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Herbstrose

Bewertungen

Insgesamt 209 Bewertungen
Bewertung vom 20.01.2021
Vati
Helfer, Monika

Vati


ausgezeichnet

Erinnerung an den Vater!

Nach dem Erfolg ihre Buches „Die Bagage“ schrieb Monika Helfer nun ein weiteres Erinnerungsbuch, diesmal über ihren Vater, Josef. „Vati“ sollten ihn seine Kinder nennen, dies würde modern klingen, meinte er, und dies ist auch der Titel des Buches. In einem angenehmen plaudernden Erzählstil, so als würde man bei einer Tasse Kaffee zusammen sitzen, berichtet die Autorin über ihr Leben, ihre Kindheit und natürlich über den Vater, diesen ganz besonderen Mann, der im Krieg ein Bein verlor und im Lazarett Grete, eines der vielen Kinder der „Bagage“, kennen lernte. Sie war seine große Liebe, wurde seine Frau und die Mutter von vier seiner sechs Kinder. Seit seiner Kindheit liebte er Bücher, wollte sie besitzen und träumte von einer eigenen Bibliothek. Sein Traum erfüllte sich, als er Verwalter des Kriegsopfer-Erholungsheimes in den Bergen wurde. Dort, inmitten der herrlichen Natur, wuchsen Monika Helfer und ihre drei Geschwister auf. Doch dieses Glück währte nicht ewig, irgendwann schlug das Schicksal erbarmungslos zu. Hier weiter zu erzählen würde m.E. zu viel der Geschichte vorweg nehmen. Nur so viel sei gesagt, dass das Leben des Vaters und der ganzen Familie in völlig anderer Richtung weiter verlief …

So schweigsam wie ihr Vater war, so verhalten berichtet die Autorin von dessen Leben. Sie geht dabei nicht chronologisch vor, sondern erzählt einzelne Episoden, wie sie gerade aus der Erinnerung auftauchen. Auch die ganze Verwandtschaft, Brüder und Schwestern der Großeltern, Onkel und Tanten der Autorin und ihrer Geschwister, sind in die Geschichte involviert und steuern mit teils kuriosen Ereignissen und Begebenheiten zum guten Gelingen des Buches bei. Dabei entsteht eine Stimmung, die tief berührt und beeindruckt und gelegentlich an die eigene Kindheit erinnert, an Erlebnisse, die man längst vergessen glaubte. Monika Helfer erzählt viel von sich selbst, von ihrem teils zwiespältigen, teils innigen Verhältnis zum Vater, was diese Biografie sehr persönlich macht. Das Buch gibt dem Leser einen tiefen Einblick in die Verhältnisse der Nachkriegszeit und ist gleichzeitig die Würdigung eines Mannes, dessen Leben und dessen Psyche vom Krieg geprägt wurden.

Fazit: Schonungslos ehrlich und sehr persönlich, ein wunderbares Buch, das ich gerne weiter empfehle.

Bewertung vom 06.01.2021
Im Land der Weihnachtssterne / Weihnachtsstern-Saga Bd.1
Thannbach, Lea

