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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
buchwürmchen
Wohnort: 
reutlingen
Über mich: 
Das Leben ist viel zu kurz um schlechte Bücher zu lesen!

Bewertungen

Insgesamt 449 Bewertungen
Bewertung vom 14.04.2015
Mit brennender Geduld
Skármeta, Antonio

Mit brennender Geduld


ausgezeichnet

Der 17 jährige Mario entscheidet sich kurzerhand gegen den in seinem Dorf traditionsreicher Fischerberuf und wird stattdessen Briefträger. Er hat nur einen einzigen Kunden zu beliefern, den berühmten Dichter Pablo Neruda. Eine sonderbare Freundschaft entsteht zwischen den doch sehr verschiedenen Männern. Mario unerfahren, schüchtern, einsilbig, etwas naiv und schwer verliebt in die schöne Beatriz, anderseits Neruda: wortgewandt, bereist, abgeklärt und erfahren. Neruda hilft Mario in seiner verzweifelten Liebe, er wird Trauzeuge und später Pate seines Kindes.

Die Geschichte dokumentiert die letzten Lebensjahren Nerudas, Chile der 70er Jahre und der Beginn der sozialistischen Allende-Regierung. Eine leidenschaftliche Ode an die Liebe, eine Prise Politik und eine Messerspitze Geschichte in einer wunderschönen offenen und schnörkellosen Sprache.

Bewertung vom 01.04.2015
Homo faber
Frisch, Max

Homo faber


ausgezeichnet

Der Erzähler Walter Faber ist Ingenieur, und dementsprechend sachlich und rational begreift er die Welt und dessen Bewohner. Kunst im Allgemeinen findet er als Irrtum und Gefühle assoziiert er mit Schwäche. Seine Welt ist die Technik, die soziale Kompetenz fehlt ihm gänzlich, doch er ist rundum zufrieden, glaubt er, bis die Liebe zuschlägt. Erst in der Beziehung zur jungen Sabeth kehrt er ins wirkliche Leben zurück und durchlebt eine gewaltige Entwicklung.

Dieser Roman ist keine Schicksalsgeschichte im engeren Sinne, vielmehr erlebte ich ihn als eine Bloßstellung einer bestimmten Lebensweise, eine Kritik an unsere moderne Gesellschaft. Der anfänglich sehr sachliche und gradlinige Erzählton weicht nach und nach auf, wird emotional und poetisch ohne verstellt zu wirken und entführt in ungeahntes Lesevergnügen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.03.2015
Oliver Twist
Dickens, Charles

Oliver Twist


sehr gut

Weil der Vater unbekannt ist und die Mutter früh stirbt, wird Oliver in einem Waisenhaus untergebracht. Die völlig überforderten und unseriösen Betreuer reichen ihn für nur fünf Pfund an einen Sargschreiner weiter. Bei diesem wird er vom Lehrling gezüchtigt und misshandelt, flieht deshalb nach London, wo er sich einer Diebesbande anschließt. Doch ungeschickt und viel zu ehrlich zum Stehlen, landet er sehr bald im Gefängnis. Der gerissene Bandenanführer Fagin aber, findet Gefallen am jungen Oliver und will ihn unbedingt in die Kunst des Diebstahls einweisen.

In Anbetracht dessen, dass die Geschichte zwischen 1837 und 1939 zu Papier gebracht wurde, wirkt die angewandte Sprache anfänglich etwas schwierig und holprig, doch je mehr man in die Geschichte eintaucht, desto höher der Genuss. Bildhaft und fassbar sind die Beschreibungen Dickens, ob es um die Landschaft geht, oder um London als Brutstätte des Bösen und der Armut, er verliert sich in Details und dies bereichert die Geschichte ungemein.

Dickens verwendet in den Dialogen verschiedenen Dialekte, damit wollte er wohl die unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten hervorheben, im Originaltext macht es sicherlich Sinn, die Übersetzung leidet jedoch ein wenig darunter. Nichts desto trotz, was mich schon als Kind unheimlich begeistern konnte, verzauberte mich im Erwachsenenalter umso mehr.

