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iGirl
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Bad Nauheim

Bewertungen

Insgesamt 147 Bewertungen
Bewertung vom 27.06.2021
Schritt für Schritt - Unterwegs am South West Coast Path
Leinweber, Daniela

Schritt für Schritt - Unterwegs am South West Coast Path


ausgezeichnet

„Das Ziel ist das Ziel“

Schritt für Schritt begleitet man als Lesender Daniela Leinweber auf der langen Wanderung entlang der spektakulären englischen Südwestküste. Die Autorin und Wanderin beschreibt in flüssiger, abwechslungsreicher Sprache ihre Eindrücke, Erlebnisse und Hintergründe während ihres über 1000 km langen Wanderwegs, den sie zusammen mit ihrem Ehemann bewältigte.

Bereits zu Beginn der Geschichte erzählt sie wie es zur Durchführung 'ihres' Projekts kam. Interessant war es vorab zu erfahren, dass der Wanderlust ein Gewichtsverlust von fast 60 kg voran ging. Das ist ja schon eine beachtliche Leistung und zeugt bereits von einem hohen Durchhaltevermögen – der besten Voraussetzung für eine 60 Tage dauernde Wanderung mit schwererm Gepäck auf dem Rücken. Schritt für Schritt verlor sie durch regelmäßige Bewegung die vielen Kilos und entdeckte dabei ihre Liebe zum Wandern. Ausgehend von ihrer beruflichen Tätigkeit mit sozial benachteiligten Jugendlichen startete sie ihre „Benefizwanderung“ in England. Da sich viele Menschen mit ihren Spenden an ihrer Laufleistung beteiligten ging natürlich auch die Verpflichtung einher wirklich jede einzelne Meile zu laufen, um den Erwartungen der Sponsoren gerecht zu werden. Einen Teil des Wegs durch ein Verkehrsmittel abzukürzen kam daher nicht in Frage.

Wir, als Lesende, begleiten anhand der Beschreibungen der täglichen Wegstrecken diesen teilweise schweren, schweißtreibenden Weg. Nun könnte man ja denken, dass so eine „Lesereise“ nichts Spannendes wäre - aber weit gefehlt. Jeder Wandertag bietet seine Besonderheiten und die Autorin beschränkt sich dabei nicht auf dröge Landschaftsbeschreibungen, sondern schildert in farbiger, lockerer Sprache, durchsetzt mit einigen österreichischen Spezialbegriffen, ihre Eindrücke entlang des Wegs. Dabei geht sie auf die Besonderheiten der englischen Kultur, die Gepflogenheiten (...bei 14° Wassertemperatur gehen wirklich nur Engländer ins Wasser...) und die Kulinarik auf der Insel ein. Schön geschildert sind die vielen Begegnungen und der Austausch mit Einheimischen und anderen Wandernden, die die beiden unterwegs treffen. Auch spart sie nicht die Schwierigkeiten aus, denen sie ausgesetzt waren, z. B. den richtigen Weg zu finden aufgrund der schlechten Beschilderung, den Unbillen des nicht berechenbaren Wetters oder auch das individuelle Bemühen, die jeweilige Etappe durchzuhalten.

Manchmal habe ich mich allerdings gefragt warum sie besonders schwere, lange Etappen nicht auf 2 Tage aufteilten, sondern sich teilweise an ihre Leistungsgrenzen brachten. Schön fand ich, dass man zu jedem Kapitel einige Fotos findet, die ein Bild zur Landschaft und zu den geschilderten Eindrücken vermitteln. Die Nennung der Unterkunft und der persönliche Eindrucks dazu finde ich sehr hilfreich, wenn man die Route selbst einmal gehen möchte. Überrascht war ich allerdings über die hohen Übernachtungspreise bei doch teils fragwürdigen Unterkünften. Hier nutzen die Gastgeber vermutlich die günstige Lage entlang des Wanderwegs aus. Sehr gut gefallen haben mir die Begegnungen mit den anderen Wanderern und was sich daraus während der Wanderung und auch danach ergeben hat. Und, Chapeau, wie toll, dass sich über die Wanderung eine so stattliche Summe für das Jugendprojekt ergeben hat.

