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Helena

Bewertungen

Insgesamt 132 Bewertungen
Bewertung vom 26.03.2019
Die Angehörigen
Dion, Katharine

Die Angehörigen


sehr gut

Nachdem ich den Klappentext zu dem Roman gelesen habe, hatte ich eigentlich eine andere Erwartung bezüglich dessen, was ich während der Lektüre erleben würde. Ich habe viele Gespräche und Auseinandersetzungen zwischen Gene und seiner Tochter, Dary, erwartert sowie zwischen Gene und seinen lebenslangen Freunden Ed und Gayle. Tatsächlich finden in dem Roman nur zwei Gespräche statt, in denen es um Maida geht. Einmal während einer Diskussion mit seiner Tochter, in der sie der Frage nachgehen, ob Maida in ihrem Beruf Glück und Erfüllung gefunden hätte, und einmal mit Ed, in dem es um das Verhältnis zwischen diesem und Maida ging.

Auch die Zweifel, die als tiefgreifend beschrieben werden und der „entsetzliche Verdacht“, von dem im Klappentext die Rede ist, sind hoffnungslos überzeichnet und nicht der Art, wie sie tatsächlich sind – im Kontext betrachtet nehmen sie sich ganz anders aus. Trotzdem tut dies dem Roman keinen Abbruch. Es geht eben nicht um die Studie eines Ehelebens, sondern um die Studie EINES Menschenlebens. Und diese Studie ist durchaus als gelungen zu bezeichnen. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass es sich bei „Die Angehörigen“ um einen Debütroman handelt, der aus der Feder einer Frau stammt, die sich in eine männliche Figur – aus meiner Sicht nahezu fehlerfrei – eingefühlt hat. Genes Gedanken und Gefühle waren für mich zum größten Teil nachvollziehbar. Bis auf diese Art „Liebesgeschichte“ zwischen Gene und seiner Haushaltshilfe, Adele, die sich während seines Witwerdaseins entspinnt. Diese Episode scheint Genes Trauer um Maida Lügen zu strafen, denn wie ist es möglich, so schnell für einen Menschen Gefühle zu entwickeln, nachdem man sein ganzes Leben lang nur eine Frau geliebt hat?

Persönlich war mir auch Genes Tochter, Dary, äußerst unsympathisch, sodass ich mit ihr nicht besonders viel anzufangen wusste. Aber wenn man es recht bedenkt, so ist keine der im Roman auftretenden Figuren – auch der Protagonist Gene nicht – ein Sympathieträger. Eine gewisse Distanz zwischen Leser und Figuren ist von der Autorin sichtlich angelegt und gewollt, sodass man nicht emotional involviert wird, sondern aus der Distanz heraus beobachtet und seine Schlüsse zieht. Bei Katharine Dions Roman handelt es sich um ein sprachlich ausgereiftes Werk, das zu (Selbst-)Reflexion anregt – und nicht um eine rührselige Sensationsgeschichte.

Bewertung vom 22.03.2019
Sag dem Abenteuer, ich komme
Rieck, Lea

Sag dem Abenteuer, ich komme


ausgezeichnet

„Ich reise, weil ich Lust darauf habe. Weil ich mich als Reisende lebendig fühle.“

Eines schönen Tages lässt Lea Rieck alles stehen und bricht zu dem Abenteuer ihres Lebens auf – einer Weltumrundung auf dem Motorrad! Und wir, die Leser, dürfen sie auf ihrer abenteuerlichen Reise begleiten. „Das Alleinreisen gibt jedem von uns die Chance, zu sein, wer immer wir sein wollen. Es gibt keine Erwartungen.“

