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Benutzername: 
Diamondgirl
Wohnort: 
Stolberg
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 120 Bewertungen
Bewertung vom 06.02.2017
Sein blutiges Projekt
Burnet, Graeme Macrae

Sein blutiges Projekt


ausgezeichnet

Im August 1869 tötet der 17jährige Roderick Macrae 3 Mitbewohner seines kleinen Ortes Culduie auf grausame Weise. Unmittelbar im Anschluss begibt er sich freiwillig in die Hände eines Nachbarn und gesteht seine Tat, was zu seiner Inhaftierung führt.
Es geht also weniger um die Frage, wer der Täter ist als vielmehr um die Frage, was einen jungen Menschen dazu bringt, eine solch grauenhafte Tat zu begehen.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieses Buch ist in meinen Augen keinesfalls ein Thriller. Nicht einmal als Kriminalroman würde ich das Buch bezeichnen. Eher als historischen Roman, denn es wird wesentlich mehr den sozialen Verhältnissen und Lebensumständen zur damaligen Zeit Rechnung getragen als der Tat und deren Aufklärung selbst.
Das geschickte Vorwort des Autors verleitete mich zu der Annahme, dass es sich nicht um einen Roman sondern um einen Tatsachenbericht handelt.
Der Roman gliedert sich in verschiedene Teile. Dem ausführlichen Vorwort folgen einige Zeugenaussagen von Dorfbewohnern zu den Ereignissen und dem Täter. Den Kern des Romans bilden die Aufzeichnungen des Täters, die er während der Haft bis zum Prozess gemacht hat. Ihnen folgen die medizinischen Gutachten sowie der Prozessverlauf.
Vor allem diese Aufzeichnungen lassen erahnen, wie hart das Leben zu jener Zeit als Crofter (Pacht-Bauer) gewesen sein muss. Noch dazu, wenn der dort eingesetzte Constable zu einem verfeindeten Clan gehört und seine Machtposition erbarmungslos ausnutzt mit dem Ziel, Roddys Familie aus dem Dorf zu vertreiben.
Als Roddys Mutter während der Entbindung stirbt gerät die Familie aus den Fugen. Der Vater wird noch härter und schwermütiger als er ohnehin schon immer war und die ältere Schwester wandelt sich von einem fröhlichen in ein ernstes, trauriges Mädchen. Der Vater wird immer schwächer und von Gram zerfressen, weshalb Roddy die meiste Arbeit auf den Feldern leisten muss und dazu noch vom Constable fortwährend für Gemeinschaftsarbeiten eingesetzt wird.
Roddy selbst ist außergewöhnlich intelligent, was jedoch nicht dazu führt, dass sich wirkliches Interesse an einem Leben außerhalb seines kleinen Horizonts entwickelt. Sein ganzes Streben zielt nur auf die Unterstützung der kleinen Familie durch seine harte Arbeit auf den Feldern ab.
Im Laufe der Aufzeichnungen wächst das Mitleid des Lesers und man fragt sich, warum sich die Menschen so viel gefallen ließen. Die Sympathien liegen eindeutig beim Täter Roddy und man denkt manches Mal, dass der grausame Constable sein Los eindeutig verdient hatte. Die Aufzeichnungen enden mit der Beschreibung der Tat und Roddys Verhaftung.

Die nun folgenden medizinischen "Gutachten" bzw. Berichte fordern jeden Leser enorm heraus! Sie könnten gut eine Grundlage für die arischen Lehren des Dritten Reiches bilden. Tatsächlich basieren aber genau diese haarsträubenden Passagen offenbar auf existierenden Artikeln jener Zeit, geschrieben von dem mitwirkenden Psychologen Thomson. Sie sind Zeitdokumente zum Thema Kriminalpsychologie und ebenfalls zur verächtlichen Einstellung des gebildeten Bürgertums gegenüber der armen Landbevölkerung oder den Arbeitergettos in den Städten.

Wie erwähnt gelingt es dem Autor extrem gut, den Eindruck zu vermitteln, der Leser ist Besucher jener Zeit und befasst sich mit Fakten. Dies in einer angenehmen, etwas altertümlich anmutenden Schreibweise, die das Buch wirklich zu einem Pageturner macht. Obwohl man weiß, was letztlich passiert ist, will man doch alles wissen, was den armen Jungen zu einem Mörder machte. Auch der ausführliche Prozessteil zum Ende des Buches fesselt einen wirklich und ich habe ihn in einem Stück gelesen, weil ich wissen wollte, wie das Urteil lauten wird - denn der wohlgesonnene Anwalt wollte Unzurechnungsfähigkeit während des Tatzeitpunkts geltend machen.

