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Ingrid von buchsichten.de
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Erkelenz

Bewertungen

Insgesamt 313 Bewertungen
Bewertung vom 13.09.2022
Jahre mit Martha
Kordic, Martin

Jahre mit Martha


ausgezeichnet

In seinem Roman „Jahre mit Martha“ schreibt Martin Kordić über die jungen Jahre seines Protagonisten Željko, dessen Eltern kroatische Einwanderer aus Herzegowina sind. Es ist Ende der 1990er Jahre und er ist 15 Jahre alt, als er der titelgebenden, deutlich älteren Martha auf einem Geburtstagsfest seiner Mutter zum ersten Mal begegnet.

Željko lässt sich der Einfachheit halber Jimmy rufen, einen Namen, den er in den ersten Monaten der fünften Klasse im Englischunterricht zugewiesen und dann behalten hat. Beide Eltern arbeiten mehr als die üblichen wöchentlichen Arbeitsstunden. Željkos Vater wird auf Baustellen weit außerhalb von Ludwigshafen, wo die fünfköpfige Familie in einer Zweizimmerwohnung lebt, eingesetzt und ist unter der Woche nicht zu Hause anwesend. Als Jugendlicher ist Željko in handwerklichen Arbeiten geschickt und übernimmt Aufgaben in Nebenjobs der Eltern. Martha ist eine Arbeitgeberin seiner Mutter, die ihn in den Sommerferien als Gartenhilfe engagiert. In dieser Zeit lernen die beiden sich näher kennen und schätzen.

Die Liebe zu Martha ist ungewöhnlich und es ist interessant davon zu lesen, wie die Beziehung, oft über viele Kilometer hinwegm aufrechterhalten werden kann. Martha und ihr Umfeld stellen für Željko eine Welt dar, die er so bisher nicht kannte und die er zum Vorbild nimmt. Als Professorin verfügt die geliebte Frau über ein hohes Wissen, das sie aber nicht zur Schau stellt. Ihre Einkünfte ermöglichen ihr ein scheinbar unbeschwertes Leben und sie verfügt über einen guten Ruf. Erst sehr viel später wird er feststellen, dass nicht alles im Leben käuflich ist. Mit Željko gemeinsam kann Martha unbeschwert lachen. Vielleicht hängt sie auf diese Weise einer verlorenen Jugend nach.

Martha ermöglicht Željko das Studium, wodurch sie für ihn einen besonderen Wert erhält. Seine Liebe zu ihr wird dadurch meiner Meinung nach nicht beeinflusst. Er fühlt sich frei darin, Zuneigung in allen Formen zu geben und zu empfangen. Während des Studiums lernt er einen Literaturprofessor kennen. Schnell merken beide, dass sie die gleichen Ansichten teilen. Erneut hat er jemanden gefunden, dem er nacheifern möchte. Er gewinnt dessen Vertrauen und übernimmt bald einen Teil der Arbeit für ihn. Dafür erhält er einen Obolus, aber keine Sicherheiten. Er sieht, wie beliebt die Lehrkraft bei den Studenten ist und freut sich über die Aufmerksamkeit, die sein eigenes Wissen erreicht. Sein Selbstvertrauen wächst, seine Vergangenheit als Kind von Einwanderern hat er zu dem Zeitpunkt hinter sich gelassen. In seiner Arglosigkeit erkennt er die Abhängigkeit, in die er sich begibt, baut jedoch auf Vertrauen.

Besonders beeindruckt hat mich vom Schreibstil her das nebensächliche Einfließen lassen von Details, die ihn prägten. Nennenswert sind hier vor allem Probleme in der Schule, die Sparsamkeit der Eltern und der anhaltende ständige Vergleich von Migranten mit Deutschen, die Željko erlebt. Zu einem Zeitpunkt, als ich nicht damit rechnete, brachte Martin Kordić mich als Leserin in ein anderes Land zu anderen Sitten und Gebräuchen. Dadurch erlebte ich nochmal eine weitere Seite des Protagonisten, die ihm einen Teil seiner Identität gibt und mich bewegt hat. Hierin spürte ich die Verbindung des Autors zu Selbsterfahrenem und die gute Recherche.

In seinem Roman „Jahre mit Martha“ lässt Martin Kordić seinen Protagonisten erzählen, wie er verschiedene Phasen in seiner Jugend durchlaufen musste, um zu erkennen, was ihn selbst ausmacht. Dazu gehört seine Liebe zu der wesentlich älteren Martha, aber auch seine Herkunft und die Erfahrungen an der Seite weiterer Weggefährten. Gerne empfehle ich diese beeindruckende und ergreifende Geschichte weiter.

Bewertung vom 08.09.2022
Fake - Wer soll dir jetzt noch glauben?
Strobel, Arno

Fake - Wer soll dir jetzt noch glauben?


ausgezeichnet

In den Psychothrillern „Fake“ beziehungsweise „Fakt“, die inhaltsgleich sind, gibt Arno Strobel auf beeindruckende Weise ein Beispiel für die Möglichkeiten der Beeinflussung unserer Wahrnehmung der Realität. Daher spielt der Untertitel der beiden Bücher „Wer soll dir jetzt noch glauben?“ an. Das Cover spiegelt wider, dass nur durch den Austausch eines Buchstabens im Wort aus Wahrheit Lüge wird.

