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seschat
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Bewertungen

Insgesamt 867 Bewertungen
Bewertung vom 22.08.2022
Mademoiselle Oppenheim - Sie liebte das Leben und erfand die moderne Kunst
König, Mina

Mademoiselle Oppenheim - Sie liebte das Leben und erfand die moderne Kunst


ausgezeichnet

Ich bin zwar sehr kunstinteressiert, muss aber dennoch gestehen, dass ich Meret Oppenheim (1913-1985) vor der Lektüre nicht kannte.

Mina König zeichnet in "Mademoiselle Oppenheim" ein sehr lebendiges Porträt der emanzipierten Künstlerin. 1932 entflieht Meret Oppenheim der deutsch-schweizerischen Provinz, um in Paris durchzustarten. Hier inmitten der Pariser Bohème bieten sich ihr ungeahnte Möglichkeiten sich künstlerisch auszutoben und gängige gesellschaftliche Konventionen zu überschreiten. Akzeptiert von Dadaisten und Surrealisten der damaligen Zeit verblüfft sie das Publikum mit eigenwilligen Kreationen. Einmal überzieht sie Armreifen und Tassen mit Fell, ein andermal bildet sie das Ohr ihres Künstlerfreundes Alberto Giacometti in Bronze nach. Doch bis sie von ihrer avantgardistischen Kunst leben kann, vergehen Jahre, in denen sie sich Geld von ihren Eltern leiht und einen Job als Näherin annimmt. Zudem hat sie Affären mit bekannten Künstlern, wie Max Ernst und Marcel Duchamp, welche ihr zeigen, dass ihr Herz vor allem für die Kunst schlägt.

Mina Königs 512-seitiges Buch habe ich mit Verve gelesen. Meret Oppenheim war eine bewundernswert freigeistige Frau mit großer Fantasie. Sie hat für die Kunst gelebt und dem gängigen Frauenbild vom biederen Hausmütterchen mit Freude widersprochen. Neben der Kunst nahmen Merets schwieriges Verhältnis zu ihrem Vater und die Beziehungen zu den genannten Künstlergrößen innerhalb des Romans viel Raum ein. Während die Liaison mit Max Ernst, einem verheirateten Egomanen, sie an ihre Grenze brachte, beflügelte sie die Affäre zum sanftmütigen Marcel Duchamp. Ich bin gern mit Mina König in diese spannende Zeit zurückgereist, in der Picasso, Dali & Co die Kunstwelt aus den Angeln hoben, obschon die politische Radikalisierung in Deutschland und seinen Nachbarstaaten unaufhaltsam voranschritt. Auch den zunehmenden Antisemitismus hat König in ihrem Werk realistisch nachgezeichnet.

Insgesamt las sich das Buch wie aus einem Guss. Ich habe gern mit der starken Hauptprotagonistin mitgefiebert und das positive Ende, Meret Oppenheim befindet sich gerade auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. begrüßt. Die folgende düstere Periode spart die Autorin aus und beantwortet in ihrem aussagekräftigen Nachwort alle offenen Fragen. Man merkt diesem Roman das intensive Quellenstudium an - Fiktion und Realität gehen eine stimmige Melange ein.

Ein wirklich lesenswerter Roman über eine zu Unrecht relativ unbekannte deutsche Künstlerin der Moderne.

Zum Schluss noch mein Lieblingszitat:

"Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie sich nehmen."

Bewertung vom 31.07.2022
Den Wind im Haar, das Meer im Blick
Warda, Manuela

Den Wind im Haar, das Meer im Blick


ausgezeichnet

Eine mutige Entscheidung

Manuela Warda (*1975) wagt nach Trennung von Mann und Grundschule 2019 den Neustart auf Hallig Hooge. Inmitten des nordfriesischen Wattenmeers arbeitet sie fortan als einzige Lehrerin und wohnt gemeinsam mit ihrer jüngsten Tochter Ella (8) im Schulgebäude der 100-Seelen-Gemeinde. In der Halligschule unterrichtet sie 13 Schüler unterschiedlichen Alters bis zur 9. Klasse in einem Klassenraum. Daneben wartet das Inselleben mit einigen Überraschungen und vor allem viel Zeit zur Kontemplation auf.