Es ist ein außergewöhnlicher Roman - in jeder Hinsicht! Hervorragend recherchiert und sehr detailreich. Ich kann ihn nur jedem empfehlen - solange man keinen Thriller erwartet.

Bewertung vom 07.01.2017
Eltern haften an ihren Kindern
Zingsheim, Martin

Eltern haften an ihren Kindern


ausgezeichnet

Das Leben mit Kindern ist anders als ohne. Aber sowas von!
In seinem Buch "Eltern haften an ihren Kindern" führt Musik-Kabarettist Martin Zingsheim dem Leser eindrücklich vor Augen, inwiefern sich das Leben für von Eltern komplett auf den Kopf stellt. Und das in jeder Hinsicht.
Nicht nur die ständig fliehende Zeit und abhanden kommende Kraft nagen am Elternteil, auch die philosophischen Betrachtungen, die unweigerlich auf jeden zukommen, der mit seinen Kindern kommuniziert.
Kinder - vor allem in jungen Jahren - zwingen Eltern dazu, alles und jedes zu überdenken und auch eigene Verhaltensweisen infrage zu stellen und einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Egal ob es sich um Ernährungsfragen handelt, Erziehungs- und Diskussionsmethoden, religiöse Fragen, Konsequenz, Gut und Böse, und, und, und...
Zingsheim findet eine ganze Reihe solcher Themen genauerer Betrachtung wert. Und zwar ohne dabei den Zeigefinger zu heben - und wenn doch, dann zeigt er auf sich selbst.
Das alles macht er auf herzerfrischende, amüsante und selbstironische Art und man möchte ihm manches Mal tröstend auf die Schulter klopfen und sagen "Ja, ja.... kennen wir. Wird auch nichts ändern - wirst du schon noch sehen in den nächsten Jahren!"
Insgesamt 26 Kapitel umfasst das Buch und damit auch 26 Themenbereiche. Abgerundet wird das Buch von einem Epilog, der ein Weihnachtsessen mit den dann erwachsenen Kindern in 20 Jahren herbei phantasiert. Dass dieses nicht so läuft, wie man es idealerweise gerne hätte, braucht sicher nicht erwähnt zu werden. Gerade das macht aber dieses Buch und seinen Autor so sympathisch: Er ist sich bewusst, dass er genauso Fehler macht, wie jeder durchschnittliche Vater. Daher auch der verheißungsvolle Hinweis auf dem Cover "KEIN Ratgeber".
Nicht ganz so gelungen empfand ich die eingestreuten "Zitate", die allesamt erdichtet sind - incl. der angeblichen Quelle. Zugegeben: manche sind durchaus amüsant, aber ich empfand sie dann doch etwas zu angestrengt und bemüht. Ihnen fehlte die Leichtigkeit des übrigen Buches.
Wunderbar hingegen die Zeichnungen seines ältesten Sohnes, bei denen erfreulicherweise deren Deutung mit angegeben war - in passendem, humorvollem Tonfall kommentiert.

Mir hat die Lektüre dieses Buches durchweg Spaß gemacht und vieles habe ich wiedererkannt, obwohl unsere Kinder jetzt genau in dem 20-Jahre-später-Alter sind. Gerade aus der Distanz kann man manches objektiver sehen.
Dankbar bin ich generell, wenn humorvolle Bücher nicht in comedyhafter Blödheit daherkommen. Mit Comedy hat dieses Buch nichts zu tun. Dafür ist es zu niveauvoll.

Fazit: Absolut empfehlenswertes, unterhaltsames Buch für Eltern aller Altersstadien sowie Menschen, die welche werden wollen.

Bewertung vom 21.12.2016
Lennart Malmkvist und der ziemlich seltsame Mops des Buri Bolmen / Lennart Malmkvist Bd.1
Simon, Lars

Lennart Malmkvist und der ziemlich seltsame Mops des Buri Bolmen / Lennart Malmkvist Bd.1


ausgezeichnet

Lennart Malmkvist erbt einen Laden mit Zauberartikeln von einem älteren Herrn namens Buri Bolmen, der unter äußerst merkwürdigen Umständen plötzlich verschwunden ist. Bedingung ist jedoch, den Mops des Besitzers zu übernehmen und den Laden mindestens 1 Jahr zu betreiben.
Aus dieser Grundidee entwickelt sich ein humorvoller Fantasy-Krimi, der sich sehen lassen kann! So viele skurrile Ideen kann es fast nur in skandinavischen oder englischen Büchern geben. Es fängt schon damit an, dass Lennart eine Bindungs-Allergie hat - was wörtlich zu nehmen ist. D. h. er bekommt juckenden Ausschlag, wenn er sich in eine Frau zu verlieben droht, weshalb er keine engen Beziehungen knüpfen kann.
Weiter geht es damit, dass Buris Mops Bölthorn (alleine der Name...) bei Gewitter sprechen kann und selbstverständlich einiges zu berichten weiß.