Die Autorin erzählt uns über die Orte, die sie bereist und die sie prägen. Eindringlich beschreibt sie ihre Naturerlebnisse und zeigt uns deutlich wie sehr die Begegnungen auf einer solchen Reise einen Menschen verändern. „Wie kann ich den zu Hause Gebliebenen erklären, dass mein Leben nicht mehr so ist, wie es einmal war, weil ich inzwischen unzählige verschiedene Leben gelebt und wieder aufgegeben habe? Wie kann ich ihnen begreiflich machen, dass all diese Leben so anders waren als das Leben, das ich zuvor mit ihnen zu Hause geteilt habe? Wie kann ich den Schmerz beschreiben, wenn eines dieser Leben plötzlich zu Ende geht?“

Als reines Reiseabenteuerbuch kann man „Sag dem Abenteuer, ich komme“ nicht bezeichnen, es ist so viel mehr als das – es ist nachdenklich und hinterfragend. Lea Rieck lässt uns ganz offen an ihren Erlebnissen und Gedanken teilnehmen, so dass wir nicht nur Zeugen ihres Mutes, ihrer Abenteuerlust und ihres Unternehmergeistes werden, sondern auch ihrer Ängste, ihrer Tränen und ihrer täglichen Zweifel. „Ich weine um alles, was mich berührt. Ich weine um jeden Menschen, den ich zurückgelassen habe, um die guten und um die verlorenen Seelen. Ich weine, weil ich Schönheit nicht konservieren kann und weil ich Schönheit sehen durfte. Ich weine um die Länder, die mich fasziniert haben und in denen ich gerade nicht bin. Ich weine um die Orte, die mich schockiert haben und wo ich niemandem helfen konnte. Ich weine um alles, was ich niemals weitergeben kann. Ich weine um die Vergangenheit und weine um die Zukunft, ich weine um die Ungerechtigkeit der Welt und ihre Güte. Dann weine ich um alle Momente des Glücks. Davon habe ich in den letzten Monaten so viele gesammelt, dass ich sehr lange weinen muss.“

Es sind bewegende Momente, die sie schildert, berührende und kontemplative. Besonders lebhaft sind die vielen bereichernden Gespräche, die sie mit den Menschen führt, denen sie auf ihrem Weg begegnet. Da ist die einsame Familie in Pakistan, der weise Sikh in Indien oder die Frau in Nepal, die nichts besitzt und mit Lea trotzdem ihr letztes Geld teilen möchte. Wer nicht ganz vorurteilsfrei gegenüber einigen Kulturen oder Ländern gewesen ist, der ist es nach der Lektüre von Riecks Sachbuch bestimmt!

Am Ende hat Lea nicht nur die Welt besser kennen und verstehen gelernt, sondern auch sich selbst. „Bin ich plötzlich dieser Mensch geworden, der ich immer sein wollte? Jemand, der fällt, wieder aufsteht und weitermacht, ohne dazwischen an sich selbst zu zweifeln?“

Viele geniale Fotos der Autorin werten das Buch zusätzlich auf. Am Ende findet sich auch eine Liste mit Tipps für eine gelungene Weltreise – alle dringendsten Fragen von A bis Z werden abgedeckt.

Fazit: Ein in doppelter Hinsicht mutiges Buch! Unbedingt lesen!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.03.2019
Worauf wir hoffen
Mirza, Fatima Farheen

Worauf wir hoffen


ausgezeichnet

„Wie kann man wissen, welche Momente einen Menschen prägen?“

Die junge Fatima Farheen Mirza zeichnet ein tiefschürfendes, detailliertes, psychologisch stimmiges Bild einer indischen Familie muslimischen Glaubens, die in Kalifornien lebt. Sie befasst sich eingehend mit dem Thema Familie, wie die Bindungen zwischen den Familienmitgliedern untereinander sind und was die Familie als Ganzes ausmacht. Auch der Glaube und die muslimische Tradition spielen eine große Rolle – für die einzelnen Figuren in unterschiedlicher Gewichtung sowie für die Autorin selbst, wie man als Leser deutlich spürt.

