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Verena

Bewertungen

Insgesamt 148 Bewertungen
Bewertung vom 27.04.2022
Nebenan
Bilkau, Kristine

Nebenan


ausgezeichnet

Subtil, mit Wucht

Die Protagonistinnen von "Nebenan" leben in einem kleinen Ort am Nord-Ostsee-Kanal und für eine kurze Zeit begleitet der Roman sie ihrem Alltag. Julia ist Ende 30, erst kürzlich mit ihrem Partner hergezogen. Die Ärztin Astrid, fast doppelt so alt, kennt die Gegend von klein auf. Vordergründig scheinen Julias unerfüllter Kinderwunsch und Astrids alternde Tante, um die sie sich kümmert, im Mittelpunkt zu stehen. Doch "Nebenan" ist viel mehr. Denn da ist noch eine dritte Frau; verschwunden mitsamt ihrer Familie und niemand weiß etwas. Nicht nur ob dieses Verschwindens liest sich der Roman, der keinesfalls ein Thriller ist, wie ein ebensolcher. Wie ein roter Faden zieht sich die Thematik häusliche Gewalt durch die Erzählung. Der Autorin gelingt ein Spagat, dieses Thema nie plakativ und laut in den Mittelpunkt zu stellen, sondern subtil in die Geschichte zu verweben. Es ist da. Wenn man hinsieht und es nicht ignoriert (wie viele männliche Kritiker).

Die Figuren der Julia und der Astrid sind so angelegt, dass sie einerseits als komplexe, tiefgründige Charaktere funktionieren - Leser:innen erhalten Einblick in ihre (unerfüllten) Sehnsüchte, Ängste, Wünsche, Geheimnisse. Gleichzeitig könnten die Figuren aber auch Frauen sein, die jede:r von uns kennt. Diese Mischung schaffte für mich eine besondere Verbundenheit. Am Ende präsentiert Bilkau noch ein thrillerwürdiges Geständnis, dass ebenso subtil eingeflochten wurde, wie der Roman es bisher vorgab, aber gleichzeitig keineswegs eine Kleinigkeit ist.

Bewertung vom 13.04.2022
Ella im Garten von Giverny
Fehr, Daniel;Vaicenavicien?, Monika;Vaicenavicien_, Monika

Ella im Garten von Giverny


sehr gut

In diesem Bilderbuch wird Kindern anhand des Mädchens Ella das Leben und Werk von Claude Monet nähergebracht. Ellas Papa ist Maler und ein großer Fan des berühmten französischen Impressionisten Monet, weshalb die Familie aus Amerika nach Giverny zieht. Dort, in Monets Garten, lernt Ella eines Tages den Maler selbst kennen. Er erzählt ihr seine Geschichte, wie er zu dem Maler wurde, der er ist und vor allem auch seine Liebe zur Natur und den stets wechselnden Bedingungen, die seine Motive von einem Augenblick zum nächsten verändern können. Kindgerecht wird so Monets Biografie und die Entstehung des Impressionismus erklärt. Da Ella selbst gerne malt und von Monet ermutigt wird, obwohl sie ihre Bilder nicht mag, gibt es auch eine schöne Botschaft an die Kinder, selbst kreativ zu werden, egal ob ihre Werke irgendwelchen Regeln folgen. Das Buch hält nach der Geschichte auch eine kleine Zusammenfassung über den Impressionismus und Monets Leben bereit, ebenso eine kleine Bildergalerie. Viele der berühmten Werke können die kleinen Leser:innen schon in der Bildergeschichte zuvor bewundern, da die Illustrationen Monet dabei zeigen, wie er die Bilder einst malte. Überhaupt sind die Illustrationen richtig toll gemacht. Sie bewegen sich zwar farblich in der Welt des Impressionismus, versuchen aber nie diesen zu imitieren. Ein schönes Bilderbuch für Jung und Alt.

Bewertung vom 11.04.2022
Die wundersame Reise der Bienen
Keweritsch, Katja

Die wundersame Reise der Bienen


sehr gut

Anna führt ein scheinbar perfektes Leben, doch auf der Heimreise von der Cote d’Azur hat sie eine Panikattacke und verlässt fluchtartig das Flugzeug. Neben der unerklärlichen Angst weiß sie nicht wie sie zurück nach Hamburg kommen soll. Flugzeug, Bus & Bahn sind keine Option, zu sehr eingesperrt würde sie sich fühlen. Über eine Mitfahrzentrale lern sie Harm kennen, der von Südfrankreich nach Kiel fährt, um Bienenköniginnen an lokale Imker zu verteilen.