Ausgesprochen gekonnt versteht Lars Simon es, ordentlich Spannung aufzubauen. Mir war wirklich keine Sekunde langweilig. Es hagelt nur so verrückte Ideen und Verwicklungen. Man kommt von einem Dilemma ins nächste, ohne dass es überladen wirkt oder ins comedyhafte abdriftet.
Simon ist das Kunststück gelungen, Krimi und Fantasy miteinander zu verbinden und das auch noch mit humorigem Einschlag.
Dabei sind die Personen so gut ausgearbeitet und beschrieben, dass man wirklich gerne auf dieser Reise dabei ist.

Eigentlich ist die Aufklärung des Verbrechens gar nicht so wichtig - nicht nur für den Leser, sondern sogar für die Geschichte, denn es wird immer magischer im Verlauf der Story. Das Ende des Buches lässt einen mit dem sicheren und guten Gefühl zurück, dass es eine Fortsetzung geben wird. Und die werde ich garantiert lesen!

Fazit: Ein rundum gelungenes Buch das mächtig Spaß bereitet und sich irgendwie keinem Genre so recht zuordnen lässt.

Bewertung vom 21.12.2016
Nenne drei Hochkulturen: Römer, Ägypter, Imker
Greiner, Lena;Padtberg-Kruse, Carola

Nenne drei Hochkulturen: Römer, Ägypter, Imker


ausgezeichnet

Bei diesem Buch handelt es sich um eine hübsche Zusammenstellung von kurzen Anekdoten aus dem Schulalltag, die zahlreiche Lehrer an Spiegel Online geschickt haben. Sie wurden nach verschiedenen Kriterien sortiert, wie verschiedenen Schulfächern, Schülerausreden, Entschuldigungen der Eltern (keinen Deut besser als die Ausreden ihrer Sprösslinge), beste Schreibfehler etc. aber auch Lehrergeständnisse.
Dabei hat man wirklich herzerfrischende Schenkelklopfer jedoch auch Aussagen, die einen nur verständnislos den Kopf schütteln lassen, was in manchem Schülerhirn so vor sich gehen mag.
Fast noch mehr Spaß hatte ich an den Kommentaren die zu Beginn jedes Kapitels sowie vor/nach manchen besonders herausragenden Ergüssen eingestreut sind. Es erinnerte mich manches Mal ein wenig an die Kommentare guter Kabarettisten zu realen Aussagen unserer Mitbürger.
An wenigen Stellen waren eingerahmte Erläuterungen zu finden, wenn es mal um Themen ging, die vll. nicht zum Allgemeinwissen gezählt werden müssen. Gar nicht schlecht, diese Idee!

Insgesamt machte dieses Buch einfach nur Spaß, auch wenn es kein Buch ist, dass ich in einem durch lesen würde. Für mich war es das perfekte Klo-Buch, in dem man immer wieder mal einige Passagen liest. Daher hat es auch ein wenig gedauert, bis ich damit durch war, hat also nichts damit zu tun, dass es nicht kurzweilig gewesen wäre.

Durchaus auch eine sehr nette Geschenkidee, vor allem für Leute mit Bezug zu Kindern bzw. Schule. Man hat viel Vergnügen bei der Lektüre und kann den vielleicht stressigen Alltag so ein wenig weglachen.

Bewertung vom 20.11.2016
Neuschweinstein - Mit zwölf Chinesen durch Europa
Rehage, Christoph

