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LichtundSchatten

Bewertungen

Insgesamt 241 Bewertungen
Bewertung vom 04.10.2023
Montaigne
Reinhardt, Volker

Montaigne


ausgezeichnet

Jeder Tag am Schreibtisch in seiner Bibliothek konnte der letzte sein. Montaigne schrieb in Zeiten des Bürgerkrieges zwischen Katholiken und Calvinisten, man hasste und befehdete sich, der Riss ging quer zu allen Bereichen, er trennte Obrigkeit, Nachbarn, Verwandte und auch Familien.

Wurde man überfallen, was Montaigne auch geschah, war am Ende das größte Geschenk die Freiheit, die Abkehr von äußerem Zufall und Willkür hin zum inneren Gleichmaß. „Verteidigung zieht den Angriff auf sich. Angst erzeugt Aggression“, so Montaigne. Wenn jeder gegen jeden kämpft und keine Frontlinien sichtbar werden, ist Überleben das Maß aller Dinge und höchst schwierig.

Montaigne verlässt sich auf den klugen, gewaltlosen, offenen Weg, er brüskiert andere mit seiner Hilfe und einer radikalen Offenheit, die ihm überraschenderweise verblüffende Erfolge bringt. Moralpredigten mit erhobenem Zeigefinger stoßen ab, wirkungsvolle Überzeugungsarbeit wird am besten im lockeren Plauderton geleistet, dies war didaktisches Prinzip seiner berühmten Essays.

Montaigne ging jeden Tag hoch zu seinem Turmzimmer, der Bibliothek, die Treppen schon Meditation und Genuss. Er hat gelernt, auf die Feinde zu hören, ihnen mit anderen Mitteln zu begegnen als Hass. „Wenn man mir widerspricht, weckt man meine Aufmerksamkeit, nicht meinen Zorn. Ich gehe auf denjenigen zu, der anderer Meinung ist als ich, denn er bereichert mich.“

Volker Reinhard, der Autor dieser hervorragenden Biografie bemerkt, dass Montaigne für das 21. Jahrhundert höchst aktuell sei, sind in diesen Jahren doch die unduldsame Korrektheit und Ausblendung unliebsamer Meinungen ähnlich virulent wie damals, im 16. Jahrhundert in Frankreich.

Ich habe nahezu alle Bücher über Montaigne gelesen, hier liegt etwas ganz Besonderes vor, spannend zu lesen, für mich mit vielen neuen Einsichten, am Ende mit einer biografischen Zeittafel.

Bewertung vom 04.10.2023
Die Asyl-Lotterie
Koopmans, Ruud

Die Asyl-Lotterie


ausgezeichnet

Koopmans begleitet mich schon seit vielen Jahren in seiner sachlichen, klaren Herangehensweise an ein Problem, das in zu vielen moralischen Spähren gefangen scheint.

Am Beispiel Chemnitz zeigt Koopmans, dass bei der Verteilung von Flüchtlingen auch die bisherigen Erfahrungen berücksichtigt werden müssen. Wird zu schnell in bisher relativ homogene Gruppen mit Fremden aufgefüllt, entstehen Probleme, auch weil für die Neuen keine Anlaufstellen vorhanden sind.

In Kapitel 1 wird anhand von 10 Punkten erklärt, warum das europäische Asylsystem todkrank ist. Es fordert mehr Menschenleben als es rettet und lässt die Schwächsten außen vor. Der Rechtspopulismus wächst immer stärker, solange der weiße Elefant nicht angesprochen wird. Und man ist erpressbar Autokraten wie Erdogan gegenüber.

Mit diesem Buch legt er einen Standard zur Lösung der Asylkrise: „Das bestehende Europäsche Asylregime erfüllt seine humanitären Zielsetzungen nicht, weder in Bezug auf die Schutzsuchenden noch in Bezug auf die Erstaufnahmeländer. Es zwingt Menschen, die Schutz suchen, ihr Leben zu riskieren. Es führt zu schwerwiegenden Sicherheitsrisiken und Integrationsproblemen.“

Das Problem ist sein Jahrzehnten bekannt, nichts aber wurde gelöst, im Gegenteil. Alles wurde noch verwirrender, komplizierter. Koopmans plädiert für die Abkehr aus einem undurchschaubaren Dickicht hin zu humanitären Kontinenten. Und nein: wir können nicht allen helfen, ohne uns selbst zu gefährden.