Im Land der Weihnachtssterne / Weihnachtsstern-Saga Bd.1


sehr gut

Wie der Weihnachtsstern die Welt eroberte
Nach dem Tod ihrer Mutter findet Stella in ihren Unterlagen eine Einladung zum Poinsettia-Ball, der alljährlich am 12. Dezember im kalifornischen Laguna Beach stattfindet. Sie erfährt, dass sie dort eine Familie hat, von der sie bisher nichts ahnte und beschließt, die Einladung anzunehmen. In Kalifornien erfährt Stella dann nach und nach die Geschichte ihrer Familie: wie 1910 Felizitas Eltern von München auswanderten, wie Felizitas den Farmerssohn Philipp kennen und lieben lernt und wie sie gemeinsam eine unbekannte wilde Pflanze entdecken und beschließen, diese anzubauen. Noch ahnen sie nicht, dass sie bald die prachtvollste Weihnachtspflanze der Welt züchten werden …
Die Autorin Lea Thannbach wurde 1991 geboren und wuchs in der Nähe von München auf. Sie studierte Journalistik an der Universität Eichstätt, war Mitglied der Drehbuchwerkstatt „Toptalente“ und wurde für das „First Movie Plus"-Programm des Filmzentrums Bayern ausgewählt. Neben dem Schreiben gilt ihre Leidenschaft dem Reisen in ferne Länder, wo sie oft Inspirationen für neue Geschichten findet. (Quelle Thalia)
Der Roman „Im Land der Weihnachtssterne“ beruht auf der wahren Geschichte einer deutschen Familie, die Anfang des 20. Jahrhunderts auswanderte, um sich in Kalifornien ein neues Leben aufzubauen. Wir begleiten Felizitas, die Tochter der Familie, von 1910 bis etwa 1918 und sind mit Stella im Jahre 2005 auf den Spuren ihrer Urgroßmutter und deren Nachkommen - und erfahren dabei auf unterhaltsame Weise wie die beliebte Pflanze, die heute zur Weihnachtszeit in jedem Wohnzimmer steht, einst entdeckt und kultiviert wurde.
Der Schreibstil ist leicht und flüssig, sehr angenehm zu lesen und gut dem Genre angepasst. Liebevoll recherchierte Details und großartige Landschaftsbeschreibungen machen das Lesen zum Vergnügen. Die Figuren sind gut ausgearbeitet, wirken sehr lebensecht und ihre Handlungen sind meist nachvollziehbar. Das Geschehen wechselt kapitelweise zwischen früher und heute. Als Leser bekommt man einen umfassenden Eindruck von den Schwierigkeiten, mit denen die Auswanderer damals zu kämpfen hatten. Unerwartete Wendungen, zu Herzen gehende Liebesbeziehungen und schwierige Zeiten wechseln in rascher Folge mit heiteren und fröhlichen Begebenheiten, was die Geschichte abwechslungsreich gestaltet und die Spannung hoch hält.
Sehr schön ist im Anschluss an den Roman der Weihnachtsgruß der Autorin, in dem sie u. A. erklärt, durch welche Umstände sie zum Schreiben dieser Geschichte angeregt wurde, sowie eine Leseprobe zum nachfolgenden Buch „Wiedersehen im Land der Weihnachtssterne“.
Fazit: Ein netter, kurzweiliger Roman mit gutem geschichtlichen Hintergrund, der besonders für gemütliche Lesestunden während der Weihnachts- bzw. Winterzeit geeignet ist.

Bewertung vom 28.12.2020
Drei Frauen im Schnee (eBook, ePUB)
Imboden, Blanca

Drei Frauen im Schnee (eBook, ePUB)