Neuschweinstein - Mit zwölf Chinesen durch Europa


sehr gut

Christoph Rehage hat das Abenteuer unternommen, mit einer Reisegruppen von 12 Chinesen eine Europa-Rundreise zu starten. Zu Beginn des Buches erfährt man in einer kurzen Einleitung, wie es zu diesem Entschluss kam und wie die Planung nebst Buchung vonstatten ging.
Anfangs herrschen etwas Berührungsängste auf Seiten der chinesischen Teilnehmer und auch Argwohn. Im Laufe der ersten Tage wird Rehage, der von den Teilnehmern Leike bzw. Alter Lei genannt wird, jedoch wirklich integriert. Er spricht fließend Mandarin und hat daher keinerlei Verständigungsprobleme.
Die Reise dauert 13 Tage und führt nach München, Venedig, Florenz, Pisa, Rom, Luzern, Paris, Frankfurt sowie eine Kleinstadt.
Mir wurde schon schwindelig bei der Vorstellung, diese Städte in so kurzer Zeit abarbeiten zu müssen. Und ich muss nicht erst von China hierher fliegen und wieder zurück. Dementsprechend gedrängt ist der Zeitplan der Gruppe.
Nach wenigen Seiten mit der Gesellschaft ist es so, als wäre man als Blinder Passagier dabei. Die einzelnen Personen bekommen Aussehen und Charakter, denn Rehage hat sie m. M. nach wirklich gut beschrieben, sodass auch die unterschiedlichen Typen herausgestellt wurden.
So fährt man in einem eng gesteckten Zeitplan mit ihnen von Sensation zu Sensation und beobachtet, wie sie auf die unterschiedlichen Gegebenheiten ansprechen. Wie bei jeder Reisegruppe werden die einzelnen Leute von ganz verschiedenen Dingen angesprochen.
Das alles erzählt Rehage in einem sehr angenehmen und lockeren Ton. Er zieht auch keine vorschnellen Rückschlüsse, sondern belässt es eher bei der Schilderung der Ereignisse. Es wird nicht zu viel hinein interpretiert, sondern die Menschen so genommen wie sie sind. Ich empfand das als sehr angenehm.
Es folgen die üblichen Touristen-Attraktionen: Schlossbesichtigung, Glasbläserei, Lederwaren-Hersteller, Parfum-Hersteller, Kanalfahrt, Museen, durch die regelrecht gehechtet wird. I.d.R. mit chinesischer Führung und Kopfhörer auf den Ohren.
Immer wieder der Hinweis auf das schlechte Essen in fast ausnahmslos chinesischen Restaurants, was ein Markenzeichen des Gruppenessens ist. Nicht umsonst speisen Reiseleiter und Chauffeur an einem separaten Tisch: Sie bekommen anderes, besseres Essen, weil sie die Gruppe in das Restaurant bringen. Das kommt zwar nicht richtig rüber in dem Buch (dort ist eher vom Preisnachlass beim Essen die Rede), aber ich weiß es von meinen beiden Gruppenreisen, die ich unternommen habe.
Das alles nehmen die Teilnehmer ausgesprochen gelassen hin. Selbst eine unerwartete Doppelfahrt, weil der Fahrer seinen Pass im Hotel vergaß, wird kommentarlos hingenommen. Mit einer deutschen Reisegruppe unvorstellbar!
Im Laufe der Zeit entwickelt sich ein schon freundschaftliches Gefühl zwischen Rehage und den Reisenden. Er tätigt Internet-Bestellungen für sie und es kommt mit dem Ein oder Anderen zu persönlichen Gesprächen.
Sehr gut finde ich den 2. Teil des Buches, in dem er einige Monate später die Teilnehmer in China besucht. Dort erfährt man dann endlich, was sie selbst am besten fanden und wie sie alles erlebt haben. Während der Reise waren nämlich alle recht zurückhaltend, was dieses Thema angeht. Alle sehr freundlich und beflissen, Chinas guten Ruf zu wahren und sich stets korrekt zu benehmen. Eine genaue Anleitung enthielten die Reiseunterlagen, die jeder Teilnehmer ausgehändigt bekam.
Der Erzählstil ist sehr flüssig und man kann wirklich durch das Buch fliegen. Wobei es auch nichts ausmacht, wenn man einmal 1 Woche nicht zum lesen kommt. Man ist sofort wieder im Bus und Mitglied der Gruppe.
Mir hat die Lektüre wirklich sehr viel Vergnügen bereitet und es war keine Minute langweilig! Ab sofort sehe ich chinesische Reisegruppen mit ganz anderen Augen.

Bewertung vom 20.11.2016
Meine geniale Freundin / Neapolitanische Saga Bd.1
Ferrante, Elena