Ich habe Wardas Buch mit großem Interesse gelesen, da ich selbst unterrichte und naturverbunden bin. Ihren Mut und ihren Optimismus bewundere ich. Sie lässt sich mit allen Sinnen auf ihren Neuanfang ein und lernt das Leben dabei auf eine andere, entschleunigte, Weise kennen. Auf Hallig Hooge ticken die Uhren langsamer. Die Gemeinschaft hat einen großen Stellenwert und man lebt im Einklang mit der rauen Natur. Auch wenn die Post mit drei Wochen Verspätung eintrifft oder die Festlandfähre nicht fährt, verzweifelt man nicht, sondern nimmt dies mit stoischer Gelassenheit hin. Das Mutter-Tochter-Gespann gewöhnt sich mit der Zeit an diesen speziellen Lebensrhythmus und will die Hallig fürs Erste nicht verlassen. Manuela Warda scheint angekommen zu sein und hat gelernt, dass Heimat sich nicht örtlich begrenzen lässt. Die Halligschule ist ihr Anker und gleichzeitig eine Mammutaufgabe. Den Unterricht für Schüler unterschiedlicher Klassenstufen und Fächer täglich vorzubereiten und allein zu halten, erfordert Können und gerade in Pandemiezeiten Improvisationstalent. Durch ihr fröhliches und offenes Wesen wird sie von den Halligbewohnern sofort angenommen und mit feinstem Plattdeutsch konfrontiert.

Die 240 Buchseiten lasen sich wie im Flug, wobei mich vor allem die Einblicke ins ursprüngliche Inselleben auf Hallig Hooge faszinierten. Wardas ehrliche und anekdotenreiche Schreibe mochte ich auf Anhieb. Sie ist eine sympathische Macherin, die ihren Weg geht. Obschon Warda Namen und Personen teilweise erfunden hat, packte mich mich bereits ab der ersten Seite das Inselfieber.

FAZIT
Ein aufschlussreiches Buch über einen mutigen Neufang mit vielen inspirierenden Momenten.

Bewertung vom 26.07.2022
Was die Hoffnung bringt
Herzog, Kristina

Was die Hoffnung bringt


ausgezeichnet

Nachdem ich den ersten super spannenden Teil der Sternberg-Saga von Kristina Herzog gelesen hatte, wollte ich unbedingt wissen, wie es mit Hannah Friedländer und ihrer Familie nun weitergehen würde. Daher war die Lektüre des zweiten Bands für mich ein Must-read. Und es hat sich wirklich gelohnt.

INHALT

Der Umzug von Tübingen nach Berlin zu Beginn im Jahr 1931 ist für Hannah, ihren Mann Daniel und Tochter Lucie ein herausfordernder Neubeginn, denn in der Metropole ticken die Uhren anders und der Antisemitismus nimmt zu. Neben beruflichen Veränderungen, Hannah übernimmt die großväterliche Arztpraxis und Daniel die Tabakfabrik der Sternbergs, hat besonders Tochter Lucie mit den Verlust von freundschaftlichen wie familiären Bindungen zu kämpfen. In der Berliner Schule hat niemand auf die junge Friedländer gewartet, die wegen ihres jüdischen Glaubens mehr und mehr ausgeschlossen wird. Gäbe es nicht den attraktiven Nachbarssohn Paul, die eigenwillige Ilse und den Wunsch Ägyptologie zu studieren, Lucie hätte schon längst klein beigegeben.

MEINUNG

Kristina Herzogs Fortsetzung las sich analog zum Reihenauftakt ausgesprochen flüssig und spannend. Dieses Mal rückte Hannahs jüngstes Kind, die 16-jährige Lucie, in den Focus. Sie lässt den Leser in den Teenageralltag im Berlin der 30er Jahre eintauchen. Neben starkem Heimweh wird sie in Berlin mit dem in der Bevölkerung zunehmenden Judenhass konfrontiert und braucht eine Weile, um sich in der neuen Stadt einzugewöhnen. Auch ihre Eltern haben beruflich mit Ressentiments zu kämpfen. Hinzu kommt die Sorge um Hannahs Opium süchtigen Bruder Jakob und Sohn Ariel, der Rabbiner werden will. Kurzum, der Plot ist wieder sehr abwechslungsreich und temporeich gestaltet. Gerade gegen Buchende überschlagen sich die Ereignisse. Die Einarbeitung der historischen und gesellschaftlichen Geschehnisse und Entwicklungen (Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit, Radikalisierung der Bevölkerung usw.) ist der Autorin auf authentische Weise gelungen. Bereits nach der Lektüre der ersten Seite fühlte ich mich in diese bewegte Zeit zurückversetzt. Ebenso hat mir die gut nachvollziehbare Weiterentwicklung der Figuren sehr gefallen. Vor allem Nesthäkchen Lucie wächst in diesem Buch über sich hinaus und erkennt, was im Leben wirklich zählt.

