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Sophie

Bewertungen

Insgesamt 153 Bewertungen
Bewertung vom 11.09.2021
Dürre
Laub, Uwe

Dürre


gut

Extrem spannende Prämisse mit mäßiger Umsetzung

Eine Klimadystopie in der nahen Zukunft, das verspricht der neue Thriller „Dürre“ von Uwe Laub. Aber während das Setting hält, was es verspricht, kann die Handlung nicht so ganz mithalten und dümpelt eher in Klischees dahin.

In der nahen Zukunft hat die Menschheit den Klimawandel immer noch nicht unter Kontrolle: Dürreperioden und Hitzewellen überlaufen Deutschland und sorgen für Hungersnöte, Armut und soziale Ungleichheit. Mithilfe der App Aequitas unternimmt die EU einen letzten verzweifelten Versuch, ihren CO2-Haushalt zu regulieren – und greift damit massiv in das Leben der Bevölkerung ein, denn Dienstleistungen, Konsum und Mobilität – alles, was eben CO2 ausstößt – kosten nun wertvolle Credits.

In diesem gut durchdachten und spannenden Setting spielt sich nun leider eine eher mittelmäßige, übermäßig actiongeladene Thriller-Handlung ab. Im Vordergrund stehen die Geschwister Julian und Leni, die den Hof ihres Vaters bewirtschaften und dabei an der Grenze des Existenzminimums leben. Als sie ins Visier der allgegenwärtigen Kontrollbehörde geraten, wird ihr Leben auf den Kopf gestellt und sie bekommen es mit einigen zwielichtigen Gestalten und den Köpfen hinter Aequitas zu tun. Die Entwicklungen werden oft eher schlecht als recht begründet, die Geschichte verläuft in den typischen Bahnen, wie man sie aus Hollywoodstreifen kennt. Gerade gegen Ende kommt noch einmal ordentlich Spannung auf, jedoch bleibt die Geschichte insgesamt vorhersehbar.

Das vielversprechende Setting kann diese Schwächen leider nicht ganz auffangen, und so bleibt „Dürre“ ein eher mittelmäßiger Thriller, der die Erwartungen nicht wirklich erfüllen kann. Gerade die Idee hinter Aequitas und seinen Auswirkungen ist interessant und ausgereift, geht jedoch im Laufe der Geschichte nach und nach in Actionszenen und Verfolgungsjagden unter. Leider nur eine eingeschränkte Leseempfehlung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.08.2021
Heimatsterben
Höflich, Sarah

Heimatsterben


ausgezeichnet

Politische Fiktion meets Familiensaga – ein explosiver Mix

Mit „Heimatsterben“ legt Sarah Höflich ein besonders aktuelles Buch vor, denn es geht in dem Roman um nichts Geringeres als einen politischen Umsturz in Deutschland und eine Machtergreifung von rechts. Erschreckend nah an der gegenwärtigen Realität erzählt „Heimatsterben“ die Geschichte einer Familie, die eng mit dem Schicksal Deutschlands verbunden ist, und ist dabei zwar nie effektheischend, aber immer aufwühlend.

Die Protagonistin Hanna kehrt nach einem langen Aufenthalt in den USA in ihre Heimat Deutschland zurück und muss feststellen, dass ihr Schwager Felix (seines Zeichens alter Adel und Kanzlerkandidat der neu gegründeten BürgerUnion) kurz davor steht, der mächtigste Mann des Landes zu werden. Die konservativen Werte, die er nach außen trägt, entsprechen zwar nicht Hannas Vorstellungen, aber nichtsdestotrotz lässt sie sich in seinen Wahl- und Machtkampf hineinziehen. Bald muss sie feststellen, dass die wahre Gefahr die Strippenzieher hinter Felix sind und die bürgerliche Fassade schnell zu bröckeln beginnt.