Meine geniale Freundin / Neapolitanische Saga Bd.1


schlecht

Elena und Lila wachsen in Rione, einem ärmlichen Vorort von Neapel, in den 50er und 60er Jahren auf. Beide verbindet eine in meinen Augen etwas eigentümliche Freundschaft, die gut 6 Jahrzehnte halten wird. Dann verschwindet Lila plötzlich so, als hätte es sie nie gegeben. Elena will dieses Verschwinden nicht akzeptieren und entschließt sich daher dieses Buch über ihr Leben und ihre Freundin zu schreiben.
So viel zum Thema des Buches... Bleiben wir zunächst bei den positiven Aspekten: dem Schreibstil. Den habe ich durchweg als sehr angenehm und leicht zu lesen empfunden. Ich war sofort in der Geschichte und konnte mich auch längere Zeit darauf einlassen. Aber....
Es ändert nichts an der Tatsache, dass die Story gut gedacht ist, jedoch einfach unnötig in die Länge gezogen wird wie Gummi. 422 Seiten, in denen knapp 10 Jahre abgehandelt werden. Kleinigkeiten werden erzählt, als wären sie weltbewegend. Gut - vielleicht waren sie für eine 8 oder 9jährige weltbewegend, aber diesem Alter sind die meisten Leser leider entwachsen.
Die Autorin verzettelt sich m. E. in überflüssigen Einzelheiten, die die Geschichte nur künstlich in die Länge ziehen. Auf eine - ich kann es nicht anders sagen - regelrecht geschwätzige Art und Weise. Es erinnert an Menschen, die beim Erzählen vom Hölzchen auf Stöckchen kommen und nach 1 Std. weiß man immer noch nicht, was derjenige eigentlich erzählen wollte.
Dazu kommt, dass die von vielen so hoch gepriesene "lebenslange Freundschaft" für mich nur sehr schwer nachvollziehbar ist.
Gerade Lena geht mir ziemlich auf den Nerv, weil sie bei allem und jedem zwar immer nur an Lila denkt - aber leider nicht, weil sie sich um sie sorgt oder sie sie einfach vermisst, sondern eher als Dauer-Konkurrentin. Beständig fühlt sie sich ihr gegenüber benachteiligt, weil Lila klüger, stärker, selbstbewusster, raffinierter und als Jugendliche dann auch noch schöner ist als sie. Dieses ganze Buch lang ist sie ausschließlich bestrebt, es ihr zumindest gleichzutun oder sogar noch besser zu werden. Es quält sie regelrecht, dass Lila nicht einmal eine weiterführende Schule besuchen muss, um genausogut oder sogar noch besser Latein zu lernen als sie. Weil sie es sich selbst erarbeiten kann mit Büchern aus der Bibliothek und nicht die Schulbank dafür drücken muss. Und es ärgert sie beständig, dass Lila sie nicht beneiden will. Das wäre das, was Elena am meisten ersehnt. Dass ihre Freundin sie so beneidet, wie es umgekehrt der Fall ist.
An kaum einer Stelle fand ich wirkliche Empathie mit Lila, keine Freude über deren Erfolge, sondern als sie feststellt, dass diese durch die Verlobung in die bessere Gesellschaft aufsteigt, wo sie nicht hingehört, geht sie sogar eher auf Abstand. Angeblich, weil Lila nicht mehr sie selbst ist. M. E. aber eher, weil sie nicht mehr mithalten kann, da Lila sie überholt hat, obwohl sie nicht weiter zur Schule gegangen ist.
Was für ein Hype wurde und wird um dieses Buch (bzw. die 4 Bücher) gemacht! Ich kann es beim besten Willen nicht nachvollziehen. Es ist ein gut lesbares und auch durchaus unterhaltsames Buch, vor allem für Menschen, die gerne dahinziehende Familien-Epen lesen mögen. Aber mehr auch nicht! "Ein literarisches Meisterwerk von unermesslicher Strahlkraft..."? Also wirklich...
Regelrecht sauer bin ich jedoch über das Ende des Buches - falls man es denn überhaupt so nennen kann. So etwas von Cliffhanger habe ich noch nicht erlebt! Zumindest hätte man das Buch einigermaßen abschließen können. Stattdessen hört es mitten in einer Szene auf und hinterlässt in mir nur noch das fade Gefühl, hier total ausgenommen und veräppelt zu werden.
Das hat einen von den beiden Sternen gekostet, die ich ansonsten vergeben hätte. Mag sein, dass italienische Leser so etwas akzeptieren oder sogar noch spannend finden. Ich finde es unmöglich!
Insgesamt betrachtet war dieses Buch demnach ein Reinfall. Dass eine so interessante Leseprobe so enttäuschend endet, hätte ich mir zuvor nicht denken können.

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.08.2016
Bevor die Welt erwacht
Wood, Monica

Bevor die Welt erwacht


ausgezeichnet

Der grandiose Roman von Monica Wood war für mich eine wirkliche Entdeckung, weil er nicht so geradlinig dahin plätscherte, sondern etliche Haken schlug.

Ona Vitkus ist 104 Jahre alt und Quinns 11jähriger Sohn hat ihr im Rahmen eines Pfadfinderprojektes wöchentlich Gartenarbeiten abgenommen und das Futter für ihre Gartenvögel aufgefüllt. Der Sohn ist unerwartet einen plötzlichen Herztod gestorben, da er an einer seltenen Krankheit litt. Quinn hat daraufhin diese Pflicht für ihn übernommen - teils aus schlechtem Gewissen, weil er sich ziemlich rar gemacht hat nach der 2. Scheidung von dessen Mutter Belle, teils weil diese ihn dazu aufgefordert hat, damit er so zumindest jetzt seine Vaterpflichten erfüllen kann.
Ona ist keine einfache, nette Oma, sondern durchaus ein etwas schrulliger, kerniger Typ. Quinn hat damit einige Probleme und er kann zunächst nicht nachvollziehen, wieso sein Sohn überhaupt eine freundschaftliche Verbindung zu dieser alten Dame aufbauen konnte. Trotzdem fügt er sich in die übernommenen Pflichten und wartet sehnsüchtig darauf, dass die 7 Samstage zu Ende gehen.