Bewertung vom 26.06.2021
In Zeiten des Tulpenwahns
Thomas, Susanne

In Zeiten des Tulpenwahns


ausgezeichnet

Eine beeindruckende Geschichte um Liebe, Macht und Gier

Die wundervolle, bildhafte Sprache der Erzählung zieht den Lesenden schnell in ihren Bann. Die Geschichte spielt im Holland des 17-ten Jahrhunderts. Im Mittelpunkt stehen die schöne Margriet und ihr Vater Nicolae. Nach dem Tod der Mutter kümmert sich Nicolae liebevoll um seine Tochter. Nicolae ist als Gärtner angestellt bei Conrad van den Gheest. Außerdem ist Nicolae ein begnadeter Tulpenzüchter. Während Margriet heranwächst zieht in der Nachbarschaft eine hugenottische Fllüchtlingsfamilie mit ihrem Sohn Jacques ein. Dieser entwickelt ein intensives Interesse an Margriet. Später lernt Margriet den Adligen Frans van den Cruys kennen. Doch können Adels- und Bauernstand überhaupt zueinander passen? Zeitgleich beginnt ein Wettlauf um die Entwicklung und dem Handel mit immer ausgefallener Tulpenzüchtungen. Nun nehmen die Ereignisse rund um die Liebe, die Tulpen, um Gier und Intrigen ihren Lauf.

Der Schreibstil der Geschichte ist flüssig und die Handlung spannungsreich, so dass man das Buch kaum aus der Hand legen mag. Dabei ist die verwendete Sprache an die Historie angelehnt, aber nicht überfrachtet mit altertümlichen Redewendungen. Einige Szenen (Bilder) werden aus der Perspektive eines Malers geschildert. Dadurch werden den Geschehnissen sprachlich Farben und Stimmungen verliehen, die dem Lesenden dadurch bildhaft vor Augen stehen – eine sehr gute Idee um passende Bilder zur Geschichte im Kopf zu erzeugen. Ich fand die Schilderungen zu den verschiedenen Tulpenzüchtungen genauso aussagekräftig wie jene zu den Gefühlen und Gedanken Margriets und Nicolaes. Schön beschrieben fand ich Margriets Bilder im Kopf zu einer möglichen Romanze anhand fiktiver Figuren. Im Laufe der Handlung sieht man als Lesender immer dunklere Wolken über den Protagonisten aufziehen und drückt die Daumen, dass alles einen guten Verlauf nehmen wird.

Der Roman hat mir sehr gut gefallen. Die Ereignisse wenden sich ständig und es ist nicht vorhersehbar wie das Ende der Geschichte sein wird, und es ist wahrlich kein gewöhnliches Ende. Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen und dabei jedes Kapitel genossen. Als Fazit habe ich mitgenommen: … und immer lockt das Geld, der schnelle Profit – gestern wie heute.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.06.2021
Mord in der Mittsommernacht
Greenwood, Kerry

Mord in der Mittsommernacht


ausgezeichnet

Eine umwerfende Detektivin und ein unschlagbares Team.

