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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Desiree
Wohnort: 
Wanne-Eickel

Bewertungen

Insgesamt 119 Bewertungen
Bewertung vom 13.10.2022
Die Ewigkeit ist ein guter Ort
Noort, Tamar

Die Ewigkeit ist ein guter Ort


ausgezeichnet

Elke ist Theologin und soll bester früher als später das Amt ihres Vaters übernehmen. Doch ihr passiert, was einer angehenden Pastorin auf keinen Fall passieren sollte: Sie vergisst Gott; selbst das ‚Vater unser’ fällt ihr nicht mehr ein - sie nennt es Gottesdemenz. Erst sucht sie nach der Ursache und als das erfolglos bleibt, versucht sie weiter zu machen, weiß aber trotzdem nicht, wie sie damit umgehen soll. Also besucht sie ihre alte Heimat, doch der Tod ihres Bruders überschattet alles. Sie fängt bei einer Steilwand-Show an, was eine ganz eigene Art von Spiritualität mit sich bringt. Sie nimmt den Graupapagei Gertude, den sie seit ihrer Kindheit kennt, bei sich auf. Bis alles eskaliert und sie mit der Zukunft, der Vergangenheit und Gott konfrontiert wird.
„Die Ewigkeit ist ein guter Ort“ von Tamar Noort ist ein wunderbarer Roman. Und das obwohl ich Religion und vor allem der Kirche aus dem Weg gehen. Ich muss eingestehen, manchmal wurde es etwas viel mit Gott und Kirche, aber das macht der Roman in vielem wieder wett. Er ist sehr amüsant und bevölkert von interessanten Menschen. Außerdem geht es um so viel mehr als um Gott und die evangelische Kirche. Es geht um den Tod und dessen Bewältigung, den Glauben ans Leben und die Zukunft, die vor einem liegt und bewältigt werden will.
Die Charaktere sind unglaublich gut gezeichnet und Elke ist nicht nur sympathisch, was ich persönlich gerne mag. Zur wunderbaren Geschichte, die einige Wendungen parat hält und ich als sehr originell empfunden habe, ist „Die Ewigkeit ein guter Ort“ sprachlich hervorragend. Keine abgedroschenen Klischees oder unnötiges Gelaber, dafür gute Metaphern, passende Bilder und ein herrlich flüssiger Sprachstil.
Ein wirklich gelungener Roman, auch für Menschen, die mit Religion und Kirche nichts am Hut haben.

Bewertung vom 13.10.2022
Unsre verschwundenen Herzen
Ng, Celeste

Unsre verschwundenen Herzen


ausgezeichnet

Die Krise ist überstanden, dank PACT, dem Gesetz zur Erhaltung der amerikanischen Tradition. Patriotismus ist das A und O und der größte Feind China, und damit alle asiatisch aussehenden Menschen. Sie werden schikaniert, geschlagen, ihnen werden die Kinder weggenommen, um zu verhindern, dass noch eine weitere Generation von Spionen großgezogen wird.
Bird lebt bei seinem Vater, der früher an der Uni gearbeitet hat, jetzt aber nur noch einem schlecht bezahlten Job in der Bibliothek nachgeht. Schuld daran ist Margaret, Birds Mutter, deren Eltern aus China einwanderten, die aber rein amerikanisch aufwuchs. Als eine Zeile ihres Gedichtes - unsre verschwundenen Herzen - auf Demonstrationen gegen PACT genutzt wird, rückt sie, aber auch ihre Familie in den Fokus. Um sie zu schützen, verschwindet Margaret, bevor Bird es ist, der plötzlich verschwindet. Nach Jahren erhält Bird einen Brief von seiner Mutter und das ändert alles.
„Unsre verschwundenen Herzen“ von Celeste Ng ist erschreckend und ermahnend, denn da ist der Gedanke, dass es nicht nur Fiktion ist. Tatsache ist, dass viel zu schnell einzelne Gruppen für Krisen verantwortlich gemacht werden und diese Menschen dann besonders diskriminiert werden. Fakt ist, dass Kinder aus ihren Familien gerissen wurden und werden, unter dem Deckmantel sie schützen zu wollen. Und Realität ist, dass man sich schwer gegen Regierungen mit gewissen Machtstrukturen wehren kann. Das alles zeigt dieser Roman sehr anschaulich, nicht nur an Birds Schicksal, sondern er vereint viele Geschichten.
Celeste Ng ist eine grandiose zeitgenössische Autorin, die nicht nur versteht, den aktuellen Zeitgeist in eine Geschichte zu packen, sondern die auch einen Stil hat, der mich staunen ließ. Ihre Metaphern treffen genau und verhelfen diesem Roman zu einer Qualität, die einzigartig ist. Solche Bücher sind wichtig, weil sie eine Welt zeichnen, die gar nicht so weit weg ist, wie wir glauben. Und wollen wir so leben?