Ona hatte von Anfang an eine nicht erklärbare Antenne zu dem Jungen, wie er im Verlauf des Buches nur genannt wird. Sein Name bleibt unbekannt. Schnell wird klar, dass er wohl unter einem Asperger Syndrom oder einer ähnlichen autistischen Erkrankung leidet. Er führt Listen für alles und jedes und sein Herz gehört den Rekorden, die im Guinness Buch festgehalten werden. Sie kann er auf Abruf aufzählen mit Namen, Rekord und Wohnort. Immer wieder tauchen diese Listen - die im übrigen immer bis 10 gehen, weil die 10 eine besondere Zahl für ihn ist - im Buch auf, immer vor dem Beginn eines neuen Kapitels.
Er überredet Ona dazu, für ein Schulprojekt ihre Erinnerungen auf ein Diktiergerät zu sprechen. Auch für Ona sind diese Aufzeichnungen sehr wichtig, denn sie holen lange verschüttete Erinnerungen hervor.
Interessanterweise enthalten die Aufzeichnungen übrigens lediglich die Antworten von Ona. Ich fand es eine gelungene Idee und man brauchte auch nicht sehr viel Phantasie, um die Fragen oder Kommentare des Jungen zwischen den Zeilen zu lesen.

Ich bin auch der Meinung, dass der Name des Jungen tatsächlich nicht erforderlich war. Vielleicht sollte so vermieden werden, dass der Leser sich zu sehr auf den Jungen konzentriert und sich in ihn hinein findet. Er ist jedoch gar nicht die Hauptperson, sondern diese sind Quinn und Ona.
Selbstverständlich nähern sich auch die Beiden einander an. Es scheint, als stelle der Junge eine Art Bindeglied dar. Quinn lernt im Laufe der Zeit immer mehr über sich selbst, nicht zuletzt durch Onas Lebensweisheit.

Der Schreibstil ist sehr einnehmend. Mich hat das Buch von der ersten Seite an mitgenommen. Quinn empfindet sein Leben als verkorkst, was er natürlich im nachhinein nicht mehr ändern kann, es jedoch liebend gerne tun würde, wenn er dadurch seinen Sohn retten könnte. Er wird geplagt von Schuldgefühlen und bemüht sich redlich, sich von seiner Schuld durch seine guten Taten bei Ona und den regelmäßigen Scheckübergaben bei Belle freizukaufen - was ebenfalls nicht gelingen kann.
Im Roman herrscht ein steter Wechsel zwischen Schilderungen von den Besuchen des Jungen bei Ona, Interviews, Besuche Quinns bei Ona, Rekordlisten und Erlebnissen bzw. Erinnerungen Quinns als Musiker (sein bisheriger Lebensinhalt) und in Begegnungen mit seiner Exfrau Belle, die förmlich von Trauer fast zerfressen wird.
Ich empfand den Roman nicht als extrem emotional sondern eher auf angenehme Weise distanziert und sachlich. Erst im letzten Kapitel, wenn sich dem Leser sowohl Titel als auch Cover erschließen, kommt einem der Junge plötzlich ganz nah und ich bemerke auch jetzt wieder die leichte Gänsehaut, die sich bei mir beim lesen dieses kurzen Kapitels einstellte. Eine wunderbare Abrundung eines wunderbaren Romans!
Fazit: Kein Allerwelts-Buch und nichts für Ungeduldige, aber Unterhaltung vom Allerfeinsten!

Bewertung vom 27.08.2016
Und damit fing es an (Restexemplar)
Tremain, Rose

Und damit fing es an (Restexemplar)


gut

Gustav Perle wächst in der Nachkriegszeit in Matzlingen in der Schweiz auf. Sein Vater ist gestorben, als er noch ein Säugling war und seine Mutter bringt sie mehr schlecht als recht durch. Sie wohnen in einer winzigen Wohnung und Gustavs einziges Spielzeug ist eine bemalte Blecheisenbahn.
Während er die Vorschule besucht, zieht die Familie Zwiebel aus Bern in den kleinen Ort und der unglückliche Sohn Anton wird von Gustav behütet und umsorgt. Die beiden freunden sich an, was Gustavs Mutter gar nicht gerne sieht, da die Zwiebels Juden sind und sie diese für den Tod ihres Mannes verantwortlich macht.