Zentrum der psychologischen Betrachtung sind vier Figuren. Da sind die Eltern, Rafik und Laila, sowie ihre Kinder Hadia, Huda und Amar. Während Huda eine eher schemenhafte Figur bleibt, da sie vor allem eine romanstrukturimmanete Funktion hat, tauchen wir tief in die Innensicht Lailas, Hadias und Amars ein. So kommt in den ersten drei Teilen des Romans der personale Erzähler abwechselnd aus der Sicht Lailas, Hadias und Amars zum Einsatz. Die Geschichte beginnt mit Hadias Hochzeit und im dritten Teil geht die Zeremonie dort weiter, wo sie im ersten Teil erzählerisch abgebrochen wird. Die Beschreibung der Hochzeit bildet somit einen Rahmen. Den Teil dazwischen füllen scheinbar bunt zusammengewürfelte, nicht chronologische Momentaufnahmen aus dem Leben Amars, Hadias und Lailas, die in irgendeiner Weise bedeutsam sind. Diese Szenen vereinen auf eine ganz besondere Art psychologischen Tiefgang und symbolische Aussagekraft.

Die Autorin geht in ihrer Erzählstrategie sehr geschickt vor, indem der Vater im Dunkeln bleibt. Dabei dreht sich so vieles um ihn. Der Leser erfährt sein Handeln und seine Wirkung nur durch die Augen der anderen. Während seine Töchter Musterschülerinnen und empfänglich für den Glauben der Eltern sind, ist Amar ein Problemkind – er ist schlecht in der Schule und missachtet die Anweisungen seines Vaters. Seine zentrale Charaktereigenschaft ist jedoch seine große Empfindsamkeit, mit der Rafik nichts anzufangen weiß. Die Kluft zwischen ihnen wird immer größer und schließlich kommt es zu dem endgültigen Bruch. Dabei war es niemals sein Vater, der Amars Vertrauen missbrauchte und – mit zum Teil guten Absichten, ja – wider ihn gehandelt hat, nein, es waren Laila und Hadia. Doch deren Loyalität hat Amar nie in Frage gestellt. Im letzten Teil des Romans kommt nur noch er, der Vater, als Ich-Erzähler zu Wort und spricht dabei seinen Sohn, Amar, direkt an. So wird der Kreis geschlossen, und alles, was für den Leser bisher nicht begreifbar gewesen ist, wird ersichtlich.

Es gibt so viele Stellen in dem Roman, an denen man innehalten muss oder so stark berührt ist, dass man nur mit Mühe die Tränen zurückhalten kann. Das unendlich Tragische an der Geschichte ist, dass es trotz so großer Liebe in der Familie zu Missverständnissen, Verletzungen und einem Bruch kommen musste. Und es wird deutlich, dass der Grund, warum Amar gegangen ist, ein anderer war, als der Vater die ganze Zeit über geglaubt hat. »Sag ihm: Komm zurück, wir werden einen Weg finden. [...] Ich habe die falschen Worte gewählt. Ich habe falsch gehandelt. Ich werde warten, bis du bereit bist. Ich werde immer auf dich warten.«

Zurecht wird Mirzas Werk „Worauf wir hoffen“ für seine Reife gelobt. Die Autorin schreibt mit einer Weisheit weit jenseits ihres jungen Alters. Es ist genau, wie Sarah Jessica Parker gesagt hat: „Ich verspreche jedem: Wenn er dieses Buch am Ende zuschlägt, wird er ein anderer sein.“

Bewertung vom 11.03.2019
Das Echo der Wahrheit
Chirovici, Eugene

Das Echo der Wahrheit


ausgezeichnet

„Gibt es einen Moment im Leben, von wo an eine einmal getroffene Entscheidung alles andere bestimmt, egal was noch passieren mag?“