„Heimatsterben“ verbindet die Geschichte von Hannas Familie gekonnt mit den politischen Entwicklungen in einem Deutschland, das unserem heutigen so stark ähnelt, dass man es mit der Angst zu tun bekommen kann. Schonungslos und in journalistischem Stil deckt Sarah Höflich auf, wie zerbrechlich unsere Demokratie ist. Zugleich erzählt sie immer von den Menschen hinter den politischen Überzeugungen: von Hannas Großmutter, die erzkonservativ, aber immer Demokratin war, vom verstoßenen schwulen Onkel Carl-Friedrich, von ihrer Schwester Trixie, die sich so sehr einen Traumprinzen und eine heile Welt wünscht und dabei sich selbst und ihre eigenen Überzeugungen zu vergessen droht …

„Heimatsterben“ ist ein spannendes, hoch politisches, brandaktuelles Buch, das auf jeder Seite neuen Stoff zum Nachdenken liefert. Es präsentiert seine Figuren nicht in Schwarz und Weiß, sondern in Grautönen, verliert dabei aber nie eine klare Botschaft aus den Augen, die lautet: Wehret den Anfängen! Ein Roman, den man unbedingt gelesen haben sollte.

Bewertung vom 20.08.2021
Kleine Engel
Kohlhaas, Daniel

Kleine Engel


gut

Handwerklich gut gemacht, aber ohne das gewisse Etwas

In seinem Debüt „Kleine Engel“ nähert sich Daniel Kohlhaas gleich einem schwierigen Thema, nämlich dem ethischen Dilemma, ob auch todkranken Kindern Sterbehilfe zusteht. Verpackt wird diese Diskussion in einen durchaus spannenden, aber nicht unbedingt originellen Psychothriller.

Ein traumatisierter Mörder glaubt sich in der Pflicht, sterbenskranke Kinder von ihrem irdischen Leiden zu erlösen, und geht dabei so geschickt vor, dass sein Handeln lange Zeit unbemerkt bleibt. Basierend auf zunächst wenig mehr als einem Bauchgefühl heftet sich Kommissar Simon Winter, der mit seinen eigenen Dämonen der Vergangenheit zu kämpfen hat, auf seine Fersen. Unterstützt wird er dabei von der Psychologin und True-Crime-Podcasterin Nadja Bergendahl, die psychologische Einblicke in mörderische Psychen bietet.

In kurzen Kapiteln und eher knappem Stil wechseln sich die Perspektiven von Simon, Nadja und dem Täter ab. Die Entwicklung geht eher langsam vonstatten und ist geprägt von typischen Topoi des Genres: Der von seiner Vergangenheit gequälte Ermittler, der sich gegenüber seinen Vorgesetzten durchsetzen muss, um überhaupt ermitteln zu dürfen, der geisteskranke Mörder, der einen Blick in seine selbst kreierte Vorstellung von Recht und Moral bietet … Das ist zunächst einmal nichts Schlechtes, denn heraus kommt dabei ein durchaus spannender, gut lesbarer Thriller mit einigen Wendungen. Allerdings fehlt es ihm dadurch an eindrücklichen Momenten, die lange Zeit in Erinnerung bleiben werden. Positiv hervorzuheben ist in dieser Hinsicht die Diskussion um Sterbehilfe bei Kindern, die sich durch den ganzen Roman zieht und viele Gesichtspunkte beleuchtet. Hierin verbergen sich viele Denkanstöße.

„Kleine Engel“ ist ein absolut solider, handwerklich gut gemachter Psychothriller, der Genre-Fans sicher unterhalten kann. Wer nach originellem Lesestoff sucht, ist hier allerdings falsch, denn das Buch bricht selten mit den Konventionen des Genres.

Bewertung vom 20.08.2021
Greta und Jannis
Kuratle, Sarah

Greta und Jannis


ausgezeichnet

Ein sanftes, aber zugleich sprachgewaltiges Debüt voller Tragik und Poesie

„Greta und Jannis. Vor acht oder in einhundert Jahren“ – schon der Titel dieses wunderbaren Debütromans von Sarah Kuratle drückt aus, was uns das ganze Buch über begleitet: eine surrealistisch angehauchte Liebes- und Familiengeschichte in überaus poetischer Sprache. Kein leichtes Buch, aber ein unglaublich lohnenswertes Leseerlebnis, das noch lange nachhallt.

