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Lesendes Federvieh
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München
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Hinter dem Namen Lesendes Federvieh verbirgt sich das Blogger-Duo kathiduck und Zwerghuhn. Wir lesen querbeet alles, was uns zwischen die Finger kommt und veröffentlichen die Rezensionen dazu auf unserem Blog (lesendes-federvieh.de). Dort gibt es übrigens noch viele weitere Beiträge rund ums Thema Buch. :)

Bewertungen

Insgesamt 539 Bewertungen
Bewertung vom 15.10.2021
Das weiße Haus
Mueller, Wolfgang

Das weiße Haus


sehr gut

Nach den ersten Seiten des Romans „Das weiße Haus“ war ich hin- und hergerissen, ob mir die Geschichte gefällt oder nicht. Es fiel mir relativ schwer in den Erzählfluss einzutauchen. Doch wie aus dem Nichts entwickelte sich die Handlung sehr schnell zu einem eleganten, fein gesponnenen, tiefgründigen Psychogramm. Diese völlig unerwartete Wendung und die daraus resultierende unterschwellige Spannung waberte durch jede umgeblätterte Seite.

Meine Anfangsschwierigkeiten mit diesem Buch waren in Sekundenschnelle wie weggeblasen. Vielmehr konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen, denn ich wollte unbedingt wissen, wie weit Elisabeth für dieses Abenteuer in ihrem Leben gehen würde. Es war absolut eindrucksvoll und fesselnd zu lesen, wie sich ein Mensch einem anderen derart unterordnen kann, ohne auch nur etwas zu hinterfragen.

Wolfgang Mueller lässt den Leser durch seine klare, präzise und einnehmende Erzählweise geschickt in Elisabeths Seele und ihre Gedanken blicken. So nimmt man die Dinge aus ihrer ganz persönlichen Sicht heraus wahr. Obwohl ich sie am liebsten manchmal ordentlich geschüttelt hätte, damit sie wieder zur Besinnung kommt, konnte ich ihre Entscheidungen nachvollziehen und wartete gespannt, auf den weiteren Verlauf der Geschichte.

Beeindruckend fand ich auch die gekonnt geschaffenen Figuren, die so lebendig wirkten, durch ihre innere Zerrissenheit, ihre Zweifel, ihren Ehrgeiz und starken Willen. Komplettiert wurde diese außergewöhnliche psychologisch hochinteressante Lektüre durch ein absolut realistisches und logisches Ende.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.10.2021
Such a Fun Age
Reid, Kiley

Such a Fun Age


sehr gut

Mit ihrem Debütroman „Such a Fun Age“ ist Kiley Reid ein eindrucksvolles, hochaktuelles Porträt unserer Gesellschaft gelungen. Auf wunderbar ehrliche, humorvolle Art und Weise verwebt sie so wichtige Themen wie Rassismus, Klassenunterschiede und erdrückendes Gutmeinen um jeden Preis in eine absolut lesenswerte Geschichte.

Dabei seziert sie messerscharf und pointiert wie tief und weit verbreitet festgefahrene Vorurteile und Alltagsrassismus, sei er nun bewusst oder unbewusst, in unserer Gesellschaft verankert sind. Durch locker und fluffig kreierte Szenen und Dialoge, die es in der Tiefe in sich haben, nimmt sie den Leser mit zu Alix Chamberlain und Emira Tucker und bis man sich versieht, befindet man sich genau in diesem Kokon aus weißen Privilegien, Armut und schwelendem Rassismus und dem übertriebenem Bedürfnis sich besonders gut und vor allem richtig zu verhalten. All das führt sie uns in diesem turbulenten, subtilen und unglaublich gut geschriebenen Roman vor Augen.

Durch die grandios authentisch wirkenden Figuren mit all ihren Macken, ihren Sehnsüchten und ihren Unzulänglichkeiten haucht sie der Geschichte eine solche Lebendigkeit an, sodass es für jeden ein Stückchen Erkennen gibt. Allerdings auch eines, dass noch viel zu tun ist, um gesellschaftliche Missstände zu beseitigen.

Bewertung vom 19.09.2021
Schattenjagd / Die Schnüfflerin Bd.2
Vaszary, Anne von

Schattenjagd / Die Schnüfflerin Bd.2


ausgezeichnet

Wie schon der Reihenauftakt ist auch der zweite Band "Schattenjagd" ein feiner Cosy Crime, welcher für jede Menge Spaß sowie Spannung sorgt und das ganz ohne allzu blutrünstige Szenen. Dabei besticht der locker leicht zu lesende Kriminalroman insbesondere durch die Feinheit seiner Charaktere sowie deren Einzigartigkeit. Nina ist die menschgewordene Spürnase, noch dazu außerordentlich pfiffig, in ihren Gedankengängen eigenwillig sprunghaft wie genial und gleichzeitig so herrlich echt. Obgleich Kommissar Koller nicht in die Nachforschung des S-Bahn-Schubser-Falles involviert ist, erhascht man dennoch Einblicke in das Leben des grummeligen, aber zugleich herzensguten Ermittlers und zwar ganz persönliche.

