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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
westeraccum
Wohnort: 
Sauerland

Bewertungen

Insgesamt 208 Bewertungen
Bewertung vom 04.11.2021
Böse
Wagner, Jonas

Böse


gut

Katharina und ihre 17jährige Tochter Fenja ziehen nach dem Scheitern der Ehe in das kleine Erzgebirgsdorf Hussfeld. Dort wartet ein neuer Job, eine neue kleine Wohnung und hoffentlich ein Neuanfang auf Mutter und Tochter. Von Anfang an werden sie misstrauisch beäugt. Besonders die hübsche Fenja zieht alle Blicke auf sich. Obwohl sich zuerst alles gut anlässt, bedrücken doch das Misstrauen und die enge Atmosphäre die beiden. Fenja freundet sich mit John an und eines Tages sind die beiden plötzlich verschwunden. Die Polizei glaubt, sie seien weggelaufen und sucht nicht nach ihnen. Katharina dagegen versucht die Spur der beiden zu finden und stößt dabei auf eine Mauer des Schweigens. Dann stellt sich heraus, dass schon früher Menschen verschwunden sind. Welche Rolle spielt der undurchsichtige Bürgermeister?
Das Buch ist aus mehreren Perspektiven geschrieben. In Fettdruck schaut man der eingesperrten Fenja zu, eine geheimnisvolle Stimme aus dem Off berichtet über ihre Befindlichkeiten. Da muss man als Leser manchmal schnell hin und her schalten.
Allerdings hat das Buch einige Längen und zieht sich. Erst am Schluss wird es richtig spannend, dann überschlagen sich die Ereignisse.
Die Sprache ist eher schlicht und einige schiefe Bilder haben mich gestört. Auch blieben mir die Figuren fremd. Ihre Handlungsweise konnte ich vielfach nicht nachvollziehen. Insgesamt ist die Story zu unrealistisch und zu konstruiert.
Deshalb gibt es von mir leider keine unbedingte Leseempfehlung.

Bewertung vom 02.11.2021
Die Enkelin
Schlink, Bernhard

Die Enkelin


sehr gut

Auch in diesem Buch beschäftigt sich Bernhard Schlink wieder mit der Aufarbeitung der Vergangenheit, wie auch schon in vielen früheren Werken.
Allerdings geht es hier um die zusammengebrochene DDR und ihr nie thematisiertes faschistisches Erbe.
Kaspar hat seine Frau verloren und als er ihren Nachlass sichtet, stößt er auf ein gut gehütetes Geheimnis. Denn bevor Birgit in den Westen zu Kaspar floh, gebar sie ein Kind von einem anderen Mann und gab es direkt nach der Geburt weg. Sie hatte sich immer wieder vorgenommen nach dem Mädchen zu suchen, aber ihre Angst vor den Folgen schreckte sie immer wieder ab. Nun macht sich Kaspar auf die Suche und findet die junge Frau als Ehefrau eines Rechtsradikalen in einem "national befreiten" Dorf auf dem Land. An seine Stieftochter kommt Kaspar nicht heran, sie hat wohl auch Angst vor ihrem Mann, aber ihre Tochter möchte Kaspar mit einem anderen Leben bekannt machen und vielleicht "retten". Es gelingt ihm bei der 14jährigen Zweifel zu säen.
Das Buch ist - wie bei Schlink nicht anders zu erwarten - sehr gut und sensibel geschrieben und wie auch die anderen Bücher spielt es in einem eher großbürgerlichen Milieu. Umso größer ist der Gegensatz zum Leben der Rechten auf dem Land.
Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, allerdings hat mich gestört, wie nachsichtig Kaspar mit der Familie seiner Stieftochter umgeht. Er will nicht anecken, niemandem seine Meinung aufzwingen und bleibt dabei immer feige im Hintergrund. Das kann ich zwar verstehen, denn auch eine gewalttätige Reaktion kann nicht ausgeschlossen werden und Kaspar will das Mädchen nicht verlieren. Sie ist das einzige, was von seiner Frau geblieben ist. Trotzdem hätte ich mir manchmal eine deutlichere Reaktion gewünscht.
Aber trotz aller Vorbehalte ist es ein lesenswertes Buch!

