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Buchstabenträumerin
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Hier blogge ich über Jugendbücher und Romane der verschiedensten Genres: https://buchstabentraeumerei.wordpress.com.

Bewertungen

Insgesamt 170 Bewertungen
Bewertung vom 12.09.2017
Alle Farben der Nacht
Zauels, Jonas

Alle Farben der Nacht


ausgezeichnet

Für manche Rezensionen fühle ich mich zu klein. Ich fühle mich ihnen nicht gewachsen, vor allem, wenn mich der Roman sprachlich und inhaltlich so sehr gefangennimmt und beeindruckt, wie dieses Debüt: „Alle Farben der Nacht“ von Jonas Zauels. Der Autor, gerade einmal Mitte zwanzig, schreibt so gut. Metaphorisch, philosophisch, nüchtern, poetisch, gleichzeitig jugendlich und reif – seine Worte fühlen sich schlicht energiegeladen an. Herrje, manchmal kann man einfach nur dankbar sein, auf ein Buch aufmerksam gemacht worden zu sein.

Voller Energie sein – das passt zum Mitte zwanzig sein. Ein Alter, in dem übrigens auch die Protagonistin Emilia ist. Das ist die Zeit der intensiven Gefühle: Die ungestüme und nicht immer glückliche Liebe, Nachdenklichkeit und Schwermut, die einen ab und an befällt, die Verrücktheit und Freiheit der durchwachten Nächte, die Schmerzhaftigkeit des Erwachsenenlebens und die Grenzenlosigkeit der Möglichkeiten. In „Alle Farben der Nacht“ geht es um all das, das Erwachsenwerden, mit seinen Hürden und Schwierigkeiten – und um so vieles mehr.

Emilia ist eine verlorene junge Frau. Sie irrt ohne Familie und Freunde durch Tage und Nächte, betäubt sich mit Drogen und Alkohol. Schwierigkeiten, Sorgen und traumatische Erlebnisse lassen sich so verdrängen. Sie muss sie verdrängen, da sie sonst zerbricht. Der Leser erfährt nach und nach die ganze Bandbreite des Unglücks. In unscheinbaren Nebensätzen, unterkühlt und dabei kristallklar, spielen sich die Tragödien der Protagonistin ab. Die Tragweite wird einem dadurch nur umso bewusster.

Ich tauchte in den Kopf von Emilia ein und kam nicht mehr raus. Das war faszinierend und schmerzhaft und jetzt, wo ich am Ende angelangt bin, möchte ich von vorne beginnen. Denn ich bin mir ganz sicher, ich kratze gerade nur an der Oberfläche all dessen, was in diesem Roman drin steckt. Ich möchte den Text markieren, Gedanken und Zusammenhänge notieren, analysieren und jede Zeile sezieren – und das macht nur ein richtig gutes Buch mit mir. Davon gibt es nicht viele, eines wäre zum Beispiel „Der Fänger im Roggen“ von J.D. Salinger.

AN DIESEM ABEND WAR ES EMILIA, ALS BREITE SICH IN IHR EINE KLIRRENDE KÄLTE AUS, DIE SIE IN TAUSENDE UND ABERTAUSENDE TEILE ZERBERSTEN LIESSE. SPLITTER FÜR SPLITTER SPRANG VON IHR AB, VERLIESS SIE, BRACHTE SICH IN SICHERHEIT, BIS NUR NOCH EIN SCHANDFLECK AUS KNOCHEN UND HAUT ÜBRIG WAR, IN EINER SALZIGEN PFÜTZE AUF DEM BODEN. (SEITE 15)

Doch zurück zu „Alle Farben der Nacht“. Das obere Zitat ist nur ein Beispiel von zig Metaphern, die mich nicht mehr loslassen. Sie machen es dem Leser teilweise schwer, dem Geschehen zu folgen. Überhaupt ist es nicht immer leicht, zu unterscheiden, was nun Wirklichkeit und was Einbildung ist. Was findet nur in Emilia’s Kopf statt, was geschieht tatsächlich? Doch das entfachte bei mir nur den Wunsch, noch tiefer einzusteigen und mich noch mehr auf die Geschichte einzulassen.

Ich schwärme zu sehr? Ach, ich habe nicht mal richtig angefangen! Doch jedes weitere Wort würde zu viel vom Inhalt vorwegnehmen. Jonas Zauels – Hut ab. Ich benutze dieses Wort nicht gerne, aber ich bin ein Fan geworden. Schreibe bitte noch ganz, ganz viele Bücher, ich möchte sie alle lesen.

Fazit

„Alle Farben der Nacht“ von Jonas Zauels ist ein absolut bemerkenswertes und anspruchsvolles Debüt, das mich nachhaltig beeindruckt hat. Ich war sprachlos und bin es – um ehrlich zu sein – auch jetzt noch. Diese Coming-of-Age Geschichte ist hart, ungewöhnlich und geht an die Substanz. Doch sie ist gleichzeitig so reich an intensiven Gefühlen, dass man sie nicht hoffnungslos verlässt. Von mir eine ganz klare und dringende Empfehlung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.09.2017
Coldworth City
Kasten, Mona

Coldworth City


weniger gut

SOLIDE GESCHICHTE MIT GEWOHNTEN ERZÄHLMUSTERN. ICH FÜHLTE MICH NUR MÄSSIG UNTERHALTEN.