gut

„Alles wird gut“ – wirklich?
„Alles wird gut“ – ein Spruch, den Sonja sich immer wieder vorsagt, - „alles wird gut“. Eigentlich wollte sie dieses Jahr mit ihrem Mann und ihren Zwillingen Weihnachten ganz anders feiern, doch ihre im Haus lebende Schwiegermutter bestand wie immer auf die althergebrachten Rituale und lud zudem zum Fest noch ihre beste Freundin samt altem Dackel ein. Als sie dann am Weihnachtsabend, entgegen dem ausdrücklichen Wunsch der Eltern, den Zwillingen auch noch einen jungen Hund schenkt, gerät das Fest aus den Fugen und Sonja ergreift die Flucht. Bei ihrer nächtlichen Wanderung lernt sie zwei Frauen kennen, die einsame Bernadette und die junge Witwe Karin, mit denen sie sofort Freundschaft schließt. Als auch noch Silvester anders als erwartet verläuft, ist das Maß für Sonja voll. Gemeinsam mit Bernadette zieht sie in Karins Hotel auf dem Stoos in den verschneiten Schweizer Bergen. Dort erwarten die drei Freundinnen turbulente und aufregende Zeiten …
Die Autorin Blanca Imboden wurde 1962 im schweizerischen Ibach geboren, wo sie auch heute noch lebt. Bevor sie zu schreiben begann war sie Sängerin, arbeitete viele Jahre bei einer Zeitung als Redaktionssekretärin und wurde dann Seilbahnfahrerin an der Seilbahn von Morschach auf dem Stoos. Heute schreibt sie unterhaltsame Frauenbücher, die alle Schweizer Bestseller wurden und deren Handlung überwiegend in ihrer Heimat angesiedelt ist.
„Drei Frauen im Schnee“ ist eine Geschichte, die wunderbar in die Weihnachtszeit passt. Wer kennt nicht den Stress vor und während der Feiertage, die Besuche von Verwandten und die kleineren oder größeren Reibereien und Differenzen – Themen, die hier humorvoll und scharfsinnig aufgegriffen wurden. Mit ihrem leichten, lockeren Schreibstil gelingt es der Autorin, auch ernstere Probleme mit einem Hauch Ironie zu würzen. Sympathische Menschen, schöne Bergwelt und viel Schnee sind weitere Zutaten, um sich mit diesem knapp 200 Seiten umfassenden Buch eine kurze, unterhaltsame Auszeit während der Festvorbereitungen zu schaffen. Die Freundschaft der drei Frauen, ihr Zusammenhalt und ihre gegenseitige Unterstützung, hinterlässt beim Schmökern ein wohliges Gefühl.
Fazit: Eine locker-leichte Geschichte ohne großen Anspruch, im Idealfall in der Zeit um Weihnachten und Neujahr zu lesen.

Bewertung vom 28.12.2020
Miss Bensons Reise
Joyce, Rachel

Miss Bensons Reise


ausgezeichnet

Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum!
Seit ihr Vater als Kind ihr davon erzählte träumte Margery Benson davon, den bisher unentdeckten „Goldenen Käfer von Neukaledonien“ zu finden. Doch stattdessen ging sie Tag für Tag dem ungeliebten Beruf als Lehrerin nach, bis sie nach einem Vorfall in der Schule alles hinschmiss und kündigte. Nun, als bereits 46Jährige, trifft sie Vorbereitungen für eine Expedition ans andere Ende der Welt. Margery heuert die junge Enid Pretty als Begleiterin an, was sich jedoch bald als Reinfall erweisen sollte. Die beiden Frauen hatten zunächst so gar nichts gemeinsam, ja waren sich sogar unsympathisch, hielten aber in Notlagen zusammen. Ein einschneidendes Ereignis sollte dann die Wende bringen, aus der sich eine tiefe Freundschaft entwickeln wird …
Die 1962 in London geborene Autorin Rachel Joyce ist eine britische Schauspielerin und Schriftstellerin, die bereits 2012 mit „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ einen Bestseller schrieb, der für den Booker Prize nominiert war und den „New Writer oft he Year Award“ gewann. Sie studierte Englisch an der Bristol University in London und arbeitete zunächst als Schauspielerin und dann als Hörspielautorin für die BBC. Rachel Joyce ist mit dem Schauspieler Paul Venables verheiratet und hat vier Kinder.
„Miss Bensons Reise“ ist eine mitreißende Geschichte, tragisch und traurig, aufregend und spannend, auch lustig und vergnüglich – jedoch immer bewegend und faszinierend. Ein schön komponierter Schreibstil, großartige Landschaftsbeschreibungen und viele interessante Themen erwarten den Leser in dieser reizvollen Geschichte. Man ist hautnah am Geschehen beteiligt und begibt sich mit den Protagonistinnen auf eine gefahrvolle Reise ans andere Ende der Welt. Man erlebt mit ihnen spannende Abenteuer, bangt und leidet so manches Mal mit ihnen, kann aber auch mit ihnen über mannigfache Missgeschicke lachen. Dramatische Naturphänomene und gefahrvolle Bergtouren sind so eindringlich geschildert, dass man beim Lesen den Atem anhält. Tragische menschliche Schicksale lassen mitleiden und Erfolgserlebnisse mitfreuen. Dass einige Passagen etwas klischeehaft und leicht überzogen sind und manches gar etwas unrealistisch anmutet, übersieht man gerne, da es nur das Lesevergnügen steigert. Eingefügte Erlebnisse aus der Vergangenheit der Protagonisten wecken das Verständnis für manch unmotivierte Handlung und tragen so zum intensiveren Erleben bei.
Fazit: Ein wunderschönes Buch, das zahlreiche Themen des menschlichen Lebens anspricht und Mut macht, lange gehegte Träume zu verwirklichen.