Das Buch glieder sich in 3 Teile: Die Kindheit der beiden Buben, Die Jahre während des Krieges, als Gustavs Eltern sich kennenlernten bis zum Tod seines Vaters und im letzten Teil die 90er Jahre, als beide über 50 sind.

Rose Tremain hat eine sehr angenehme Art zu schreiben. Leider trifft sie für meinen Geschmack nicht immer den richtigen Ton, sodass mir die Protagonisten nicht so richtig ans Herz wachsen wollen.
Gustav ist durchaus noch der sympathischste von allen - abgesehen von Antons Vater, der jedoch nur am Rande mitwirken darf. Anton finde ich sehr schnell ausgesprochen egozentrisch und auch egoistisch. Er hat keinerlei Probleme damit, Gustav, der ihn wirklich aus tiefstem Herzen verehrt, auszunutzen. Antons Eltern hingegen mögen den kleinen Jungen recht bald sehr gerne und sie beziehen ihn gerne in ihre Familie ein.

Gustavs Mutter ist eine echte Belastung für den kleinen Knirps. Sie gibt sich rechte Mühe, kann jedoch keine rechte Wärme weitergeben. Das ist durchaus z. T. verständlich, wie sich im 2. Kapitel herausstellt, jedoch macht es das für ein Kind nicht einfacher.

Mit leisen Tönen wird einem nun die Lebensgeschichte Gustavs näher gebracht, jedoch so distanziert, dass mir keine rechte Berührung gelingen will. Alles klingt für mich nebulös, schwammig und irgendwie emotionslos, sodass bei mir keine echte Empathie aufkommen konnte. Sogar nicht einmal Empörung darüber, was Gustav alles mit sich machen lässt.

Sehr interessant fand ich die Ausflüge in die Geschichte der Schweiz, die während der Judenverfolgung eine durchaus umstrittene Rolle spielte. Wobei m. E. gezielt Parallelen zur heutigen Flüchtlingsproblematik hergestellt wurden, was mir etwas zu viel war. Nicht, weil es nicht stimmen würde - ich sehe das ganz genau so - sondern weil es mir zu auffällig war. Begriffe wie Überjudung der Gesellschaft waren mir viel zu plakativ und offensichtlich. Man hätte das subtiler angehen können.

Aufgrund der enormen Begeisterung, die die bisherigen Werke Tremains ausgelöst haben in zahlreichen Rezensionen, wollte ich dieses Buch unbedingt lesen. Leider wurde ich enttäuscht und ich denke, ich verzichte auf weitere Versuche.
Fazit: Kein schlechtes Buch für angenehme Unterhaltung, aber man sollte sich nicht zu viel davon versprechen.

Bewertung vom 01.08.2016
Boy in the Park - Wem kannst du trauen?
Grayson, A. J.

Boy in the Park - Wem kannst du trauen?


ausgezeichnet

Zunächst zum Cover: Es gefällt mir ausgesprochen gut, da es die Stimmung des Buches gut zum Ausdruck bringt.

Dylan verbringt regelmäßig seine Mittagspause im Park an einem Teich und versucht sich dort als Dichter. Fast täglich sieht er dort einen Jungen in Latzhose, der mit einem Stock am steht Teich steht. Irgendwann nimmt er wahr, dass der Junge verletzt ist und auch, dass ihn jemand vom Teich wegzerrt. Er sucht nach Spuren und meldet den Vorfall der Polizei. Die fertigt ihn recht routinemäßig ab, da sie ja auch nicht weiß, nach wem sie denn überhaupt suchen soll. Daher begibt sich Dylan auf eigene Faust auf die Suche nach dem Jungen ...

Im weiteren Verlauf der Geschichte legt der Autor einzelne Handlungspfade an, die anfänglich für Verwirrung sorgen, weil sie erstmal nichts miteinander zu tun haben. Gegen Ende des Buchs fügen sich die Puzzleteile aber sehr schlüssig zusammen und mancher Leser wird verblüfft sein über die Auflösung und erstaunt, wie gut der Autor mit dem Leser gespielt hat.

Der Autor schreibt in kurzen Kapiteln und in einer anschaulichen Sprache. Das Buch zieht den Leser in das Labyrinth der Verwirrungen hinein und entlässt ihn mit einem überraschenden Ende.

Fazit: Ein sehr empfehlenswertes, intelligent konstruiertes Buch, in dem nichts ist, wie es scheint.