Der Protagonist Patrick Dostert ist 37 Jahre alt, verheiratet und sitzt nach eigenen Angaben unschuldig in der JVA ein. Der größte Teil des Buchs besteht aus Patricks Erzählung der zurückliegenden Ereignisse. Allerdings schildert er die Geschehnisse in der dritten Person, weil er diese Form für angenehmer zu lesen hält.

Patrick wird beschuldigt, zwei Frauen ermordet zu haben. Er erzählt, welche Begebenheiten Schritt für Schritt dazu führten, dass er als einziger Tatverdächtiger in das Visier der polizeilichen Ermittlungen gerät. Vergeblich und zunehmend verzweifelt, versucht er Erklärungen und Beweise vorzubringen, die ihn entlasten. Seine Kollegen, seine Freunde und Bekannten und schließlich auch seine Frau beginnen, seine Unschuld in Frage zu stellen.

Die Spannung stieg zunehmend. Als Lesende war ich auf der Seite von Patrick und hoffte darauf, dass er eine Möglichkeit findet, sich zu entlasten. Was mich aber störte, war der Prologs, der thematisch zwar passte, sich aber nicht in die Vorgänge einordnen ließ. Immer wieder sind Szenen eingefügt, die durch ihre Kursivschrift auffallen. Darin schildert Patrick die Umstände, unter denen er gegenwärtig in der JVA lebt, seine schwere Kindheit sowie seine Gefühle bei alldem.

Der Autor spielt im Buch mit dem Potential des sogenannten Deepfakes, das sind manipulierte Bild-, Audio- oder Videoaufnahmen, die echt wirken. Aber „Fake/Fakt“ wäre kein Psychothriller von Arno Strobel, wenn der Ablauf der Handlung darin bestände, dass der Beschuldigte viel Zeit benötigt, seine Unschuld zu beweisen, es ihm dann zur Freude der Lesenden gelingt und das Buch dann beendet wäre. Nein, so einfach ist es nicht, denn dass Täter – Opfer – Ermittlerspiel ist weitaus verschlungener und es ist viel schwieriger Fake von Fakt zu unterscheiden als zunächst ersichtlich ist. Auch der Prolog fügt sich zum Schluss in das vergangene Geschehen ein.

Der besondere Reiz der Geschichte liegt darin, dass man sich gut in die Rolle des Patrick hineindenken kann. Als Leserin schien es mir, dass er in einer harmonischen Ehe lebt und seiner Arbeit einer leitenden Position in einem Logistikunternehmen gerne nachkommt. Es ist erschreckend, was ihm geschieht und ich fragte mich, ob das jederzeit Jedem geschehen könnte. Das Wissen, dass betrügerische News in den Sozialen Medien dazu führen können, Fakten zu verdrehen, macht es nicht einfacher, zwischen die realen Ereignisse von Vortäuschungen zu unterscheiden.

Mit dem Psychothriller „Fake“, der auch unter dem Titel „Fakt“ erscheint, gelingt Arno Strobel die glaubhafte Schilderung eines Verbrechens, bei dem es schwierig ist, Tatsachen von Vorspiegelungen zu unterscheiden. Neue Wendungen führen die miträtselnden Lesenden auf manche falsche Fährte und steigern die Spannung bis zum Ende. Über allem steht die große Frage nach dem Motiv des Täters. Das Buch ist ein Must-Read für alle Strobel-Fans und meine Empfehlung an diejenigen, die gerne Psychothriller lesen.

Bewertung vom 30.08.2022
Ein dunkler Ort / Felix Bruch Bd.1
Goldammer, Frank

Ein dunkler Ort / Felix Bruch Bd.1


sehr gut

Mit dem Buch „Bruch“ eröffnet Frank Goldammer eine neue Kriminalromanreihe, die ihren Titel nach dem Namen eines Protagonisten erhalten hat. Der erste Band trägt den Untertitel „Ein dunkler Ort“ zu Recht, denn er führte mich als Leserin immer wieder zu einem Lost Place in Dresden, an dem es schauerlich zugehen soll. Das Cover unterstützt den unwirtlichen Eindruck der Gegend, in der Ermittlungen stattfinden.

Hauptkommissarin Nicole Schauer hat sich der Liebe wegen in den Osten Deutschlands versetzen lassen. Nach einer schweren Erkrankung ist sie aber wieder Single. Am liebsten würde sie sich wieder zurück versetzen lassen nach Hamburg. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Felix Bruch wird ihr an ihrem ersten Tag bei der Kriminalpolizei Dresden ein Fall von Kindesentführung zugewiesen. Ein 12-jähriges Mädchen ist verschwunden. Einen ähnlichen Fall, der nie geklärt wurde, gab es bereits vor zwei Jahren. Bei der Zusammenarbeit mit Bruch merkt Schauer, dass ihr Kollege seltsame Reaktionen zeigt. Sie fragt sich, ob es einen Zusammenhang mit dem Unfalltod seines früheren Dienstpartners gibt. Die Ermittlungen schleppen sich dahin. Einzig Bruch überrascht Schauer mit ungewöhnlichen Überlegungen.

