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Milienne
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Essen

Bewertungen

Insgesamt 122 Bewertungen
Bewertung vom 26.03.2022
Fritz und Emma
Leciejewski, Barbara

Fritz und Emma


ausgezeichnet

Ein Auge lacht, das andere weint

Als ich den Klappentext gelesen habe, erinnerte mich die Geschichte sofort an eines meiner Lieblingsbücher aus der Jugend: Salzige Küsse, geschrieben von der niederländischen Kinder- und Jugendbuchautorin Tine Bergen. Eine alte Liebe, die in Kriegszeiten viel Leid durchmachen musste und daran zerbrach, Rückblicke, Krieg, eine Gegenwart, die immer noch Spuren dieser einstigen Bindung enthält, ein Umzug und eine Protagonistin, die sich auf die Suche nach Antworten begibt, um zu verstehen: Was bringt zwei Menschen, die eigentlich füreinander bestimmt waren, auseinander? Und kann mir das auch passieren?

Wie bereits Tine Bergen, webt Barbara Leciejewski aus starken Gefühlen, persönlichen Leidensgeschichten, Traumata, Veränderung und Neugier eine bittersüße Geschichte, die das Leben von Fritz und Emma ummantelt. Es wird gezeigt, das Liebe alleine nunmal manchmal nicht reicht, welchen Einfluss traumatische Erfahrungen auf eine Beziehung haben, wie diese einen im Weg stehen und dass wir nie zu alt für ein Happy End sind.

Die Autorin hat beim Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart genau das richtige Maß gefunden und ich war sehr dankbar, dass wir im Gegensatz zu Marie früh erfahren, was zwischen Fritz und Emma vorgefallen ist, jedoch so rationiert, dass die Spannung bleibt. Auch Marie ist die ideale Protagonistin, sie stellt in der Gegenwart die richtigen Fragen und Anforderungen, die die Handlung erst so richtig in Schwung bringen.
Wie Fritz den Krieg schildert, als das Schlimmste, was Menschen anrichten können, ist momentan leider von unvorhersehbarer Relevanz und umso treffender.

Über verpasste Chancen reden, jedoch ohne Reue, ohne Vorwürfe- “Fritz und Emma”zeigt, wie die Liebe und das Leben nunmal auch laufen können und wie sehr man schätzen sollte, was man hat. Mein Herz wurde beim Lesen gleichermaßen gebrochen wie auch zum Hüpfen gebracht, ein wunderbares Buch.

Bewertung vom 15.03.2022
Jeder Tag für dich
Greaves, Abbie

Jeder Tag für dich


ausgezeichnet

Unfassbar rührend!

Eine 1,80 m große Frau am Bahnhof in Earling, in den Händen ein Schild, auf diesem geschrieben: “Komm nach Hause, Jim” - das fällt so oder so auf. Dank eines Videos wird auch eine junge Reporterin aufmerksam, die sich bei der Suche nach Jim nicht auf ein Schild beschränken möchte. Sie taucht in das Leben der Dame mit dem Schild, Mary, ein. Dazu gehören im Prinzip nur die Schichten in einem Supermarkt, die freiwillige Arbeit bei dem Seelsorge-Telefon Nightline, das Warten auf Jim und damit das Klammern an Erinnerungen einer einzigartigen Liebe. Kann diese wirklich schon vorbei sein?

Die Geschichte der vierzigjährigen Mary berührt den Leser auf vielen Ebenen. Jeder der einmal verliebt war weiß, wie süchtig dieses Gefühl machen kann, aber auch wie tief der Fall sein kann, wenn diese Liebe vorbei geht. Die Autorin zeigt nicht nur, wie schmal der Grat zwischen unendlichem Glück und bitterer Enttäuschung sein kann, sondern auch, wie es eben zur letzteren kommen kann. Dabei liegt der Fokus nicht nur auf der Beziehung zwischen zwei Menschen, viel wichtiger wird in diesem Kontext die Beziehung zu sich selbst, in Form von psychischer Gesundheit, beleuchtet. Ein sehr sensibles Thema, welches die Autorin mit einer Menge Feingefühl und Empathie angeht. Jede der Figuren ist auf irgendeine Art betroffen, was in diesem Werk besonders heraussticht, ist die männliche Perspektive. Wie geht es Männern mit Depressionen in unserer Gesellschaft? Abbie Greaves ist es gelungen, diese Frage sichtbar zu machen und durch die Einbettung in die Beziehung von Mary und Jim zudem auch nahbar zu gestalten.
Mary war generell eine, wenn doch verschlossene, sympathische Figur. Vor allem hat sie trotz der Warterei auf einen Mann immer sehr stark gewirkt, ich habe denoch sehr mit ihr gelitten.
Der Schreibstil packt einen, weckt Neugierde und lässt einen jede Emotion selbst fühlen, ich habe das Buch höchstens weggelegt, um meine eigenen Gefühle kurz zu sortieren. Ansonsten habe ich es in einem Durch weitergelesen. Die lange Ungewissheit, die sich am bereits am Anfang der Lektüre einstellt, wird am Ende belohnt. Die Fragen, die ich hatte, werden, wenn auch anders als erwartet, beantwortet und ich konnte das Buch trotz (oder gerade wegen) des ernsten Inhalts mit einem Lächeln beenden.