Mona Kasten ist seit Erscheinen ihres New Adult Romans „Begin Again“ im vergangenen Jahr in aller Munde. Im Mai 2017 erschien die Fortsetzung „Feel Again“, die ebenfalls die Leser begeisterte. Ich habe mich diesem „Hype“ bewusst entzogen, war aber umso neugieriger, als ich auf diesen neuen Roman von ihr aufmerksam wurde. Mit „Coldworth City“ wendet sie sich dem Genre Fantasy zu und erzählt von Mutanten sowie einer unbarmherzigen Organisation, die Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten für ihre Forschungszwecke missbraucht. Das Thema ist sicherlich nicht die Neuerfindung des Rades, doch angesichts der recht großen Begeisterung für ihre Werke, erwartete ich eine Überraschung.

Die Geschichte ist sehr klassisch aufgebaut und bietet neben Action und Spannung auch hinreichend andere Motive wie Liebe und Freundschaft. In dieser Hinsicht kann ich wirklich nichts gegen den Roman sagen. Er ist grundsolide und hat alles, was eine gute Geschichte braucht. Aber wo sind die Überraschungen? Die unerwarteten Wendungen? Die facettenreichen und nicht stereotypen Charaktere? Wo ein unverwechselbarer Schreibstil? Für mich fühlte sich das Lesen von „Coldworth City“ an wie ein ständiges Déjà-vu. Stets begleitete mich die Ahnung, Ähnliches woanders schon einmal gelesen zu haben.

DAS HATTE SIE NUN DAVON, DASS SIE HIER WAR. GENAU DAS, WAS SIE STETS ERWARTET HATTE, SOBALD DIE LEUTE ÜBER IHRE WAHRE GABE IM BILDE WAREN: DASS SIE SIE WIE EINE AUSSÄTZIGE BEHANDELTEN. ODER SCHLIMMER NOCH – WIE EIN MONSTER. (SEITE 134)

Der Roman wird auf der Webseite des Verlags mit Serien wie Jessica Jones, Agents of S.H.I.E.L.D. oder X-Men verglichen – und damit trifft es auch schon den Punkt. Kennt man die Serien, kennt man die Geschichte von Raven. Jede Entwicklung der Handlung konnte ich daher meist im Voraus erahnen. Alles in allem fehlte es mir an Originalität. Es gibt Autoren, denen dies besser gelingt: Mika M. Krüger in „Totenläufer“ zum Beispiel. Inhaltlich gibt es einige Überschneidungen, doch in ihrem Roman habe ich all das gefunden, was mir in „Coldworth City“ fehlte.

Raven als Charakter ist in ihrer Persönlichkeit gut angelegt, auch ihre Entwicklung ist plausibel. Sie hat Schlimmes erlebt, verdrängt, schlägt sich durch und kümmert sich um ihren kleinen Bruder Knox. Allerdings blieb sie vollkommen unnahbar für mich. Ich konnte mich nicht in sie hineinfühlen. Wade gefiel mir da schon etwas besser, er ist verschlossen, etwas eigen, aber leidenschaftlich. Aber: Mit diesen Charakterzügen reiht er sich in eine ganze Reihe von männlichen Protagonisten ein. Mir persönlich waren beide zu schablonenhaft, mir fehlte das Neue und Unbekannte.

Gleiches gilt für den Konflikt. Hier möchte ich jedoch keine Details verraten, um Spoiler zu vermeiden. Doch warum nicht einmal etwas Neues erschaffen? Oder dies zumindest um neue Aspekte anreichern? Hach, ich wurde einfach nicht warm mit diesem Buch – leider.

Fazit

Mona Kasten hat sich in ihrem Fantasy-Roman an einen bewährten Plan gehalten und so eine gut durchdachte und im Grunde interessante Geschichte zu Papier gebracht. Allerdings fehlte mir deutlich die Abgrenzung zu ähnlichen Büchern dieses Genres, die Autorin spult lediglich ein Standard-Repertoire an Szenen ab. So sorgten stereotype Charaktere und eine wenig überraschende Geschichte dafür, dass ich mich leider nur mäßig unterhalten fühlte. Mona Kasten hat nichts falsch gemacht in ihrer Geschichte und ich bin mir sicher, dass es viele begeisterte Leser geben wird – für meinen Geschmack war sie aber nicht mutig genug, über den Tellerrand des Standards zu schauen.