Bewertung vom 02.11.2021
Eifersucht
Nesbø, Jo

Eifersucht


sehr gut

Bisher wusste ich noch nicht, dass Jo Nesbo auch Kurzgeschichten schreibt, ich habe nur seine Romane gelesen.
In diesem Band versammeln sich sieben kurze oder auch längere Geschichten rund um das Thema Eifersucht. Da ist der Mann, der Selbstmordkandidaten auf deren Wunsch hin umbringt, der griechische Ermittler auf einer kleinen Insel in der Ägäis, die Frau, die für Ordnung in der Warteschlange sorgt, der Schriftsteller, der keine Lust auf Publicity hat, der Müllmann, der einen Nebenbuhler umbringt und der Taxifahrer, der einen Ohrring seiner Frau findet.
Alle Geschichten sind sehr unterschiedlich und zeigen die ganze Bandbreite von Nesbos Können. Sie sind spannend, skurril, auf den Punkt gebracht und gut zu lesen. Einige wirken eher wie Miniaturen, aus anderen könnte man einen ganzen Roman entwickeln.
Ein schönes Buch für zwischendurch, wenn man keine Lust auf einen dicken Roman hat und sich nur mal ablenken oder unterhalten lassen möchte!

Bewertung vom 26.10.2021
Meeressarg / Fabian Risk Bd.6
Ahnhem, Stefan

Meeressarg / Fabian Risk Bd.6


ausgezeichnet

Stefan Ahnhems Krimis über den Ermittler Fabian Risk haben mich von Anfang an begeistert. "Meeressarg" ist der sechste Band aus dieser Reihe und schlägt alle vorigen Bände in Bezug auf die ungeheure Spannung. Ich habe wirklich atemlos gelesen und konnte kaum aufhören.
Fabian Risk hat einen schweren Verlust erlitten, sein Sohn Theodor hat sich in einem dänischen Gefängnis umgebracht. Fabians Trauer ist grenzenlos, denn er hatte seinem Sohn geraten sich der Polizei zu stellen. Gleichzeitig findet die dänische Polizei im Hafen von Kopenhagen einen hochrangigen Polizeimitarbeiter zusammen mit einer Prostituierten tot in einem untergegangenen Auto. In diesem Zusammenhang taucht der Kopenhagener Polizeichef Kim Sleizner wieder auf, der schon oft verdächtigt wurde mit der Unterwelt zusammenzuarbeiten. Risks ehemalige Mitarbeiterin Dunja Hougard ist ihm heimlich auf den Fersen. Doch Sleizner versteht es sich immer wieder aus der Schlinge zu befreien, eiskalt und vollkommen skrupellos.
Unerwartete und überraschende Wendungen, ein erstklassiger Plot und ein eindringlicher Schreibstil machen das Buch zu einem der besten Krimis in diesem Jahr. Man merkt, dass Ahnhem geübt ist Drehbücher zu schreiben, denn auch dieses Buch könnte man sich gut als Film vorstellen. Dabei geht der Autor aber auch in die Tiefe, die Trauer der Familie um Theodor ist sehr glaubwürdig beschrieben und auch die anderen Charaktere sind komplex und interessant.
Unbedingt lesen!

Bewertung vom 24.10.2021
Betongold
Weber, Tanja

Betongold


sehr gut

Das ist ein Krimi der etwas anderen Art. Im Vordergrund steht nicht der Todesfall, sondern Freundschaft und Einsamkeit.

Der Smokey, der Schani und der Hiasl sind Freunde seit Kindertagen, alle sind im Arbeiterviertel Giesing aufgewachsen. Keiner von ihnen hatte es leicht, ihre Wege führten in verschiedene Richtungen, doch sie haben immer zusammengehalten. Nun ist der Schani tot, er liegt in einer Baugrube. Der Smokey, der mal Polizist war, bevor seine Krankheit ihn zum Frührentner machte, kann die Finger nicht von den Ermittlungen lassen. Quasi nebenbei sucht er nach dem Mörder, während die Erinnerungen an die gemeinsame Zeit ihn überwältigen.

Tanja Weber thematisiert hier ganz aktuelle Themen, besonders die Wohnungsnot in München und die Spekulation mit Grund und Boden. Das aktuelle Thema ist aber eingebettet in die Erzählung der Geschichte der drei Freunde, die trotz aller Probleme untereinander immer noch füreinander einstehen. Webers Geschichte ist ungewöhnlich, aber trotzdem sehr gut zu lesen und spannend. Ihre Sprache hat einen leichten bayrischen Einschlag, der ist aber nie aufdringlich, sondern passt zur Geschichte. Der unerwartete Schluss hat mich besonders begeistert, aber da wird natürlich nichts verraten.

Ein wirklich gutes Buch!