Diese Buch ist ein echter Lesegenuss und wer die Filmserie gesehen und geliebt hat, der muss dieses Buch unbedingt auch lesen. Alles dreht sich (natürlich) um die glamouröse Hauptfigur Phryne Fisher und ihr Ermittlerteam in dem jede/r eine besondere Rolle einnimmt. Die Protagonisten sind lebhaft und bildhaft dargestellt, so dass es leicht fällt sich ein eigenes Bild zu den einzelnen Personen zu machen. Obwohl die Protagonisten im Buch teilweise von denen in der Fernsehserie abweichen habe ich mich schnell mit den 'anderen' Charakteren angefreundet und sie gefielen mir im Laufe der Geschichte sogar immer besser.
Es geht um zwei Haupthandlungsstränge: Zunächst wird ein Antiquitäten- und Kunsthändler tot aufgefunden und seine Mutter beauftragt Phryne, da sie nicht an einen Selbstmord glauben kann. Zeitgleich kommt eine Anfrage zu einer weiteren Ermittlung auf Phryne zu – dabei soll sie sich um Nachforschungen zum Auffinden eines unehelichen Kindes in einer Erbangelegenheit kümmern. Während ihrer Ermittlungen gesellen sich allerlei dubiose Gestalten zum Geschen dazu bis hin zu einer illustren Clique, die auf der Suche nach einem Piratenschatz ist und versucht über spiritistischen Sitzungen fündig zu werden. Dabei werden sie sogar zur Bedrohung für andere. Bei der Handlung ist es wichtig, dass man als Lesender auf die Kleinigkeiten achtet, gerade auch bei den vielen Personen, die irgendwie alle zur Handlung beitragen – denn sonst fehlt einem an einer anderen Stelle der Zusammenhang....typisch englische kriminalistische Erzählweise eben.
Die witzigen detailreichen Beschreibungen zum Geschehen gefielen mir richtig gut. Auch die Schilderungen zu dem schier unerschöpflichem Kleidungsvorrat Phrynes und den vielen kulinarischen Köstlichkeiten erzeugten bei mir Kopfkino. Besonders gut gefallen mir die starken Frauen im Buch, die ein breites Spektrum an Eigenschaften mitbringen, von unerschrocken, politisch engagiert, Auto fahrend bis wissenschaftlich agierend. Auch Phryes umfassendes Wissen, ihre finanzielle Unabhängigkeit und ihr unkonventioneller Lebensstil sind einfach fantastisch. Solche Frauenbilder sind für die Zeit, in der die Geschichte spielt, ja sehr untypisch. Etwas schwer zu verstehen waren für mich, die jeweils am Ende der Kapitel angeschlossenen kurzen Parallelhandlungen, die scheinbar gar nichts mit der Geschichte zu tun haben.
Wahrlich bis zur letzten Seite bleibt die Geschichte durchwegs spannend und undurchsichtig. Natürlich klärt sich vieles im Verlauf der Erzählung und dennoch ist es schon erstaunlich, dass es bis zur allerletzten Seite dauert bis letztendlich wirklich alles ans Licht kommt.
Was für eine schöne und spannende Lesereise mit einem tollen, vielfältigen Ermittlerteam rund um Phryne Fisher!

Bewertung vom 17.06.2021
Wie wir leben könnten
Mai, Theresa

Wie wir leben könnten


ausgezeichnet

Eine wundervolle Inspiration für ein erfüllteres Leben.