Bewertung vom 05.09.2017
Vintage
Hervier, Grégoire

Vintage


ausgezeichnet

Ich höre weder Blues, noch spiele ich Gitarre. Auch für Musikgeschichte interessiere ich mich nicht sonderlich. Doch es gibt Bücher, die das Interesse für Themen wecken, die einen im Alltag nicht berühren. Bücher, die nicht nur das Interesse wecken, sondern eine wahre Leidenschaft während des Lesens entfachen! Bisher ist mir das passiert bei „Die Spuren meiner Mutter“ von Jodi Picoult(Elefantenliebe), „Nordnordwest“ von Sylvain Coher (Segelleidenschaft und Meerliebe) und bei „Die Launenhaftigkeit der Liebe“ von Hannah Rothschild (Kunstleidenschaft). Alles großartige Bücher, die man gelesen haben sollte, finde ich. In diese Riege reiht sich nun „Vintage“ von Grégoire Hervier ein. Ein Roman, der mich die Liebe zum Blues lehrte und die Leidenschaft für Gitarren weckte.

Die Geschichte nimmt ihren Lauf mit Thomas, der im Auftrag eines reichen Lords eine Gitarre ausfindig machen soll, über deren Existenz keine Beweise existieren. Da ihm eine großzügige Belohnung winkt, stürzt er sich in Recherchen zu dieser legendären Gibson Moderne, die vielleicht gebaut wurde – vielleicht aber auch nicht. Er taucht tief in die Musikgeschichte ein und lässt den Leser daran teilhaben. Und das ist alles andere als trocken und langweilig! Das geballte Wissen ist faszinierend, der Blues facettenreich und nicht nur in musikalischer Hinsicht von Bedeutung. Die Musik ist ein Sinnbild für die damalige Zeit in den USA. Es geht um Sklaverei und Unterdrückung, Freiheit und den Ausdruck von Emotionen. Und mit allem steht die Gibson Moderne in Verbindung.

Thomas geht auf Reisen, immer auf den Spuren dieser Gitarre, begegnet Menschen, Sammlern, Musikern und Gleichgesinnten. „Vintage“ ist ein Roadtrip der Extraklasse. Dabei ist Hervier’s Werk vor allem im letzten Drittel etwas roher und brachialer als erwartet. Es ist tatsächlich in vielerlei Hinsicht ein musikalischer Krimi, in dem es durchaus blutig wird. Also nicht unbedingt etwas für zarte Gemüter.

Doch es steckt noch viel mehr darin. Humor, spannende Nebencharaktere und ein liebenswerter Protagonist, der sich in einer recht klassischen Phase der Selbstfindung befindet. Seine kurzfristigen Ziele, das Finden der Gitarre, formen sich nachvollziehbar zu langfristigen Zielen und Wünschen. Die Entwicklung von Thomas ist dabei sehr angenehm und plausibel in das Grundgerüst der Geschichte eingebunden.

Hinsichtlich der Story habe ich lediglich einen kleinen Kritikpunkt. Besonders ab der Hälfte häufen sich die Zufälle. Praktischerweise reist er zum Beispiel genau dorthin, wo sich die nächste Spur befindet. Oder er begegnet zufällig dem einen Menschen, der noch etwas zu der Gitarre sagen kann. Dies wurde mit der Zeit etwas überstrapaziert, so dass ich die Spurensuche nicht mehr zu hundert Prozent ernst nehmen konnte. Auf das große Ganzen wirkte sich das aber nicht allzu negativ aus.

Ich könnte noch auf so viele Aspekte des Romans eingehen, doch das würde den Rahmen dieser Rezension sprengen. Ich möchte aber noch erzählen, was das Buch mit mir gemacht hat. Nämlich das: Noch während des Lesens klebte ich Post-its auf jede Seite mit musikalischem Bezug. Und „Vintage“ ist vollgepackt damit! Lieder werden erwähnt, Musiker, die mit Gitarre A oder Gitarre B zur Legende wurden, Song A erinnert an Song B, die Produktion von Lied C war wegweisend für Bands X und Y – musikalische Referenzen ohne Ende. Nach Beenden des Buches wünschte ich mir nichts sehnlicher, als mich für Tage in ein Tonstudio zu verkrümeln und Musik zu hören. Eine Seite des Buches nach der anderen unter die Lupe nehmend.

Fazit

„Vintage“ von Grégoire Hervier ist so vielseitig, dass ich die Essenz nur schwer in Worte fassen kann. Dieser Roman hat mich begeistert für Musikgeschichte, den Blues, die USA in den 50er Jahren, Musiker dieser Generation, Musikproduktion, Gitarren und Gitarrenbau. „Vintage“ ist ein Roadtrip und ein Krimi in einem, noch dazu mit starken Charakteren, Spannung und Humor. Was will man mehr? Ich sage nur: Lesen!

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.08.2017
Flammende Zeichen / Die Fabelmacht-Chroniken Bd.1
Lange, Kathrin

Flammende Zeichen / Die Fabelmacht-Chroniken Bd.1


gut

Eine Erzählung über ein Mädchen, das mit ihren Geschichten die Wirklichkeit schreibt und diese mit ihren Worten verändern kann - ich war begeistert von der Grundidee, allerdings konnte Kathrin Lange dieses Mal nicht ganz meine Erwartungen erfüllen. Einerseits liegt es sicherlich daran, dass sich „Flammende Zeichen“ hauptsächlich an ein jüngeres Publikum richtet. Es ist alles da, was eine gute Geschichte braucht, doch mir war es zu wenig. Ich möchte interessante Charaktere kennenlernen und die Welt, in der sie Leben, erfahren können. In dieser Hinsicht hat die Autorin für meinen Geschmack nicht tief genug gegraben.