Ich war gespannt auf diesen Roadtrip. Panikattacken begleiten mich eine ganze Weile, die schlimmste hatte ich – wie Protagonistin Anna – auf Reisen. Es ist sehr schwer, jemanden, der so etwas noch nie erlebt hat, irgendwie annähernd zu beschreiben, wie man sich im schier endlos scheinenden Moment einer Panikattacke fühlt. Mental Health Themen sind gerade, v.a. im Romance Genre, “in”; doch oft habe ich das Gefühl, dass den Autor:innen nur darum geht, ihren Romanen ein bisschen Zeitgeist zu verleihen. Bei Katja Keweritsch lässt schon eine Notiz zu Beginn vermuten, dass dem nicht so ist. In der Tat schafft sie es, dieses beklemmende Gefühl der Ohnmacht rüberzubringen. Ich konnte mich sehr darin wiedererkennen. Überhaupt mochte ich diesen gelungenen Debütroman sehr. Die Liebesgeschichte ist nicht kitschig, der Fokus liegt auf Annas Leben, nachdem es so plötzlich aus den Fugen geraten ist. Einzige Kritikpunkte: während Annas Freund sie zwar zu einem Psychiater schleppt, der ihr Medikamente verschreibt, kommt im Lauf des Romans niemand auf die Idee, das therapeutische Hilfe eine Option wäre. Außerdem war mir das Ende zu abrupt und kurz, nachdem der Roman sich zuvor eher Zeit ließ. Alles in allem aber eine absolute Leseempfehlung.

Bewertung vom 04.04.2022
Let's Get Lost: Der perfekte Augenblick an den schönsten Orten der Welt
Beales, Finn

Let's Get Lost: Der perfekte Augenblick an den schönsten Orten der Welt


sehr gut

Ich hatte mir zwar ein bisschen was anderes vorgestellt, Fotografien von entlegenen Orten, an die man sich zufällig “verirrt” hatte, wie der Titel vermuten lässt. Ganz so ist es nicht, aber dennoch ein wirklich toller Bildband, der die atemberaubende Schönheit der Natur vereint mit der Kunst der Fotografie. Herausgegeben von Finn Beales erzählen verschiedenen Fotograf:innen, viele davon kleine Berühmtheiten in der Instagram Community von besonderen Orten. Manche davon sind abgelegen und einsam, andere wahre Touristenhochburgen. Immer gibt es ein bisschen Info zu den Orten selbst, der Fokus liegt aber auf der persönlichen Wahrnehmung der Fotograf:innen – wie sie den Augenblick wahrgenommen haben, wie die Natur Gefühle transportiert, welche Motive ursprünglich geplant waren, wie das Licht die Atmosphäre eines Ortes innerhalb weniger Sekunden verändern kann. Einige der Orte kannte ich gut, wenige habe ich bereits selbst besucht, von anderen noch nie gehört. Dass “Let’s get lost” Fernweh weckt, dürfte absolut klar sein. Bei mir weckte es aber auch ganz stark das Bedürfnis, selbst mal wieder die Spiegelrefelxkamera auszupacken und einfach loszuziehen und mich von der Welt und vor allem vom Licht leiten lassen. Denn die Fotograf:innen geben für jeden der Orte und die verschiedenen lokalen Begebenheiten Tipps, wie man wo wann was am besten fotografieren kann. Es ist wirklich toll in dem Bildband zu schmökern.

Bewertung vom 18.03.2022
Via Torino
Leuthner, Aja

Via Torino


gut

Potential nicht ausgeschöpft

Ich liebe es ja, wenn mich ein Buch mitnimmt nach Italien. Mehrgenerationenroman und auch das atmosphärische Cover haben mich sofort angesprochen. Es geht um drei Frauen, Eleonora, Rosalia und Milena. Eleonora möchte sich in den 60er Jahren aus den Fesseln ihrer spießigen bürgerlichen Münchner Familie befreien und findet sich in Turin wieder, mitten im Kampf der dortigen Fiat-Arbeiter um bessere Entlohnung. Die Studentin trifft dort Valerio und während um sie herum Gewalt ausbricht, verlieben sie sich. Das Paar muss schließlich Italien verlassen, bekommt Töchterchen Rosalia und führt in München ein beschauliches Leben. Rosalia liebt ihre italienischen Wurzeln, auch wenn sie deswegen als Kind häufig Diskriminierung erleiden muss. Letztlich bricht sie aber mit Italien, aus enttäuschter Liebe zu Milenas Vater, den sie kurz nach dem Abitur in Florenz kennenlernt. Milena wiederum wächst hauptsächlich bei ihren Großeltern Eleonora und Valerio auf, während Rosalia ihrer wissenschaftlichen Karriere nachgeht. Die Enkelin liebt die gemeinsamen Reisen ins Haus in der Toskana und versucht mit allen Mitteln herauszufinden, wer ihr Vater ist, aus dem ihre Mutter ein Geheimnis macht.