Das Buch glänzt durch seine abwechslungsreiche Gestaltung. Die Texte sind lebhaft geschrieben (nur die Schriftgröße hätte für mich einen Tick größer sein dürfen). Alle Kapitel sind mit Fotos, Skizzen und interessanten Zusatzinformationen unterlegt. So erfahren wir Lesende z. B. wie einfach es sein kann seinen Bedarf an Strom, Heizung und Wasser zu ermitteln. Leichtfüßig erklärt die Autorin den Zusammenhang zwischen Strom und Strömung und führt uns ebenso leicht in dieses eher technische Kapitel. Obwohl der Ausflug in die Welt des Gemüseanbaus und der Verwertung von Wildkräutern nur kurz gehalten ist bekommt man sofort Lust auf ein paar frisch geerntete Radieschen oder Karotten. Für mich hätten es gerne noch ein paar mehr der einfachen und leckeren Rezepte sein können. Wunderbar schildert sie die Firmengründung rund um die Entstehung des ersten „Wohnwagon“ mit den verbundenen Schwierigkeiten bei der Umsetzung und der Finanzierung. Trotz aller Widrigkeiten steht immer der Glaube an das Gelingen im Vordergrund das sie selbst und ihre Mitstreitenden antreibt.
Man merkt bei jedem Satz das Herzblut das in der Umsetzung der Ideen von Theresa Mai, der Autorin, steckt. Es hat mich wirklich erstaunt wieviel die junge Frau bisher schon angepackt und umgesetzt hat und vor allem mit wieviel Engagement, Elan und Zielstrebigkeit sie an die Dinge herangeht – denn es sind ja nicht gerade die einfachsten Aufgaben. Dabei blitzt immer wieder ihre Naturverbundenheit und ihre Liebe zur dörflichen Struktur und Lebensweise durch. Durch den Detailreichtum und die Geradlinigkeit wirken ihre Ausführungen auf mich durch und durch authentisch. Wie der Titel des Buchs schon verrät geht es um Wege in die Unabhängigkeit, hin zur Gemeinschaft - es geht um Autarkie und Nachhaltigkeit, kurzum, hin zu einem erfüllten, bereichernden Leben, Wege heraus aus dem sprichwörtlichen Hamsterrad. Dabei hinterlegt sie ihre Ansätze mit praktischen Beispielen, die gut verständlich und leicht nachzuvollziehen sind, oft mit Bezug zu ihrer eigenen Gründungsgeschichte, dem „Wohnwagon“. Sie streift Themen zu Finanzierung, Permakultur, Photovoltaik, Ressourcenverbrauch, Reduktion, wirtschaftliche Kreisläufe bis hin zur dörflichen Gemeinschaft und einer respektvollen Gesprächs- und Konfliktkultur. Dazu geht sie mal mehr, mal weniger in die Tiefe, ergänzt aber teilweise durch Quellenangaben, für diejenigen, die mehr zum Thema wissen möchten.
'Wie wir leben könnten' enthält viele interessante, liebenswert erzählte, aber auch fundierte Ideen und Inspirationen zum Thema Unabhängigkeit und Gemeinschaft und einer etwas weniger egoistischen Lebensweise. Schön fand ich, dass die Autorin immer eng am Thema bleibt und nicht, wie so oft in ähnlichen Sachbüchern, ins Schwafeln und Besserwissen abdriftet. Stattdessen bleibt sie ganz bei sich und legt die ihr wichtigen Punkte, ihre Erfahrung und Lebenseinstellung, lebendig dar. Positiv erwähnen möchte ich auch noch, dass ich es super finde, dass das Buch und der Druck ganz im Sinne der Nachhaltigkeit ausgeführt wurden.
Ich kann das Buch wirklich jedem empfehlen, der sich mit dem Gedanken einer anderen, erfüllenderen Lebensweise beschäftigt. Aufgrund seiner schönen Aufmachung ist es natürlich auch als schönes und zukunftsweisendes Geschenk bestens geeignet.