Mila lernen wir im Zug nach Paris kennen, wo sie nach einem Streit mit ihrer Mutter eine Freundin besuchen möchte. Sie gibt wenig von sich preis und so bleibt ihre Vergangenheit, ihr Alltag und das, was sie letztendlich ausmacht, etwas im Schatten. Stattdessen wird die Handlung vorangetrieben und Mila stolpert von einer seltsamen Situation in die nächste.

Sie trifft auf Nicholas, den sie als den Jungen aus ihren Geschichten wiedererkennt. In ihn hat sie sich schon tausendfach verliebt – allerdings nur Schwarz auf Weiß auf einem Blatt Papier. Nicholas bleibt ähnlich blass als Charakter, obwohl sich schon früh andeutet, dass er etwas getan hat, wodurch sein ganzes Umfeld in Aufruhr geriet und seine Familie leiden muss. Im Laufe des Buches erfährt man immer mehr darüber, allerdings nicht genug, finde ich, um wirkliche Nähe entstehen lassen zu können.

Überhaupt werden entscheidende Details nicht verraten. Eine Tatsache, die mich über weite Strecken der Handlung ziemlich gereizt hat. Mila stellt Fragen, doch die Antworten sind entweder ausweichend oder bleiben ganz aus. Setzt doch jemand an, einen Umstand zu erklären, kommt es zu einer Unterbrechung. Ab einem gewissen Punkt wirkte das auf mich zu künstlich. Der Spannungsbogen kann nicht allein dadurch aufrecht gehalten werden, dass ein Detail nicht verraten wird, obwohl es gefühlte 1.000 Gelegenheiten dazu gab.

Mila gibt sich viel zu leicht mit unvollständigen Informationen zufrieden, obwohl sie in ein Abenteuer stürzt, das sie sich nicht auch nur ansatzweise erklären kann. Ich würde Antworten einfordern! Insgesamt macht das Mila zu einem sehr passiven Charakter, zu einem Spielball dieser geheimnisvollen Fabelmacht, zu jemandem, der niemals nachhakt und kaum die Initiative ergreift.

Ein weitaus interessanterer Charakter als Nicholas und Mila ist Eric, ein Dieb, auf den sie am Bahnhof trifft. Er fühlt sich von ihr angezogen und hilft ihr in einer Notlage. Fortan weicht er ihr nicht mehr von der Seite und setzt sogar sein Leben für sie aufs Spiel. Das fand ich zwar absolut nicht plausibel, schließlich kennt er Mila kaum länger als einen Tag, dennoch mochte ich ihn. Er hält sich zwar ebenfalls bedeckt, was seine Vergangenheit betrifft, doch er wirkt insgesamt als Charakter runder, vollständiger. Auf seine Entwicklung im zweiten Band bin ich unendlich gespannt. Wer hier eine Dreiecksgeschichte vermutet, den kann ich übrigens beruhigen. Mila ist sich von Anfang an im Klaren über ihre Gefühle.

Die Idee der Fabelmacht hat Kathrin Lange allerdings hervorragend umgesetzt. Sowohl an Ideenreichtum, Komplexität und Spannung ist in Band 1 alles drin, was man von einem Fantasy-Jugendbuch erwarten kann. Und auch die Entwicklung des Plots am Ende hat mich sehr überzeugt, denn „Die Fabelmacht Chroniken“ entwickelt sich ganz anders als erwartet. Das lässt mich über die genannten Schwächen hinwegblicken und Band 2 ist ein Muss.

Fazit

„Die Fabelmacht Chroniken. Flammende Zeichen“ ist ein Reihenauftakt, der mich nicht vollständig überzeugen konnte. Die Charaktere waren mir bis auf wenige Ausnahmen zu blass und unnahbar, die Spannung wurde bisweilen zu künstlich aufrechterhalten. DOCH im letzten Drittel gewinnt der erste Band an Fahrt und eine unerwartete Entwicklung lässt auf einen weit, weit besseren zweiten Band hoffen.

Bewertung vom 08.07.2017
Das Erwachen / Chosen Bd.2
Fischer, Rena

Das Erwachen / Chosen Bd.2


ausgezeichnet

Komplexität. Tempo. Undurchschaubare Charaktere. Liebe. Gewalt. Außergewöhnliche Fähigkeiten. Das ist der Stoff, aus dem Chosen gestrickt ist. Band 1, „Chosen – Die Bestimmte“, schlug anfangs noch die lockere und humorvolle Jugendbuch-Schiene ein, entwickelte sich dann jedoch immer mehr zu einem rasanten Fantasy-Thriller. Band 2, „Chosen – Das Erwachen“, knüpft unmittelbar dort an und statt Romantik erwarteten mich Action und Spannung. Denn die Beziehung von Aidan und Emma ist zerstört, seitdem Calahan und Farran ihre Erinnerungen manipuliert haben. Getrennt voneinander versuchen sie sich von den Ereignissen zu erholen und sie zu verarbeiten.

