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Insgesamt 577 Bewertungen
Bewertung vom 08.07.2008
Absturz
Ridpath, Michael

Absturz


sehr gut

Diesmal rettet Michael Ridpath die Welt vor einem Börsenkrach. Er zeichnet dabei die Manipulationen von Jean-Luc Martels und seinen Hedgefonds Tenton Fund nach, der es schafft, Italien aus dem Währungsverbund des Euros herauszudrängen und immense Gewinnen einzustreichen. Sein wirtschaftliches Spiel ist stets dem höchsten Risiko zugewandt und bringt ihn regelmäßig an den Rand des Bankrotts, der nur durch die Manipulation der Bewertung seines Fonds bei Bloomfield Weiss zu vermeiden ist. Ridpath Kenntnisse über die wirtschaftspolitischen Zusammenhänge, sein akribische Auflistung, was, wie in die Wege geleitet werden muss, um Gewinne zu erzielen, wie der Markt sich eigenen Anfeindungen gegenübersieht, um im Fallen und Steigen von Aktienkursen Gewinnmargen zu erzielen, ist faszinierend beschrieben und führt im Verbund mit einem spannenden Fall von Mobbing bei Bloomfield Weiss, im Schnee verschollenen Tradern und russischen Milliardären, die Killer aussenden, um ihre Geschäfte zu sichern, zu einem spannenden Thriller. Geschickt spielt Ridpath dabei auf beiden Feldern. Hier die seriöse Schilderungen von Wirtschaftskriminalität, dort ein Hollywood wirksamer Plot, der die Protagonisten zwischen den USA und England pendeln läßt. Dass es um die Moralität in Vorstandkreisen angesichts skrupelloser Gier nicht zum Besten bestellt ist, ist allgemein bekannt. Die Gefahren die Globalität werden von Michael Ridpath eindringlich und mit einem sicheren Gefühl für Suspense beschrieben.
Polar aus Aachen

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.07.2008
Schreie vom Balkon
Bukowski, Charles

Schreie vom Balkon


sehr gut

Wer Charles Bukowskis Romane und Gedichte mag, wird die Sammlung von Briefen, die einen Zeitraum von 1958-1994 umfassen, sicher gerne lesen. In ihnen spiegelt sich ein Schriftsteller, der das Leben so ernst nahm, dass er sich ihm zu entziehen trachtete. Wie hart Bukowski mit seiner schriftstellerischen Arbeit gerungen hat und wie leicht sie dann auf dem Papier erscheint, davon erfährt man in seinen Briefen an seinen deutschen Übersetzer Carl Weissner. In Deutschland war er weitaus populärer als in den USA, auch wenn sich seine Arbeit mit zunehmendem Alter auszahlte, er sich ein Haus, einen BMW leisten konnte und von da an von jenen, die ihn zum Helden auserkoren hatten, aufgrund seines bürgerlichen Lebens angefeindet wurde, weil er für sie nicht mehr die Kämpfe ausstand, die sie so gerne für sich ausgefochten hätten. Charles Bukowski abseits seiner alkoholumschwängerten Nacht, im Kampf mit Krankheiten, Lieben, Schreiben und Freundschaften auf und neben der Rennbahn zu sehen, zeigt einen Schriftsteller wie Hemingway, einmal auf den Weg gebracht, gilt es nur noch, es auch zu Ende zu bringen.
Polar aus Aachen

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.07.2008
Zeitkurven
Miller, Arthur