Bewertung vom 15.03.2022
Das Fundbüro der verlorenen Träume
Paris, Helen Frances

Das Fundbüro der verlorenen Träume


sehr gut

„[...]Manche Dinge sind wie eine Art Zeitmaschine; sie können Menschen heraufbeschwören, die wir verloren haben.”
„Aber sie können sie und nicht zurückbringen.”
„Nein. Nein, das können sie nicht … Aber sie helfen uns, ihre Nähe zu spüren.”

Dot, die einst große Ziele hatte, arbeitet mit 30 immer noch, wie seit Jahren, in einem Londoner Fundbüro und scheint genau darin aufzugehen. Mit viel Sorgfalt nimmt sie ihre beruflichen Pflichten wahr, kategorisiert jeden verlorenen Gegenstand gewissenhaft und trägt sogar freiwillig eine Arbeitsuniform. Sie scheint sich mit ihrer pedantischen Art vollkommen in diesem Beruf zu verlieren. Durch Einblicke in ihr Privatleben, welches eigentlich kaum vorhanden ist und durch die Auseinandersetzung mit den Erinnerungen der Protagonistin wird dem Leser schnell klar, warum sie so geworden ist: ein herber Verlust in der Vergangenheit duch Selbstmord.

Im Hier und Jetzt verliert ein älterer Mann, Mr. Appleby, die Tasche seiner verstorbenen Frau und in Dots Lrbrn verändert sich so einiges. Beruflich ist der neue, schmierige Chef verantwortlich, privat ist die ältere Schwester Phillippa mit ihrer ganz eigenen Art nicht gerade unschuldig an Dots Überforderung. Umso mehr verbeißt sich Dot in das Finden der Tasche - wenigstens Mr. Appleby soll das bekommen, was er sucht. Indes übermannen die Schuldgefühle und Fragen Dot. Doch wird auch sie das finden, was sie vor dem endgültigen Absturz rettet?


Der Titel mutet zunächst sehr kitschig an, jedoch geht der Stoff des Debüts von Helen Frances Paris tiefer als eine schnulzige Lektüre.
Auf feinfühlige Weise erschafft die Autorin eine Fundgrube an sprachlichen Bildern zum Thema Verlust. Hier muss die Übersetzung von Sophie Zeitz ein großes Lob ausgesprochen werden, auch auf Deutsch behielt die Wortwahl ihre geschickte Wirkung. Der Einschätzung des Daily Express (“ein witziges, kluges und warmes Buch”) bleibt hier nur zuzustimmen.
Auch die Idee, die Kapitel mit den Etiketten verlorener Gegenstände zu betiteln empfand ich als einfallsreich. Diese Liebe zum Detail lässt sich auch in der Erzählung selbst finden, jeder verlorene Gegenstand und jede Emotion wird durch die Beschreibungen fast echter als in der Realität. Außerdem hat mir gefallen, dass Liebe und Romantik hier wirklich nur eine kleine Rolle spielen- Dot wartet auf keinen Prinzen, der sie rettet, sondern versucht es aus eigener Kraft.
Tatsächlich fehlt mir bei diesem sensiblen Thema ein wenig die Vorwarnung, diese wäre hier meiner Meinung nach sogar spoilerfrei. Triggerwarnungen sind bei Büchern nicht unbedingt gängig, aber die Vorstellung, das eine betroffene Person hier ohne Vorahnung mit dem Thema Suizid und Depressionen konfrontiert wird, kann nicht die ideale Lösung sein.

Kein kitschiger Roman, der viele Gefühle und noch mehr schöne Worte schafft, man muss jedoch im richtigen Gemütszustand für die Lektüre sein.