Bewertung vom 30.03.2015
Mein Hund Mister Matti
Bauer, Michael Gerard

Mein Hund Mister Matti


ausgezeichnet

Es geht um das Leben eines Dalmatiners, von Mister Matti, erzählt aus der Sicht des ältesten Kindes einer Familie. Seine Ankunft und Eingliederung in die Familie, seine Abenteuer, Mutproben und Ängste. Viele kleine lustige Geschichten, aber auch lehrreiche ernste Themen werden aufgegriffen: Streit, Arbeitslosigkeit, Tod. Realistische Szenen die viel Stoff zu Diskussionen liefern, liebevolle Zeichnungen die das Erzählte nochmals intensivieren und eine wundervolle schlichte und sensible Sprache runden dieses Buch ab. Sicherlich stimmte uns der Tod von Mister Matti sehr traurig, doch ich finde dieses Thema gehört einfach zum Leben dazu und zu dieser Geschichte ganz besonders. Um darüber zu sprechen finde ich es nie zu früh, ganz besonders wenn man selbst Haustiere hat und die plötzliche Konfrontation mit so einem dramatischen Ereignis vor ebnen kann.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.03.2015
Gräser der Nacht
Modiano, Patrick

Gräser der Nacht


sehr gut

Der Ich-Erzähler Jean streift durch Paris, auf der Suche nach einer alten Liebe aus längst vergangenen Tagen. Damals und Jetzt verschmelzen, Erinnerungen werden wach und eine Geschichte entsteht die viel Raum für eigene Interpretation lässt, viele Fragen aufwirft und noch mehr Unklarheiten schafft. Alles bleibt in der Schwebe, Modiano verspürt kein Bedürfnis zur Aufklärung und was zunächst den Eindruck eines Krimis erweckt, entpuppt sich zum Schluss als Liebesroman der besonderen sanften Art.

Selten verbleiben bei mir solch gemischte Gefühle nach einem gelesenen Buch wie bei diesem. Ungeduldig begann ich, denn lange musste ich darauf warten, und stellte demzufolge hohe Erwartungen an den neuen Roman. Über lange Strecken dachte ich Modiano will mich auf die Probe stellen, eintönig führte er durch Paris, eine unendliche Anreihung von Cafés, Straßen und Namen folgten und ich fühlte mich leicht veräppelt. Eine flache Erzählweise schilderte ein paar Ereignisse ohne Höhen und Tiefen, rätselhaft jedoch keineswegs spannend und ich fragte mich ob es an der Übersetzung liegen mag? Ich fand zur Geschichte keinen Zugang. Doch ich liebe experimentelle Schreibweisen, deshalb blieb ich geduldig. Als eingefleischter Fan werde ich kein Urteil fällen, die 174 sind keine richtige Herausforderung, folglich sollte jeder seine eigene Schlussfolgerung ziehen.

Bewertung vom 23.03.2015
Orlando.
Woolf, Virginia

Orlando.


ausgezeichnet

Orlando, zunächst mal ein stattlicher Höfling, durchlebt im laufe dreier Jahrhunderte eine höchst brisante Umwandlung zur Frau, dies geschieht ganz nebenbei, ohne mechanischer Eingriffe oder chemischen Zutun. Er ist unsterblich, doch seelisch höchst verwundbar. Während die Zeit Tage, Monate, Jahrhunderte vergehen, wird das Thema Tod nur nebenbei aufgegriffen. Verschiedene Individuen sind plötzlich nicht mehr da, Orlando trauert nicht, lenkt sein Blick stets auf Neues. Er (später sie) versucht zu dichten, scheitert, versucht aufs Neue, versagt aufs Neue und so entsteht über die Jahrhunderte ein Manuskript: „Der Eichbaum“. Die Art und Weise wie Virginia Woolf die Qualen eines Schriftstellers beschreibt, seine Unzufriedenheit mit sich und seiner Werke, seine Melancholie und Verzweiflung ist außergewöhnlich und faszinierend.

