreibt Len Howards Leben, ihre Gedanken und Gefühle und ihre Liebe zu Vögeln mit einer einfühlsamen, melodischen Sprache, die sich gut lesen lässt.
Für mich ein Highlight! Ein Muss für alle Vogelliebhaber!