Greta und Jannis sind im letzten Dorf im Gebirge groß geworden und durch ein besonderes Band miteinander und mit der wilden Natur verbunden. Greta wächst mit drei Ziehgeschwistern bei ihrer Großtante auf, Jannis als Einzelkind eines alleinerziehenden Vaters. Im Erwachsenenalter zieht Jannis in die Stadt, Greta kehrt immer wieder in die Heimat zurück, aber das Band zwischen ihnen bleibt bestehen. In langsamen, nachdenklichen Episoden erzählt der Roman im stetigen Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart von ihrer Kindheit, ihrer Jugend, ihrem Jetzt. Im Zentrum stehen immer diese beiden, aber sie sind umgeben von anderen Schicksalen – ihren Familien, dem geheimnisvollen Nachbarn Cornelius und der stets präsenten gewaltigen Natur, die wie eine eigene Figur in Form von Feuervögeln, Steinböcken und Goldäpfeln in Erscheinung tritt.

Der poetische Stil des Romans entwickelt einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann, voller Schönheit und Anmut, aber auch Tragik und Verzweiflung. Die sanfte, ästhetische Sprache täuscht über die Tragweite der teils dramatischen Entwicklungen hinweg, lullt mich als Leserin beinahe ein, sodass die Realisierung des Unaussprechlichen, wenn sie dann kommt, umso erschütternder ist. Kuratle reizt die Grenzen dessen, was in der deutschen Sprache möglich ist, auf enorm ästhetische Art und Weise aus und erreicht damit eine Sprachgewalt, die vor allem durch ihre Zartheit gekennzeichnet ist. Mensch und Natur sind in traumschönen Metaphern untrennbar miteinander verbunden, und über der Szenerie schwebt stets die Frage nach der Realität, denn Raum und Zeit scheinen im letzten Dorf im Gebirge irgendwie anders zu funktionieren.

Märchenhaft, teils surreal, dabei poetisch und von einer tragischen Ästhetik durchzogen bietet „Greta und Jannis“ ein ungewöhnliches Leseerlebnis, das sowohl auf sprachlicher als auch auf inhaltlicher Ebene sehr tief berührt und beeindruckt. Eine unbedingte Leseempfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.08.2021
Die Überlebenden
Schulman, Alex

Die Überlebenden


ausgezeichnet

Anrührend, bestürzend und meisterhaft erzählt

Mit „Die Überlebenden“ entwirft Alex Schulman das episodenhaft konstruierte Porträt einer Familie, die ihre Dysfunktionalität erst nach und nach offenbart – mit jeder nebenbei erwähnten Enthüllung wird schmerzlich klarer und klarer, welche Konsequenzen die ungesunde Familiendynamik für die drei Kinder hat.

Auf zwei Zeitebenen wird die Geschichte der drei Brüder Benjamin, Pierre und Nils erzählt: Da sind zum einen ihre Kindheitserinnerungen an die Sommer im Ferienhaus der Familie, zum anderen die anti-chronologisch erzählte Gegenwart, in der sie an diesem Ort die Asche ihrer Mutter verstreuen und sich ihrer Vergangenheit stellen müssen. Nach und nach kommt in dieser meisterhaft und spannend konstruierten Erzählweise die Wahrheit zum Vorschein, das ganze Ausmaß der Tragik dieser Familiengeschichte: die kleinen und größeren Verfehlungen der Eltern, die kleinen und größeren Streitigkeiten zwischen den Brüdern. Dabei ist der Roman nie pathetisch, sentimental oder überfrachtet. In klaren, nüchtern-poetischen Worten werden Episoden geschildert, die wie nebenbei verdeutlichen, dass dieses Familienleben alles andere als glücklich war. Eine Wahrheit, die sich Protagonist Benjamin erst Jahre später vor Augen führt. Eine Wahrheit, deren schiere Unbegreiflichkeit auch uns Lesende erst spät und unvermittelt ereilt und dem Buch eine ganz neue Dimension hinzufügt.