Der sich intensiv mit dem Verfahren der Hypnose befassende Psychiater James Cobb, eine Koryphäe in seinem Gebiet, wird eines Tages von Joshua Fleischer, einem an Leukämie erkrankten Multimilionär, kontaktiert. Sein größter Wunsch ist es, vor dem Tod zu erfahren, ob er an dem Mord an einer jungen Französin Mitschuld trägt, in die er und sein bester Freund, Abraham Hale, einst verliebt waren. Da Fleischer nur noch bruchstückhafte Erinnerungen an die verhängnisvolle Nacht hat, erhofft er sich in einer Hypnosesitzung die Wahrheit zu erfahren. Trotz anfänglicher Bedenken willigt Cobb schließlich ein. „Ich hatte noch nie einen Patienten gehabt, der dem Tod so nahe war wie Joshua Fleischer. Dieser Tod, sein Tod lauerte halb in einem Winkel versteckt nur noch auf den richtigen Augenblick.“

Die Hypnosesitzung, die keine handfesten Resultate liefert, endet mit einem Nervenzusammenbruch des Patienten und wird nicht mehr fortgesetzt. Den Psychiater lässt dieser Fall nicht los: „Irgendwo, Hunderte Meilen weit entfernt, lag ein Mann im Sterben, umringt von Gespenstern, inmitten eines Vermögens, das ihn vor nichts und niemandem mehr schützen konnte. Und er hatte mich nicht nur an die Hand genommen und in sein Spukhaus geführt, sondern auch meine eigenen Albträume wieder aufleben lassen.“

Obwohl der Patient wenige Wochen später seiner Krankheit erliegt, setzt James Cobb seine Forschungen in Bezug auf den Fall Simone Duchamp fort. Dabei stößt er unerwarteterweise auf die Aufzeichnungen Abraham Hales, der darin eine ganz andere Geschichte erzählt als Joshua Fleischer es getan hat – „Ich halte es weiterhin für meine Pflicht, den wahren Charakter dieses Mannes zu enthüllen, auch wenn er seine Aufzeichnungen bewusst dunkel hielt und ein Rätsel in einem anderen verbarg und dies wiederum in einem anderen, wie bei diesen russischen Puppen.“ Die Gespräche mit Zeugen, die Erinnerungen mit dem jungen Josh und dem jungen Abe teilen, bringen statt dem erhofften Licht nur noch mehr Dunkelheit in den Fall. Je mehr Cobb sich darin vertieft, umso verwirrender und undurchschauberer wird alles. Eine Erinnerung aus der eigenen Kindheit lässt ihn ganz unerwartet „jenseits der Lügen und Verwirrungen und Irrtümer und subjektiven Wahrnehmungen und Täuschungen“ den Schlüssel zu dem großen Rätsel finden.

Konsequenterweise stellt er sich damit auch seiner persönlichen Wahrheit. „Wir alle müssen Entscheidungen treffen und ein Leben lang mit den Folgen zurechtkommen. Josh entschied sich zur Flucht, um zu überleben, weil er damals einfach zu jung war und nicht wissen konnte, dass Überleben und Leben nicht ein und dasselbe sind und dass keine Mauern so dick und keine Schlösser so stark sind, einen vor dem eigenen Gewissen zu schützen.“

„Das Echo der Wahrheit“ ist ein Roman, dem man sich nicht einmal für ein paar Minuten entreißen kann. Der Psychiater, der zugleich Ich-Erzähler ist, lässt den Leser an seiner mühseligen Wahrheitssuche teilhaben. Jedes neue Indiz, das er findet, stellt er dem Leser zunächst unkommentiert dar, sodass er seine eigenen Schlüsse ziehen kann. Er lässt den Leser genauso ratlos miträtseln und zusammen mit ihm die Leiter der Wahrheit stufenweise erklimmen.

Als ausgesprochener Gegner der Eindimensionalität, legt Chirovici ein äußerst präzises Fundament der Geschichte mit den Pfeilern der einzelnen Perspektiven an, sodass wir beim Hausgang so vielen Details Bedeutung beimessen können, wie wir es wollen oder können – ganz wie im wahren Leben selbst, wo es immer wieder Neues zu entdecken und zu bedenken gibt.