So grob man den Inhalt dieses Romans auch zusammenfasst, wird die anfängliche Skepsis schnell aufgehoben und durch Verblüffung und einzigartigem Lesespaß ersetzt.

Bewertung vom 17.03.2015
Owen Meany
Irving, John

Owen Meany


ausgezeichnet

Knapp 850 starke Seiten die mit einer außergewöhnlichen Spannung die Geschichte von einer Freundschaft zwischen zweier Heranwachsenden erzählt. Den Rahmen dazu bilden drei Jahrzehnte US-Amerikanischer Geschichte, die kritisch analysiert und geurteilt werden. Im Zentrum stehen die militärischen Aktivitäten, allem voran der Vietnamkrieg. Dabei wird so mancher Politiker durch den Kakao gezogen und kein US Präsident zwischen 1950 bis 1989 bleibt verschont.
Die Figur des Hauptprotagonisten ist außergewöhnlich gelungen, und auch die anderen kommen nicht zu kurz, doch Owen faszinierte mich gleich zu Beginn, ich hatte den Eindruck ihn schon ewig zu kennen und freute mich jedes Mal aufs Weiterlesen. Recht bald erkennt man, dass ihm ein dramatisches Ende bevorsteht, doch Irving schafft es den Spannungsbogen bis zum Schluss aufrecht zu erhalten, die Ungewissheit und das vermeintliche Ende tragen ihres dazu bei, grandios inszeniert und kein einziges Mal unglaubwürdig.

Bewertung vom 12.03.2015
Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins
Kundera, Milan

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins


ausgezeichnet

Ein Buch über das schon sehr viel geschrieben wurde, über das man stundenlang diskutieren kann ohne sich zu wiederholen, das polarisiert wie kein zweites, vielschichtig und tiefsinnig für die einen, Möchtegernphilosophie für die anderen. Ich liebe es!

Der Autor beleuchtet die Gedanken und Emotionen zweier Pärchen in und um derer jeweilige Beziehung, wobei die Zeit hier keine große Rolle spielt. Dabei verharrt er lange bei den einzelnen Charakteren, untersucht und erforscht sie ganz intensiv, erlaubt faszinierende Einblicke in die zwischenmenschliche Beziehungen und den individuellen Bedürfnissen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.03.2015
Die Wörter
Sartre, Jean-Paul

Die Wörter


gut

Jean-Paul Sartre wird im Jahr 1905 geboren, nur kurze Zeit später stirbt sein Vater. Seine Mutter Anne-Marie zieht mit ihm, aus finanziellen Gründen zu ihren Eltern: Charles und Louise Schweitzer. Der kleine Jean-Paul wächst behütet und verwöhnt auf, er genießt eine hervorragende Erziehung durch einen Privatlehrer, ist von klein auf an Bücher interessiert und als er mit der Bibliothek seines Großvaters in Berührung kommt, zeichnet sich sein weiteres Leben bereits deutlich ab.
Er erzählt die Biographie seiner ersten 12 Lebensjahre, dabei befasst er sich intensiv mit seiner Rolle auf dieser Welt, seiner Bestimmung in der Familie. Jean-Paul scheint nur zufällig zu existieren, er erkennt den Zweck seines Lebens keineswegs. Er versucht seine Aufgabe vor sich und anderen zu definieren, es ist ihm ein Bedürfnis, zu gefallen. Deshalb fängt er auch mit dem Lesen und später mit dem Schreiben an, um zu gefallen.

Die Biographie ist schwer verständlich, als Hintergrund benötigt man umfangreiches Wissen über Sartres Theorien und vielleicht wäre es auch hilfreich zunächst Werke anderer Schriftsteller über ihn zu lesen und erst danach von vorne beginnen. Ich bin gescheitert und nur deshalb 3 Sternchen, beim zweiten Anlauf wird es sicherlich leichter.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.