Emma befindet sich wieder bei den Raben und glaubt, Aidan habe ihren Vater Jakob getötet. Sie vertraut Farran blind und lässt sich wie zu Beginn von Band 1 von ihm ausbilden. Aidan jedoch verschwindet und entzieht sich so den Fängen der Raben und der Falken. Doch der Versuch, ein ganz neues Leben zu beginnen scheitert, denn die Erinnerung an einen Kuss im Regen lässt ihn nicht los. Werden sich die beiden wiedersehen? Wird Emma die Manipulationen durchschauen? Werden sie Farran das Handwerk legen? Diese Fragen treiben die Geschichte voran.

Stille kann einen mit Ehrfurcht erfüllen oder einen beruhigen, auffangen in einem Netz von Glück, Sehnsucht oder Hoffnung. Aber das sind nicht die Fäden, aus denen mein Leben in den letzten Monaten gesponnen wurde. (Seite 294)

Dabei bedient sich Rena Fischer wieder der gleichen Komplexität wie in Band 1, ach was, sie übertrifft sich! Ich habe absolute Hochachtung vor der Autorin, die während des Schreibens einen Überblick über alle zeitlichen Verläufe und alle Zusammenhänge behalten hat. Dieser Plot hat es wirklich in sich und hat mich bisweilen auch etwas hilflos zurückgelassen, so schnell überschlugen sich die Ereignisse. Das spiegelt sich auch im Schreibstil wieder, der Sequenzen eines Actionfilmes sehr ähnlich ist: harte Schnitte, kurze Szenen, spannungsgeladene Cliffhanger am Ende jeder Szene.

Meist spricht man von der Ruhe vor dem Sturm. Doch den habe ich bereits hinter mir gelassen. Jetzt wandere ich über das gespenstisch stumme Schlachtfeld meiner Vergangenheit, eine einsame Gestalt auf der Suche nach dem, was von ihrem Leben übrig blieb. (Seite 294)

Hinzu kommt eine konsequent düstere Stimmung. Jegliche Leichtigkeit, die ich in Band 1 noch erlebt hatte, suchte ich hier vergebens. Die Situation eskaliert zusehends und die Gegner werden immer rücksichtsloser. Da kann das Cover noch so verträumt und hübsch daherkommen – Band 2 ist eher nichts für schwache Nerven. Und das ist gut so, denn dadurch hebt sich „Chosen“ von anderen Büchern dieses Genres ab. Es wirkt erwachsener, reifer und ist in vielerlei Hinsicht überraschend.

Das Einzige, was mir ein wenig fehlte, war die Chemie zwischen Aidan und Emma, die mich im ersten Teil begeisterte. Natürlich verbringen sie kaum Zeit miteinander und wenn, dann machen ihnen die Erinnerungslücken zu schaffen oder sie sind in Gefahr. Doch ich hatte dennoch auf ein bisschen mehr Zweisamkeit gehofft. Dafür tritt eine andere Beziehung stärker in der Vordergrund: die von Farran und Emma. Farran vertraut sich Emma an, erzählt ihr von seiner Vergangenheit und von seinen Träumen für die Zukunft, in der Emma eine signifikante Rolle spielen soll. Diese neue Dynamik gefiel mir sehr gut.

Fazit

„Chosen – Das Erwachen“ bietet action-geladenes und spannendes Popcorn-Kino zwischen Buchseiten. Mit seiner düsteren Atmosphäre und den komplexen Handlungssträngen übertrifft dieser Abschluss der Dilogie sogar Band 1. Hinzu kommen eine wundervolle, lebendige Sprache, die das Lesen zum Vergnügen macht.

Bewertung vom 28.06.2017
Linas Reise ins Land Glück
Widmark, Martin

Linas Reise ins Land Glück


ausgezeichnet

„Linas Reise ins Land Glück“ ist eine überraschend emotionale Geschichte und anfangs auch traurig, da Linas Bruder verschwindet. Sie versteht nicht, wie das geschehen konnte und vermisst ihn sehr. Autor Martin Widmark spricht also Verlust und Trauer an, aber auch Mut, Hoffnung und Glück. Das hatte ich in einem Bilderbuch für fünfjährige nicht unbedingt erwartet und es hat mich positiv überrascht.

Die Erzählung wirkt stets etwas entrückt von der Realität, es wirkt alles sehr verträumt und verwunschen, ganz ähnlich des Klassikers „Alice im Wunderland“. So gelangt auch Lina in ein geheimnisvolles Land, in dem sie winzig klein ist und sie sprechenden Insekten begegnet. Ein Käfer nimmt sich ihrer an, allerdings nur, um sie einer gierigen Krabbe auszuliefern.