Bewertung vom 27.05.2021
CAFÉ HANOI
Boner, Fernando

CAFÉ HANOI


ausgezeichnet

Es gibt im Leben nichts zu verlieren.

Dieses Buch erhält auf alle Fälle einen festen Platz in meinem Bücherregal. Das zarte Grün des Buchcovers zeigt schemenhaft den Literaturtempel Hanois und passt zusammen mit den Bildchen der Filmrolle perfekt zur Geschichte.
Bereits die Bärengeschichte im Prolog führt an ein allseits gegenwärtiges Thema heran. Es geht um die Suche der Menschen nach einem Sündenbock, um das eigene Verhaften in der Mittelmäßigkeit und Verbleiben im eigenen Alltagsbrei zu übertünchen. Die Protagonist*innen Amy (und ihr Waschbär), Cindy und Jasmyn sind sympathische Charaktere. Sie alle spiegeln die individuelle Suche nach einem selbstbestimmten Leben wieder. Dazwischen gibt es Seitenhiebe auf die traditionelle, konservative Lebensweise im dörflichen Schweizer Umfeld – freundlich und doch abweisend gegenüber Fremden, das vorbestimmte Leben und die Erwartungen durch Eltern und Umfeld, das Leben nach den Regeln anderer, der Zwang nach Sicherheit und Vertrautheit. Während Amy in sich verhaftet scheint ist Jasmyn der verrückte, lebensbejahende, abenteuerlustige Typ, ebenso wie Amys unkonventionelle Schwester Cindy. Dennoch schafft Amy den Absprung und löst sich aus den heimischen Zwängen. Zusammen mit Jasmyn reist sie nach Vietnam und findet dort 'ihren Beruf als Berufung'.
Sehr gut gefallen haben mir Amys Streifzüge durch Hanoi. Ihre Wahrnehmungen und Empfindungen zur Umgebung, zu Orten und Menschen bis hin zu Gerüchen und Gefühlen sind lautmalerisch und nachvollziehbar geschildert. Dazwischen werden wir als Lesende wiederholt in Ereignisse aus Amys Vergangenheit zurück geführt. So erfahren wir über den Tod der Freundin und einiges zur Rolle des Vaters und dessen Bruder während des Kalten Kriegs.
Fernando Boner schreibt märchenhaft und gefühlvoll mit liebenswert reflektierten und jeder auf seine Weise besonderen Charakteren. Seine Erzählsprache nutzt liebevolle Vergleiche und malerische Beschreibungen von Gefühlen und Begebenheiten. Interessant ist die Erzählweise durch die Brille der einzelnen Protagonist*innen, die die Erlebnisse um und mit Amy stückchenweise erzählen und den Lesenden so in die Lebens- und Gefühlswelt Amys einführen. Nicht immer ist der Verlauf der Geschichte gleich ersichtlich. Jedoch finden die Puzzleteile an verschiedenen Stellen zueinander und ergeben letztendlich ein Bild wobei genügend Raum für die Vorstellungskraft und die Fantasie des Lesenden bleibt.
Fernando Boner hält uns Lesenden immer wieder den Spiegel vor, zu Dingen, die wir kennen jedoch allzu gerne ignorieren, z. B. die perfekte Fassade des Erfolgs und Wohlstands mit der dahinter verborgenen hässlichen Fratze der Fremdenfeindlichkeit und Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben. Oder die wunderbare Schilderung touristischer Erlebnisse mit dem Abhaken von Sehenswürdigkeiten, Extremsportarten, ins Ausland fahren und viele Fotos für die Freunde machen. Dabei geht nicht darum sich zu erholen, sondern zu zeigen was man Tolles erlebt hat. Das Verweilen und Genießen tritt so in den Hintergrund. Die kleinen Dinge, Gerüche, Geräusche, Wahrnehmen der Menschen, Orte und Landschaften werden dabei verpasst.
Ich genoß jeden Satz der Geschichte. Da mir der Verlauf so gut gefiel habe ich bewusst mein sonst übliches Lesetempo reduziert und immer mal wieder zurückliegende Kapitel gelesen, um die dort verborgenen Details und deren Relevanz nochmals wach zu rufen. Mir gefallen die Zwischentöne, die Nuancen und die freien Plätze, die die Möglichkeit bieten sich mit der eigenen Vorstellung in der Geschichte treiben zu lassen. Der Pioniergeist und die Aufbruchslust stehen im Spannungsfeld mit Amys Traum von einem beschaulichen Leben. Ich kann das sehr gut nachvollziehen und nehme als Credo mit: „Es gibt nichts zu verlieren im Leben“.
Ich wünschte es gäbe eine Fortsetzung des Romans. Es sind so viele Denkanstösse enthalten - wie gerne würde ich Amy weiter begleiten und anhand ihres Wahrnehmens mein eigenes Leben, Entscheidungen, Erlebnisse ref

Bewertung vom 22.05.2021
Die Bruderschaft Christi (eBook, ePUB)
Hefner, Ulrich

Die Bruderschaft Christi (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Verstrickung, Komplott und eine atemlose Jagd durch die halbe Welt.

Diese Geschichte verspricht schlaflose Nächte! Obwohl das Buch eine erhebliche Seitenanzahl aufweist hat man als Lesender nie das Bedürfnis das Buch zur Seite legen zu wollen. Der Schreibstil ist flüssig, beschreibt die Orte und Geschehnisse in angemessenem Umfang und hält die Spannung durchgehend aufrecht.
Die Handlung spielt an verschiedenen Orten, alles beginnt mit einer Ausgrabung in Jerusalem, einem spektakulären Fund im Grab eines Templerritters und den ersten Todesfällen. Dazu gesellen sich dann Morde in Bayern, intrigante Kirchenmänner in Rom und ein geheimnisvoller Verbindungsmann in Paris. Die Funde am Ausgrabungsort bleiben mysteriös und verschwinden mit der Person des Professor Chaim Raful, der alles daran setzt um die christlichen Fundamente zu erschüttern. Wer abergläubisch ist wird vielleicht auch an den Fluch der Störung der Totenruhe glauben.... Wie dem auch sei – ein Quartett aus dem Ausgrabungsteam begibt sich auf die Spurensuche und der Strudel um ein Länder- und Religionen- umspannendes Komplott beginnt sich zu drehen. Wie es den Protagonisten dabei ergeht erfährt man, wenn man das Buch liest.
Ich fand die Idee hinter der Geschichte beeindruckend, ja fast beängstigend und mag mir gar nicht vorstellen, was für Auswirkungen ein solch spektakulärer Fund in Realität haben könnte. Auf alle Fälle lässt einem das Buch kaum Zeit zum Durchatmen -auf Neudeutsch, ein 'pageturner'. Von mir gibt es für diesen Roman eine klare Leseempfehlung mit Eignung für alle Freunde von Thrill und Spannung.