Selten gelingt es einem Autor die Tiefen der menschlichen Psyche derartig zu durchleuchten wie Eugene Chirovici. Er weiß es, Spannung mit Psychologie und einem Funken Philosophie zu einem überzeugenden, runden und lange nachhallenden Werk zu komponieren.

Bewertung vom 27.02.2019
Der Fall des verschwundenen Lords / Enola Holmes Bd.1
Springer, Nancy

Der Fall des verschwundenen Lords / Enola Holmes Bd.1


sehr gut

Wenn Sie noch nie von Enola Holmes gehört haben, dann liegt das daran, dass sie als extremer Nachzügler auf die Welt gekommen ist und aufgrund dessen, wenn überhaupt, dann nur hinter vorgehaltener Hand über sie getuschelt wird. Aber ja, Sie liegen richtig, bei Enola handelt es sich um die kleine Schwester von Mycroft und Sherlock Holmes. Doch nun tritt sie aus dem langen Schatten ihrer Brüder, weil ihre Mutter gerade an ihrem vierzehnten Geburtstag verschwunden ist und Enola sich nun auf die Suche nach ihr macht. Gleichzeitig muss sie vor ihren Brüdern fliehen, die beschlossen haben, sie für den notwendigen Feinschliff auf ein Internat zu schicken. Doch Enola hat ganz andere Pläne. Zusammen mit Enola begibt sich der Leser auf die abenteuerliche Flucht nach London, wobei er der kleinen Detektivin gebannt über die Schulter schaut, während diese ganz nebenbei den Fall des verschwundenen Lords Tewksbury löst.

„Der Fall des verschwundenen Lords“ ist der erste Band der sechsbändigen Reihe um Enola Holmes. Enola ist eine Figur, die einem bereits nach wenigen Seiten ans Herz wächst und mit der sich so manche junge Leserin wunderbar identifizieren kann (für die männlichen Leser gibt es Lord Tewksbury). Sie ist intelligent, schlagfertig, stürmisch und rebellisch. Gleichzeitig ist sie unsicher und voller Zweifel wie es für ein Mädchen im Alter von vierzehn Jahren typisch ist. Ihre pointierte, humorvolle Art machen den Roman zu einem wahren Lesegenuss. Bis auf einige wenige etwas unglaubhafte Aspekte ist „Der Fall des verschwundenen Lords“ ein wunderbares, spannendes und zugleich lustiges Jugendbuch, bei dem der junge Leser mitdenken, -lachen und -rätseln kann!

Bewertung vom 24.02.2019
Liebe geht durch den Garten
Hartmann, Ulrike

Liebe geht durch den Garten


ausgezeichnet

Was soll man tun, wenn man Kinderbuchillustratorin und alleinerziehende Mutter von zwei Jungen im Alter von zehn und acht Jahren ist, und einem seit Wochen Bauarbeiten und Hitze alle Lebensgeister und künstlerische Inspiration rauben? Genau, man sucht sich einen Schrebergarten! Für kleines Geld bietet einem so ein eigener kleiner Garten mit Laube alle Annehmlichkeiten, die man sich als fried- und naturliebender Mensch wünscht. Gesagt, getan. Ehe sich Anna versieht, ist sie stolze Besitzerin eines Schrebergartens. Vielleicht zu Anfang doch nicht ganz so stolz, denn der Garten ist äußerst heruntergekommen. Doch Anna lässt sich nicht abschrecken. Voller Elan stürzt sie sich in ihre neue Aufgabe. Tatkräftig wird Anna von ihren hilfsbereiten Schrebergartennachbarn unterstützt, sodass im Handumdrehen Ordnung in die kleine Gartenwelt einkehrt. Ganz besonders gerne geht der äußerst sympathische und extrem gutaussehende Paul Anna bei allen Gartenarbeiten zur Hand. Es könnte das Paradies auf Erden sein, wenn nicht plötzlich Sabine aufgetaucht wäre, die Paul ganz für sich in Anspruch nehmen möchte...