Nun erhält „Linas Reise ins Land Glück“ eine recht bedrohliche Note, denn die Krabbe hält Kinder gefangen, damit sie für ihn Perlen aus einem Wasserbecken tauchen. Doch was wäre es für eine Kindergeschichte, wenn die Kinder nicht zusammenhalten würden! Gemeinsam sind sie stark – stark genug, um alle, die ihnen Unrecht tun wollen, zu überlisten. Hier spürt man ein wenig die Tradition von Astrid Lindgren und anderen tollen Kinderbuchautoren/innen: Kinder sind klug und ganz schön furchtlos.

Mir persönlich war lediglich die Auflösung etwas zu einfach. Ich hätte mir mehr Einfallsreichtum erhofft, vor allem angesichts der starken Entwicklung bis dahin. Allerdings ist das für mich absolut zu verschmerzen, da der Rest des Kinderbuches mich sehr anspricht.

„Das ist eines dieser Projekte, für die ich brenne. Ich liebe es, wenn Texte und Illustrationen unterschiedlicher Kulturen und Traditionen sich zu einer Geschichte vereinen.“ Martin Widmark, schwedischer Bestsellerautor

Die Bilder sind meiner Meinung nach die besondere Stärke dieses Buches. Illustrationen dieser Qualität sind selten in Kinderbüchern zu finden. Sie entführen nicht nur die Kinder in eine andere Welt, auch ich war hingerissen und nehme „Linas Reise ins Land Glück“ immer wieder gerne zur Hand, einfach um mir die Bilder anzuschauen. Sie reichen meist über die gesamte Seite und bieten dem Auge viele Details, um daran hängen zu bleiben und sich wahrhaftig in der Geschichte zu verlieren. Dabei greifen die Bilder die Stimmungen hervorragend auf und wirken geradezu märchenhaft.

Fazit

„Linas Reise ins Land Glück“ ist eine emotionale und poetische Geschichte über ein Mädchen, das einen Verlust erlebt und während einer seltsamen Reise nicht nur den Mut aufbringt, gegen Unrecht anzukämpfen, sondern am Ende auch das wiederfindet, was sie verloren hat. Die wunderbaren Illustrationen unterstreichen die Stimmungen der Geschichte perfekt. Für mich eine kleine Kinderbuch-Entdeckung.

Bewertung vom 26.06.2017
Lord of Shadows / Die dunklen Mächte Bd.2
Clare, Cassandra

Lord of Shadows / Die dunklen Mächte Bd.2


ausgezeichnet

Lady Midnight war ein sehr gelungener Auftakt von Cassandra Clare. Die Geschichte beinhaltete alles, was ich von der Welt der Schattenjäger erwarte: böse Dämonen, Hexenmeister oder dunkle Mächte, Konflikte und natürlich Liebe. Denn die ist immer wieder eine enorm große Triebkraft in allen Romanen der Autorin, sei es die verbotene, unmögliche oder die verhinderte Liebe. So ist es kein Wunder, dass auch in „Die dunklen Mächte“ die Liebe alles durchdringt und einen Großteil aller Handlungen motiviert.

Julian liebt seine Familie über alles und er liebt seinen Parabatai Emma, was jedoch vom Rat der Schattenjäger streng verboten ist. In „Lady Midnight“ gestehen sie sich ihre Liebe, in „Lord of Shadows“ versucht Emma dieses Gefühl im Keim zu ersticken, indem sie Julian vorspielt, sie sei in seinen Bruder Mark verliebt. Mark ist aus dem Feenreich zurückgekehrt und ist hin und hergerissen zwischen beiden Welten – in der einen kommt er Christina näher, in der anderen fühlt er nach wie vor für den Feenprinzen Kieran.

Why lie? he’d asked. She’d stood before him, aching all the way down to the floor of her soul, in all the places where she’d ripped Julian away from her as if she’d torn off a limb. (Seite 52)

Aber auch die dunklen Mächte, die die Schattenjäger vernichten möchten, werden teils von blinder Liebe getrieben. Davon, und von Machtgier und Hass. Im zweiten Band kochen die Emotionen auf allen Seiten hoch, es brodelt mächtig. Wo Band 1 noch der Vorstellung aller Charaktere diente und die Geschichte ins Rollen brachte, steigert sich in Band 2 alles zu einem hochspannenden und nervenzehrenden Durcheinander. Als Leser wurde ich extrem mitgerissen.

Dabei hielt Clare wie immer gekonnt die Balance zwischen Emotionen und Konflikt. Gerade noch näherten sich Charaktere an, schon müssen sie in den nächsten Kampf oder die nächste Auseinandersetzung überstehen. Dadurch wird das Buch zum Pageturner.

„There is truth in stories,“ said Arthur. „There is truth in one of your paintings, boy, or in a sunset or a couplet from Homer. Fiction is truth, even if it is not fact. If you believe only in facts and forget stories, your brain will live, but your heart will die.“ (Seite 117)

Was mir besonders gefällt sind die Botschaften, die diese Reihe bisher mit sich trägt: Liebe ist stärker als Hass, als Familie hält man zusammen und Freunde gehen miteinander durch dick und dünn. Und so sehr andere Charaktere auch versuchen, diese Werte zu sabotieren, Emma, Julian, Mark, Christina und Co. halten daran fest. Durchaus eine Herausforderung in diesem zweiten Band, denn es wird richtig düster. Ein Krieg steht bevor, eine fanatische Gruppe Schattenjäger will alle Schattenwesen unterdrücken und beherrschen, Ignoranz, Machtgier und Lügen stehen an der Tagesordnung. In dieser Atmosphäre versuchen Emma und Julian sowie ihre Familie und Freunde das Schlimmste zu verhindern.