Spätestens als Marion ins Spiel kam und der Schattenjagd somit eine ganz neue Tiefe verlieh, konnte ich diesen Kriminalroman nicht mehr aus der Hand legen. Dabei findet Anne von Vaszary mit Fingerspitzengefühl die richtige Balance zwischen einem aktuellen sowie älteren Fall und lässt obendrein genau richtig dosiert das Privatleben ihrer Ermittler einfließen, die man am Ende nur ungern zwischen den Bauchdeckeln zurücklässt.

Abschließend kann ich nur eins sagen: Ich will mehr! Mehr von der pfiffigen Spürnase Nina, mehr von dem brummbärigen Kommissar Koller und mehr Geruchsexplosionen!

Bewertung vom 18.09.2021
Nordwestzorn / Soko St. Peter-Ording Bd.2
Jensen, Svea

Nordwestzorn / Soko St. Peter-Ording Bd.2


sehr gut

Auch der zweite Band aus der Soko St. Peter-Ording Reihe hat mir viele vergnügliche Lesestunden gesichert. Augenblicklich war ich wieder vor Ort in St. Peter-Ording, diesem wunderschönen Fleckchen an der Nordseeküste, das einen ganz besonderen Nordseecharme versprüht.

Diesmal rollen die beiden sympathischen Ermittler Hendrik Norberg. und Anna Wagner einen alten Vermisstenfall wieder auf. Damals wurden weder eine Leiche, noch der Täter gefunden. Dafür gab es drei Verdächtige, deren gesellschaftliches Leben dadurch in Schutt und Asche gelegt wurde. Stück für Stück kommen Anna und Hendrik der Wahrheit immer näher und gerade dabei wird beklemmend deutlich, wie schnell falsche Anschuldigungen nicht einmal hinterfragt, sondern blindlinks geglaubt werden und den Betroffenen ein Leben lang mit Misstrauen begegnet wird.

Auch diesmal ist es wieder absolut kurzweilig zu lesen, wie die beiden ihre schwierige Aufgabe lösen. Viele interessante und unvorhersehbare Wendungen halten den Fall spannend bis hin zum rasanten Schlussspurt mit einem Ende, mit dem ich nie gerechnet hätte. Neben diesem unterhaltsamen Krimiplot kommt auch das Privatleben der Protagonisten nicht zu kurz. Genau im richtigen Maß lernt man sie abseits des Reviers immer besser kennen und gerade das verleiht dem Buch eine wunderbare Lebendigkeit und Authentizität.

Wie ich schon in meiner Rezension zu „Nordwesttod“ zusammenfassend geschrieben habe, passen auch hier sowohl die gut durchdachte Handlung, die Charaktere und der angenehme, lockere und fesselnde Schreibstil der Autorin bestens zusammen. Ich freue mich schon sehr auf den nächsten Fall für die Soko St. Peter-Ording.

Bewertung vom 18.09.2021
Meteoriten
Cohen de Timary, Éloise

Meteoriten


sehr gut

Romane französischer AutorInnen gehören mittlerweile zu meinen Lieblingslektüren. Deshalb stand „Meteoriten“ auch ganz oben auf der Leseliste. Dieser moderne, lebendige und gleichzeitig berührende Roman, versprüht durchwegs diesen herrlichen unvergleichlichen französischen Flair.

Éloïse Cohen de Timary erzählt unaufgeregt und leise, jedoch absolut fesselnd, die außergewöhnliche, bittersüße Liebesgeschichte von Marianne und Virgile. Sie schafft es mit einer wunderbaren Leichtigkeit alles so bildgewaltig darzustellen, so dass man als Leser ein Stück weit bei den beiden in Paris dabei ist und an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben kann. Dadurch lernt man die Protagonisten einfach besser kennen. Virgile, der es gewohnt ist, zu bekommen, was er möchte und der stets im Mittelpunkt steht. Ebenso Marianne, für die es seit Virgile eine neue Zeitrechnung zu geben scheint, denn sie bietet ihm eigentlich nicht richtig Paroli, obwohl das bei seiner Ich-Bezogenheit durchaus nicht schlecht wäre.