Ulrike Hartmann gelingt mit „Liebe geht durch den Garten“ ein warmer, humorvoller und überaus authentischer Roman, der mit seinen mannigfachen Wendungen die Leserin die Romanhandlung bis zum Ende mit Anteilnahme und Vergnügen mitverfolgen lässt. Sehr liebevoll beschreibt die Autorin die Schrebergärten und alles, was damit verbunden ist – die Arbeit, den Kleingärtnerverein, die Gartenimpressionen zu jeder Jahreszeit. Eine ganz besondere Stärke des Romans sind die runden Figuren: Da ist Anna, die Ich-Erzählerin und ihre beste Freundin Martha – die Frau möchte ich sehen, die sich nicht in ihren Gesprächen wiederfindet! – die beiden eigenwilligen und schlagfertigen Söhne, die überaus putzige Vermieterin, Paul, Sabine, die herzensgute Schrebergartennachbarin Lene und viele mehr. Spritzige Dialoge und viel Situationskomik runden den ausgesprochen gelungenen Roman ab. Lachfältchen sind garantiert!

Bewertung vom 20.02.2019
Liebende
Ho-seung, Jeong

Liebende


ausgezeichnet

Eine wunderschöne Fabel über die Liebe

„Begegnungen sind geheimnisvoll, genauso wie die Liebe. Sobald wir einander begegnen, fangen wir an, die Geschichte unseres Lebens zu schreiben.“

Seit Blauperlenauge zusammen mit Schwarzperlenauge für die Glocken des Tempels Unju-sa gekauft wurde, ist es Liebe auf den ersten Blick. Doch schon bald wandelt sich Schwarzperlenauges Liebe in Gleichgültigkeit. Voller Schmerz fragt sich Blauperlenauge: „Gibt es denn keine Liebe, die nie vergisst, wie sich das Herz anfangs gefühlt hat; keine Liebe, die sich niemals verändert?“ Nachdem Blauperlenauge die Auseinandersetzung mit Schwarzperlenauge sucht, stellt sich heraus, dass beide ein grundverschiedenes Verständnis von Liebe haben. Schwarzperlenauge sagt: „Wenn Liebe neu ist, spricht man viele Worte. Alte Liebe hingegen ereignet sich schweigend.“ Blauperlenauge kann diese Wahrheit nicht akzeptieren. Er verlässt Schwarzperlenauge, um in der großen weiten Welt die Antworten auf die ihn quälenden Fragen zu suchen. Auf seiner Reise lernt er das große weite Meer, die Großstädte, die Menschen, Vögel sowie andere seiner Art kennen. Das Wichtigste, was er lernt, ist, dass Liebe stets dem Wandel unterworfen ist, sie untrennbar mit Schmerz verbunden ist, und das einzige ist, was ewig bestand hat. Und Blauperlenauge erkennt, dass nicht die äußere Form des Lebens wichtig ist, sondern die grundlegende Wahrheit seines Daseins und die Essenz seines Lebens darin besteht als Windspiel des Tempels die schönsten und klarsten Klänge der Welt hervorzubringen.

Jeong Ho-seung legt dem Leser mit „Liebende“ eine berührende Fabel über die Liebe und den Sinn des Lebens vor. Tiefes Verständnis für die menschliche Seele und große Weisheit über das Leben zeichnen diesen südkoreanischen Schriftsteller aus. Der Zauber des dünnen und doch so dichten Bändchen nimmt den Leser gefangen und hallt lange nach. Nicht wegzudenken sind die wunderschönen Illustrationen von Gisela Goppel, die das Büchlein ergänzen und vervollkommnen. Eine klare Kauf- und Leseempfehlung für alle, die sich nach Weisheit und Tiefe sehnen.