Obwohl alle drei Frauen spannende Geschichten haben, die kulturellen und politischen Dimensionen des Romans sehr interessant sind, empfand ich eine gewisse Distanz zur Erzählung. Emotional konnte mich der Roman nicht berühren. Was genau der Grund war, kann ich nicht sagen, aber manchmal verliert sich die Autorin in seltsamen Schachtelsätzen. Einige Episoden ziehen sich sehr, während gegen Ende plötzlich alles auf einmal passiert. Die Story um Rosalias Bruch mit ganz Italien nach der Geschichte mit Milenas Vater fand ich arg konstruiert und als kurz vor Schluss auch noch die Mafia auftaucht, war das too much. Ein Roman, der sein Potential leider nicht ganz ausschöpft.

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Bewertung vom 16.02.2022
Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
Leo, Maxim

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße


gut

Die Macht der Worte

“Warum lasen die Menschen Bücher? Warum gingen sie ins Kino und ins Theater? Doch nicht, weil sie die Wahrheit wollten. Sie wollten träumen, sich in den Geschichten der anderen wiedererkennen. Und er, Hartung, half ihnen dabei.”

Michael Hartung, der “Held” dieses Romans, sieht sich als eine Art Geschichtenerzähler. Er will ja eigentlich gar kein Held sein. Im September 2019, kurz vor dem 30. Jubiläum des Mauerfalls, bekommt der Videothekbesitzer Besuch von einem Journalisten, der Hartungs Namen in alten Stasi Akten gefunden hat. Missverständnisse, Geldsorgen und die Hoffnung auf einen großen Scoop sorgen letztendlich dafür, dass ganz Deutschland glaubt, Hartung habe als Stellwerkmeister am Bahnhof Friedrichstraße eine spektakuläre Massenflucht aus der DDR eingefädelt, indem er einem S-Bahn-Zug in den Westen verhalf. Wirklich recht ist es Hartung nicht, als die Story plötzlich größer ist als gedacht. Aber plötzlich bekommt er, ein eher verschlafener Taugenichts, Anerkennung von allen Seiten. Dabei ist es ihm fast wichtiger, dass seine erwachsene Tochter plötzlich Kontakt zu ihm aufnimmt, als die Einladungen in Talkshows und beim Bundespräsidenten. Dann taucht auch noch eine Frau auf, die als Teenagerin mit ihren Eltern in jener S-Bahn saß und während sich Hartung immer weiter in Lügen verstrickt wird gleichzeitig klar, dass es unmöglich ist, sie weiter aufrecht zu erhalten.

Ein wenig erinnerte mich das Grundthema dieser Hochstaplergeschichte an “Lila, lila” von Martin Suter; doch der Fokus von “Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße” ist auch immer wieder auf unserem Umgang mit Erinnerungskultur. Zwar ist die Betrachtungsweise häufig überspitzt, aber doch irgendwie recht zutreffend, zum Beispiel beim Umgang der Medien mit den Themen, denen es weniger um die tatsächlichen Inhalte geht, sondern es fast zu einem Überbietungswettkampf kommt, wer die reißerischste Story hat. Immer wieder gibt es richtige gute Szenen, aber irgendwie konnte mich die Geschichte als Ganze nicht richtig packen.

Bewertung vom 16.02.2022
Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe
Hazelwood, Ali

Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe


sehr gut

Olive ist Doktorandin im Fachbereich Bio und muss unbedingt ihre beste Freundin Anh überzeugen, dass sie kein Problem damit hat, dass diese in Olives Exfreund verliebt ist. So erzählt sie von einem Date, das es in Wahrheit gar nicht gibt, und wird dabei von Anh überrascht. Kurzerhand küsst Olive also die erstbeste Person, die ihr über den Weg läuft: Professor Adam Carlsen. Der junge Dozent ist gefürchtet bei den Biologie-Student:innen, gilt als feindselig und unnahbar. Olive, die zwar nicht von ihm unterrichtet wird, aber dennoch seinen Ruf kennt, ahnt Schlimmes. Doch erstaunlicherweise erklärt er sich bereit, ihr zu helfen. Denn auch er kann der Scharade etwas Positives abgewinnen. Da die Uni denkt, dass er von einem anderen Institut abgeworben wird, haben sie die Fördergelder für seine Forschung eingefroren. Eine feste Freundin vor Ort könnte die Verantwortlichen überzeugen, ihn doch finanziell zu unterstützen. Und Olive kann endlich Anh beweisen, dass sie über den Ex hinweg ist. Die folgende Romcom ist amüsant und steamy, erfindet dabei das Fake-Dating Prinzip nicht neu, spielt aber damit. Das Setting im Unialltag und das wissenschaftliche Arbeiten der Protagonist:innen kommt sehr realistisch rüber und nimmt auch viel Platz ein – kein Wunder, denn die Autorin ist selbst Neurowissenschaftlerin und arbeitet als Professorin. Einziges Manko: der Roman hat durch einige Wiederholungen Längen und die letzte Szene war mir zu übertrieben. Obwohl ich durchaus behaupten würde, in der Welt der Populärkultur zuhause zu sein, habe ich witzigerweise erst nach dem Lesen kapiert, dass der Roman ursprünglich eine Star Wars Fanfifction, genauer gesagt, eine Reylo Fanfic, war. Ich lache jetzt noch, dass mir das nicht früher aufgefallen ist, habe ich doch in meinem Leben die ein oder andere Star Wars Fanfic gelesen. Anyway, fellow ich-finde-Adam-Driver-null-attraktiv-Menschen, habt keine Angst, die Autorin schafft es Buch-Adam durchaus ansprechend zu charakterisieren.

Bewertung vom 12.01.2022
Die kleine Schule der großen Hoffnung
Fontaine, Naomi

Die kleine Schule der großen Hoffnung


ausgezeichnet

Rückkehr
Dieser autobiografische Roman von Naomi Fontaine, einer der bekanntesten indigenen Autorinnen Kanadas, schafft es, die wenigen Seiten voller großer Themen mit Bedeutungsschwere zu füllen. Yammie, eine junge Lehrerin, aufgewachsen in Québec, gibt ihr Leben in der Großstadt auf und kehrt zurück in das Innu-Reservat, das sie als Kind verließ. In Uashat muss sie nicht nur ihren Alltag mit den Schüler:innen bewältigen, sondern auch sich selbst neu kennenlernen. Sie kennt ihre Herkunft nicht, die Traditionen, das Land, die Menschen sind ihr fremd. “Zwei Tage in der Wildnis sind nicht genug. Zu kurz, um mir all das, was ich als Kind verloren habe, wieder anzueignen.” Doch die Rückkehr zu ihrer Herkunft konfrontiert sie nicht nur mit der eigenen Identität, sondern auch mit einem Leben, das aus jahrhundertelanger Unterdrückung resultiert. Drogen, Alkohol, Teenagerschwangerschaften, Suizide sind omnipräsent. Überhaupt ist das Thema “Schule” in der indigenen Gemeinschaft belastet, haben doch Staat und Kirche bis in die Neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts in den residential schools kulturellen Genozid an der indigenen Bevölkerung Kanadas verbrochen. Doch die Lehrenden, einschließlich Yammie, geben sich Mühe, den Kindern ein positives Umfeld zu schaffen. Der Titel im französischen Original lautet “Manikanetish, Petite Marguerite”. Die kleine Marguerite war eine Frau im Reservat, die keine eignen Kinder hatte, sich aber stets den der anderen angenommen hatte und diese mitaufzog. Um sie zu würdigen, wurde die Schule nach ihr benannt. Sinnbildlich verkörpert auch Yammie, kaum älter als die Schüler:innen, viel mehr als nur eine Lehrerin. Je mehr sie sich mit ihrer eigenen Herkunft, den Innu und ihren Traditionen beschäftigt, desto wichtiger wird sie für ihre Klasse. Sie wird zu einer Vertrauten, Freundin, Mutter für die ihr anvertrauten Kinder. Ein kleiner, leiser Roman, der trotz der Schwere der Themen nie seine erzählerische Leichtigkeit verliert. “Jeden Tag begegnete ich einem weiteren Unbekannten, mit dem ich verwandt war. … Mein Stammbaum bekam immer mehr Äste, und die Äste verzweigten sich immer weiter. Durch alle mit allen verwandt.”