Bewertung vom 19.12.2020
Zeit der Wunder / Kinderklinik Weißensee Bd.1
Blum, Antonia

Zeit der Wunder / Kinderklinik Weißensee Bd.1


sehr gut

Anfänge der Kinderheilkunde …
Nach dem Tod ihrer Mutter kamen die beiden Schwestern Marlene und Emma Lindow ins Waisenhaus, ein vermeintlicher Makel in der damaligen Zeit. Sie sind deshalb überglücklich, als sie 1911 im Alter von 20 und 18 Jahren das Waisenhaus verlassen und eine Ausbildung als Krankenschwester in der neu errichteten Kinderklinik Weißensee in Berlin beginnen dürfen. Obwohl sie bald zu den besten Lernschwestern gehören, begegnen ihnen auch dort viele Vorurteile. Sind doch ihre Mitschwestern alle aus bestem Hause, die auf die Geschwister herabsehen und selbst vor Intrigen nicht zurückschrecken. Aber auch das Verhältnis der Schwestern zueinander trübt sich zusehends. Die eher schüchterne Emma verliebt sich in einen jungen Hallodri und geht ganz in ihrem Beruf auf, während die forschere Marlene sich in einen Arzt verliebt und selbst Kinderärztin werden möchte …
Antonia Blum ist das Pseudonym eines deutschen Schwesternpaares. Gemeinsam haben sie bereits mehrere erfolgreiche historische Romane veröffentlicht. Als sie auf die faszinierende Geschichte der Kinderklinik Weißensee stießen, war ihnen sofort klar, dass sie ein Buch darüber schreiben wollten. (Quelle: Thalia)
Antonia Blum lebte längere Zeit in Berlin, ohne den Weißen See dort je gesehen zu haben. Erst Jahre später, nachdem sie die Hauptstadt längst verlassen hatte, entdeckte sie durch einen Zufall die Ruine der einstigen Kinderklinik Weißensee und kommt seitdem von dem Ort und seiner bewegten Geschichte nicht mehr los. Heute fährt Antonia Blum nicht nur zum Spazierengehen an den Weißen See, der dem Berliner Stadtteil seinen Namen gab. Sie ist überzeugt, dass dort ein Tor in die Vergangenheit existiert. (Quelle: eBook-Text)
Nun, wie auch die Vita der Autorin sein mag, im Nachwort des Buches steht, dass die Geschichte von Marlene und Emma als Elevinnen der Säuglingsklinik fiktiv ist, sie sich aber sonst an die überlieferten Fakten der Klinik gehalten habe. Dass dem Buch eine gründliche Recherche vorausgegangen ist, ist der überaus fesselnden Geschichte zu entnehmen. Man ist sofort zurückversetzt in die Zeit des Deutschen Kaiserreiches, als die Kinderheilkunde noch in den Kinderschuhen steckte und Frauen begannen, nach und nach ihre Eigenständigkeit zu entdecken. Der Schreibstil ist flüssig und ausdrucksstark, der Klinikalltag könnte sich so abgewickelt haben und sämtliche Personen wirken authentisch. Das Schicksal der beiden Schwestern wirkt überzeugend und ist gekonnt mit den medizinischen Gegebenheiten der damaligen Zeit verknüpft. Das Geschehen ist zwar stellenweise etwas klischeehaft und vorhersehbar, wie aber niemals langweilig. Man darf auf die Fortsetzung gespannt sein.
Fazit: Gut gelungener Auftakt einer Serie, deren 2. Teil „Kinderklinik Weißensee – Jahre der Hoffnung“ am 27. September 2021 erscheinen soll.