Bewertung vom 06.02.2019
Wallace
Oelze, Anselm

Wallace


sehr gut

„Selbst die größten Umwälzungen der Geschichte beginnen bekanntlich mit einer Kleinigkeit. Und selbst die kleinste Kleinigkeit ist kaum klein genug, um nicht doch am Ende eine große Wirkung zu zeitigen.“

Albrecht Bromberg arbeitet als Nachtwächter im Museum für Natur- und Menschheitsgeschichte. Um sich die monotone Arbeit ein wenig interessanter zu gestalten, pflegt er Kreuzworträtsel im Kopf zu lösen, Vokabellisten des Mordwinischen zu erstellen sowie sich um seine prächtige Sammlung Epiphyten zu kümmern. Den Feierabend lässt er für gewöhnlich mit vier Freunden ausklingen, die sich selbst die Elias-Birnstiel-Gesellschaft nennt. Hier wird, zur großen Erheiterung des Lesers, glühend über Berufe und dazugehörende IQ-Werte, Autoren und ihre Übersetzer sowie das Prinzip der natürlichen Selektion diskutiert. Brombergs eingefahrene Routine wird jäh von einer Fotografie gestört, über die er während einer seiner Museumsgänge stolpert. Auf dieser ist ein bärtiger Mann mit wissendem Schmunzeln im Blick zu sehen, das Bromberg nicht mehr loslässt. Wie er bei seinem befreundeten Antiquariatsbesitzer Schulzen alsbald erfahren soll, handelt es sich bei jenem um den Forschungsreisenden Alfred Russel Wallace, der gleichzeitig mit Darwin die Evolutionstheorie formulierte. In die Analen der Weltgeschichte ist jedoch nur Charles Darwin eingegangen. Warum ist dem allerdings so? Aufkeimender Gerechtigkeitssinn und ein immer stärker werdendes Pflichtgefühl lassen Bromberg den Weg der Wahrheitssuche und Wiedergutmachung einschlagen. Doch lässt sich die Geschichte tatsächlich umschreiben?

Parallel zu Brombergs Ermittlung lernt der Leser den Naturkundler und Forschungsreisenden Alfred Russel Wallace unmittelbar kennen. Er durchstreift mit ihm die Tropenwälder Brasiliens, jagt seltenen Schmetterlingsarten nach und wundert sich über Kakadus auf Lombok. Er kann nicht anders als dem Forscher, den Wissensdurst die Gefahren und Strapazen langer Reisen auf sich nehmen ließ, Bewunderung und Sympathie entgegen zu bringen. Weit entfernt vom Kehlmannschen Karikieren und Durch-den-Dreck-ziehen bedeutender historischer Persönlichkeiten, zeichnet Anselm Oelze ein einfühlsames Portrait eines Forschers, den die Geschichte auf ewig dazu verdammt hat in Darwins Schatten zu stehen. Ob den Mann, der die Einsamkeit liebte, das jedoch jemals gestört hat?

Anselm Oelze ist mit seinem Roman ein vielschichtiges Werk über Alfred Wallace und seine Zeit gelungen. Es besticht durch fundiertes Wissen, Sprachvirtuosität, lebhafte Figuren, spritzige Dialoge und Situationskomik. Gleichzeitig liefert sein Roman Denkanstöße zu wichtigen Themen wie der Frage nach Gerechtigkeit. Als romankompositorischen Missklang empfand ich lediglich den Weg, welchen Bromberg einschlägt, um Wallace zu dem wohlverdienten Platz in der Weltgeschichte zu verhelfen. Nach meinem Empfinden steht dieser in innerer Unstimmigkeit zum restlichen Werk. Sehr gut gefallen hat mir dagegen die deutliche sprachliche Trennung zwischen den Kapiteln, die Bromberg respektive Wallace gewidmet sind. In den Wallace-Kapiteln greift der Autor gekonnt die attributschwangere, verschachtelte Sprache der vergangenen Jahrhunderte auf. Markante Merkmale früherer Romane mit Wiedererkennungswert sind nicht zuletzt auch die kurzen Kapitelinhaltsangaben, die wir unter anderem aus Daniel Defoes „Robinson Crusoe“ oder Henry Fieldings „Tom Jones“ kennen, sowie das augenzwinkernde „Selbstverständlich ist dies eine wahre Geschichte“, das der Autor in Anspielung an die früher oftmals praktizierte Herausgeberfiktion an den Romananfang setzt. Nicht zuletzt ist Anselm Oelzes Roman somit als eine Art Hommage an die Literatur der vergangenen Jahrhunderte zu verstehen. Ich spreche hiermit gerne eine warme Empfehlung für diesen komplexen Roman aus!