Der Kriminalroman punktet nicht nur mit einem schaurigen Handlungsort, sondern vor allem in dem Miteinander der beiden ermittelnden Personen Bruch und Schauer. Schauer hat mit guten Vorsätzen ihren neuen Dienst angetreten. Sie hat gestutzt, als ihr Vorgesetzter sie auf die besondere Art von Bruch hingewiesen hat. Im Laufe des Romans merkte ich, dass Nicole Schauer sich zwar häufiger vornimmt, schroff zu reagieren, aber in letzter Minute ihre Entscheidung auch mal revidiert. Es ist nicht einfach für sie, mit Bruch zu kommunizieren, der dazu neigt, wenige Worte zu verschwenden. Dabei konnte ich das beim Lesen gut nachvollziehen. Bei einer Zusammenarbeit ist es schwierig, auf emotionslose Reaktionen einzugehen und zu interagieren.

Aber nicht nur Bruch hat seine dunklen Stunden, in denen er neben sich zu stehen scheint, sondern Schauer zeigt unangemessene Aggressivität im Dienst, für die sie in Hamburg bereits bekannt war. Sie selbst hat auch ihr Päckchen zu tragen. Die Trennung und eine schwere Krankheit haben ihr stark zugesetzt. Beide besitzen jedoch den Ehrgeiz den Fall zu lösen, bevor die Ermittlungen eingestellt werden. Das gemeinsame Ziel verlangt ihnen Respekt und Verständnis für den jeweils anderen ab und die mühsam aufrecht erhaltene Fassade bekommt Risse, so dass ich als Leserin erste Einblicke in die Vergangenheit der Hauptfiguren werfen konnte. Doch noch sind nicht alle Geheimnisse und Zusammenhänge gelüftet. Daher freue ich mich schon auf einen weiteren spannenden Fall mit dem ungewöhnlichen Dresdner Ermittlergespann Felix Bruch und Nicole Schauer freue. Gerne empfehle ich das Buch an Krimifans weiter.

Bewertung vom 29.08.2022
Robuste Herzen
Jarck, Volker

Robuste Herzen


ausgezeichnet

Die drei Geschwister Katja, Leon und Milena sind längst dem Elternhaus entwachsen, aber nicht den Stürmen des Lebens entkommen. Beim weihnachtlichen Keksbacken ihrer Eltern haben sich schon vor Jahren die Herzen aus Mürbeteig als robuster als manch andere Form erwiesen. Demgegenüber bekommen die Herzen der Hauptfiguren im Laufe des Lebens manchen Riss.

Der Roman „Robuste Herzen“ von Volker Jarck spielt auf mehreren Zeitebenen. In der Gegenwart schwelgen die Geschwister über dem Inhalt eines Kartons, den sie nach dem Tod ihrer Mutter, die dem Vater in die Ewigkeit gefolgt ist, geöffnet haben. Im Folgenden springt die Erzählung zurück zu einem düsteren Tag für Katja, an dem sie davon erfahren hat, dass sich ihr Mann von ihr trennen möchte. Ganz weit weg schleudern will sie diese Erfahrung in Form ihres Eherings. Doch dann wird ihr der Zugewinn bewusst, den sie durch das Zusammenleben mit Mann und Sohn gewonnen hat und sie sucht nach dem Zeichen der vergangenen Liebe und hebt es wieder auf.

Als Bibliothekarin des kleinen fiktiven Orts Tallstedt an der Nordseeküste ist die inzwischen 43-jährige Katja im ganzen Dorf bekannt, genauso wie die neue Freundin ihres Ehemanns. Nachdem sie erkennt, dass es Schlimmeres als ihre Trennung gibt, beginnt sie, ihre eigenen Wünsche zu benennen und zu realisieren. Mit ihren jüngeren Geschwistern Leon und Milena ist sie über WhatsApp immer verbunden. Die Kabbeleien aus der gemeinsam verbrachten Kindheit stehen dem heutigen Zusammenhalt nicht im Weg. Ganz im Gegenteil führt das Wissen um die Unzulänglichkeiten des Bruders und der Schwester beziehungsweise der Schwestern zu einem tieferen Verständnis dafür, was der- oder diejenige in einer schwierigen Situation benötigt und was man ihm oder ihr selber geben kann, auch wenn man sich kilometerweit voneinander entfernt befindet.

Ängste und Sorgen begleiten die Geschwister, aber auch Hoffnung und Träume, von denen sich manche sofort realisieren lassen, andere später. Volker Jarck erzählt eine Geschichte mitten aus dem Leben in unserer Zeit mit allen unseren gesellschaftlichen Problemen, die wir nicht abwenden können. Sein Schreibstil ist oft dialoglastig in einer Sprache, wie man sie unter Freunden spricht, aber auch zugewandter und fürsorglicher innerhalb der Familie.

Die vielen zeitlichen Sprünge unterbrechen immer wieder den Lesefluss, sind aber durch die Untertitelung der Kapitel nachzuvollziehen. Vorne im Buch gibt es zur besseren zeitlichen Orientierung ein Inhaltsverzeichnis.