Bewertung vom 15.10.2021
Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García
Rinke, Moritz

Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García


sehr gut

Postbote auf Lanzarote - ein Traumjob? Für Pedro Garcia eher nicht. Sein Vater war schon Postbote, doch seit der Erfindung des Internets werden die Sendungen immer seltener. Pedro hat also Zeit, sich um die Menschen auf seinen Routen zu kümmern, in Ruhe am Hafen Kaffee zu trinken und um seinen kleinen Sohn liebevoll zu begleiten. Eigentlich ein beschauliches Leben, sollte man meinen, doch dann geht seine Frau mit ihrem Chef und ihrem Sohn nach Barcelona und alles wird anders. Pedro leidet wie ein Hund unter der Trennung von dem Jungen und schmiedet Pläne, wie er ihn zurückholen kann.
Das Buch ist so beschaulich geschrieben wie Pedros Leben, nur keine Hetze. Detaillierte Beschreibungen der Menschen auf der Insel wechseln sich ab mit hektischen Phasen. Das ist nicht schlecht, aber ab und zu hätte ich mir doch etwas mehr Handlung gewünscht.
Rinke schreibt gut, er widmet sich seinen Figuren ausführlich und liebevoll. Das macht das Buch ansprechend, aber für fünf Sterne fehlt noch das I-Tüpfelchen.

Bewertung vom 13.10.2021
Reality Show
Freytag, Anne

Reality Show


sehr gut

Die Idee für dieses Buch ist großartig. Am Heiligabend in einer nicht allzu fernen Zukunft werden wichtige deutsche Persönlichkeiten gefangengenommen, zehn von ihnen werden in einer Fernsehshow vorgeführt und die Zuschauer müssen entscheiden, wie sie bestraft werden. Da ist die Hotelkonzernbesitzerin, die ihr Imperium auf dem Erbe aus der Nazizeit aufgebaut hat, da ist die Textilunternehmerin, die in der Produktionskette keine Rücksicht auf die Gesundheit der Arbeitenden nimmt, der Finanzberater, der seine Kunden betrügt...

Der Plan zu dieser Entführung ist in einer WG von drei jungen Männern entstanden, die sehr professionell an die Sache herangehen, Mitstreiter und Geldgeber suchen und nach drei Jahren der Vorbereitung endlich zur Tat schreiten können. Die ganze Nation sitzt vor den Bildschirmen.

Man bekommt direkt einen Bezug zu den Entführern und fiebert mit ihnen, ob die Sache klappt. Denn immer wieder gibt es Probleme und manche Menschen reagieren unvorhersehbar. Auch ist die Polizei natürlich auf ihren Fersen.

In Rückblicken, die in den Überschriften angekündigt werden, lernt man die Protagonisten besser kennen. Trotzdem macht das Hin und Her in den zeitlichen Abläufen das Buch etwas unübersichtlich. Dazu kommt, dass die Handelnden teilweise mit ihren Klarnamen, aber auch mit ihren Decknamen auftauchen. Das verwirrt zusätzlich.

Trotzdem fand ich das Buch sehr spannend und sehr gut zu lesen. Es ist sehr politisch, denn den Hintergrund bildet die Machtübernahme einer rechten Partei und die Frage nach Gerechtigkeit und sozialer Teilhabe stellt sich auch bei uns immer wieder. Man hat ja oft den Eindruck, dass nicht die Politiker die Macht innehaben, sondern Autokonzerne und Banken einen viel größeren Einfluss ausüben als die Politik.

Der Schreibstil der Autorin ist insgesamt gut und flüssig zu lesen, allerdings stören mich immer wieder kleine Fehler. Da müsste noch einmal ein Lektorat drübergucken.

Insgesamt aber ein lesenswertes Buch!

Bewertung vom 11.10.2021
Fanzi
Schmidauer, Elisabeth

Fanzi


ausgezeichnet

Fanzi - so nennt Elfi ihren älteren Bruder. Sie wachsen in einem kleinen Dorf in der Steiermark auf und Franz fühlt sich als Beschützer seiner kleinen Schwester. Alles ist gut, bis Elfi krank wird und in ein Heim gebracht werden muss. Die Nazis mögen keine Menschen, die der Gemeinschaft zur Last fallen und Elfi kehrt nie zurück. Nach dem Krieg muss Franz den Bauernhof übernehmen, denn seine älteren Brüder sind gefallen und er heiratet seine große Liebe, die Bärbi. Doch die Vergangenheit lässt ihn nicht los. Erst seine Enkelin kann ihn zum Sprechen über seine schwere Last bringen.
Das Buch zeigt deutlich, wie sehr die Vergangenheit eine ganze Familie über Generationen belasten kann. Man sprach nicht über seine Erlebnisse, fraß alles in sich hinein und verstummte. Aber irgendwann wird man von der Vergangenheit eingeholt.
Schmidauer hat das sehr gut beschrieben, sehr sensibel und mit viel Empathie für die handelnden Personen.
Das hat mir sehr gut gefallen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.10.2021
Wenn ich wiederkomme
Balzano, Marco