Ebenso meisterhaft wie der Erzählmodus von „Die Überlebenden“ ist das psychologische Fingerspitzengefühl, das Alex Schulman bei der Zeichnung seiner Charaktere an den Tag legt. Benjamin, Pierre und Nils teilen ein Trauma, das jedoch jeder von ihnen anders erlebt hat. Und so unterschiedlich wie ihre individuellen Erfahrungen sind auch ihre Reaktionen, sodass sie als Erwachsene völlig voneinander entfremdet sind, der letzten Möglichkeit beraubt, sich durch Zusammenhalt Trost zu spenden. Ihr erzwungenes Zusammenkommen nach dem Tod der Mutter ist also gleichzeitig auch eine Chance auf Versöhnung. Bei aller Tragik des Buchs schwebt diese Möglichkeit von Frieden und Vergebung immer über ihren Köpfen und versichert uns Lesende, dass die drei nun einmal Überlebende sind.

Dieser Roman ist ein stilles, kleines Meisterwerk, das so viel über Familie, Schuld und Vergebung aussagt, dabei aber immer den leisen Zwischentönen verhaftet bleibt. Ein Buch, das im allerbesten Sinne die Möglichkeit zur emotionalen Bildung bietet.

Bewertung vom 08.08.2021
Der Ratschlag. Eine Mystifikation
Marcus, Hladek

Der Ratschlag. Eine Mystifikation


gut

Dicht erzählt, dabei langsam und teils ausufernd – eine ungewöhnliche Lektüre!

„Der Ratschlag. Eine Mystifikation“, das Erstlingswerk von Marcus Hladek, hinterlässt einen bleibenden Eindruck, so viel ist sicher. Die Lektüre lässt mich gleichzeitig aber auch sehr zwiegespalten zurück, denn so viel Besonderes, Ästhetisches in diesem Buch steckt, so viel Verwirrendes und teils Ermüdendes ist auch mit dabei.

Der Roman handelt von dem Theaterkritiker Markus Nicolić, der nach dem Tod seines Vaters erfährt, dass sich in der Vergangenheit des zeitweisen Priesteranwärters in Rom ein Geheimnis verbirgt. Markus, voller Selbstzweifel und unerfüllter Ambitionen, macht sich auf eine Suche nach seinem Vater – eine Reise, die ihn vor allem sich selbst ein Stück näher bringt. Die Handlung dient jedoch letztendlich nur als Rahmen für Markus’ Innenleben, seine Überlegungen zu Kunst und Philosophie, seine unerfüllten Träume und Pläne, seine harsche Selbstkritik, die manchmal überlagert wird von schier unerträglicher Selbstgefälligkeit.

Es ist eine komplexe Person, die da ihr Innenleben mit uns Leser*innen teilt. Das ist oft herzzerreißend und aufwühlend, ein stetes Schwanken zwischen Sympathie und Abscheu, oft aber auch ausufernd und langatmig. Der auf fast 500 Seiten erzählte Stream of Consciousness, nur hin und wieder unterbrochen von Dialogen und Handlungselementen, vermag ab und zu eine regelrecht Sogwirkung zu entfalten (so zum Beispiel beim Schwelgen in Kindheitserinnerungen an Haifischflossensuppe), wird auf langen Passagen jedoch anstrengend, wenn Markus etwa ausführlich seine Romanidee schildert oder seine wirren Gedanken im Fieber mit uns teilt.

Eine große Rolle spielen außerdem intertextuelle Bezüge – auch dies Fluch und Segen zugleich. Denn die Zitate und Verweise auf Größen der Weltliteratur, Wissenschaft und Politik scheinen kein Maß zu kennen. So werden die Kapitel gar mit bis zu fünf statt einem Zitat angeführt. Zusammen mit der dichten Sprache trägt auch das zu einem Gefühl von Exzess und fehlender Selektion bei. Ebendiese dichte, literarische Sprache ist jedoch auch eine große Stärke des Romans, der durch einen verblüffenden Wortschatz und ein dichtes Netz an literarischen Zitaten mit teils starker Wirkmächtigkeit besticht.