In seinem Roman „Robuste Herzen“ zeigt Volker Jarck in der Figurengestaltung seine Stärke. Mit Feingefühl schaut er hinter die Fassade des Gutbürgerlichen, das sich durch die Sozialen Medien heute in anderem Gewand zeigt als noch zum Ende des vorigen Jahrhunderts. Die drei Geschwister, die im Mittelpunkt der Geschichte stehen, sind über Entfernungen hinweg miteinander verbunden. Der Autor zeigt, dass Heimat immer wieder neu definiert werden kann und je nach Lebensphase neue Inhalte benötigt. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Bewertung vom 29.08.2022
Wenn ich das kann, kannst du das auch!
Zervakis, Linda;Patrikiou, Elissavet

Wenn ich das kann, kannst du das auch!


ausgezeichnet

Das Buch „Wenn ich das kann, kannst du das auch!“ aus dem Verlag Gräfe und Unzer beinhaltet eine persönliche Rezeptsammlung der bekannten Journalistin und Fernsehmoderatorin Linda Zervakis. Als Fotografin und Co-Autorin sowie Testeserin hat Elissavet Patrikiou sie bei der Erstellung des Buchs unterstützt.
Linda Zervakis beabsichtigt mit dem Buch nicht, dem Käufer eine Menge Rezepte zu liefern. Stattdessen hat sie eine Handvoll Rezepte ausgesucht, die sie von Bekannten erhalten hat und nach ihrem persönlichen Geschmack angepasst. Dazu holte sie den Rat einiger küchenerfahrener Freunde ein und kochte die Gerichte so lange nach, bis sie ihr schmeckten. Sie selbst hat sich vorher wenig als Köchin betätigt, weil sie von ihrem Mann bekocht wurde und früher von ihrer Mutter. Aus dieser Ausgangslage heraus ist der auffordernde Titel entstanden, denn die Autorin traut es jedem Lesenden zu, dass ihr oder ihm die Gerichte nach den Rezepten im Buch gelingen.
Außerdem finden sich Rezepte ihrer Freunde im Buch, die der Meinung waren, dass Linda Zervakis diese unbedingt einmal probieren sollte. Selbst wenn die Gerichte nicht alltägliche Zutaten enthalten, hat die Autorin dazu einen Kauftipp angeführt. Auch die Empfehlungen hat sie nachgekocht und sie sind ihr schmackhaft gelungen!
Die Rezepte hat die Journalistin in vier Kategorien eingeteilt. Das erste Kapitel ist „Greek Style meets HH“ benannt, denn hier bringt sie ihren südländischen Geschmack in die nordische Heimat ein. Im Kapitel „Griechenland trifft Orient“ finden sich hauptsächlich kleine Vorspeisen, wohingegen der Kochende unter „Rezepte für jeden Tag“ von Suppe über Salat bis hin zur Bolognese ein schöne Mischung findet. Das letzte Kapitel „Alles mit Teig“ enthält einige Backrezepte. Abschließend findet sich ein spezielles Rezept für Gebackenen Feta der Co-Autorin Elissavet Patrikiou, das sie ihrer Freundin Linda schenkt, weil diese es so gerne mag. Also unbedingt ausprobieren!
Neben den Fotos der Rezepte im Buch sind Bilder der Köche und Köchinnen bei der Zubereitung, beim Essen oder auch bei Treffen mit Linda Zervakis zu finden, die motivierend wirken. Ergänzt werden sie von der Autorin mit Hinweisen oder Wissenswertes zum Gericht und Geschichten rund um die abgebildeten Personen.
Mich haben die Aufmachung des Buchs und die Rezepte sehr angesprochen. Das Weißbrot habe ich nach den Angaben gebacken und das griechische Hähnchen aus dem Ofen mit Kartoffeln nachgekocht. Es hat nicht nur mir und meinem Mann prima geschmeckt, sondern das Back- bzw. Kochergebnis sah genauso aus wie das Brot und das Gericht auf den Fotos. Sicher werde ich weitere Rezepte ausprobieren. Gerne empfehle ich das Buch an diejenigen weiter, die sich griechische oder orientalische Einflüsse beim Kochen wünschen und sich dem Geschmack annähern wollen.