Bewertung vom 13.10.2022
Die Mauersegler
Aramburu, Fernando

Die Mauersegler


schlecht

Bestsellerautor Fernando Aramburu hat ein neues Buch geschrieben. Den Vorgänger hab ich nicht gelesen, trotzdem hat mich der neue Roman „Die Mauersegler“ interessiert, nicht zuletzt weil ich das Konzept des Buches, jeden Tag ein Kapitel zu schreiben, spannend fand. Toni ist ein Antiheld par excellence, er ist unsympathisch, ichbezogen und hasst alles und jeden. Er beschließt zu sterben, genau in einem Jahr. Bis dahin will er seine Dinge regeln und schreibt jeden Tag ein Kapitel aus denen dieser Roman besteht. Darin rechnet er ab, mit seinen Eltern, seinem Bruder, seinem Sohn und natürlich seiner verhassten Ex-Ehefrau. Auch sein bester Freund, den er Humpel nennt, bleibt nicht verschont. Nur seine Hündin Pepa kommt gut weg.
Weiter bin ich nicht gekommen. Bis Seite 250 habe ich durchgehalten, nicht zuletzt, weil ich die Idee, einen Roman so aufzubauen, interessant fand und auch die ein oder andere Passage gut war, aber das reicht nicht aus um mich über 830 Seiten bei der Stange zu halten. Es ist mir zu viel Bauchpinselei, zu viel männliches Ego, welches einen Rundumschlag ausführt um seinen Freitod zu rechtfertigen. Toni ging mir immer mehr auf die Nerven und da es nur um ihn ging, konnte ich nicht einmal zwischendurch aufatmen.
Ich fragte mich, was da noch kommen soll? Ich habe schon nach diesen 250 Seiten das Gefühl, die ganze Geschichte zu kennen und die Spannung ist verflogen. Vielleicht hätte er sich kürzer fassen sollen, schneller zum Punkt kommen sollen, aber das fällt gerade Männern erfahrungsgemäß schwer, denn sie hören sich selbst gerne reden, da ist Toni ein Paradebeispiel. Die Redundanz vieler Dinge war ermüdend, so wurden gleich zwei Mal Träume in aller Ausführlichkeit beschrieben, die sich ähneln und ich frage mich immer noch wieso, denn das was sie zeigen sollten, war mir schon vorher klar. Und das ging den ganzen Roman so - bis ich ihn dann nach 250 Seiten abbrach. Ich wollte es durchziehen, aber diese Stunden kann ich auch mit einem besseren Buch verbringen.

Bewertung vom 13.10.2022
Schlangen im Garten
vor Schulte, Stefanie

Schlangen im Garten


ausgezeichnet

Die Mohns haben Mutter Johanne verloren und trauern. Vater Adam taumelt nur noch durch die Welt; der älteste Sohn Steve ist zurück nach Hause gekommen, um irgendwie zu helfen; Linne ist einfach nur noch wütend und Micha weiß nicht wohin. Johanne ist überall, vor allem in ihren Tagebüchern, dessen Worte sie nicht lesen, sondern essen, Streifen für Streifen jeden Tag, doch die Trauer lindert das nicht. Unerwartet kommen die Bille, der Brassert und Marlene auf die Bühne und leisten die Trauerarbeit, die der eigentlich dafür zuständige Ginster bewerkstelligen sollte, aber immer wieder scheitert.
„Schlangen im Garten“ von Stefanie vor Schulte ist der Nachfolger von „Junge mit schwarzem Hahn“, welches ich letztes Jahr geliebt habe. Dieser Roman ist ähnlich, zumindest was die Sprache anbelangt. Sie ist abstrakt und poetisch, doch ist diesmal das Thema anders und scheint mehr in unserer Welt verwurzelt zu sein. Allerdings ist der Schauplatz nur auf den ersten Blick im Hier und Jetzt verhaftet, auch in „Schlangen im Garten“ verschwimmt die Realität und geschehen fantastische Dinge, aber in einem Maß, welches für mich absolut lesbar ist. Stefanie vor Schultes Stil ist deutlich zu erkennen und ich liebe ihre kurzen Sätze, mit denen sie mit Leichtigkeit schafft ganze Szenen und auch Emotionen zu transportieren. Sie beweist, dass man oft nicht so viele Worte braucht wie man meint und auch ihr kreativer Umgang mit der Kombination von Worten hat mir wieder sehr gut gefallen.
„Junge mit schwarzen Hahn“ fand ich noch ein bisschen besser. Vielleicht weil der Fokus auf nur einer Person gelegen hat. Manchmal war es bei „Schlangen im Garten“ arg chaotisch und verworren, sodass ich drohte in den Seiten verloren zu gehen. Trotzdem ist er ein ganz besonderer Roman über Verlust, Trauer und dessen Bewältigung. Und ich werde mit Sicherheit noch die hoffentlich zahlreichen Nachfolger lesen, die wahrscheinlich auch wieder so ein schönes Cover bekommen.