Bewertung vom 17.01.2019
Von Männern und ihren Katzen
Kalda, Sam

Von Männern und ihren Katzen


ausgezeichnet

Ein liebevoll gestaltetes Sachbuch über berühmte Katzenmänner

„Seit der Mann im Garten Eden erstmals ein gefallenes Schnurrhaar entdeckte, hat er zu Katzen immer ein dämmerungsaktives Verhältnis gehabt.“ Viele Männer wagen sich jedoch oftmals „aus dem sprichwörtliche Katzenkörbchen“ nicht hinaus, um ihre Zuneigung zu Katzen offen einzugestehen. „Ringen Sie Ihre Ängste nieder, mein lieber Herr!“, legt Sam Kalda diesen nahe, „auf diesen Seiten sind Sie unter Freunden.“

Auf knapp 110 Seiten zeichnet der Autor – und das in doppelter Hinsicht, denn die beigefügten Illustrationen stammen ebenfalls von ihm – kurze Portraits von berühmten Männern, die ausgesprochene Katzenliebhaber waren bzw. sind. Die Palette reicht hierbei von diversen Künstlern und Schriftstellern über Erfinder bis hin zu Staatsmännern. So erfährt der Leser zum Beispiel, dass die berühmte Eröffnungsszene von „Der Pate“, in der Vito Corleone eine Katze streichelt, im Originaldrehbuch gar nicht vorkommt. Marlon Brando, der ein Faible für Katzen hatte, und der auf dem Studiogelände herumstromernde Graugetigerte fühlten sich lediglich derartig zueinander hingezogen, dass diese berühmte Szene einem Moment der Eingebung entsprang. Weiterhin erfährt der Leser, dass Churchill gerne in Gesellschaft seiner Katzen speiste und ihnen, wenn seine Frau nicht hinsah, geräucherten Lachs zusteckte. Oder dass Freddy Mercury regelmäßig bei seiner Katzen-Sitterin anrief, wenn er auf Tour war, um mit seiner Katzenfamilie zu sprechen.

Oftmals wird den Katzen eine treibende Kraft von ihren Besitzern eingeräumt. So schreibt Nicola Tesla seiner Katze sein früh erwachtes Interesse an der Elektrizität zu, die Musikalität seiner beiden Siamkatzen stellte eine Quelle der Inspiration für den französischen Komponisten Maurice Ravel dar, und William S. Burroughs schreibt den Katzen sogar das Wiedererlangen seiner Menschlichkeit zu. Karl Lagerfeld wiederum liebt seine Birma-Katze Choupette dermaßen, dass er sie am liebsten heiraten würde, wenn es legal wäre. Einer der berühmtesten Katzenliebhaber jedoch ist unbestreitbar Mark Twain, der sich stets mit einer Schar Katzen umgab, und uns einen beträchtlichen Kanon an Katzen-Weisheiten hinterließ.

Das Buch zeugt gleichermaßen von einer großen Bewunderung für die berühmten Katzenliebhaber der Geschichte als auch für die Katzen selbst, die ihren Teil zu der Großartigkeit dieser Männer beigetragen haben. Um die Wertschätzung für Katzen mit den Worten des Autors auf den Punkt zu bringen: „Mögen die Verblichenen von euch auf ewig sonnenbaden in den elysischen Gefilden der Katzenminze.“