FAZIT

Alles in allem bin ich wieder gern mit Kristina Herzog auf Zeitreise gegangen und würde am liebsten gleich den nächsten Band der Sternberg-Saga lesen.

Bewertung vom 24.07.2022
Eine Prise Glück (eBook, ePUB)
Mey, Dolores

Eine Prise Glück (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

INHALT
Alles steht auf Neuanfang, aber bitte ohne Mann. Lena gestaltet das Lokal ihrer verstorbenen Mutter Heike um und besorgt gerade hochwertige Lebensmittel im Trentino, als sie im Straßengraben den derangierten Italiener Max findet und ihn nach Deutschland nimmt. Zwar hat sie nach der gescheiterten Beziehung mit Lukas keinen Bedarf an emotionalen Achterbahnfahrten, doch der charmante Tramper ist ein guter Zuhörer und noch besserer Koch. Blöd nur, dass Lena so wenig über ihn weiß.

MEINUNG
Dolores Meys Roman "Eine Prise Glück" vereint Romantik und Spannung auf harmonische Weise miteinander. Die beiden Hauptfiguren - Lena und Max - ergänzen sich mit ihrer Liebe zur Gastronomie ideal und waren mir auf Anhieb sympathisch. Doch bis sie sich ihre Liebe gestehen, müssen erst noch eifersüchtige Nebenbuhler und Mafiakiller überwunden werden. Die Motive Liebesglück und -leid durchziehen den gesamten Roman, wobei Haupt- wie Nebenfiguren davon betroffen sind. Neben den unterschiedlichen Charakteren fand ich die Handlungsorte (Hessen, Südtirol, Mallorca) sehr gut gewählt. Die Spannungskurve erreichte passend zum Ende ihren Höhepunkt. Insgesamt las sich der 503-seitige Roman sehr flüssig und angenehm, gerade weil die Autorin keinen 08/15-Liebesroman geschrieben hat.

FAZIT
Der perfekte Sommerroman, der neben viel Herz-Schmerz auch eine Prise Thrill enthält.

Bewertung vom 19.07.2022
Schritt ins Licht
Carsta, Ellin

Schritt ins Licht


ausgezeichnet

Ellin Carstas Romanreihe über die Hamburger Familie Hansen habe ich mit Begeisterung gelesen. Nun wird mit dem Nachfahren ein neues Kapitel aufgeschlagen. "Schritt ins Licht" ist der Auftaktroman. Im Fokus der Erzählung steht Luise Hansens 24-jährige Tochter Amala, die ausgebildete Schauspielerin ist und nun erstmals ihre Hamburger Verwandtschaft besucht. Daneben wird die Lebensgeschichte der anderen Kinder der ersten Hansen-Generation, die in Berlin, München, Wien und im Schwarzwald leben, näher beleuchtet. Die Autorin Ellin Carsta versteht durch ständig wechselnde Erzähler und Problemkreise den Leser fortwährend bei der Stange zu halten. So wird bspw. Amala wegen ihrer dunklen Hautfarbe im Hamburg der 1920er Jahre noch schräg angesehen, Franz Loising kämpft mit einer kriegsbedingten PTBS oder Spirituosenhändler Eduard Hansen gerät in finanzielle Schwierigkeiten. Kurzum, diese Familiensaga bietet nicht nur viel Abwechslung, sondern auch realistischen Einblicke in Historie und Gesellschaft der 1920er Jahre. Jede der Figuren bzw. Familienmitglieder wurde detailreich ausgearbeitet, wobei mich vor allem Georg Hansen in seiner Rolle als weißer Familienratgeber und vermögender Mäzen überzeugt hat. Zudem gefiel es mir, dass in der weitreichenden Familie Familiensinn großgeschrieben wird. Bei der Lektüre ist es durchaus vom Vorteil, wenn man die Vorgeschichte kennt, gleichwohl wird im Verlauf der Handlung häufig auf vergangene Ereignisse und verstorbene Personen Bezug genommen, so dass man auch ohne Vorwissen den Inhalt versteht.