Bewertung vom 15.08.2022
Im Feuer / Lilly Hed Bd.1
Ericson, Pernilla

Im Feuer / Lilly Hed Bd.1


ausgezeichnet

Im Kriminalroman „Im Feuer“ schildert die Schwedin Pernilla Ericson den ersten Fall für die erfolgreiche Ermittlerin Lilly Vendela Hed aus Stockholm in ihrem neuen Job, die sich auf eigenen Wunsch in die Provinz weiter südlich von der schwedischen Hauptstadt hat versetzen lassen.
Es ist ein heißer Sommer und die Brandgefahr ist hoch. Die Regierung hat vorsorglich das Grillen und private Bewässern unter Androhung von Strafen verboten, aber viele Schweden halten sich nicht daran. Schon kurz nach Lillys Antritt der neuen Stelle brennt es. Die Feuerwehr hat an mehreren Orten zugleich zu sein und bei weitem nicht genug Möglichkeiten, die Feuer zu bekämpfen.
Ein Mann stirbt in seinem Haus. Bei der Spurensuche findet sich eine Merkwürdigkeit. Einmal darauf aufmerksam gemacht, lässt Lilly der Gedanke nicht mehr los, dass das Feuer bewusst gelegt wurde. Doch das ist er der Anfang, denn kurze Zeit später gibt es ein weiteres Brandopfer an einem neuen Brandherd. Für die Ermittlerin stellt sich die Frage, ob jemand Feuer als Tatwaffe benutzt oder doch ausschließlich die Brände als Folgen des Klimawandels zu sehen sind.
Der vorliegende Fall ist ein clever ausgearbeiteter Kriminalfall. Als Leserin gibt mir die Autorin einen Vorsprung gegenüber Lilly. Dabei ist lange noch kein Täter in Sicht. Für die Rolle des Verbrechers bringt Pernilla Ericson im Laufe der Geschichte mehrere Figuren ins Spiel, die mich miträtseln ließen. Für Lilly ist ihre Kollegin Katja sehr hilfreich, die vor Ort aufgewachsen ist und zahlreiche Bewohner persönlich kennt. Die beiden verstehen sich vom ersten Tag an sehr gut.
Außerdem fügt die Autorin zur Steigerung der Spannung immer wieder Kapitel ein, deren Handlung zwanzig Jahre in die Vergangenheit reichen. Eine ältere Person wird darin von Jugendlichen gemobbt. Mir war bewusst, dass der vorliegende Fall mit den Rückblicken in Zusammenhang stehen musste, aber sehr lange konnte ich beides nicht miteinander verbinden.
Lilly Hed war in den letzten Jahren als Ermittlerin zwar erfolgreich, aber in ihrem Privatleben musste sie schmerzliche Erfahrungen machen. Davon möchte sie Abstand gewinnen. Doch dadurch, dass sie sich nicht über die Ereignisse äußern möchte, die hinter ihr liegen, wird ihre Verschlossenheit auf der Dienststelle als ein psychisches Problem ausgelegt. Sie erkennt, dass sie sich den Schatten ihrer Vergangenheit stellen muss, um sich auch in Sachen Liebe wieder für Jemanden öffnen zu können.
Scheinbar nebenher thematisiert die Autorin die Erwärmung des Klimas mit den Folgen von Hitze und Feuer. An einigen Stellen gibt sie in leicht verständlichem Ton Hintergründe und Erläuterungen dazu.
„Im Feuer“ ist der erste Kriminalfall für die junge schwedische Ermittlerin Lilly Hed, die aufgrund privater Schwierigkeiten einen Neuanfang in einer Provinzstadt Schwedens sucht. Die Brände, die dort aufgrund der Hitze in Folge der Klimaveränderung ausgebrochen sind, könnten ein perfektes Werkzeug sein, um Verbrechen ohne Spuren zu begehen. Kurz nach Beginn der Geschichte bringen die Zweifel an offensichtlichen Szenarien Spannung auf, die sich bis zum Ende hin fortsetzt. Ich bin sehr gespannt auf den Folgeband und vergebe gerne eine Leseempfehlung an Krimifans.

Bewertung vom 09.08.2022
Die karierten Mädchen / Heimkehr-Trilogie Bd.1
Hennig von Lange, Alexa