Bewertung vom 28.02.2022
Strahlemann
Schaefer, Fritz

Strahlemann


ausgezeichnet

Noch nicht genug von Fritz Schaefer!

Eine nüchterne Aufzählung der im Buch dargestellten Inhalte wäre deprimierend: eine Schwester im Rollstuhl und damit im Zentrum der Aufmerksamkeit, Großeltern, deren Beziehung man heute vielleicht als toxisch bezeichnen würde, unerwiderte Liebe, Verlegenheit beim Thema Sex und sogar das Fließen von Blut. Gott sei Dank erzählt Fritz Schaefer seine Geschichte selber, bevor jemand andere auf die Idee kam eine dramatische Biografie über seine Entwicklung zu machen, die tatsächlich sehr beachtlich ist. Der Radio-Moderator lässt seine Kindheit und Jugend mit seinem Wissen von heute auf eine geistreiche, humorvolle und treffende Weise Revue passieren. Die Schwierigkeit, Erinnerungen aufzuschreiben ohne sie zu verschönern meistert er indem er Zweifel an seiner eigenen Gedächtnisleistung direkt äußert, was ihn als Erzähler sehr stark und zusätzlich sympathisch macht. Tatsächlich schafft er es jedoch, die Perspektiven seiner früheren Ichs authentisch darzustellen und man sieht die Welt teilweise durch die Augen eines jüngeren Fritz Schaefers, Nostalgie ist für gleichaltrige vorprogrammiert.
Wer gerne Oscar Wilde zitiert, um über das Schöne zu reden (“Wer in schönen Dingen Häßliches entdeckt, ist verdorben, ohne charmant zu sein. Das ist ein Fehler.”), sollte sich mit der Lehre auseinandersetzen, die Fritz Schaefer aus seiner Erziehung zieht: “Meine Mutter jedenfalls, fiel mir auf, tat gut daran immer für bittersüße, nie gänzlich perfekte Momente in ihrem Leben zu sorgen. [...] Schön wurde nur, was in direkter Nähe zum Schrecklichen lag. Nur aus den richtigen Kontrastverhältnis ergibt sich das individuelle Gleichgewicht.” Wie seine Mutter dieses Verhältnis bei Fritz ausgeglichen hielt und wie er seine Kindheit und Jugend mit allem drum und dran sonst so meisterte, sollte man unbedingt selbst lesen!
Noch lange nicht genug von Fritz Schaefer, aber genug von mir.

Bewertung vom 02.02.2022
Eine kurze Liste meiner Probleme (Mutter nicht mitgezählt)
Steinfeld, Mimi

Eine kurze Liste meiner Probleme (Mutter nicht mitgezählt)


gut

Man bekommt was man erwartet!

Mit Cressida möchte man nicht tauschen: ein mäßig erfolgreiches Datingleben, keinen Job, zu wenig Geld, komplizierte Familienverhältnisse. Als ihre Mutter stirbt muss sie sich trotzdem weiterhin mit ihren Wünschen und Versäumnissen zu Lebzeiten auseinandersetzen, was ihr eh schon turbulentes Leben alles andere als entschleunigt. Ob sie dabei zumindest ein wenig die verkorkste Beziehung zur Mutter und auch andere Baustellen aufarbeiten kann, erfährt man beim Lesen.

Das Buch soll trotz der durchaus ernsteren Bausteine definitiv keine tiefgründige Lektüre sein, wie man schon an Titel und Cover erahnen kann. Es soll vor allem unterhalten und die chaotische Protagonistin Sympathiepunkte sammeln lassen. Dies gelingt auch durchaus, wenn man genau mit dieser Erwartungshaltung ans Lesen geht wird man definitiv nicht enttäuscht! Wem das zu seicht ist, hat sich im Genre vergriffen. Allerdings finde ich auch, dass die toxische Mutter-Tochter-Beziehung zu lapidar dargestellt wurde - und letzten endes können die “kleinen Probleme”, die Cressida hat, für andere Ursache ernster psychischer Beschwerden sein. Das lockerleichte Abhandeln von ernsthaften Lebenskrisen könnte durchaus ein Trigger sein, aber wie gesagt - man darf nicht zu ernst an die Sache dran gehen.

Cressida ist mir sehr sympathisch, trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer chaotischen Art, die durch den Schreibstil der Autorin gut rüberkommt. Insgesamt glaube ich, dass es definitiv genug Menschen gibt, die viel Freude mit dem Buch haben werden, auch wenn es nicht 100% mein Fall war!