FAZIT
336 Buchseiten, die sich wie im Flug lesen lassen und einfach Laune machen, tiefer in die hanseatische Familienbande einzutauchen. Den zweiten Band werde ich garantiert lesen.

Bewertung vom 08.07.2022
Die kleine Ambulanz in Wales
Rapp, Kate

Die kleine Ambulanz in Wales


sehr gut

INHALT
Krankenschwester Holly Higgins braucht dringend eine Auszeit vom Londoner Klinikalltag, als sie ungerechtfertigt vom Dienst in der Notfallambulanz suspendiert wird. Im malerischen Örtchen Telynport findet sie nicht nur Freunde fürs Leben, sondern auch eine Heimat und einen neuen Job.

MEINUNG
Kate Rapps erster Feel-Good-Roman "Die kleine Ambulanz in Wales" erinnerte mich phasenweise an die Herzkinofilme im ZDF; was nicht nur an der malerischen Landschaft lag :-)

Hauptprotagonistin Holly befindet sich in einer Selbstfindungsphase und will in Wales eigentlich nur ausspannen, doch ihre medizinischen Kenntnisse sind gefragter denn je. Ob ein angefahrenes Schaf, eine zuckerkranke ältere Dame oder ein Teenager im Delir, Holly hilft schnell und unprätentiös und macht damit der alternden Gemeindeschwester Konkurrenz. Daneben erliegt sie dem Charme eines durchtriebenen Barmanns und findet in Polizistin Anne und Tierärztin Jane zwei durchsetzungsstarke Freundinnen. Apropos Frauenpower, in diesem Buch geben die Frauen den Ton an, was ich sehr erfrischend fand. Dementsprechend gab es nicht nur eine Erzählerin.

Neben den zupackenden wie unverstellten Charakteren mochte ich vor allem Rapps urige Pubszenen, die allesamt ein gemeinschaftliches Lebensgefühl postulieren. Schaf Spots als flauschiges Haustier mit Rasenmäherpotenzial ist mir besonders ans Herz gewachsen.

Rapps leichtfüßige Art zu erzählen ließ mich durch den Roman fliegen. Das offene Ende war mal etwas Anderes und beflügelte die Fantasie.

FAZIT
Ein kurzweiliger Roman mit taffen Frauenzimmern und einer wildromantischen Kulisse. Genau die richtige Lektüre für die kommende Urlaubszeit.

Bewertung vom 04.07.2022
Venezianische Feindschaft
Gesing, Daniela

Venezianische Feindschaft


ausgezeichnet

Als Fan von Daniela Gesings Krimireihe um den venezianischen Commissario Luca Brassoni konnte ich mir den 7. Fall natürlich nicht entgehen lassen.

Dieses Mal haben Luca Brassoni und sein Kollege Maurizio Goldini einen verzwickten Raubmord im Juweliergeschäft der Familie Caliano aufzuklären, bei dem ein Wachmann getötet und der Juwelier Fabio Caliano schwer verletzt wurde. Da bereits Caliano senior bei solch einem Überfall ums Leben kam, muss in verschiedene Richtungen ermittelt werden.

Ich habe die Lektüre des 7. Falls sehr genossen, da alle mit der Zeit liebgewonnenen Charaktere wieder in Erscheinung traten und die italienische Lebensart nicht zu kurz kam. Die Aufklärung des Kriminalfalls blieb bis zum Ende spannend, da Gesing ein verzweigtes Netz an Tätern bzw. Verdächtigen gesponnen hat. Daneben spielte natürlich das Privatleben von Luca Brassoni eine große Rolle, der mittlerweile ein glückliches Familienleben samt Frau Carla, Sohn Luis und Hund Picco führt. Der versierte und charismatische Hauptkommissar ist der Dreh- und Angelpunkt der venezianischen Krimireihe im Stile von Donna Leons Commissario Brunetti. Er steht für die italienische Lebensart und ist nicht nur ein brillanter Analytiker, sondern auch auch ein großer Genießer.