Bewertung vom 15.11.2020
Dort, wo die Zeit entsteht
Wengenroth, Claudia

Dort, wo die Zeit entsteht


ausgezeichnet

Wenn in den Rauhnächten die Zeit stillsteht …

Um sich vom Ärger und Stress in der Klinik zu erholen, beschließt die junge Ärztin Katharina ihre Weihnachtsferien in der Berghütte der Familie zu verbringen. Sie fährt hin, ohne jemanden davon in Kenntnis zu setzen – sie will ihre Ruhe, will alleine sein. Kaum angekommen erscheint auch schon Irmelin, die alte Bäuerin die nach dem Rechten sieht wenn die Hütte leer steht. Irmelin ärgert sich, ausgerechnet die Rauhnächte, die zwölf Tage von Weihnachten bis Dreikönig, in denen sich Geister eine wilde Jagd liefern und die in den Bergen schon immer als besonders gefährlich galten, hat sich die Städterin ausgesucht. Sie macht einige Andeutungen und gibt Katharina den Rat, auf ihre Träume zu achten. Die junge Frau ist plötzlich verunsichert …

Claudia Wengenroth, die Autorin der Geschichte, wurde 1971 in Leipzig geboren und wuchs auch dort auf. Bevor sie Medizin studierte machte sie eine Ausbildung als Physiotherapeutin. Heute lebt und arbeitet sie als Ärztin im Weserbergland.

Eine mystische Geschichte, auf die man sich ganz einlassen muss. Ich bin froh, sie nicht während der Rauhnächte, der unwirtlichen Zeit zwischen den Jahren, der Zeit der langen Nächte und der Stürme mit Schneetreiben in den Bergen, gelesen zu haben. Denn kaum ist Katharina alleine, beginnen sich bei ihr Traum und Wirklichkeit zu vermischen. Angst macht sich in ihr breit, sie befindet sich in einem magischen Zustand und kann plötzlich Tiere sprechen hören. Jetzt sind nur noch die Kräfte der Natur bedeutsam, Stress, Hektik und Zeit sind unwichtig. Jetzt gilt es, Ängste zu überwinden und zu sich selbst zu finden.

Der Schreibstil der Autorin ist nicht einfach zu lesen, man muss sich darauf einlassen und sich in den Bann der Geschichte ziehen lassen. Dann ist alles ist sehr poetisch, mystisch, magisch und geheimnisvoll spannend. Ist man am Ende wieder zurück in der realen Welt muss man sich erst einmal besinnen und über das Erlebte nachdenken. Man kann viel hinein interpretieren, doch jeder Leser wird es wohl anders empfinden und anders erleben.

Fazit: Eine märchenhafte Geschichte voller Magie, auf die man sich ganz einlassen sollte – nur dann wird das Gelesene wirklich zum Erlebnis.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.11.2020
Der stumme Zeuge (eBook, ePUB)
Silvestre, Edney

Der stumme Zeuge (eBook, ePUB)


gut

Sao Paulo/Brasilien: Olavo Bettencourt hat alles im Leben erreicht - er ist Inhaber einer bedeutenden Werbeagentur, hat eine bildhübsche Frau und einen Sohn, der einmal seine Nachfolge antreten soll, und er ist mit allen bekannten Persönlichkeiten von Politik und Wirtschaft befreundet, für die er ihre dunklen Geschäfte abwickelt und dafür lukrative Aufträge erhält. Doch dann erscheint plötzlich ein Inspektor der Bundespolizei mit der Nachricht, seine Limousine wäre überfallen, der Chauffeur erschossen und sein Sohn entführt worden. Aber es war nicht sein Sohn, es war der taubstumme Junge seiner Hausangestellten Irene, der sich im Wagen befand. Während Bettencourts Frau Mara entsetzt und fassungslos reagiert, will er diesen Umstand für seine Zwecke ausnutzen und fasst einen perfiden Plan …

Der Autor Edney Silvestre wurde 1950 in Brasilien geboren und ist in seinem Heimatland ein bekannter Journalist und Fernsehmoderator. Nach mehreren Jahren als Korrespondent in New York lebt er heute wieder in Brasilien. „Der stumme Zeuge“, 2011 im Original erschienen, ist sein zweiter Roman.