Wenn ich wiederkomme


sehr gut

In seinem Erfolgsroman "Ich bleibe hier" schreibt Bolzano vom Bleiben, in diesem Buch dagegen vom Weggehen.
Daniela verlässt heimlich ihre Familie in Rumänien, um in Mailand einen alten Mann zu pflegen, wie so viele Frauen aus Osteuropa, die für die Hoffnung auf ein besseres Leben ihre Kinder und Ehemänner zurücklassen. Mit dem verdienten Geld finanziert sie das Gymnasium für ihre Tochter und ihren Sohn und viele Dinge, die sich die beiden wünschen, Kleidung, Elektronik... Doch das Leben in der Fremde ist nicht leicht, Daniela bleibt einsam und hat ständig ein schlechtes Gewissen. Als ihr Sohn Manuel schwer verunglückt, kehrt sie zurück, denn er liegt im Koma.
Wie schon in seinen ersten Bücher berichtet Bolzano auch hier eindringlich vom Leben der einfachen Leute, weit weg vom Glitzer der Metropolen.
Das Buch ist in drei Abschnitte eingeteilt, zuerst berichtet Manuel vom Weggang seiner Mutter und seiner Verlassenheit. Im zweiten Abschnitt kommt Daniela zu Wort und erzählt, warum sie wegging und was sie in Italien erlebt hat. Der dritte Abschnitt ist der Tochter Angelica gewidmet, die die Mutterrolle in der Familie übernehmen musste und damit überfordert war.
Das Buch ist ein sehr intensives Leseerlebnis, die Geschichte geht unter die Haut. Sie ist auch wie die vorigen Bücher sehr politisch, denn was läuft in Ländern schief, die ihren Bewohnern keine Lebensgrundlage und keine Hoffnung bieten können? Und was stimmt nicht in den reichen Ländern, wenn Frauen ausgebeutet werden, um die alten Menschen zu versorgen?
Das Buch lässt einen nachdenklich und auch ratlos zurück.
Nicht unerwähnt muss hier das wieder einmal sehr gelungene Titelbild des Buches bleiben!

Bewertung vom 06.10.2021
Wellenflug
Neumann, Constanze

Wellenflug


sehr gut

Das Buch handelt von zwei Frauen am Ende des 19. und am Beginn des 20. Jahrhunderts, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Anna ist in wohlhabenden Verhältnissen aufgewachsen, heiratet reich, bekommt eine ganze Schar von Kindern und ist angepasst an die gesellschaftlichen Verhältnisse bis in die Haarspitzen. Beherrscht, kühl, auf das Ansehen der Familie bedacht und sie möchte ihre Kinder gut verheiraten. Ihr Lieblingssohn ist Heinrich, doch der spurt nicht so, wie Anna es möchte.
Ganz anders ist Marie, aus armen Verhältnissen, geht von zuhause weg und schlägt sich in Berlin als Garderobendame und Bedienung durch. Als sie Heinrich kennenlernt und er sich in sie verliebt, scheint alles anders zu werden. Doch dann wird der junge Mann nach New York verbannt, um die beiden zu trennen. Marie folgt ihm....
Das Buch ist in zwei stark voneinander abgegrenzte Teile aufgespalten. Der erste Teil, der von Anna und ihrem Werdegang handelt, ist in einer eher vornehmen Sprache geschrieben und unterscheidet sich auch dadurch vom zweiten Teil, der Maries Geschichte erzählt.
Die politischen Verhältnisse in der Gründerzeit und zu Beginn der Naziherrschaft werden exemplarisch an den beiden Frauen deutlich. Das ist sehr interessant, denn die Politik hat immer wieder Einfluss auf das Leben der einzelnen Menschen.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen, es ist sehr ausdrucksstark geschrieben und man kommt den beiden Frauen sehr nahe. Es wird niemals kitschig oder sentimental.
Ein lesenswertes Buch!