Bewertung vom 03.01.2022
606
Fox, Candice

606


ausgezeichnet

Genau mein Geschmack!
Das ist das erste Buch von Candice Fox und ich war sehr begeistert. Ich liebe Thriller, aber kennt man den einen, kennt man nach einer Weile gefühlt alle. Doch hier haben wir Exemplar, das dem typischem Schema abweicht und uns gleich mehrere üble Täter liefert- allerdings bereits gefasst. Eigentlich. Unvorstellbar, sich dieses Szenario in der Realität auszumalen, da schon der Ausbruch eines Gefangenen für Aufregung sorgt. Die Idee finde ich, obwohl sie in ihren Nachwirkungen so offensichtlich Thrillerpotential hat, sehr kreativ.
Hier mochte ich auch den Perspektivwechsel, bei keiner einzigen Figur habe ich mich gelangweilt. Die Hauptfigur Kradle ist mir sogar sehr ans Herzgewachsen. Celine Osbourne fand ich äußerst unsympathisch, was einen hervorragenden Ausgleich zu dem sympathischen Kradle geschaffen hat und auch ihre Story empfand ich als äußerst spannend.
Das Ende lässt den Leser nicht fragend zurück, was auch nicht unbedingt bei jedem Thriller der Fall ist. Eine klare Empfehlung!

Bewertung vom 22.11.2021
Regenglanz
Omah, Anya

Regenglanz


ausgezeichnet

Einfach nicht meins

Alissas und Simons Kennenlernen scheint zunächst holprig, doch die beiden fangen sich und merken schnell, dass da sogar viel Zuneigung im Spiel ist. Doch da Simon von Alissa eigentlich nur tätowiert werden soll, lassen sie es langsam angehen- so langsam es eben zwei Personen angehen lassen können, deren Anziehung aufeinander nicht zu leugnen ist. Doch nicht nur die „geschäftliche“ Beziehung bereitet Komplikationen. Beide sind geprägt von ihrer Vergangenheit und gerade Alissa wird von dieser im Alltag oft eingeholt. Ihre größte Hürde, entdeckt die aufkommenden Liebe viel zu spät. Und diese könnte ihr Glück endgültig zerstören.

Die Geschichte der beiden hat viele gute Bewertungen bekommen. Der Schreibstil der Autorin gefällt mir auch sehr gut, ihre Worte an sich werden nie langweilig, in Anbetracht des Inhalts eine schwierige Aufgabe - zumindest in meinen Augen. Diese Chemie von Simon und Alissa von Beginn an schien mir doch sehr willkürlich und irgendwie nicht nahbar. Klar, wer wünscht sich nicht genau so etwas und ja, Literatur darf da übertreiben, aber ich habe es beim Lesen einfach selber nicht gefühlt. Außerdem war mir die Beziehung der beiden zu eindeutig

Bewertung vom 03.11.2021
Mädchenmeuterei
Fuchs, Kirsten

Mädchenmeuterei


gut

Hätte ich früher geliebt!


Eine Gruppe von Freundinnen, die Abenteuer erlebt - das ist ein Stoff, den ich in dem Alter der Protagonistinnen geliebt und vielleicht auch hätte.

Die 16-Jährige Charlotte Nowak sucht ihre Freundin - mit Hilfe ihrer anderen Freundinnen und eine abenteuerliche Reise beginnt.

Den Inhalt ausführlich wiederzugeben würde mir schwerfallen, dazu hat er sich mir nicht gut genug erschlossen. Vielleicht bin ich zu alt für Jugendliteratur und zu jung, um sie trotzdem richtig gut zu finden.

Es wird sich viel auf das erste Buch bezogen und die Autorin versucht, alles auch für Nichtkenner zu erklären. Leider wirkt die Geschichte der Mädchen auch durch die Autorin zusammengefasst sehr abstrus und zu verworren. Die Dynamik und die Mischung der Freundinnen hat mich nicht zu 100% überzeugt, ich habe diesen Zusammenhalt, den der Titel suggeriert nicht immer so gespürt - aber das ist nur meine subjektive Wahrnehmung.

Ich habe das Buch einer 14-Jährigen geschenkt und sie war ganz begeistert. Das Buch macht, was es machen soll: Jugendlichen Identifikationspotenzial bieten und auch gefallen.