Wer einen klassischen Kriminalroman erwartet, wird wohl enttäuscht werden. Die Entführung eines Kindes ist hier der Aufhänger, um die korrupten Machenschaften von Politik, Finanzwelt und Polizei in Brasilien gegen Ende der 1980er Jahre aufzuzeigen. Es gibt keine Ermittlungen, und die wahren Verbrecher sind eher die Herren der Elite als die kleinen Gangster. Was uns der Autor bietet ist eine unterhaltsame Analyse der Klüngelwirtschaft zwischen den einzelnen Interessengruppen und eine interessante psychologische Studie menschlichen Verhaltens in Stresssituationen. Das Geschehen spielt sich innerhalb zwei Tagen ab, unterbrochen von gelegentlichen Rückblenden, wechselt rasch zwischen den verschiedenen Protagonisten und Schauplätzen und zeichnet somit eine Momentaufnahme im Leben verschiedener Gesellschaftsschichten. Da der kriminalistische Teil leider nur als Nebenstory mitläuft, hat die Geschichte auch kein richtiges Ende. Für einige Personen war es ein Wendepunkt im Leben, andere haben Veränderungen zu erwarten – ansonsten bleibt alles offen.

Fazit: Unterhaltsame Story über die korrupten Verhältnisse in Brasilien Ende der 1980er Jahre. Die Bezeichnung „Kriminalroman“ fand ich irreführend, daher von mir Punktabzug.

Bewertung vom 05.11.2020
Der Massai, der in Schweden noch eine Rechnung offen hatte
Jonasson, Jonas

Der Massai, der in Schweden noch eine Rechnung offen hatte


sehr gut

Rache ist süß GmbH

Nach dem Tod der Mutter muss der engherzige und geldgierige Kunsthändler Victor Alderheim, der durch Erbschleicherei zu seinem Vermögen kam, für seinen unehelichen und dazu noch dunkelhäutigen Sohn Kevin sorgen. Unnütze Geldausgaben, die ihm mit der Zeit lästig sind. So fliegt Victor kurzerhand mit Kevin nach Afrika und setzt ihn in der Savanne aus, wo er vom Medizinmann Ole Mbatian als der lang ersehnte, und nun von Gott gesandte, Sohn entdeckt und aufgenommen wird. Dort unter den Massai fühlt Kevin sich wohl, bis er Jahre später am Ritual der Beschneidung teilnehmen soll. Das gefällt ihm absolut nicht, und so machte er sich auf den Weg in seine alte Heimat Schweden, nicht ohne vorher noch als Andenken und Zahlungsmittel für unterwegs zwei Bilder seines Ziehvaters mitzunehmen. Auch Ole macht sich auf den Weg nach Schweden, er will seinen Sohn wieder haben. In Stockholm treffen sie sich und mit Hilfe von Hugo Hamlin, Geschäftsführer der „Rache ist süß GmbH“, schmieden sie einen Plan, um sich an Victor Alderheim zu rächen …

Der schwedische Autor Jonas Jonasson wurde 1961 in Växjö/Småland geboren. Nach seinem Studium in Göteborg arbeitete er 20 Jahre lang als Journalist und selbständiger Medienberater, bis er nach Ponte Tresa im Tessin an den Luganersee zog, wo sein erstes Werk „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ entstand. Seit Herbst 2011 lebt Jonasson mit seinem Sohn wieder in Schweden. Er schrieb noch drei weitere Romane, die allesamt viel Beachtung fanden. „Der Massai, der in Schweden noch eine Rechnung offen hatte“ ist das fünfte Buch Jonassons.