Kurz gesagt setzt Cassandra Clare auf Gut gegen Böse und David gegen Goliath – und auch ein bisschen auf Romeo und Julia. Da kann man nicht viel falsch machen und mir gefiel diese Fortsetzung sogar noch besser als „Lady Midnight“.

Besonders hervorheben möchte ich noch eine neue Freundschaft, die mir sehr zu Herzen ging, und zwar zwischen Kit und Ty. Es ist eine so unerwartete Verbindung und doch so logisch, vor allem aber ist sie sehr feinfühlig erzählt.

Fazit

„Lord of Shadows“ ist Emotionen pur! Krieg und Liebe in einer faszinierenden Welt. Cassandra Clare lässt die Charaktere und ihre Gefühle so lebendig vor Augen entstehen, als sei man mit dabei. Wie bisher alle ihre Bücher, ist auch diese neue Schattenjäger-Reihe eine Reihe mit Suchtpotenzial. Der zweite Band schafft es sogar, Band 1 um Längen zu übertrumpfen. Ich kann es kaum erwarten, Band 3 zu lesen – vor allem nicht nach diesem unglaublichen Cliffhanger (wie kann Clare das den Lesern antun?!).

Bewertung vom 03.06.2017
Die Schule der Nacht
McDonald, Ann A.

Die Schule der Nacht


sehr gut

Zugegeben, mit dem Einstieg macht es einem die Autorin nicht unbedingt leicht. Dabei beginnt es äußerst vielversprechend: die junge Cassandra Blackwell erhält mysteriöse Post mit der Aufforderung, an die Oxford Universität zurückzukehren. Sie kann sich darauf keinen Reim machen, ist aber dennoch neugierig, denn dort eröffnet sich ihr die Möglichkeit, mehr über ihre verstorbene Mutter zu erfahren, die dort wohl einst selbst studierte. So reist sie also als Studentin für ein Auslandssemester von Amerika nach England und beginnt mit der Spurensuche.

Cassandra forscht in alten Unterlagen, stöbert in Kellern und Bibliotheken, stößt auf erste Ergebnisse, doch statt sie weiterzubringen, werfen diese nur neue Fragen auf. Im Laufe ihrer Ermittlungen bleibt sie stets für sich, einzig zu ihrer Mitbewohnerin hat sie sporadisch Kontakt. Allen anderen, denen sie begegnet, zeigt sie jedoch die kalte Schulter. Im Grunde ist das angesichts Cassandras schwieriger Vergangenheit verständlich, dennoch drohte Ann A. McDonald mich hier zu verlieren.

Zu zäh gehen die Nachforschungen vonstatten, zu unnahbar blieb die Protagonistin. Es fehlte an Abwechslung und Tempo. Oft legte ich das Buch zur Seite, da wenig meine Aufmerksamkeit langfristig zu fesseln vermochte. Dennoch war da der Drang zu wissen, wie die Geschichte weitergeht. Irgendwie lässt einen die Geschichte dann doch nicht los. Bis zur Hälfte musste ich mich gedulden, doch dann kam für mich der große Umschwung, der sogar den behäbigen Anfang wieder etwas wettmachen konnte.

Ich fühlte Cassandras Ungeduld, denn sie war auch meine eigene geworden, ich stürzte mich ebenso versessen auf jeden Schnipsel an Informationen, die das Geheimnis um „Die Schule der Nacht“ würden lüften können. Hier spielt die Autorin ganz geschickt ihre Hinweise aus, bringt Charaktere ins Spiel, die zuvor eher Randfiguren waren, und nun maßgeblich zum Verlauf der Geschichte beisteuerten. Ich war fasziniert von dem Aufbau des Plots, so dass die anfänglichen Beschwerlichkeiten schnell vergessen waren.

Ich überließ mich der düsteren Atmosphäre, die ganz unterschwellig entsteht und bis zum Ende immer mehr zunimmt. Sie zieht sich durch festliche Dinnerabende, sickert in die Studentenwohnung von Cassandra und kriecht durch die nächtlichen Straßen Oxfords. „Die Schule der Nacht“ ist dabei nicht zaghaft, sondern mutet teilweise regelrecht wie ein Thriller und ein Kriminalroman an, um schlussendlich ein fantastischer Mystery-Roman zu werden.

Cassandra bleibt bis zum Ende etwas distanziert, dafür gibt es andere Charaktere, die umso emotionaler und nahbarer sind. Allen voran Charlie, über den ich im Grunde nichts verraten möchte, außer, dass er der ideale Konterpart für Cassandra ist. Erwähnenswert finde ich an dieser Stelle, dass die Geschichte ganz ohne „Insta-Love“ zurechtkommt. Ich hatte angesichts des Themas beinahe damit gerechnet, doch dieses Klischee wird glücklicherweise nicht bedient.