Bewertung vom 26.06.2016
Der Fünfzigjährige, der den Hintern nicht hochbekam, bis ihm ein Tiger auf die Sprünge half / Der Fünfzigjährige-Trilogie Bd.2
Bergstrand, Mikael

Der Fünfzigjährige, der den Hintern nicht hochbekam, bis ihm ein Tiger auf die Sprünge half / Der Fünfzigjährige-Trilogie Bd.2


sehr gut

Das Buch ist der 2. Teil einer Trilogie von Mikael Bergstrand um den Schweden Göran Borg, der im ersten Band offenbar seine Liebe zu Indien entdeckte und dort einen sehr guten Freund fand: Yogi.
Mit Göran einen Draht zu bekommen, fiel mir nicht leicht. Er ist ein echter Langeweiler und bemitleidet sich mehr selbst als jeder andere Protagonist, über den ich bisher gelesen habe. Er dümpelt also in Schweden so vor sich hin - geschieden und 2facher Vater, wobei er seinen Sohn so gut wie nie sieht. Seine Tochter hingegen pflegt regelmäßigen Kontakt mit ihm und sagt ihm auch deutlich genug, was sie von ihm hält.
Er besucht außerdem eine Therapeutin, die sich bestmöglich bemüht, ihn auf die Füße zu stellen. Da er immerhin in der Lage ist, sich selbst einigermaßen von außen zu betrachten und seine Probleme zu erkennen, bemüht er sich zumindest halbwegs, ihre therapeutischen Ratschläge umzusetzen. Also sucht er wieder etwas Kontakt zu Freunden, die er lange vernachlässigt hat und trifft dabei auf einen Unbekannten, der ihm innig vertraut vorkommt. Er verbringt einen guten Teil seiner Freizeit mit ihm, bis ihm ein erschreckender Verdacht kommt.
Statt das Gespräch zu suchen, tut er das, was er offenbar am besten kann: Er ergreift die Flucht! Und zwar natürlich wieder nach Indien, wo sein Freund Yogi in einigen Wochen heiraten möchte, auch wenn die Hochzeit bereits verschoben wurde. So erreicht er auf Seite 81 dann Indien und der eigentliche Handlungsstrang beginnt. Zur Handlung möchte ich gar nicht mehr erzählen, denn alles würde nur als Spoiler dienen und die Spannung nehmen. Denn Überraschungen gibt es wirklich genügend im Verlauf des Buches.
Vielleicht noch etwas zu den anderen Personen: Yogi ist ein (für mich) nerviger Schwadlappen, der keinen kurzen Satz formulieren kann, sondern alles möglichst blumig und umständlich ausdrücken muss. Da diese Satzgebilde jedoch auch höchst amüsant sind, machte es mir überhaupt nichts aus. Nur im richtigen Leben würde mich so jemand komplett abschrecken. Seine geliebte Amma (Mutter) hingegen ist ein rechter Hausdrache und eine Helikopter-Mutter erster Güte. Sie leitet und lenkt die Geschicke des Hauses, das außer Yogi und Amma noch einige Dienstboten umfasst. Dann ist da noch Lakshmi, die Verlobte von Yogi. Sie ist in etwa eine jüngere Ausgabe von Amma, mit dem Unterschied, dass sie doch weniger herrisch vorgeht und daher auch für andere Beteiligte deutlich erträglicher ist.

Bergstrand hat einen ausgesprochen erfrischenden, modernen Schreibstil und mir ist keine Sekunde langweilig bei der Lektüre gewesen. Mein Instinkt, ein Buch eines Skandinaviers zu wählen, erwies sich wieder einmal als richtig.
Das Buch ist in weiten Teilen durchaus turbulent durch seine teils abenteuerlichen Wendungen und Geschehnisse. Dabei immer amüsant und manches Mal musste ich doch kichern oder grinsen bei den Schilderungen. Meines Erachtens bietet sich die Geschichte absolut als Filmstoff für eine Komödie an!
Man merkt dem Autor seine Liebe zu Indien an. Seine Landschaftsschilderungen und vor allem die Beschreibung der Mentalität sind ihm hervorragend gelungen! Den ersten Band kenne ich leider nicht, aber ich werde den dritten Band sicher irgendwann lesen.
Manchmal haben mich jedoch etwas die verklärten Blicke in Richtung Yogi gestört. Da das Buch aus Sicht von Göran geschrieben ist, kann man an seinen Gedanken durchweg teilhaben und da dachte ich oft, dass so doch niemand denkt - außer von dem Partner in den man gerade verliebt ist oder vielleicht von eigenen Kindern (bei denen ja oft die rosa Brille vor der Wahrheit schützt). Da mir solch ein Verhalten total fremd ist, hatte ich damit oft Schwierigkeiten und das Buch wurde an diesen Stellen für mich total unglaubwürdig. Dafür gab es 1 Stern Abzug.
Dennoch kann ich es nur weiterempfehlen! Es ist sicher keine große Literatur, aber eine, die durchweg Spaß macht und leicht zu lesen ist. Ein ideales Buch für die Urlaubsreise - nicht nur nach Indien.