Darin liegt auch der ganz spezielle Reiz an dieser Lovestory, weil die beiden eben nicht unbedingt das darstellen, was man von den Hauptfiguren in einem Liebesroman erwartet. Allerdings muss man das auch mögen, ich konnte für Virgile bis zum Schluss keine wirkliche Sympathie aufbringen. Aber vielleicht war das ja auch die Absicht der Autorin, sperrige Charaktere zu schaffen, „Meteoriten“ ist ja auch kein gewöhnlicher Liebesroman.

Ich habe „Meteoriten“ dennoch sehr gerne gelesen, denn die Autorin verwebt in dieser unkonventionellen, ungewöhnlichen Liebesgeschichte das Thema Kinderwunsch aus einem ganz speziellen Blickwinkel heraus. Ein spannendes Thema, das auf jeden Fall zum Nachdenken anregt - und das hat Éloïse Cohen de Timary mit viel Fingerspitzengefühl gemeistert.

Bewertung vom 18.09.2021
Das Meer von Mississippi
Fennelly, Beth Ann;Franklin, Tom

Das Meer von Mississippi


ausgezeichnet

„Das Meer von Mississippi“ ist ein bildgewaltiger, erzählerisch dichter Roman über die Jahrhundertflut im Jahr 1927 im Süden der USA, ebenso aber auch über das Leben in Zeiten der Prohibition und die Mechanismen der illegalen Schwarzbrennereien. Es ist ein ganz wunderbarer Schmöker, in den ich beim Lesen versunken bin, so mitreißend und aufwühlend geschrieben, ich konnte mich dem Erzählstrom nicht entziehen. Und es ist eine Geschichte, die niemanden kalt lässt und zum Nachdenken anregt, denn sie ist aktueller, denn je. Ich musste sofort an die Überschwemmungen in NRW und Rheinland-Pfalz denken, und auch daran, dass Katastrophen aus der Vergangenheit zu schnell in Vergessenheit geraten.

Alle stürzen sehenden Auges in die Katastrophe und genau diese unvermeidbare Tatsache ist so gut beschrieben und so eindrücklich in Szene gesetzt, die ganze Geschichte lief wie ein Film vor meinen Augen ab. Man spürt den Regen, Regen und nochmals Regen, sieht das Wasser ansteigen, die Straßen überfluten ‚ertrunkene‘ Felder wohin das Auge reicht, spürt die düstere Stimmung, das fehlende Sonnenlicht, aber auch das bisschen Hoffnung, dass die Deiche doch noch halten. Als dann alles vom Wasser weggespült wird, ist man gefangen im Hochwassergebiet wie alle anderen auch und fühlt immer stärker die herannahenden Auswirkungen der Katastrophe.

All das ist so spannend und fesselnd, wie in einem Krimi erzählt. Die Charaktere sind so realistisch geschaffen, als wären sie greifbar. Ich konnte mir ihre schlammverkrustete Kleidung vorstellen, ebenso die dicken Wassertropfen, die von ihren Hüten tropfte. Man spürt ihre Angst, ihren Kampf gegen die Natur, aber auch die Verschlagenheit und Rücksichtslosigkeit, um Profit zu machen und die drohende Katastrophe ohne Rücksicht auf menschliche Verluste herunterzuspielen.

Ebenso erging es mir mit dem fiktiven Südstaatenort Hobnob, auch hier schaffen die beiden Autoren es hervorragend, nicht nur das Lebensgefühl dieser Zeit und die elektrisierende Atmosphäre im Angesicht des drohenden Unheils bildgewaltig einzufangen, sondern auch die Naturgewalt und das daraus resultierende Desaster und unvorstellbare Leid der Menschen, die alles verloren haben, sehr eindringlich zu schildern, ich bekam Gänsehaut dabei.

Absolut spannend geschildert ist auch alles, was mit Schwarzbrennerei zu tun hat, die sich zu Zeiten der Prohibition zu einem lukrativen, illegalen Wirtschaftszweig entwickelt hatte. Auch hier beschreiben die Autoren sehr detailliert und historisch fundiert, wie in diesen heimlichen, gut versteckten Destillerien gearbeitet wurde. Daneben klingt immer wieder der allgegenwärtige Rassismus durch, es war ernüchternd und beschämend zu lesen, wie Farbige sogar in solch einer Ausnahmesituation noch als Menschen zweiter Klasse behandelt wurden.

Beth Ann Fennelly und Tom Franklin haben es fulminant geschafft, die Große Flut von 1927, die in den USA große Landesteile verwüstete, wieder ins Gedächtnis zu rufen und in diesem absolut lesenswerten Roman zu verweben.