Eine herrlich verrückte Geschichte voller Situationskomik, die uns der Autor hier serviert. Wir erleben die Jagd nach zwei (real existierenden) millionenschweren Gemälden der deutsch-afrikanischen Künstlerin Irma Stern und einen irrwitzigen Rachefeldzug, bei dem sich die Ereignisse schier überschlagen. Skurrile Figuren, von denen die meisten trotz ihrer Schrullen und Verschrobenheit doch recht liebenswert sind, bevölkern das Geschehen. Der unverwechselbare Schreibstil des Autors, erfrischend schlicht gehalten und immer passend zu seinem ganz eigenen sarkastischen schwarzen Humor, fesselt den Leser und lässt ihn aus dem Schmunzeln nicht mehr heraus kommen. Auch für ausreichend Spannung ist gesorgt, denn für Geld gehen manche Zeitgenossen auch gerne mal über Leichen.

Fazit: Ein MUSS für Freunde des schwarzen Humors und eine Empfehlung für Leser, die nicht alles für bare Münze nehmen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.10.2020
Ada
Berkel, Christian

Ada


gut

Mit ihrer Familie hat Ada schon vor Jahren gebrochen, aber um ihren Bruder wieder zu sehen geht sie ins Theater, es ist der 9. November 1989, der Tag des Mauerfalls. Sie verfehlt ihn, lässt sich dann alleine von den Massen durch die Straßen Berlins schieben und hängt ihren Gedanken nach. Wer ist sie, wo gehört sie hin? Sie ist jetzt 45 Jahre alt, in Argentinien aufgewachsen, lebt aber seit ihrem 9. Lebensjahr wieder in Berlin - aber ist sie hier auch zu Hause? Um ihre Identität zu klären und zu sich selbst zu finden begibt sie sich in die Hände eines Psychologen, dem sie nach und nach ihre Lebensgeschichte erzählt …
Der Autor Christian Berkel ist ein bekannter deutscher Schauspieler. Er wurde 1957 in West-Berlin geboren und ist mit der Schauspielerin Andrea Sawatzki verheiratet. Das Paar hat zwei Söhne.
In seinem erstem Roman „Der Apfelbaum“ aus dem Jahr 2018 beschreibt Berkel die Geschichte seiner Familie und setzt sich dabei mit Eltern und Großeltern auseinander. Sein zweiter Roman „Ada“ ist als Fortsetzung seiner Familiengeschichte gedacht, wobei es sich bei der Protagonistin Ada um eine fiktive Person handelt, denn Berkel hat keine Schwester. Laut Aussage des Autors ist das Ganze als Trilogie geplant und ein dritter Teil bereits in Bearbeitung.
Es ist Adas Lebensgeschichte die sie nun, 45jährig, bei einem Psychologen aufarbeitet. Sie ist planlos und unzufrieden mit ihrem Leben, zerrissen von Ängsten und Zweifel über ihre Herkunft und ohne Perspektive für die Zukunft. Sie leidet unter dem Schweigen der Eltern, weiß nichts über die NS-Zeit, weiß nicht wie ihre jüdische Mutter den Krieg überstand und wie ihr Vater die Gefangenschaft überlebte. Sie erlebt das Wirtschaftswunder, den Mauerbau und die Studentenrevolten der 68er-Jahre, macht Erfahrungen mit Drogen und fliegt 1969 nach Amerika, um drei Tage in Woodstock dabei zu sein.
Dieses Buch zu beurteilen fällt mir nicht leicht. Dass der Autor schreiben kann hat er hier wieder bewiesen, dennoch konnte mich die Geschichte nicht packen. Wenn in dieser Familie nicht über die Vergangenheit geredet wurde, dürfte es sich wohl eine Ausnahme handeln und man muss es so hinnehmen. (In anderen Familien, so auch in meiner, war die NS-Zeit und ihre Folgen durchaus ein Thema.) Adas Lebensgeschichte, die sie in Ich-Form dem Leser selbst erzählt, fand ich in Ansätzen tatsächlich interessant, störend und verwirrend jedoch waren für mich die rasanten Zeitsprünge und Adas teils bizarren Gedankengänge. Ebenso seltsam fand ich den Schluss, der wohl das Interesse auf eine Fortsetzung wecken soll.
Fazit: Ein Buch das unterhält und durch seine Thematik den Leser zum Nachdenken anregt.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.