FAZIT
Ein luzider Venedigkrimi mit viel italienischem Flair. Ich hatte die 276 Buchseiten in nicht mal einem Tag durchgelesen.

Bewertung vom 03.07.2022
Immer Ärger mit den Bambini
Hennig, Tessa

Immer Ärger mit den Bambini


sehr gut

Tessa Hennigs Italienromane haben es mir einfach angetan. Ihre leichtfüßige Sprache gepaart mit dem italienischen Lebensgefühl lässt den Leser jedes Mal wieder über die Seiten fliegen. Auch mit ihrem neuesten Werk "Immer Ärger mit den Bambini" erging es mir nicht anders. Dieser handelt von einer ungewöhnlichen Apulienreise, bei der das ungleiche Mutter-Tochtergespann Heike und Sandra auf einer Raststätte den 15-jährigen Heimjungen Federico aufgabelt. Letzterer ist auf der Suche nach seinem Opa, der dann auch gefundenen wird, sich aber als grantelnder Misanthrop entpuppt.

Hennig hat einen atmosphärisch schönen Roman geschrieben, in dem es herrlich menschelt und la famiglia großgeschrieben wird. Apulien ist aber auch eine traumhafte Landschaft. Figurentechnisch haben mich vor allem die zupackende Macherin Heike und der schlaue wie kreative Federico überzeugen können. Auch mit Alessio wurde ich im Laufe der Handlung warm und fand seine Verwandlung zum empathischen Großvater ganz wunderbar. Mit Heikes Tochter Sandra und deren italienischen Flirt Marco konnte ich hingegen weniger anfangen, da sich beide viel zu lang etwas vormachten. Das harmonische Happyend hat mich dann wieder milder gestimmt.

FAZIT

Ein kurzweiliger Italienroman, der Lust auf einen Trip nach Süditalien macht und das italienische Familiengefühl feiert.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.06.2022
Lily & Noah (eBook, ePUB)
Leandro, Talina

Lily & Noah (eBook, ePUB)


sehr gut

INHALT
Als Noah Taylor im Dolphin Discovery Center in Portsea seine Sozialstunden ableisten soll, ist Mitarbeiterin Lily Rose Williams alles andere als erfreut. Der millionenschwere Erbe eines australischen Immobilienunternehmens lebt nämlich gern in den Tag hinein, feiert Partys, ist am ganzen Körper tätowiert und begeht dumme Jungenstreiche. Als er nachts mit seinen Kumpels ins Delfincenter einbricht und dabei Delfindame Tinkerbell verschreckt, ist er bei Lily unten durch und mit seiner Wette sowieso oder doch nicht?

MEINUNG
Talina Leandros dritter Band der "Kiss-the-Millionaire-Reihe" las sich ausgesprochen kurzweilig und schnell. Beide Hauptfiguren könnten unterschiedlicher nicht sein. Lily lebt seit dem Tod ihrer Mutter zurückgezogen und liebt Tiere, während Noah sich scheinbar alles leisten kann und nach außen einen wenig erwachsenen Eindruck macht. Seine Wette mit Freund Zack fand ich schon ziemlich naiv. Doch die gemeinsame Zeit verändert beide. Lily entdeckt durch ihn die unbeschwerten Seiten des Lebens wieder und ihm gefällt das vertrauensvolle Verhältnis zu Lily mehr und mehr. Etwas unglaubwürdig fand ich die spitzschnelle Annäherung der beiden schon, aber in diesem Genre ist dies nicht unüblich. Mir gefiel es sehr, dass sich Lily und Noah die Rolle des Erzählers teilten, so dass man interessante Einblicke in deren Innerstes erhielt. Auch das dramatische Happyend war in Hinblick auf Lilys Schicksal ein guter Twist bzw. Selbsttherapie.

FAZIT
Ein leichter Frauenroman, der sich perfekt als Sommerlektüre eignet.