Bewertung vom 13.10.2022
Intimitäten (eBook, ePUB)
Kitamura, Katie

Intimitäten (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Erzählerin von „Intimitäten“ ist Dolmetscherin am internationalen Gerichtshof in Den Haag. Ihr Leben lang war sie wurzellos und das ändert sich auch hier nicht. Sie lernt Adriaan kennen, aber dieser ist noch zu sehr mit seiner gescheiterten Ehe beschäftigt, um ihr in irgendeiner Weise Sicherheit zu geben und lässt sie wortlos zurück. Ihre Arbeit ist anspruchsvoll und anstrengend. Sie ist den Manipulationen der Mächtigen ausgesetzt und bemüht sich ihre Job gut zu machen, da sie sich ihrer Verantwortung mehr als bewusst ist. Und dann ist da noch die Sache mit dem zusammengeschlagenen Buchhändler in der Nachbarschaft ihrer Freundin, der ihr zusätzlich Rätsel aufgibt. Sie hadert mit sich: soll sie bleiben oder gehen. Die Einsamkeit, die sie verspürt, wird immer größer, genauso wie das Schweigen um sie herum.
„Intimitäten“ von Katie Kitamura ist genau das: intim. Die Erzählerin ist eine unheimlich gute Beobachterin und saugt die Nuancen ihrer Umwelt auf, um sie gekonnt zu interpretieren, aber nicht zu werten, was eine Kunst für sich ist. Sie selbst tritt dabei zurück, bleibt unscheinbar, fast unsichtbar. Der Fokus liegt auf ihrer Umwelt, auf den Gräueltaten der Politiker, auf dem Schweigen des Buchhändlers und Adriaans, auf dem Lesen zwischen den Zeilen ihrer Umgebung. Diese ganzen Heimlichtuereien werden überdeutlich und erschließen eine ganz eigene Wahrheit. Eine Wahrheit, die in übersetzter Sprache verborgen sein kann.
Mir hat „Intimitäten“ gut gefallen. Es ist komplexer als die 220 Seiten anfangs vermuten lassen und es verbirgt sich viel im Dazwischen, in den geschilderten Beobachtungen, die die Leser*innen selbst bewerten können. Die Erzählerin bleibt (meiner Meinung nach gewollt) kontur- und farblos, was im Zusammenspiel mit ihrer Umgebung unterm Brennglas eine besondere Art des Erzählens entstehen lässt und eine beeindruckende Wirkung entfaltet. Die Wahrheit dieses Romans ist komplex, wird aber ruhig vermittelt in einer lauten Welt.