Bewertung vom 09.09.2021
Räuber
Ladipo, Eva

Räuber


ausgezeichnet

Boomende Immobilienpreise und steigende Mieten sind im heiß umkämpften Berliner Wohnungsmarkt längst keine Ausnahme mehr, sondern die Regel. Dass die soziale Säuberung im Rahmen der Gentrifizierung jedoch zahlreiche Familien ihres Zuhauses beraubt, die in heruntergekommene Wohnungen an den Rand der Stadt gedrängt werden, wird billigend in Kauf genommen.

Eva Ladipo verleiht in "Räuber" denjenigen eine Stimme, die ihrer so lange beraubt wurden: den Verdrängten. In Gestalt des für seinen Job viel zu intelligenten jungen Bauarbeiters Olli Leber, seiner verhärmten, vom Leben gezeichneten Mutter sowie seines Cousins Mark, der seine kriminelle Vergangenheit für einen eigenen Frisörsalon hinter sich gelassen hat und den Mietern der Nummer 9 taucht man in den bitteren Kampf um Stolz, Würde und Wohnraum ein.

Unterstützung in seinem Bestreben die Sozialwohnung seiner Mutter vor dem Abriss zu bewahren, findet Olli unverhofft in Person der bekannten Journalistin Amelie Warlimont, die unter der Enge ihrer Ehe leidet und obendrein alte Rechnungen mit der Stadt zu begleichen hat.

Spielerisch, geradezu fließend wechseln die Erzählperspektiven, denn oftmals verweilt man in der gleichen Szenerie, während sich lediglich der Fokus ändert. Jedoch hat dieser minimale Schwenk der Aufmerksamkeit große Wirkung, da man hierdurch zwischen gänzlich unterschiedlichen Lebenssituationen, Einkommensstufen sowie Herkunftsklassen changiert und das innerhalb eines Wimpernschlages.

Mit journalistischer Präzision gelingt es Eva Ladipo die tief verwurzelten Fäden der Gentrifizierung am Beispiel des Berliner Wohnungsmarktes aufzudröseln und sie eingebettet in eine moderne Ganovengeschichte inklusive romantischer Liason im Stile von Bonnie und Clyde verständlich zugänglich zu machen. Denn soziale Ungerechtigkeit ist kein Problem der Unterschicht, sondern eines unserer Gesellschaft, das es anzugehen gilt.

Bewertung vom 28.08.2021
Junge mit schwarzem Hahn
vor Schulte, Stefanie

Junge mit schwarzem Hahn


ausgezeichnet

Neugierig geworden durch den ungewöhnlichen Titel wurde ich von diesem kleinen, feinen Debütroman von den ersten Zeilen an mit voller Wucht in einen wunderbar klugen und absolut lesenswerten Roman hineinkatapultiert.

Stefanie vor Schulte erschafft von Beginn an eine geradezu unheimliche, schaurige Stimmung, die bis zum Ende hin eine grandiose Spannung und fulminante Sogwirkung entfaltet. In dieser atmosphärischen Dichte verfängt man sich als Leser im Kokon aus beklemmender Finsternis, düsterem Aberglauben, Ungerechtigkeiten, Armut und Tyrannei überall wohin das Auge reicht. Gleichzeitig sticht durch diese Dunkelheit der Titelheld, umso heller heraus. Neben all dem Schlechten obsiegt schließlich doch das Gute. Man erlebt mit Martin Loyalität, das Urvertrauen in das Gute, Mut und Mitgefühl. Mit dem schwarzen Hahn gibt es noch eine zweite, interessante Hauptfigur. Für mich persönlich stellt er in gewisser Weise das Gewissen dar, aber auch den Weg, den jeder gehen muss.

Der Roman ist zwar in düsterer, längst vergangener Zeit angesiedelt, die Dummheit der Menschen und der Eigennutz gehören aber immer noch nicht der Vergangenheit an. Messerscharf skizziert sind es gerade diese Charaktere, die ein Spiegelbild unserer Gesellschaft darstellen. Dabei genügen ein paar klare Worte, treffende Beschreibungen und feine Andeutungen, um sie genau vor Augen zu haben und sich eine eigene Meinung über die Charakterstärke zu bilden. Schon allein wegen diesem angenehmen, lockeren und doch so intensiven Erzählstils mochte ich diesen Roman so gerne. In jedem einzelnen Satz stecken so viele kleine Dinge, über die man schmunzeln, nachdenken oder die man einfach setzen lassen muss.