Ein aufwühlendes, nachdenklich stimmendes Buch, das den weiteren Anstieg des Rechtspopulismus befürchten lässt, wenn nicht schnell etwas geschieht.

Bewertung vom 01.10.2023
Das Alphabet bis S
Kermani, Navid

Das Alphabet bis S


weniger gut

Kermani sei ein anerkannter Dichter, der schon im Bundestag gesprochen und gebetet habe. So habe ich es irgendwo gelesen. Nun, er meint auch, dass die literarische Welt (vgl. Buch: "Eine andere Welt, Bücher, die in die Zukunft weisen") von heute, damit auch er?, keinesfalls so gut sei wie vor dem Untergang des Abendlandes. Möglicherweise sieht er sich aber doch eher als neuen literarischen Fixstern des Morgenlandes.

In diesem schwer lesbaren Buch werden Buchbetrachtungen, Aphorismen, Zitate, Skizzen, Erlebnisse, Gedanken, alltägliche Dinge und Kommentare at random verbunden mit einer kleinen, schwer zu identifizierenden Handlung. Kermani mutiert zu einer namenlosen, erfolgreichen Schriftstellerin, die trauert.

Lesen Sie selbst eine Weisheit mit: “Nicht das Alter, sondern der Tod ist die größte Überraschung im Leben.“

Mich ließ das alles eher verwirrt und fragend zurück. Und traurig. Vielleicht ist es das Beste, was ein Buch erreichen kann. War es die Axt für das gefrorene Meer in mir, frei nach Kafka? Wohl eher nicht.

Erklärungen über die getroffenen Aussagen in ihrem möglichen psychotherapeutischen Kontext finde ich allerdings in einem Buch von Dr. Burkhard Hofmann: „Und Gott schuf die Angst“. Dieses Buch hätte bei der namenlosen Dichterin ja dabei sein können, die vergessene Bücher bis S liest, um endlich Trost zu finden.

Bewertung vom 28.09.2023
Armageddon
Matussek, Matthias

Armageddon


ausgezeichnet

Eine Art Roman-Autobiografie und zutreffende Beschreibung der aktuell schiefen Ebene Deutschlands.

Matthias Matussek polarisiert, er hat sich vom Linksaußen- zum Vernunfts-Standpunkt gewandelt, dabei ist er gläubiger Katholik. Seine Fabulierkunst ist ungebrochen, sie richtet sich jetzt gegen seine früheren, immer noch im linken Schlamm suhlenden Kollegen.

Man erfährt sehr viel über den inneren Zustand der Medien (Struckrad-Barre, Spiegel, Diekmann, Döpfner, Böhmermann, Fleiischhauer etc.) Matussek ist eine daraus erwachsene Pflanze, die ihr Aufblühen heute schöner denn je zelebriert, wortgewaltiger und standfest.

Ein von ihm ausgebildeter Praktikant, Malte Henk, schleicht sich wieder in sein Vertrauen ein und formuliert damit einen Artikel im Blatt des ach so sanften di Lorzeni, in der Zeit. Man spürt die Betroffenheit und kann ob dieses grausamen Verrats der regierungstreuen Medien nur noch erkennen, dass die Relotius-Presse zu den allerletzten Mitteln greift. Nun, Henk wird mit Sicherheit Preise der Rechtgläubigen ernten.

Über die Medienbranche schreibt Matussek: "Der Verrat ist so etwas wie ihre Betriebstemperatur."

Zudem wurde in das Buch ein weiteres spannendes Thema eingeflochten: Sterbehilfe. Mich beschäftigt dieses Thema seit ich das Gespräch zwischen dem unsäglichen Müntefering und Prof. Dr. Udo Reiter gesehen habe. Der ehemalige Intendant des MDR und BR hat sich kurz danach mit 70 auf seiner Terrasse erschossen - nach einem langen Leben im Rollstuhl. Die Arroganz der Müntefering Aussagen ist mir noch heute im Ohr. Matussek ist als Katholik gegen selbstbestimmtes Sterben seine Freundin dafür, eine schauerlich gute Geschichte, die alle Argumente pro und contra auffächert.

Das Kennenlernen seiner Frau und die andauernde Liebe: Matussek kann auch Romantik, ein L(i)ebensmensch durch und durch. Mich hat diese Passage tief berührt.