Bewertung vom 13.10.2022
Auf See
Enzensberger, Theresia

Auf See


ausgezeichnet

Yada lebt in Seestatt, welches von ihrem Vater errichtet wurde, weil er denkt, die Welt stehe kurz vor dem Untergang. Was als autarke Lebensrealität gedacht war, entpuppte sich langsam als sektenförmiges Gebilde und Yada beginnt an dem Leben zu zweifeln, das ihr aufgezwungen wird. Ihren Vater bekommt sie nur selten zu Gesicht, meist ist er auf Reisen. Ihre Mutter ist angeblich einer mysteriösen Krankheit zum Opfer gefallen und auch so sei sie psychisch labil gewesen. Und dann ist da noch die Künstlerin Helena, die den Glauben an alles verloren hat und nur noch im Exzess lebt. Sie gründet eher versehentlich eine Sekte, will sich aber mit ihren Jünger*innen nicht beschäftigen und flieht vor etwas, was sie selbst nicht begreift.
„Auf See“ von Theresia Enzenberger ist komplex, aber auch gradlinig. Es erzählt keine neue Geschichte, aber so wie sie erzählt wird, gab es sie noch nicht: in vielem innovativ, so wie auch die Seestatt, aber dann auch wieder altbekannt. Es werden wichtige Themen beleuchtet wie Sekten, Glaubensgemeinschaften, Sinnkrisen und die drohende Unmöglichkeit in der Zukunft einen Lebensraum zu besitzen, den man auch bezahlen kann. Das alles vereint Theresia Enzensberger und macht eine runde Geschichte daraus, die alles enthält, was einen guten Roman ausmacht: ein bisschen Liebe, ein bisschen Intrige, Chaos, Lüge, Entwicklung. Die Perspektivwechsel und das langsame Entblättern der Wahrheit macht es einem schwer, den Roman zur Seite zu legen und gerade die gut gezeichneten Frauen gefallen mir sehr. Sprachlich ist es gut, nicht übermäßig poetisch, aber solide abliefernd und in dem Kontext passend. Das Einzige was mich etwas gestört hat, war das Gendern. Nicht das gegendert wurde (das ist mir sehr wichtig), sondern das mal nicht und dann doch. Das hat mich etwas stocken lassen. Wirklich schaden, tut es „Auf See“ aber nicht. Es ist ein gelungener, etwas futuristisch anmutender Roman, der zeigt, dass die Zukunft näher ist, als wir glauben.

Bewertung vom 13.10.2022
Lügen über meine Mutter
Dröscher, Daniela

Lügen über meine Mutter


ausgezeichnet

Ela wächst in einer scheinbar normalen Familie auf. Sie berichtet wie sie eine Schwester bekommt, ihr Opa stirbt und ihre Mutter erbt, wie ein großes neues Haus gebaut wird. Im Mittelpunkt steht die Beziehung ihrer Eltern, die hochgradig toxisch und von den Schikanen, welche die Mutter durch den Vater erleidet, geprägt ist. Dieser findet nämlich, dass seine Frau zu dick und damit nicht repräsentativ ist. Deswegen wird er nicht befördert und kann auch nicht das Leben führen, welches er möchte.
„Lügen über meine Mutter“ von Daniela Dröscher tut weh. Ich musste es öfter aus der Hand legen, weil ich den Vater einfach nicht ertragen habe, seine Sprüche, seine Vorhaltungen, seine wirren Ideen. Und dann die Passivität der Mutter, die das aushält, die manchmal rebelliert, aber eher im Stillen, um dann doch klein beizugeben. Ich hätte ihn am liebsten geschlagen und sie ordentlich durchgeschüttelt, denn auch wenn er immer so tut, als würde sie von ihm abhängen, stimmt das nicht. Sie schmeißt alles, sie pflegt ihre Mutter, sie hütet die Kinder, macht den Haushalt, kocht, erledigt jegliche Carearbeit, kümmert sich um die Rechnungen, die sie natürlich von ihrem Geld bezahlen muss und selbstverständlich geht sie noch Arbeiten. Die Rollenverteilung ist so klassisch wie veraltet und der Vater ist das Paradebeispiel eines Ehemanns, dem es ausschließlich wichtig ist eine schlanke und für ihn damit vorzeigbare Ehefrau zu haben.
Wut war meine primäre Emotion und das macht das Buch so wichtig. Es zeigt eine Lebensrealität, die immer noch zu oft als unwichtig angesehen wird: die der Ehefrauen, die sich um alles kümmern, um zum Dank noch einen blöden Spruch über ihr Aussehen zu kassieren. Verpackt ist der Roman auch toll, nicht nur mit einem schönen Cover, sondern auch mit sehr gut gewählten Worten. Klischees benutzt Daniela Dröscher nur bewusst und sie hat einen sehr gekonnten Stil. Ebenfalls hat mir gefallen, dass Ela als Erwachsene das Gespräch mit ihrer Mutter sucht.
Absolut lesenswert.