Die karierten Mädchen / Heimkehr-Trilogie Bd.1


ausgezeichnet

Der Roman „Die karierten Mädchen“ ist der erste Band einer Trilogie, die inspiriert ist von der Lebensgeschichte der Großmutter der Autorin Alexa Hennig von Lange. Ende der 1920er Jahre ist die Protagonistin Klara stolz über eine Stelle als Hauswirtschaftslehrerin in einem Kinderheim in Oranienbaum. Einige Jahre später erhält sie die Leitung eines Frauenbildungsheims. Die Auszubildenden sollen einheitliche Arbeitskleidung tragen. In Anlehnung daran werden sie bald als „karierte Mädchen“ bezeichnet.
Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen. Einerseits erzählt die Autorin von Klara, die etwa um die Jahrhundertwende 91 Jahre alt und blind ist. Dennoch lebt sie weitgehend unabhängig im eigenen Haus. Ihr Mann ist vor vielen Jahren verstorben, aber ihre Kinder besuchen sie noch regelmäßig. Die Schwangerschaft ihrer Enkelin löst bei Klara verschüttete Erinnerung wach. Ihr kommt die Idee, auf Kassetten aufzunehmen, was sie in der Vergangenheit erlebt hat. Auf der zweiten Zeitebene konnte ich von Klara als junge Frau bei Antritt ihrer ersten Stelle lesen. Chronologisch setzt Alexa Hennig von Lange beide Handlungsebenen fort.
Die Autorin schreibt als allwissende Erzählerin. Dadurch erreicht sie eine gewisse Distanz zum Geschehen, die notwendig ist, um der Geschichte ihrer Großmutter einen breiteren fiktionalen Raum zu geben. Es ist für uns heute schwierig, Gründe für die Handlungen der damals Lebenden nachzuvollziehen. Unsere heutige Meinung über die vergangene Epoche beruht auf der Kenntnis vieler Fakten.
Klara trat ihre erste Stelle in der Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929 an. Sie war froh darüber, überhaupt eine Arbeit zu finden in ihrem erlernten Beruf. Aber bald schon geraten die Finanzen des Kinderheims in eine Schieflage und es kommt zu Entlassungen von Personal. Die Protagonistin hat die Idee dazu, sich auf die aufstrebende Partei der Nationalsozialisten zu stützen, die das Heim erhalten will, wenn die neuen Ideologien dort vermittelt werden.
Mit der Figur der Kindergärtnerin Susanne schafft die Autorin eine Person, mit der Klara ihren Standpunkt diskutiert. Susanne kommt aus einer betuchten Familie in Berlin und bringt einen anders gelagerten Blick auf die Machtverhältnisse mit. Durch Einflechten einer Erzählung rund um das jüdische Waisenkind Tolla, dessen Klara sich annimmt, bindet die Autorin zusätzlich die Geschichte der Judenverfolgung mit ein. Obwohl Klara sich und die unter ihrer Obhut stehenden vor weiteren Nöten bewahren möchte, sind ihre Entscheidungen aus moralischer Sicht im Nachhinein kontrovers zu sehen.
Alexa Hennig von Lange schreibt in ihrem Roman „Die karierten Mädchen“ behutsam und einfühlend. Gerne blickt sie hinter die Fassade ihrer Figuren, die sich ändern und weiterentwickeln, aus Sicht des Lesenden nicht immer zu deren Bestem, aber mit Konsequenzen. Auch aufgrund der einfließenden Lebenserinnerungen ihrer Großmutter gelingt es ihr, ein authentisches Bild der damaligen Zeit zu zeichnen. Das Buch ist der erste Teil einer Trilogie, deren Handlungszeit bis in die 1960er Jahre reicht. Schon jetzt freue ich mich auf die Fortsetzung und vergebe gerne eine Leseempfehlung für den vorliegenden Band.

Bewertung vom 04.08.2022
Wir sehen uns zu Hause
Wünsche, Christiane

Wir sehen uns zu Hause


ausgezeichnet

Nach einem persönlichen Drama beschließt die 53-jährige Anne, eine der Hauptfiguren im Roman „Wir sehen uns zu Hause“ von Christiane Wünsche, die lange geplante Auszeit im alten Camper, ohne ihren Ehemann Peter zu starten. Es ist Juni 2019. Die in Kaarst wohnende Anne ist Lehrerin und hat ein Sabbatical gewählt. Peter ist einige Jahre älter und bereits Rentner. Gemeinsam haben sie sich auf eine achtmonatige Tour durch Nordeuropa gefreut. Von vielen gemeinsamen Urlauben mit dem Wohnmobil ist ihnen die dänische Insel Bornholm schon gut bekannt. Ihre 24-jährige Tochter Alina, die als Kind mit ihren Eltern auf Tour war, bleibt mit ihrem Freund in der Studentenwohnung in Düsseldorf. Beide ahnen beim Abschied nicht, dass das Leben für jede von ihnen eine besondere Herausforderung bereithält.
Anne hat in ihrem Gepäck einen Karton, in dem der plötzlich verstorbene Peter Erinnerungen an seine Familie aus Thüringen aufbewahrt hat. Dazu gehören unter anderem Fotos. Ihr selbst waren die Bilder bis vor kurzem fast alle unbekannt, aber einige der abgelichteten Personen kann sie aufgrund der Beschreibungen ihres Manns benennen. Persönlich begegnet ist sie Peters Familienmitgliedern und früheren Freunden nie. Die beiden haben sich am Tag des Mauerfalls in Berlin kennengelernt, seitdem ist der Kontakt zu Peters Familie abgebrochen.
Der Umgang mit der Trauer fällt sowohl Alina wie auch Anne schwer. Die Stille im Haus ist für Anne erdrückend und obwohl Peter in der Regel das Wohnmobil gelenkt und vor allem gewartet hat, traut sie sich, die Reise allein zu. Alina hat ihr Studium zu absolvieren und neben dem Kummer über den Tod des Vaters kommt nun noch die Sorge um das Wohlergehen ihrer Mutter auf der Fahrt. Während neue Situationen auf der Fahrt für Anne immer wieder Herausforderungen darstellen, wird auch Alina mit einem unerwarteten Problem konfrontiert. Hinzu kommt ein Brief an die beiden, der sowohl Mutter wie auch Tochter eine unerwartete Seite des liebevollen Ehemanns und Vaters zeigt.
Die Fahrt wird für Anne zu einer Reise in die Vergangenheit ihres Ehemanns. Manche Aussage von ihm zu Orten und Personen konnte sie nie zuordnen, hat aber niemals nachgehakt und stattdessen akzeptiert, dass ihr Mann nicht über sein Leben in der DDR reden wollte. Es ist einer dieser Punkte an denen Christiane Wünsche mit viel Feinsinn die Befindlichkeiten ihrer Figuren austariert. Überhaupt gestaltet sich die Geschichte auf der gefühlsmäßigen Ebene als authentisches Bild. Dank guter Recherche und eigener Erfahrungen wirken die beschriebene Umgebung und die handelnden Personen ebenso realistisch, das Geschehen vorstellbar.
Indem die Autorin mit schriftstellerischem Kniff hin und wieder den Fokus auf Figuren wirft, die bestimmte Begebenheiten erklären, klärt sie alle Geheimnisse aus der Vergangenheit Peters bis zum Ende hin für den Lesenden auf.
In ihrem Roman „Wir sehen uns zu Hause“ nahm Christiane Wünsche mich als Leserin mit auf einen Roadtrip im eigenen Land, den eine ihrer Protagonistinnen nach dem plötzlichen Tod des Ehemanns unternimmt. Sie zeigte mir wunderbare Orte und brachte mir die Vergangenheit im geteilten Deutschland näher. In ihrem Roman wechseln sich Freude wie auch Leid gleichmäßig ab und vermitteln eine lebensechte Geschichte. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Bewertung vom 01.08.2022
Träume / Das Tor zur Welt Bd.1
Georg, Miriam