Zeitkurven


ausgezeichnet

Es gibt in jeder Zeit Schriftsteller, die man mit ihrem Land, ihrem Jahrhundert verbindet. Ihre schrifstellerische Arbeit, wie ihr Leben spiegeln die Kämpfe, die Niederlagen, die Hoffnungen. Sie zeigen ihr Gesicht her. Arthur Miller hat nicht nur durch den Tod eines Handlungsreisenden und Hexenjagd seinen Jahren einen Stempel aufgedrückt, er war auch stets ein Mann des öffentlichen Lebens. Nicht allein nur wegen seiner Heirat mit Marilyn Monroe, seiner Arbeit für den Pen oder seiner publikumswirksamen Einmischung in die politische Debatten seiner Zeit. Zeitkurven ist somit ein Stück Geschichte, das nicht die Schwächen verdeckt, denen Menschen unterliegen. Nicht umsonst wählt er das Bild der Kurven. Man kommt nie auf dem direkten Weg an sein Ziel. Miller war der Meinung, dass man etwas bewirken kann, dass man sich zwar nicht darauf verlassen darf, aber dass man es deswegen nicht unterlassen sollte. Er hat nicht nur dem Mittelstand im Tod eines Handlungsreisenden ein Denkmal gesetzt, sein Leben stand dafür, dass man nicht zusehen sollte, wenn die Dinge aus dem Ruder liefen. Ein kluges Portrait über sich selbst, was nur den wenigstens Autobiographien gelingt.
Polar aus Aachen

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.07.2008
Der Flug der Störche
Grangé, Jean-Christophe

Der Flug der Störche


weniger gut

Wer diesen frühen Roman mit den purpurnen Flüssen oder dem Imperium der Wölfe vergleicht, wird enttäuscht sein. In ihnen beweist sich der Autor als Meister der aktiongeladenen Handlung und dichten atmosphärischen Beschreibung. Der Flug der Störche leidet unter der Last, dass viele Hintergründe zusammengetragen werden müssen und dass das Konstrukt dahinter äußerst bemüht wirkt. So taucht ein Schweizer Kommissar auf, der aus Langeweile die Hintergründe des toten Hobbyornithologen Max Böhm herausfindet und absolut unglaubwürdig wirkt, jedoch gebraucht wird, um die Handlung zu unterfuttern. Was der in der Kürze der Zeit alles an Material herbeischafft, sogar extra im Urlaub nach Paris fährt, um zu recherchieren, ist schon erstaunlich. Selbst der Held Antioche wirkt seltsam blass und führt als einzige Motivation an, warum er sich überhaupt auf die Reise begibt, weil er genug studiert hat. Grangés Helden wirken wenig überzeugen, sie dienen alle dem großen Ganzen, dem Schrecken, von dem der Autor erzählen will. Antioche folgt dem Flug der Störche und klärt mit jedem neuen Land die Hintergründe mehr auf. Das wirkt alles ein bißchen holprig, vorhersehbar. Das Grauen, das einen erwartet zu grob gestrickt, als dass es einen wie bei vielen von Grangés Romanen in atemloser Spannung hält.
Polar aus Aachen

3 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.07.2008
Kind 44 / Leo Demidow Bd.1
Smith, Tom Rob

Kind 44 / Leo Demidow Bd.1


ausgezeichnet

Was für ein Thriller. Obwohl der Autor von einem der dunkelsten Kapitel der Sowjetunion erzählt, gleicht der geschilderte Stalinismus jedem totalitären System, das sich nur auf eines versteht, seine Bürger einzusperren, zu verfolgen, sie mundtot zu machen und mit Privilegien in Anhänger zu verwandeln. Der Offizier Leo Demidow funktioniert. Er ist verheiratet, hat seine Familie versorgt und hält seine Widersacher klein. Dann jedoch bei einem Verhör kommen ihm Zweifel: er glaubt jemandem, der eigentlich schuldig sein muss. Um ihn herum, zerfällt alles, an das er bisher geglaubt hat, und der Staat erlegt ihm sogar die Pflicht auf, seine eigene Frau zu denunzieren. Was er nicht tut. Zum Dank wird er nicht nur degradiert und in die Verbannung geschickt, sondern muss von seiner Frau auch noch erfahren, dass sie ihn nicht liebt und ihn nur aus Angst geheiratet hat. Das Faszinierende an Rob Tom Smith Roman ist, dass er nicht nur einen überzeugenden Fall eines Serienmörders aufbaut - entlang einer Eisenbahnstrecke tauchen entsetzlich zugerichtete Leichen auf - er führt uns auch dorthin, wo die Menschen den Blick senken, um nicht aufzufallen, läßt uns spüren, wie leicht es ist, selber zum Verurteilten zu werden. In immer wieder überraschenden Wendungen schafft es Smith, die Spannung auf einem Höchstmaß zu halten. Wenn am Ende der Showdown ansteht, wirken alle Ideologien, jegliche Staatsmacht klein. Es geht um verfehlte Liebe, um Hass, um Neid, um ganz persönliche Dinge. Smith läßt seine Geschichte vor der großen Kulisse der Sowjetunion spielen, zeigt ungeschönt das Land, den Hunger, die beengten Wohnverhältnisse. Er läßt aber auch ein Stück Hoffnung keimen, in dem die Menschen je weiter sie von Moskau entfernt leben, noch so viel Solidarität empfinden, dass sie abseits der Vertuschung einen Kindermörder richten wollen. Ein atemloser Thriller mit Tiefgang.
Polar aus Aachen