Bewertung vom 18.05.2021
Viktor
Fanto, Judith

Viktor


ausgezeichnet

„Der Stamm der nichtjüdischen Juden“

Jude sein oder nicht sein, darum dreht sich das Nachkriegsleben der Familie Rosenbaum. Bereits auf der ersten Seite des Buchs lernen wir die Familie anhand des gezeichneten Stammbaums kennen. Die Familie ist intellektuell, wissenschaftsorientiert und liebt die Musik Gustav Mahlers. Das Gesamtbild zur Geschichte entwickelt sich aus den beiden Erzählebenen um die Protagonisten, Viktor, geboren 1908 und Geertje. geboren 1975. Dabei beginnt Viktors Erzählung zu Zeiten des 1. Weltkriegs.
Die Rosenbaums leben ein 'leichtes Jüdischsein', und empfinden jüdisch als Zitat:„anhaftendes Geheimnis, angeborene Abweichung, zusätzlichen Makel“. Geertjes Mutter reagiert bereits bei geringen jüdischen Anzeichen ihrer Umgebung mit Ablehnung und doch fordert ihre Tochter die Auseinandersetzung damit vehement ein. Bereits als Kind begibt sich Geertje auf Spurensuche zur familiären Vergangenheit. So lernt sie zunächst aus Büchern das Jüdischsein und die Schikanen der Nazis kennen. Mit der Volljährigkeit schließt sie sich einer jüdischen Gemeinde an und lernt erst dort jüdische Bräuche und jüdisches Leben kennen -der Lesende erhält Hilfen zu den beschriebenen Begriffen im Glossar am Ende des Buches. Mit Geertjes Recherchen zur Familiengeschichte wird die Familie nach und nach mit den dunklen Schatten der eigenen Vergangenheit konfrontiert. Eine wesentliche Rolle spielte dabei Viktor, das scheinbar schwarze Schaf der Familie, ein Schlitzohr, Schwindler, Weiberheld. Viktor und sein Freund Bubi betreiben allerhand halbseidene Geschäfte. Doch findet Viktor meist eine gute Lösung, um Schwierigkeiten zu umgehen. Als jedoch die Nazis in Österreich einrücken wird die Bedrohung für die Familie von Tag zu Tag größer.
Judith Fantos Schreibstil hat mich begeistert und das Buch verschlingen lassen. In lautmalerischer Sprache charakterisiert sie die Familienmitglieder, schildert Orte und Ereignisse bildhaft. Gerne folgte ich den Tönen von Bubis Klavierspiels durch das Fenster auf die Straßen und Plätze Wiens und den Erinnerungen an zukünftig stattfindende Ereignisse der österreichischen Nazi-Geschichte.
Für mich war das Buch von Seite eins an ein Leseerlebnis um eine beeindruckende Familiengeschichte, das ich nicht missen möchte.