Träume / Das Tor zur Welt Bd.1


ausgezeichnet

In der Auswandererstadt in Hamburg-Veddel, auch BallinStadt genannt, herrschte vor über 100 Jahren emsiges Treiben, das Miriam Georg in ihrem zweiteiligen Roman „Das Tor zur Welt“ einfängt. Im ersten Band mit dem Untertitel „Träume“ erzählt sie von zwei Frauen, die aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten kommen. Ebenso verschieden sind ihre Vorstellungen von ihrer Zukunft. Sie lernen sich im Jahr 1911 während ihrer Arbeit in der Auswandererstadt kennen.

Zunächst führte die Autorin mich als Leserin in das Alte Land im Jahr 1892. Hier lebt die 14-jährige Ava de Buur, eine der beiden Protagonistinnen, auf dem Moorhof mit denjenigen zusammen, die sie als ihre Familie ansieht. Ihre Eltern haben sie zurückgelassen, als sie nach Amerika ausgewandert sind. Die Arbeit ist hart, die Erträge gering. Dann kommt ein Unglück zum anderen und plötzlich findet Ava sich allein in Hamburg wieder. Sie beschließt zum Moorhof zurückzukehren.

Nach einem Zeitsprung in das Jahr 1911 lernte ich auch Claire Conrad kennen, eine Frau Ende Zwanzig und die zweite Hauptfigur. Ihre Eltern sind vor Jahren aus Amerika nach Hamburg zurückgekehrt. Sie kommt aus gutbetuchtem Haus, aber inzwischen ist ihr Vater verstorben und ihre Mutter leidet darunter, dass Claire keinen standesgemäßen Ehemann findet. Claire und Ava, die jetzt in Hamburg lebt, begegnen sich, trotz ihrer sehr unterschiedlichen Lebenswege, in der Auswandererstadt. Mit der Zeit wissen sie sich gegenseitig zu schätzen.

Die beiden Protagonistinnen des Romans kommen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten. Beide werden auf unterschiedliche Weise daran gehindert, ihre Träume zu verwirklichen. Während Ava sich wünscht, ihre Eltern in Amerika zu suchen, möchte Claire an der Seite des von ihr geliebten Mannes die Welt bereisen. Ava fehlt zur Verwirklichung ihres Traums eindeutig das Geld, bei Claire ist der Verhinderungsgrund nicht ganz so einfach. Sie ist an die Konventionen der angesehenen Gesellschaft von Hamburg gebunden, auf deren Einhaltung ihre Mutter Wert legt und sich dazu sogar Unterstützung holt. Claire ist eine Rebellin, die sich wieder und wieder gegen die an sie gerichteten Ansprüche auflehnt. Dennoch wünscht sie sich manchmal, dass sie über ihren Schatten springen könnte, um dann liebevoller behandelt zu werden. Für eine von beiden rückt der Traum zum Greifen nah, bis er von der anderen zerstört wird.

Während die sanftmütige Ava von Beginn an meine Sympathie hat, ist es mir deutlich schwerer gefallen eine ebensolche für die leicht aufbrausende, verwegene Claire zu entwickeln. Sie ist störrisch, manchmal unbelehrbar und doch erweckte sie mein Mitleid aufgrund des starren Konzepts, dem sie zu folgen hat. Daraus ist ersichtlich, dass sich nicht alles Glück durch genügend Geld erkaufen lässt.

Miriam Georg erweckt im weiteren Verlauf des Romans die quirlige Auswandererstadt zum Leben, was ich als Thema sehr interessant fand. Sowohl Ava als auch Claire finden hier ein Betätigungsfeld. Dazu reihen sich als Figuren noch ein Manager der BallinStadt und ein Fotograf ein, deren Berufe jeweils nochmal einen anderen Gesichtspunkt einbringen. Ich fand es ansprechend, darüber zu lesen, wie viele Menschen vor ihrer Abreise in die Neue Welt Unterkunft finden und verköstigt werden mussten. Auch eine in ihren Einzelheiten sehr berührende Reise nach Amerika wird von der Autorin geschildert.