Fazit

„Die Schule der Nacht“ erfordert etwas Geduld, denn der Einstieg ist etwas langatmig und daher mühselig. Ich war kurz davor abzubrechen, doch nach etwa der Hälfte wendet sich das Blatt und die Geschichte gewinnt an Tempo. Im Nachhinein betrachtet war der zögerliche Start dann auch genau richtig, denn nur dadurch konnte diese tolle, subtile Spannung aufgebaut werden, diese dichte und düstere Atmosphäre wachsen. Die zweite Hälfte des Buches liest sich dann auch fast wie in einem Atemzug und das Ende wusste zu überzeugen. Dranbleiben lohnt sich.

Bewertung vom 15.05.2017
Die Unvergesslichen
Emmich, Val

Die Unvergesslichen


ausgezeichnet

Während ich „Die Unvergesslichen“ las, habe ich mich ein wenig in meinen eigenen Erinnerungen verloren. Dieser Roman macht das mit einem. Er schickt einen auf die Reise in die Vergangenheit, lässt einen das eigene Gedächtnis durchforsten und einen zum Beispiel darüber nachdenken, welchen Menschen man als zweites geküsst hat. Denn an den ersten Kuss erinnert man sich, klar, doch an den danach? Das Vergessen und Erinnern nimmt einen großen Stellenwert in der Geschichte von der jungen Joan und dem Songwriter Gavin ein.

Gavin, der anfangs nicht von Erinnerungen an seinen verstorbenen Freund Sydney gequält werden möchte, der später aber jeder Erinnerung von Joan an seinen Freund lauscht. Ihm gegenüber Joan mit dem Hyperthymestisches Syndrom, das sie nicht vergessen lässt, keinen einzigen Tag in ihrem Leben, und deren größte Angst die ist, vergessen zu werden. Beide finden über die Musik zueinander, denn Joan setzt all ihre Hoffnung darauf, diesen einen Song zu schreiben, der sie unvergessen machen soll.

„Gewiss gibt es noch unzählige Erinnerungen, die ich aber leider vergessen habe. Ich habe einfach nicht genug aufgepasst, als sie entstanden. Ich war zu beschäftigt damit, zu leben, die gemeinsame Zeit zu genießen. Mir war kein einziges Mal in den Sinn gekommen, sie könnte plötzlich enden.“ (Seite 145/146)

Die Charaktere sind extrem gut angelegt und schlichen sich schnell in mein Herz: Der etwas orientierungslose Songwriter und Schauspieler Gavin, der Probleme lieber aussitzt anstatt sie anzupacken, und Joan, der aktive Konterpart, der Gavin aus seiner Lethargie und Trauer zerrt, und ihn dazu bringt, sich mit Sydney und seinem Leben auseinanderzusetzen. Gleichzeitig schenkt Gavin der kleinen Joan Mut und zeigt ihr, welche Wege ihr als angehende Künstlerin offen stehen. Er nimmt sie ernst und betrachtet das Hyperthymestische Syndrom nicht als lästiges Übel. Die beiden zusammen geben dem Roman eine charmante Dynamik.

„Die Unvergesslichen“ ist eine durch und durch emotionale Geschichte, die ohne spannungsgeladene Höhen und Tiefen auskommt. Es geht nicht in erster Linie darum, einen Musikwettbewerb zu gewinnen, sondern es geht um die Verbindung der einzelnen Charaktere untereinander und um ihre jeweiligen Lebenssituationen und Lebensträume. Es geht um die Beziehung zwischen den Eltern und ihrer Tochter Joan, die Beziehung der Eltern untereinander, die Freundschaft zwischen Gavin und Joan. Es geht um das Erwachsenwerden im weitesten Sinne – denn manchmal dauert dieser Prozess, bis man 30 oder 40 ist. Oder ist es gar ein schleichender Prozess, der niemals so richtig endet?

Mir gefiel es sehr, dass die Musik als treibender Faktor immer präsent war. Hier hat Val Emmich, selbst Singer/Songwriter seine eigenen Erfahrungen geschickt in die Geschichte eingeflochten, es wirkt zutiefst authentisch. Einziger kleiner Kritikpunkt ist ein Dreh am Ende, der zwar den Kreis schließt, meinem Empfinden nach aber etwas zu sehr über das Ziel hinausschießt.

Fazit

„Die Unvergesslichen“ von Val Emmich ist ein sensibles Porträt eines ungewöhnlichen jungen Mädchens und einem von Verlust gezeichneten Mann, die über die Musik zueinander finden und eine neue Sicht auf das Leben gewinnen. Ich war begeistert von der Sprache, den Charakteren und der gesamten Umsetzung. Ein Roman, der sich sanft und ohne Hast den großen und wichtigen Fragen des Lebens zuwendet und gleichzeitig zum Nachdenken und zum Erinnern einlädt.