9 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.07.2008
Heute bin ich blond
Stap, Sophie van der

Heute bin ich blond


ausgezeichnet

Jemand, der vom Krebs betroffen ist, wird das Buch womöglich anders lesen. Sophie ist zwanzig, als sie ihren Befund erhält, weiß was die Krankheit anrichtet, nachdem ihre Mutter zuvor daran erkrankt war. Für alle gibt es ein Leben davor und danach. Sophie van der Stap muss erschüttert miterleben, wie die Menschen sich um sie verändern, wie sie nicht nur in das Räderwerk der Chemotherapie fällt, wie ihr vor allem Mitleid entgegenschlägt. Wie Sie von ihrer Angst erzählt, Hoffnungen aufbaut und erlischen sieht, wie sie mit Hilfe von Perücken mit sich selbst spielt, verleiht einem Leser Mut. Nichts ist so grauenhaft, dass man ihm nicht begegnen kann. Zwar mag der ein oder andere einwenden, dass ihr Buch allzu sehr an der Oberfläche bleibt, sich nicht der Schwere dieser Erkrankung widmet, aber Sophie erzählt von einer Frau, die die Krankheit erdrückt, die sich aber nicht damit abfindet. Akribisch wird der Behandlungsprozess beschrieben, kein medizinischer Ausdruck fehlt. Van der Stap will ihren Krebs verstehen und doch behält sie ihren Humor, ein Mittel Krankheiten zu begegnen, das sicher besser zum Überleben geeignet ist, als sich Depressionen hinzugeben. Das ist leicht gesagt und Krebskranke werden vielleicht den Kopf schütteln. Aber vor allem braucht es Kraft, sich nicht völlig zu verlieren, sich an die Ärzte abzugeben. Die Patientin ist jung, ihr Blick manchmal betörend naiv. Wer medizinische Hilf sucht, sollte zu einem Fachbuch greifen, wer lesen will, wie man das Ende vor Augen jeden Tag nutzt, darf sich ruhig von Sophie van der Staps plauderndem Ton dazu verführen lassen, zu glauben, dass es immer irgendwie weitergeht. Das hilft. Nicht nur ein Buch für Betroffene.
Polar aus Aachen

6 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.07.2008
Das fünfte Zeichen / Harry Hole Bd.5
Nesbø, Jo

Das fünfte Zeichen / Harry Hole Bd.5


ausgezeichnet

Tiefer geht’s nicht. Harry Hole ist auf dem Boden aufgeschlagen, droht, nicht nur im Alkohol zu versinken, auch Freundin Rakel wendet sich von ihm ab. Sein Leben als Kommissar scheint sowieso beendet zu sein, seitdem er eine Kollegin verloren hat und einen anderen Kollegen, Tom Waaler, des Waffenhandels bezichtigt. Harry Hole Jo Nesbos kauziger Held ist einem Serienmörder auf der Spur, der sich mittels eines Pentagramms die Orte aussucht, an denen ein Verbrechen stattfinden soll. Scheinbar unwillig lässt sich Hole von seinem Chef überreden, wegen des Personalmangels an der Aufklärung mitzuhelfen, und begehrt nicht mal auf, als er ausgerechnet Tom Waaler als Vorgesetzten vor die Nase gesetzt bekommt. Der wiederum hat nichts Besseres zu tun, als Hole ein Angebot zu unterbreiten, bei den Schiebereien mitzumachen. Jo Nesbo gelingt in seinen Figuren eine überzeugende Charakterzeichnung. Egal ob der angebliche Serienmörder, der später mit Hole gemeinsame Sache machen wird, egal ob Beate, Tom Waaler sie interessieren einen. Von abgeschnittenen Fingern, Beweisfotos, Handys, die zu orten sind, lesen wir immer wieder, doch entscheidend sind die Protagonisten. Sie sind authentisch, man fiebert mit ihnen mit und hofft, dass alles gut ausgehen wird. Nesbo gelingt das mit Leichtigkeit. Sein Stil ist konkret, durch Handlungen bestimmt. Es bedarf keiner allzu langen Erklärungen, um das Leben eines Verdächtigen zu hinterfragen. Am besten man beginnt mit dem ersten Roman der Reihe. Zwar sind die Querverweise nicht für die Geschichte notwendig, aber der Genuss wird dadurch nur noch gesteigert.
Polar aus Aachen