„Junge mit schwarzem Hahn“ ist eine großartige Lektüre, um einmal darüber nachzudenken, wie wichtig Empathiefähigkeit im Leben ist. Stefanie vor Schulte hat sich viele Gedanken gemacht und heraus kam dieser eindrucksvolle, absolut lesenswerte Debütroman, der bisher ganz klar zu meinen Jahreshighlights 2021 zählt.

Bewertung vom 01.08.2021
Krach
Sila, Tijan

Krach


ausgezeichnet

Was für ein tolles Buch! Dieser rasante, rotzige Roman kracht wirklich ordentlich. Von der ersten Seite an wurde ich durch die flotte, ehrliche, herrlich lebendige und bildhafte Erzählweise mitgerissen in die Welt des Punks zu Gansi und seinen Freunden. Zu Figuren, die jeder für sich genommen „echte Typen“ sind, schräg, schrullig und stark – und gerade deshalb auch so sympathisch und liebenswert.

Diese Charaktere vor Augen, erfährt man eine Menge über das Leben einer Punkband aus der Provinz Ende der 1990er Jahre, über die Freude einfach Musik zu machen und Konzerte zu spielen, spürt die Coolness, die für Punks eine große Rolle spielt, man gewinnt obendrein aber noch eindringlichere Einblicke hinter die Kulissen: Denn auch Gewalt, die jederzeit aufflammen kann, wenn Menschen unterschiedlicher Gruppierungen aufeinandertreffen, spielt eine große Rolle in diesem Roman. Doch das gehört eben hier dazu und deshalb dürfen Prügel und Schlägereien auch ein Teil von Literatur sein, wenn sie, wie hier, einfach spürbar sein sollen und sich nicht als Machtdemonstration anfühlen.

In „Krach“ dreht sich vordergründig zwar alles um Punk und um Musik, doch hinter den Seiten steckt soviel mehr, denn diese Geschichte sagt auch viel über die menschliche Seele aus, hier konkret über das Erwachsenwerden und die Hürden, die auf diesem Weg zu überspringen sind. Darüber hinaus wird auch immer wieder das Thema Migration eingeflochten, unaufdringlich und sensibel.

„Krach“ ist ein flotter, mitreißender und gleichzeitig warmherziger Roman, den ich von der ersten Seite an geliebt habe. Obwohl ich bisher mit Punkrock eigentlich nicht viel am Hut hatte, gingen der Spaß und die Leidenschaft der grandiosen Protagonisten unwillkürlich auf mich über, es war eine coole Tour zurück in Jugendzeiten.

Bewertung vom 29.07.2021
Tanz zwischen zwei Welten
Azimi, Mariam T.

Tanz zwischen zwei Welten


sehr gut

„Tanz zwischen den Welten“ erzählt die eindrückliche Geschichte einer afghanischen Familie, die all ihrer Wurzeln beraubt wurde und sich hier in Deutschland eine neue Existenz aufbauen musste. Mariam T. Azimi beschreibt dabei auf sehr authentische und einfühlsame Weise, wie schwer es für alle vier Familienmitglieder ist, sich auf vollkommen neue Lebensbedingungen einstellen zu müssen.

Schon beim ersten Kapitel „Kindheit“ bekommt man mit voller Wucht vor Augen geführt, wie das komplette Leben einer Familie nach der Flucht auf den Kopf gestellt wird und beginnt zu ahnen, wie steinig und beschwerlich der Weg werden wird. Denn es geht um das mühsame Ringen um Identität, um Ausgrenzung, der Suche nach Heimat ohne Wenn und Aber, um Rassismus und um die Sehnsucht einfach nur dazuzugehören.

Durch die sympathische Wana, die ich sofort ins Herz geschlossen habe, ihre Schwester Nila, ihre Mutter Modar und ihren Vater Boba, die allesamt das Herz am rechten Fleck haben, hat Mariam T. Azimi dieser Flüchtlingsfamilie eindrückliche Gesichter verliehen. Umso mehr berührten mich die Dinge, die sie durchmachen mussten und immer noch müssen.

Ausdrücklich möchte ich noch auf das Nachwort in diesem Buch hinweisen, denn auf gut vier Seiten findet man eine eindringliche, glasklare Beschreibung unserer heutigen Situation, in der wir leben. Großartig formuliert und auf den Punkt gebracht. Jeder sollte seinen Platz in der Gesellschaft haben, doch leider sind wir davon noch – oder weit schlimmer – wieder viel zu weit davon entfernt. Vielleicht kann dieser berührende wie aufklärende Roman einen Beitrag zum Diskurs der Migration leisten, indem es stärker in den Fokus rückt, was es bedeutet die eigene Heimat zu verlieren und in einem fremden Land komplett von vorne beginnen zu müssen.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.