Bewertung vom 03.11.2021
Auf Basidis Dach
Ameziane, Mona

Auf Basidis Dach


ausgezeichnet

Die Freundin mit marokkanischen Wurzeln, von der wir nicht wussten, dass wir sie brauchen, es aber definitiv tun - in Form eines Buches.
Nach dem Lesen der Lektüre habe ich die Befürchtung zukünftig auf die Frage ,,Warst du schon mal in Marokko?” mit ,,Ja!” zu antworten. In erster Linie hoffe ich jetzt umso mehr, dass diese Antwort bald der Wahrheit entspricht, aber vor allem schafft Mona Ameziane es, auch ohne dass ich mich drei Stunden ins Flugzeug setze, mir ein hautnahes Reiseerlebnis zu verschaffen. Sie lässt uns bei ihren Erzählungen keine Sekunde außen vor oder grenzt sich von uns, die, die Marokko nicht so kennen wie sie, ab. Sie erklärt, räumt mit Klischees auf, aber zeigt auch, was sie selbst nicht versteht und was das mit ihr macht. Dadurch wird dieses Buch so wunderbar authentisch, als höre man einer sehr wortgewandten besten Freundin zu. Ganz viele wichtige Themen wie Heimat (Hat sie doch einen Plural?), Identität, Rassismus, Religion und Kultur vereint, bietet das Buch ein unerwartetes Highlight: Monas Vater. Auch wenn er nicht immer präzise Antworten gibt, machen sie doch jedes Mal so viel Sinn. Wer das Buch liest muss Platz in seinem Herzen machen: Einmal für die unendlich sympathische und intelligente Erzählerin und ihren liebenswürdigen Vater. Wer dazu noch bereit ist, in die marokkanische Welt einzutauchen, wird viel Lesevergnügen haben.

Bewertung vom 26.10.2021
Wie schön wir waren
Mbue, Imbolo

Wie schön wir waren


ausgezeichnet

„Diese Geschichte muss erzählt werden, sie mag sich nicht gut anfühlen für alle Ohren, ihre Wiedergabe bereitet unseren Mündern keine Freude, aber unsere Geschichte darf nicht unerzählt bleiben.“ - Wie schön wir waren

Ein afrikanisches Dorf in den Händen eines amerikanischen Großunternehmens.
Regelmäßig erscheinen Verteter von Pexton in Kosawa, um vor ihnen zu sprechen. Diese Versammlung aber läuft nicht mehr wie vorher und es beginnt ein Kampf, der Jahrzehnte dauern soll. Ihre Wut ist nur verständlich, die Auswirkungen der Pipeline Pextons sind enorm: Krankheit, Tod, Umweltverschmutzung…

Die Figuren und der Ort mögen erfunden sein, die Geschehnisse sind jedoch leider real. Beim Lesen wird sofort klar, an welche Konzerne das korrupte Verhalten erinnert.

Die Geschichte greift in gewisser weise den klassischen “Overcoming the Monster Plot auf: Eine böse Macht, die unbesiegbar scheint und das Dorf bedroht, Thula, die sich berufen fühlt dagegen anzukämpfen und zur Heldin der Geschichte mutiert. Ob es ihr gelingt, das Monster zu besiegen, muss jeder selber nachlesen, es lohnt sich!

Im Verlauf der Geschichte wechseln die Perspektiven und alle Generationen werden vertreten,Thula, ihr Onkel Bongo, die Kinder des Dorfes, Thulas Mutter Sahel und ihr kleiner Bruder Juba . Zu keinem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, dass nicht wirklich die dargestellte Person erzählt. Die Autorin schafft es, die Perspektiven so individuell auszuarbeiten, dass der Wechsel für die Erzählung nicht nur in der ästhetischen Wirkung stimmig ist, sondern auch sinnvoll. Das Leid hat für jeden andere Auswirkungen, durch die Beleuchtung aus verschiedenen Blickwinkeln wird einem das Ausmaß erst richtig bewusst. Es handelt sich nicht um eine homogene Masse, die ganz weit weg nicht unter besten Bedingungen lebt. Es sind Menschen, mit eigenen Geschichten, einem eigenen Leben, eigener Kultur und eigenen Bräuchen. Und ihre Welt wird durch den westlichen Einfluss zerstört, leider keine reine Fiktion. Umso wichtiger, dass die Autorin das Thema aufgreift und uns Persönlichkeiten hinter den Schlagzeilen gibt. Beim Lesen wird man nur zu sehr von der Dringlichkeit des Handelns überzeugt.

Danke Imbolo Mbue für das Erzählen.