Zur Endzeit und wie man sie erkennt: "Frauen nannten sich Männer, und geschminkte Männer behaupteten, sie seien Frauen und könnten Kinder gebären...Alles stand Kopf wie in Orwells 1984...Denken Sie an die Kriegsbegeisterung ...Habeck war unter ihnen, seine Hörner wurden nun sichtbar...Stuckrad-Bahre versuchte den Hashtag Metoo zu singen...Diekmann skandierte Wulff Wulff..."

Ein riesengroßer dunkler Spaß könnte man meinen, aber es ist Ernst, wirklich ernst, denn die Antifa und ihre Hammer-Truppen stehen Gewehr bei Fuß.

Spannend, intelligent, herausfordernd, hell auflodernd im Wahnsinn der Zeit.

Bewertung vom 22.09.2023
I Do It Mai Way
Mai, Vanessa

I Do It Mai Way


gut

Sie stand früh auf den Brettern, war mit ihrem Vater, einem Berufsmusiker, unterwegs und kannte das Musiker-Leben. Ihr Geschenk aus den Sternen besteht aus einem wirklich sympathischen Äußeren, einem natürlichen Lächeln und gewachsener Klugheit bzw. Zielstrebigkeit.

Nicht ohne Grund ist aus Vanessa Mai ein Star geworden, auch ohne Florian Silbereisen, aber mit der Management Power ihres Mannes bzw. der Familie Berg-Ferber. Sie ist bei all dem ein wirklich sympathischer Mensch geblieben, der fröhlich Schlager singt. Warum auch nicht! Ich höre ab und an diese Lieder gerne und erinnere mich dabei an meine Jugend mit Jukeboxen und Vicky Leandros, Roy Black, Roland Kaiser und den Ferienlieben.

Das Buch gendert, schluckt und hickst. Es denglisht, es spricht eine merkwürdig aufgesetzte, zu schnelle Sprache aus positiver Psychologie und Management Weisheiten, die oft aufgesetzt wirken. Ich bin Teil einer Crowd, die vor mir steht, performe einfach und so weiter…krass anzuhören bzw. zu lesen.

Trotzdem, wer hat schon mit 30 eine Biografie verfasst? Diese ist lesenswert, ein Status quo Bericht und der Ausgangspunkt, um bei der nächsten besser zu werden.

Vanessa Mai hat eine sehr positive Ausstrahlung und mit diesem Pfund aus dem wolkenfreien Gen-Sternen-Himmel wuchert sie bestens, mündlich ist sie allemal besser als schriftlich, eine selbstbewusste Person, die sich kein X für ein U vormachen lässt. Man muss sich um sie keine Sorgen machen, ihr Erfolg wird weiter gehen und lange bestehen bleiben.

Bewertung vom 19.09.2023
Mitte / Rechts
Biebricher, Thomas

Mitte / Rechts


weniger gut

Ein langatmiges Buch, das man mit der Einleitung und der Zusammenfassung ausreichend begreifen kann. Länge muss nicht notwendigerweise Präzision beinhalten.

Das Buch fußt auf einer mMn fragwürdigen Definition von Konservatismus, dem man unterstellt, nicht veränderungswillig zu sein.

Konservativ zu sein, bedeutet für mich aber, das Gesetz der praktischen Vernunft anzuwenden. Neuem gegenüber ist man aufgeschlossen, man begleitet alles kritisch und ist offen und optimistisch. Zu den Besonderheiten des Konservatismus gehört, dass er keine geschlossene Theorie hat. Er ist praktisch veranlagt und schafft ein Gegengewicht zum blinden oder zu moralischen Fortschrittsglauben, dem er sich keinesfalls entzieht, den er aber skeptisch und verantwortungsethisch begleitet und auf ein menschliches, unideologisches Maß korrigiert.

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Bewertung vom 18.09.2023
Die Welt der Bücher Postkartenkalender 2024. Von den schönsten Bibliotheken bis zum gemütlichen Lesesessel - ein Fotokalender für Bücherfreunde. 53 Postkarten in einem Kalender

Die Welt der Bücher Postkartenkalender 2024. Von den schönsten Bibliotheken bis zum gemütlichen Lesesessel - ein Fotokalender für Bücherfreunde. 53 Postkarten in einem Kalender


ausgezeichnet

Ich nutze diesen Kalender schon seit Jahren und bin immer wieder begeistert von den Bildern und Zitaten. Ein liebevoller Blick auf die Welt der Bücher und Buchliebhaber, kreativ und überraschend.

Die Postkarten begleiten meine Buchgeschenke als Glückwunschkarten und sind immer wieder ein besonderes Highlight.