„Der Ratschlag. Eine Mystifikation“ ist ein Buch auf der Suche nach einer sehr speziellen Leserschaft. Wer sich voll und ganz darauf einlässt, wird sicher viel daraus mitnehmen können, der Zugang fällt jedoch ungewöhnlich schwer.

Bewertung vom 02.08.2021
Die Gottesmaschine
Kleindl, Reinhard

Die Gottesmaschine


sehr gut

Ein solider Wissenschafts-/Religionsthriller in der Tradition von „Der Name der Rose“

In „Die Gottesmaschine“ entführt Reinhard Kleindl sein Publikum in ein abgelegenes französisches Kloster, das Wissenschaft und Religion zu versöhnen versucht. Dass es dabei nicht ganz mit rechten Dingen zugeht, wird schnell klar. Sorgfältig recherchiert und in bester Tradition eines Locked-room Mystery werden die Geheimnisse des Klosters nach und nach aufgedeckt.

Im Zentrum der Geschichte steht Weihbischof Lombardi, der das Kloster besucht, um nach dem dort lebenden und forschenden Sohn eines besorgten Freundes zu sehen. Als ein Sturm das Kloster von der Außenwelt abschneidet und die erste Leiche auftaucht, wird Lombardi unfreiwillig zum Ermittler. Es scheint, als seien die Forschungen im Kloster brisanter als zunächst angenommen. Dabei steht ihm die talentierte Wissenschaftlerin Samira Amirpour bei, die für den wissenschaftlichen Überbau sorgt.

Geschickt werden in „Die Gottesmaschine“ eine ganze Reihe Handlungsstränge ineinander verwoben, ohne dabei je den Überblick zu verlieren. Lombardis Ermittlungen im Kloster wechseln sich ab mit dramatischen Ereignissen im Vatikan und Einblicken in das Geistesleben einer mysteriösen Figur, die sich „der Diener“ nennt. Dabei wird jedoch das Konzept des Cliffhangers oft etwas überstrapaziert – die sehr kurzen Kapitel enden fast immer mit einer schwer lastenden Andeutung, bevor zu einem anderen Schauplatz übergeleitet wird. Auf Dauer wird dieser Erzählmodus etwas anstrengend.

Das Spannungsniveau ist jedoch kontinuierlich hoch, und vor allem die wissenschaftlichen Konzepte und Ideen, die diskutiert werden, verleihen dem Roman ein ganz besonderes Flair. Da lässt sich auch über die ein oder andere etwas unvermittelt wirkende Entwicklung in der Handlung hinwegsehen, die mich als Leserin ab und zu zum Stirnrunzeln gebracht hat.

Insgesamt ist „Die Gottesmaschine“ ein lohnenswerter Thriller mit einem Schwerpunkt auf Wissenschaft und Religion, der mit seinem ermittelnden Geistlichen durchaus an „Der Name der Rose“ erinnert, wenn er auch in der Konzeption nicht an das große Vorbild heranreicht. Eine unterhaltsame und bisweilen sogar lehrreiche Lektüre.

Bewertung vom 29.07.2021
Die Saat des Hasses
Korb, Markus K.

Die Saat des Hasses


ausgezeichnet

Predator meets Lovecraft – wunderbar schauerlich!

„Die Saat des Hasses“ von Markus K. Korb wirkt auf den ersten Blick wie ein eher unscheinbares kleines Büchlein – nicht einmal das Genre lässt sich da so richtig bestimmen. In den Tiefen dieser Seiten schlummern jedoch eine überbordende Bildgewalt, eine unheimliche Atmosphäre und ein packendes Geheimnis.