Bewertung vom 12.05.2021
Der erste letzte Tag
Fitzek, Sebastian

Der erste letzte Tag


gut

Witz und Aberwitz

'Der erste letzte Tag' ist eine unglaubliche Geschichte um eine junge, eher abgedrehte Frau (Lea) und einen eher konservativen, spießigen Lehrer (Livius), die zwangsweise zueinander finden. Aufgrund starken Schneefalls wird der Flug der beiden gestrichen und es ist nur noch ein Mietwagen verfügbar. Also heißt es entweder zusammen fahren oder im Flughafen übernachten. Sie wählen die erste Variante. Soweit eine nette Idee für einen Roadtrip mit sehr ungleichen Protagonisten. So wird der Lesende auf eine abstruse, skurrile, im wahrsten Sinne des Wortes abgefahrene Reise mitgenommen. Durch Leas aberwitzige Ideen gerät das ungleiche Paar von einer Katastrophe in die nächste. Als Lesender wird man bombardiert mit witzigen Kommentaren, Vergleichen und Dialogen. Praktisch jedes Vorkommnis wird durch 'lustige' und kabarettistische Einwürfe begleitet. So reiht sich eine Begebenheit an die nächste, um einen Tag so zu erleben, als wäre es der letzte. Lange konnte ich keinen Tiefgang im Verlauf der Erzählung erkennen und habe mich eher an Comedy und Slapstick erinnert gefühlt. Erst im letzten Viertel des Buches entwickeln sich Szenen, in die ich mich hinein versetzen konnte und so ein wenig Zugang zu den skizzierten Figuren erhalten konnte. Leas Einflussnahme auf die spießige Lehrernatur überzeugt durch ihre klare und scheinbar logische, wenn auch oft eigenwillige Argumentation – gut waren z. B. die philosophischen Ansätze zu Geldfluss und Sinn der Arbeit.
Insgesamt ist es zwar eine Geschichte, die gespickt ist mit schlagfertigen, satirisch-humoristischen Dialogen und Schilderungen und maximal vielen verrückten Erlebnissen, jedoch fand ich keinen richtigen Zugang. Daher schätze ich, dass ich nicht die richtige Zielgruppe als Lesender bin. Wer jedoch die leichte 'überwitzige' Unterhaltung schätzt findet beim Lesen dieses Buchs bestimmt belustigende Stunden.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.05.2021
Die Toten vom Gare d'Austerlitz
Lloyd, Chris

Die Toten vom Gare d'Austerlitz


ausgezeichnet

Aug in Aug mit Hitler

Bereits durch das Buchcover erhält man eine Einstimmung auf die Stimmungen in der düsteren Geschichte und den Gefühlen der besetzten französischen Bevölkerung – alles ist grau, grausam, voller Grauen.
Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive des Kommissar Edouard Giral ('Eddie') erzählt und wechselt zwischen dem Erzählzeitraum 1940, zur Zeit des Einmarschs der Deutschen in Frankreich, und Rückblicken in das Jahr 1925. Alles beginnt mit dem Auffinden von 4 polnischen Geflüchteten und dem zeitgleichen Selbstmord eines Vaters und seinem kleinen Sohn, ebenfalls Polen. Darum entspinnt sich nun eine spannende Geschichte um Intrigen, Verrat, idiotischem Gehorsam und Vernichtung, Gewalt und Macht.
Die Ereignisse ziehen den Lesenden in das angstbeladene Paris während der Besatzungszeit mit den mannigfaltigen Schikanen durch die Besatzer. Begleitet werden Eddies Nachforschungen durch Erinnerungen an seine traumatisierenden Erlebnisse während des ersten Weltkriegs, die ihn während seiner Ermittlungen immer wieder einholen. Basierend auf der Traumatisierung und seiner persönlichen Situation erlebt der Lesende den Protoganisten Eddie in einem Spannungsfeld zwischen Lebensmüdigkeit, Mut, Verzweiflung, Unbeugsamkeit und Gerechtigkeitsstreben, getrieben im Kampf um das Leben seines Sohnes. Dabei wird der Lesende immer wieder mit Gewaltexzessen konfrontiert. Durch die zahlreichen Handlungsstränge und handelnden Parteien verliert man als Lesender leicht den Überblick. Wer kann wem vertrauen? Es scheint ein undurchschaubar verknüpftes Netz an Personen innerhalb der Nazi-Organisationen zu geben, die jeweils eigene Ziele verfolgen, so dass eine Aufklärung der Morde an den polnischen Flüchtlingen für einen französischen Kommissar unerreichbar scheint.
Der Erzählstil ist hoch dynamisch und die Orte und Charaktere sind detailreich beschrieben. Sogar die Nebenrollen werden mit schillernden Aspekten belegt, wie der blinde Tresorknacker, die Tänzerin Dominique, die zwielichtigen Gestalten in Luigis Bar oder die Mitglieder der polnischen Widerstandsgruppe. Sehr gut gefallen hat mir die Beschreibung der Stimmung der Menschen und das Verhalten der Invasoren im besetzten Paris, das machte die Geschichte noch greifbarer und das Grauen fast fühlbar.
Fazit: eine hervorragend geschriebene Geschichte mit starken Charakteren und mit einem überraschenden Ende.