„Das Tor zur Welt – Träume“ ist der erste Teil einer Dilogie von Miriam George mit ergreifenden Porträts zweier fiktiver Protagonistinnen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten, die sich in der Auswandererstadt Hamburg bei ihrer Arbeit kennenlernen. Unterschiedliche Wege haben sie hierhin geführt und ein großer Cliffhänger zum Ende ließ mich als Leserin ungeduldig auf die Fortsetzung wartend zurück mit der Frage, ob es eine glückliche Zukunft für beide geben kann, vielleicht sogar gemeinsam. Sehr gerne empfehle ich den Roman weiter.

Bewertung vom 27.07.2022
Der Anfang von morgen
Liljestrand, Jens

Der Anfang von morgen


sehr gut

Im Roman „Der Anfang von morgen“ zeigt der Schwede Jens Liljestrand ein erschreckendes Szenario, das im Zuge des Klimawandels irgendwann in der baldigen Zukunft sich entwickeln könnte, auf den auch der Titel anspielt. Ebenso die farbliche Gestaltung des Umschlags nimmt Bezug darauf und scheint den Interessierten zu warnen. Während des Lesens saß ich auf meiner Terrasse, es waren 34 Grad und im Radio hörte ich davon, dass in Brandenburg ein Wald brennt. Wie schnell doch die Realität die Fiktion einholen kann!

Der PR-Berater Didrik von der Esch urlaubt mit seiner Frau und seinen drei Kindern im Sommerhaus seiner Schwiegermutter, das etwa 300 km nordwestlich von Stockholm am Siljan-See steht. Die anhaltende Hitze hat zu Waldbränden geführt, die dem Aufenthaltsort immer näherkommen. Die Familie muss fliehen und Didrik versucht die Kontrolle zu behalten. Er inszeniert sich gegenüber seiner Familie und in den Sozialen Medien als Held, indem er aus der Masse der Flüchtenden durch das Brechen geltender Regeln und Gesetze auffällt. Er führt die Sicherheit der Familie und die Freiheit als Grund dafür an. Neben seinen Argumenten vermutete ich aber auch, dass Didrik erwartete, an Ansehen zu verlieren, wenn er keine Lösung für die anstehenden Probleme findet. Dennoch hat er kurze Momente der Reflexion über seine Fehler im Leben. In seiner Ehe gibt es schon länger Probleme. Er ist immer noch in Melissa verliebt, mit der er eine außereheliche Beziehung hatte. Mir wurde er nicht sympathisch, genauso wenig wie die anderen drei Hauptfiguren.

Währenddessen spielt Melissa in der schwedischen Hauptstadt Housesitter für eine Wohnung eines ehemaligen Tennisprofis. Ihr ist es einerlei von welchem Ort aus sie ihre Influencer-Postings absetzt, ihr Interesse zielt darauf, möglichst viele Likes dafür zu erhalten. Mit ihren Fotos versucht sie, das Schöne auf der Welt festzuhalten, ungeachtet des Klimawandels. Sie empfindet es als radikal, voller Freude und Glück zu leben und lässt sich gerne dafür bezahlen, ihren Followern die erfreulichsten Seiten ihres Lebens zu zeigen. Für sie sind die Einschränkungen der Bevölkerung durch das Chaos, das durch die Waldbrände und der dadurch erfolgten Evakuierungen von Orten ausgelöst wurde, lästig. Ihr eigenes Wohlbefinden stellt sie vor dem des Allgemeinwohls. Ihre Perspektive ist genauso beeindruckend wie die von Didrik und setzt die zeitliche Schilderung der Ereignisse rund um das Desaster fort.

Als Sohn des früheren Tennisstars, auf dessen Wohnung Melissa aufpasst, hat der 19-jährige André mit den Anforderungen seines Vaters zu kämpfen, der nicht versteht, dass er sich beruflich mit dem Thema Leid auseinandersetzen möchte. Obwohl er das Geschehen in Frage stellt, kooperiert er mit einer Gruppe, die ihre Message verbreiten möchte, mit der er selbst sich aber nicht näher auseinandersetzt. Mit André und Vilja, der 14-jährigen Tochter von Didrik, zeigt der Autor zwei jüngere Sichtweisen auf das Chaos.

Zeitlich umspannt der vierte Teil, der von Vilja erzählt wird, die Geschehnisse vom Beginn bis zum Ende der Woche, in denen die Geschichte spielt. Vilja entdeckt dabei ihre soziale Ader. Ihre Hilfsbereitschaft basiert aber auf Unwahrheiten. Es klären sich dabei einige lose Handlungsfäden auf. Aber der Esprit, die beeindruckende Art, die mich in die Geschichte hineingezogen hat, der Schrecken über das, was aus der anhaltenden Hitze entstehen kann, hat mir gefehlt, leider auch schon in der Erzählung von André, in der sich das Geschehen zu sehr der Zerstörung von Eigentum zuneigte.

Jens Liljestrand erreicht es mit seinem Roman, auf die Folgen der Klimakrise aufmerksam zu machen. Strategien für eine Bewältigung bietet er nicht an. Er zeigt auf, wozu Menschen in Notsituationen fähig sind, noch dazu, wenn sie sich in einer Menge Verzweifelter bewegen und der Verstand durch das Beobachten des Verhaltens anderer ausgehebelt wird. Teilweise schweift er vom roten Faden ab, was sich aber durch die Gedankengänge der ei