In der Rahmenerzählung erbt Protagonist Akoni einen Aktenkoffer von seinem verstorbenen Vater, der mysteriöse Tatsachenberichte aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts enthält. Eine Mission auf Uransuche im Amazonas, ein Flugzeugabsturz in den Philippinen, ein Transportflug aus Nazi-Deutschland nach Japan … Sie haben alle eines gemeinsam: Es geht nicht mit rechten Dingen zu! Nach und nach wird aus einzelnen Puzzlestücken das Bild eines kosmischen Horrors zusammengesetzt.

Die einzelnen Berichte strotzen nur so vor unheimlicher Atmosphäre und unterschwelligem Grauen. Die ausdrucksstarke Sprache lässt unheimliche Szenerien vor meinem inneren Auge entstehen, allen voran den undurchdringlichen Dschungel. Dabei überlagert das übernatürliche Grauen immer ein entsetzliches reales Geschehen, wodurch eine übergreifende düstere Stimmung erzeugt wird. Wer „Predator“ gesehen hat, wird sich daran erinnert fühlen! Stilistisch knüpft Markus K. Korb jedoch mit seinen Berichten eher an die klassische Tradition der Horrorliteratur an, und darauf wird auch immer wieder geschickt angespielt, denn Akoni hält sich in Genf auf, wo die Villa Diodati Schauplatz eines Treffens der wohl berühmtesten Horror-AutorInnen des frühen 19. Jahrhundert war. Dieses intertextuelle Augenzwinkern verstärkt den Eindruck eines klassischen Horrorromans des 21. Jahrhunderts.

Mit „Die Saat des Hasses“ ist Markus K. Korb das Kunststück gelungen, extrem atmosphärischen Horror in eine literarisch überaus ansprechende Form zu gießen. Ein Buch mit langem Nachhall.

Bewertung vom 19.07.2021
Auszeit
Lühmann, Hannah

Auszeit


weniger gut

Ein melancholischer Roman, dem es an (sprachlicher) Leichtigkeit fehlt

Von „Auszeit“ habe ich mir sehr viel erhofft und leider nur sehr wenig mitgenommen. Die Identifikation mit der Protagonistin Henriette, die mit ihrem Leben und ihrer Dissertation ringt und nach einer Abtreibung versucht, Frieden mit sich und der Welt zu schließen, schien zu Beginn noch möglich, löste sich aber schnell in die allgegenwärtige Leere des Romans auf.

Hannah Lühmann stellt das Innenleben ihrer Protagonistin intensiv in den Vordergrund, die sich gemeinsam mit ihrer Freundin Paula eine Auszeit in einer Waldhütte nimmt und über die Vergangenheit reflektiert. Während Henriette zu Beginn ihre nachvollziehbaren Ängste und Unsicherheiten beklagt und mich als Leserin dabei emotional sehr mitnimmt, driftet der Roman leider bald in Monotonie und Bedeutungslosigkeit ab. Henriettes Handeln und Denken scheint keinen tieferen Sinn zu haben, stattdessen ist der Text ständig von schweren Andeutungen überfrachtet, die vorgeben, Bedeutung zu haben, es aber selten tun. Da ist zum Beispiel Henriettes Dissertationsthema, der Werwolf, der sich durch den Text zieht und in einem Wolfsgehege gar in Erscheinung tritt, jedoch keine wirkliche Signifikanz hat. Auch Henriettes Erinnerungen wirken meist banal, bedeutungsleer, obwohl sie in der Sache durchaus brisant sind (die Affäre mit einem verheirateten Mann, die eine Abtreibung zur Folge hat, die Unsicherheit, die richtigen Berufsentscheidungen getroffen zu haben).

Als Roman, der den Zeitgeist einer Generation abbilden möchte, will dieses schmale Büchlein einfach zu viel. Als psychologisches Porträt einer einzelnen Person kann es noch interessant sein, die Identifikation mit dieser Person fällt jedoch trotz des großen Potenzials dafür so schwer, dass ich als Leserin schnell das Interesse an Henriette verloren habe. Ihr individuelles Trauma lässt sich eben gerade nicht auf eine ganze Generation übertragen, und so bleibt „Auszeit“ ein Buch, das mir nichts mit auf den Weg geben kann.