4 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.07.2008
Lebensgeschichten
Troller, Georg St.

Lebensgeschichten


sehr gut

Wie in seinem Buch Die Unvergesslichen beschreibt Troller hier Begegnungen, die er fürs Fernsehen aufgezeichnet hat. Er sammelt sie unter dem Begriff Stars, Heilige, Poeten, Sündern, unterscheidet zwischen Autoren und Künstlern. Manche dieser Kapitelüberschriften scheinen nicht zu passen. Zu persönlich ist der Blick, mit dem Troller einem Interviewten letzte Wahrheiten abzuringen sucht. Dabei spürt man deutlich, ob er jemanden mag oder nicht mag. Es gibt Stellen, da erwartet man, dass er zubeißt, dass er es unterlässt, hat viel mit dem Respekt vor diesen Lebensgeschichten zu tun. Nicht eine darunter, die ihm ins Gesicht sagt, er solle das Weite suchen. Sie wollen antworten, sie wollen Fragen gestellt bekommen. Troller berichtet von den Feinheiten, wie er jemanden dazu bringt, mehr über sich zu verraten, wie hinderlich manchmal eine Kamera sein kann und wie der oder andere, etwas erzählen will und es dann doch unterlässt. Trollers Buch ist ein buntes Kaleidoskop der illustren Geschichte. Es tauchen Menschen darin auf, die eine Zeitlang von Bedeutung waren, oder es glaubten zu sein. Und andere, die es geblieben sind, solange man sich an sie erinnert. Dass sie nicht ganz vergessen werden, dafür sorgt Troller.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 26.06.2008
Was ihr wollt, Englisch-Deutsch
Shakespeare, William

Was ihr wollt, Englisch-Deutsch


ausgezeichnet

In Shakespeares Welt geht es turbulent zu. Vor allem in seinen Komödien. Da strandet man schon mal leicht an fremden Küsten und verliert den Bruder im Sturm. Viola sieht sich gezwungen, sich als Junge zu verkleiden, um ihr Überleben zu sichern. Verkleidungen, Verwechslungen, Männer treten als Frauen, Frauen als Männer auf. Bei Shakespeare erscheint es manchmal so, als habe er seine Komödien gebraucht, um sich von seinen blutrünstigen Tragödien zu erholen. Viola tritt in den Dienst des Herzogs Orsino. Nicht nur, dass der Zwillingsbruder nur scheinbar tot ist, die von Orsino angebetete Olivia sich ausgerechnet in die verkleidete Viola verliebt, es werden Streiche mit gefälschten Briefen ausgeheckt, die dem Verwalter Malvolio glauben lassen, ausgerechnet Olivia habe sich in ihn verliebt, und als auch noch der Tod geglaubte Bruder auftaucht und für seine verkleidete Schwester gehalten wird, ist die Verwirrung groß und die Turbulenzen nehmen gegen den Schlussakt hin so zu, dass alles einem gordischen Knoten gleicht, der durchtrennt werden muss. Auch hier beweist Shakespeare sein Geschick für bühnenwirksame Stoffe und parodiert sich darin. Mit einer wunderbaren Leichtigkeit gehen die Verwicklungen ineinander über und streben der Wiedervereinigung von Bruder und Schwester entgegen. Eine der großen Komödien Shakespeares.
Polar aus Aachen