Bewertung vom 18.12.2021
Eine Prise Salz für die Liebe
Heron, Farah

Eine Prise Salz für die Liebe


weniger gut

Bisher konnte Reena sich erfolgreich zur Wehr setzen, als ihre Eltern ihr potentielle Heiratskandidaten vorstellten. Doch als plötzlich Nadim als ihr Nachbar auftaucht, kann sie nicht mehr standhaft bleiben. Obwohl sich alles in ihr sträubt, dem Wunsch der Eltern nachzugeben, fühlt sie sich zu dem gutaussehenden, erfolgreichen neuen Wunsch-Ehemann hingezogen. Und Nadim ist gar nicht der perfekte traditionsbewusste Schwiegersohn, den die Eltern sich vorstellen. Bald beginnen die beiden eine leidenschaftliche Affäre, doch nicht nur die gemeinsame Liebe zu indischem Essen und vor allem der Zubereitung von Brot schreit nach mehr. Obwohl sie eigentlich erstmal nur alles ganz casual halten wollten, geben sie sich als Paar aus, um an einem Online-Kochwettbewerb mitmachen zu können.

Ich hatte gehofft auf eine unterhaltsame Romcom mit Einblicken in den kulturellen Background der Protagonist:innen, dazu natürlich ganz viel Foodie-Liebe. Am besten sind tatsächlich die Szenen, in denen gekocht und gebacken wird. Auch die Problematik zwischen Eltern, die in ein anderes Land einwandern (in diesem Fall Kanada), und dem culture-clash, dem ihre Kinder bei der Identitätssuche ausgesetzt sind, kam teilweise gut rüber. Aber gleichzeitig verlor sich der Roman in seiner Timeline. Die Handlung spielt sich in vier Wochen ab. In dieser Zeit passiert ALLES. Viel zu viel um es auch nur annähernd glaubhaft rüberbringen zu können. (SPOILER) Kennenlernen, Abneigung, Affäre, gemeinsame Abende, Kennenlernen der Freunde, Familienessen, viel Kochen und Backen, Online-Kochshow, Verlobung der Schwester, GROSSES DRAMA, Auflösung des großen Dramas, Versöhnung, Hochzeit. Puh. Weniger ist meistens mehr.

Bewertung vom 18.12.2021
Unsere Zeit ist immer
Cousens, Sophie

Unsere Zeit ist immer


sehr gut

Schöner Schmöker

Unsere Zeit ist immer

Minnie hätte nicht nur das erste Neunzigerjahre-Baby sein sollen, sie hätte auch den von ihrer Mutter ausgesuchten Glücksnamen “Quinn” tragen sollen. Doch im selben Londoner Krankenhaus kommt ihr in der Silvesternacht ein anderes Baby zuvor, erhält die 50.000 Pfund und lebt im Gegensatz zu Minnie – so stellen sie und ihre Mutter es sich vor – ein vom Glück gesegnetes Leben, während bei Minnie selbst alles schiefläuft, was nur schieflaufen kann, vor allem an ihrem Geburtstag. Den verbringt sie deshalb am liebsten eingeigelt, zuhause, allein, doch in der Silvesternacht vor ihrem 30. lässt sie sich von ihrem Freund überreden, zu einer exklusiven Party zu gehen. Hier lernt sie durch einen Zufall eben jenen Quinn kennen, der ihr Namen und Glück gestohlen hat und natürlich ist er attraktiv, charmant, erfolgreich – genauso, wie Minnie es sich immer vorstellte. Doch der erste Blick trügt nicht selten. Minnie und Quinn finden schließlich im Laufe des Jahres zueinander. Eine süße Liebesgeschichte, die ihren Protagonist:innen tatsächlich Zeit gibt, sich kennenzulernen statt innerhalb weniger Wochen zum Happy End zu eilen. Ein bisschen besorgt war ich, dass die vom Pech verfolgte Minnie eine weitere tollpatschige Romcom-Heldin sein könnte, aber der Autorin gelingt es, diesen zentralen Aspekt der Geschichte umzusetzen, ohne unrealistisch zu übertreiben. Schön gezeichnet ist auch, wie die Mütter der beiden als Nebenfiguren das Leben ihrer Kinder stark prägen: Minnie, die sich in ihrer negativen Denkweise stark von ihrer Mutter beeinflussen lässt, die nie darüber hinweggekommen ist, dass die Frau, mit der sie auf der Entbindungsstation das Zimmer teilte, den Namen geklaut hat; und Quinn, dessen nach außen hin perfekt scheinendes Leben von Kindheit an dominiert wird von der psychischen Erkrankung der Mutter. (Inhaltswarnung: Angststörung und Depression)

Einzig das Finale hätte weniger groß sein können, ansonsten ein sehr schöner Schmöker. Von Sophie Cousens werde ich sicher mehr lesen.