Bewertung vom 26.06.2022
Latein und Griechisch im 21. Jahrhundert

Latein und Griechisch im 21. Jahrhundert


ausgezeichnet

Wer stellt schon gern im Bereich Kultur eine Kosten-Nutzen-Rechnung auf?
Als studierte Altertumswissenschaftlerin liegt mir das gänzlich fern. Doch im 21. Jahrhundert wird nicht mehr auf Traditionen und tiefergehende Bildung geschaut, sondern auf Profit und den aktuellen Arbeitsmarkt. Das zeigt sich daran, dass national wie international immer weniger Schüler Latein geschweige denn Altgriechisch belegen und die sog. Kleinen Fächer sukzessive aus der Volluniversität herausgedrängt werden. Dies stellt für mich ein kulturelles Armutszeugnis dar. Im Gymnasium habe ich bewusst Latein als zweite Fremdsprache gewählt und es bis heute nicht bereut. Das Erlernen neuer, vor allem romanischer, Sprachen fiel mir durch Latein wesentlich leichter. Auch Fachtexte aus Medizin, Jura und Geschichte erschlossen sich schneller. An der Universität erwarb ich zusätzlich das Graecum, wodurch sich meine analytischen Fähigkeiten und mein kritisches Denken noch potenzierten. Antike Texte mit all ihrer Ästhetik und Weitsicht lesen zu können, ist ein Geschenk, welches das Leben bereichert.

Doch leider scheint die große Zeit der Altphilologie vorbei zu sein. Wirtschaftliche Interessen und Tubostudienzeiten sprechen gegen ein fundiertes Studium der Alten Sprachen. Diesen Eindruck gewinnt man, wenn man den überaus informativen Marburger Sammelband mit 23 Beiträgen zur derzeitigen Lage der Klassischen Philologie zur Hand nimmt. Dieses Konvolut geht auf einen Studientag namens Forum der klassischen Philologie an der Philipps-Universität Marburg zurück. Dort schätzt man die Kleinen Fächer noch wert und will sie erhalten.

Ich habe das 286-seitige Buch regelrecht verschlungen. Das lag zum einen an meiner Begeisterung für die alten Sprachen und zum anderen an den wirklich interessanten unterschiedlichen Einblicken von Dozenten, Medizinern, Juristen, Lehrern usw. Alle 23 Beiträger lieben die alten Sprachen, wissen aber auch um deren derzeitigen schweren Stand. Sie verklären ihre Lage nicht und flüchten sich nicht in den oftmals von außen beschworenen Elfenbeinturm, sondern zeigen in ihren Artikeln explizit auf, was schiefläuft und welche Versuche es gibt, der heutigen Generation ein Studium der Altphilologie schmackhaft zu machen.

Mich hat dieser Band aus der WBG-Academic-Reihe gleichzeitig aufgewühlt und darin bestärkt, weiter für unsere europäische Kultur zu kämpfen. Ich war regelrecht geschockt, dass für Medizin-, Jura- und Pharmaziestudenten das Latinum kein Muss mehr ist. Selbst Nachbardisziplinen wie die Altorientalistik beklagen, dass Studenten ohne Latinum sprachlich schwächer aufgestellt sind. Besonders wenn man interdisziplinär arbeiten möchte, fallen sprachliche Defizite ins Gewicht.
Zudem hat es mich überrascht, dass ausgerechnet in Italien, die Zahl an Lateinschülern und -studenten derart niedrig ist. In Frankreich und Lettland sieht es nicht besser aus. Eine Ausnahme bildet Österreich, das vermehrt Neulatein lehrt und erforscht und damit ein Weiterbestehen der Alten Sprache forciert.
Auch spannend waren die Erfahrungen eines Altphilologen, der im Auswärtigen Amt arbeitet - gleichwohl dies eine Ausnahme darstellt. Hochaktuell waren hingegen die Ausführungen eines italienischen Altphilologen, der bei der lateinischsprachigen Umsetzung der Netflixserie "The Barbarians" half.

Meines Erachtens braucht es mehr solcher aufrüttelnder Bücher, um die Gesellschaft für unser wichtigstes Kulturgut - unsere Sprache - zu sensibilisieren. Die Abschaffung der Altphilologie würfe uns sprachlich wie kulturell zurück.