Bewertung vom 13.10.2022
Die Wunder
Medel, Elena

Die Wunder


ausgezeichnet

María und Alicia leben in Madrid. Maria ist Alicias Großmutter, doch kennen tun sie sich nicht. Sie haben keinen Kontakt - hatten sie auch nie. Aus verschiedenen Gründen hat es sie in die Großstadt verschlagen und doch haben sie vieles gemein. Beide schuften für ihren Lebensunterhalten, kämpfen, um über die Runden zu kommen; beide hängen der Vergangenheit nach und ihre Herkunft können sie nicht vergessen.
In „Die Wunder“ von Elena Medel begleiten wir die beiden Frauen durch verschiedene Lebensabschnitte, sind dabei, wenn Tragisches und Einschneidendes passiert. Wir bekommen mit wie ihre Lebenträume sich wandeln müssen. Wir lesen uns nach Spanien, wo Frauen mal wieder wenig zu sagen haben und wo Männer zusammensitzen, die Frauen das Wissen und das Interesse an Politik absprechen.
Dieses Buch ist wichtig, weil es die Realität von Frauen erzählt, dessen Stimme zu lange nicht gehört wurde und die noch immer ausgeschaltet werden soll. Es geht um Frauen der Arbeiterklassen, die genauso viel zum Haushalt beitragen wie die Männer, denen am Stammtisch aber kein Mitspracherecht zugestanden wird. Es zeigt eine Welt des Verhandelns, eine Lebensrealität, wo für das eine, was anderes hergegeben werden muss. Etwas was Männer so nicht müssen, denn sie sind es, die die Entscheidungsgewalt haben, die die Macht haben, einfach aufgrund des Geschlechts.
Dabei werden die Männer mitnichten als Mistkerle dargestellt, alle Männer in Alicias und Marías Umfeld sind anständige Kerle, die ihr Bestes geben und die Frauen ihrer Familie unterstützen, doch aus dem gängigen Strukturen schaffen sie es nicht gänzlich auszubrechen.
Elena Medels lyrischen Hintergrund erkennt man sofort, so manche Stelle mutet sehr poetisch an, aber das erzählerische kommt nicht zu kurz und es entspinnt sich eine Geschichte über die Jahrzehnte hinweg, eine Geschichte zweier Leben, die verbunden sind und doch getrennt. Ein feinsinniger Roman, der mehr erzählt als in den Worten offensichtlich ist.

Bewertung vom 13.10.2022
Meine bessere Schwester
Wait, Rebecca

Meine bessere Schwester


gut

Alice und Hanna sind Zwillingsschwestern. Die einzige Gemeinsamkeit sind ihre Eltern, denn sie sind grundverschieden. Alice will niemals anecken; Hanna macht, was sie will, ohne Rücksicht auf Verluste. Der ältere Bruder Michael steht über allem und wird von Mutter Celia, die an den Schwestern kein gutes Haar lässt, angehimmelt. Celia ist eh ein spezieller Charakter - egozentrisch und ichbezogen wäre noch untertrieben. Konflikte und Reibereien kennt Celia bereits aus ihrer Kindheit, doch daraus gelernt hat sie nicht. Sie stichelt munter weiter und spielt alle gegeneinander aus, um nicht allein zu bleiben, was aber gerade die Konsequenz ihres Verhaltens ist.
Nachdem es fast zu spät ist, kommt die Familie auf der Beerdigung von Celias Schwestern zusammen und nähern sich in Zeitlupentempo mit Rückschlägen wieder an. Dabei springt die Erzählung in der Zeit und erklärt so, wie es zu dem Zerwürfnis kam.
„Meine bessere Schwester“ von Rebecca Wait schildert genau das: Die Schwester ist immer besser. Ob es sich nun um Hanna, Alice oder Celia handelt; alle empfinden sich als minderwertig gegenüber ihrer Schwester. Ich fand die Charaktere sehr extrem gezeichnet. Alice ist ausgesprochen duckmäuserisch, Celia geradezu ichsüchtig, Hanna absolut feindselig. Der Vater ist nichtssagend und meist abwesend und Michael arrogant. Mir war das alles ein bisschen zu viel und jede*r einzelne ging mir auf die Nerven. Zum Schluss wurde es ein wenig besser, gerade Hanna und Alice.
Der Roman ist eine Familiengeschichte mit scheinbar originellen Aspekten: ein ausgebüxtes Frettchen (nein, Frettchen knabbern nichts an, sie klauen nur!), einem Tretrollerunglück und einem Unfalltod, der nicht alle Tage vorkommt. Aber die Blurbs auf der Rückseite versprechen viel, was meiner Meinung nach nicht gehalten wird. Einzig die Schilderung, der psychischen Erkrankungen fand ich interessant, aber mehr auch nicht. Ein okeyes Buch, aber keines, was mich vom Hocker riss.