Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
meany
Wohnort: 
Seligenstadt

Bewertungen

Insgesamt 136 Bewertungen
Bewertung vom 08.04.2023
Die letzte Erzählerin
Barba Higuera, Donna

Die letzte Erzählerin


sehr gut

Auf einen neuen Ursprung

Das Mädchen Petra begibt sich mit ihrer Familie auf eine interstellare Reise, weil die Erde durch einen Kometeneinschlag von Zerstörung bedroht ist. Dabei verknüpft sie die für uns futuristischen Erlebnisse mit den archaischen Sagen ihrer Großmutter.

Jahrhundertelang in den Schlaf gelegt, um die weite Strecke zu überdauern, findet sie nach ihrem Erwachen kurz vor der Ankunft auf dem Zielplaneten radikal veränderte Bedingungen im Raumschiff vor. Während sie von Anfang an um die Bewahrung ihrer Erinnerungen kämpft, wollen die neuen Machthaber diese radikal löschen, um einen kompletten Neuanfang zu initiieren, der die Fehler der alten Erdbevölkerung vermeidet. Wollen sie vielleicht ein ganz neues Menschengeschlecht heranzüchten? Immerhin hat das alte den blauen Planeten heruntergewirtschaftet, das soll nicht noch einmal passieren. Aus diesem Grund steht auch über allem Individuellen die Gemeinschaft. Es mutet fast an wie ein Kollektiv, dem sich alles unterzuordnen hat.

An Science Fiction-Romanen gefällt mir besonders, dass unsere gegenwärtigen Probleme gelöst sind, aber ganz ungeahnt neue auftauchen. Und dem wird das vorliegende Buch gerecht.

Dabei dreht es sich gar nicht in erster Linie um technische Finessen, sondern um die durch die Umstände bedingten Formen des Zusammenlebens und deren Konsequenzen für die einzelnen Charaktere. Diese sperren sich gegen die Vereinnahmung durch das Regime mit Hilfe des Geschichtenerzählens, das überhaupt die Persönlichkeit in seiner Entwicklung ausmacht. Deshalb soll das ja von höchster Stelle unterbunden werden.

Und wie auch immer die Story nach einigen spannenden Volten ausgeht: diese Erkenntnis und die daraus entstehende tiefer gehende Solidarität sind doch schon einmal ein Hoffnungsschimmer.

Bewertung vom 02.04.2023
Animal Jack - Das Herz des Waldes
Miss Prickly;Kid Toussaint

Animal Jack - Das Herz des Waldes


sehr gut

Der Wald lieben seine Kinder auch

Sehr ansprechend fällt schon das Titelbild ins Auge mit den glänzenden Elementen auf matter Oberfläche. Ausdrucksstark akzentuiert sind auch die Illustrationen. Von Anfang an gefallen mir die witzigen Sprachspielereien, die unsere Ausdrucksweise durchleuchten - das ist auch ein Verdienst der Übersetzerin. Pointen entstehen ebenfalls aus dem Kontrast zwischen dem, was die Umgebung so wahrnimmt, und dem phantastischen Erleben des Helden. Die ironischen Diskrepanzen zwischen den Dialogen der Erwachsenen und den entlarvenden Zeichnungen sind sehr erhellend für jugendliche und ältere Personen, überfordern jüngere Kinder jedoch.

Hier wurden eine sehr originelle Idee und eine gewichtige Botschaft künstlerisch hervorragend umgesetzt, aber aufgrund der Doppelbödigkeit empfehle ich diesen Comic entgegen der Verlagsangabe erst ab ungefähr zwölf Jahren.

Bewertung vom 29.03.2023
Waraka
Goldfarb, Tobias

Waraka


ausgezeichnet

Die Hoffnung, die Würde und die Zukunft

Ein tyrannisches Regime will in einer grausamen Zeremonie den Prinzen Arkyn vor seinen Karren spannen - es erinnert entfernt an die Tribute von Panem. Dieser entzieht sich und flieht, wobei er mit seinem Seelentier Hurakan martialische Gefechte zu bestehen hat und das Mädchen Saga vom anderen Ende der Welt trifft.

In den Gesprächen mit ihr gewinnt er immer mehr Klarheit über den Ursprung dieses Unrechtsstaats, der entstanden ist aus extremer Gier nach Gold und der damit verbundenen Unterjochung der Ureinwohner dieses Kontinents und dessen gesamter Natur, alles aufgebaut auf einem geschickt konstruierten Lügengebäude, das in erster Linie der Verbreitung von Angst dient.

Regelrecht philosophische Passagen bilden den Überbau. Wenn zum Beispiel der Smilo den Gebrauch des Feuers und des Sprengstoffs in den Bergwerken kritisiert, kann man den Zusammenhang zu unserer heutigen Technikgläubigkeit herleiten. Überhaupt klingt in Hurakans Einwürfen gelegentlich Ironie durch, die die Abgründigkeit der Geschichte auflockert.

Die Rolle der Träume bei der Aufklärung der Zusammenhänge stört mich: es ist meiner Ansicht nach ein billiges Mittel und dramaturgisch nicht sehr elegant. Aber in diesem Buch rechtfertigt sich deren Bedeutung durch die grundsätzliche Anlage der Story, die zwischen Traum und Wirklichkeit oszilliert und das auch immer wieder zum Thema macht ("Doch ein Traum einmal geträumt wird zu einer Wahrheit ..." S. 220).

Als sich alle Wesen des Waldes miteinander verbünden, kommt es zum großen Showdown.

Diesem spannenden Fantasyabenteuer mit Tiefgang und einer überzeugenden Botschaft wünsche ich viele jugendliche und erwachsene Leser.

Bewertung vom 25.03.2023
Völlig übergeschnAPPt! / SWITCH YOU. Völlig übergeschnAPPt! Bd.1
Fesler, Mario

Völlig übergeschnAPPt! / SWITCH YOU. Völlig übergeschnAPPt! Bd.1


sehr gut

Ich wollte coole Apps

Der 12jährige Fred hat es nicht leicht mit seiner ökobewegten Mutter, dem abwesenden Vater und seinem verhaltensgestörten 16jährigen Bruder Erik, außerdem gibt es in der Schule auch so manch nervigen Lehrer.

Aus seiner Sicht erzählt er ganz locker vom Hocker von seinem Alltag und außergewöhnlichen Erlebnissen, entfaltet dabei auch eine Portion Witz, aber etwas dezenter als Greg, auf den er sich einen Seitenhieb nicht verkneifen kann. Seine eher intuitive Handlungsweise ergänzt Svetlana, seine mehr wissenschaftlich bewanderte Freundin, mit der zusammen er in diesem Band zwei Herausforderungen meistert: einmal die Durchführung seiner Geburtstagsparty und dann die Bande der schwarzen Skifahrer, eine Gang maskierter älterer Schüler, die Schwächere terrorisiert, erpresst und abzockt.

Unversehens kommt ihm dabei ein magisches Handy zu Hilfe, das ihm ausgerechnet sein nichtsahnender Papa schenkt und durch das er zunächst unabsichtlich mit anderen Personen die Identität tauschen kann - in diesem Fall sein Bruder Erik.

Dadurch erhält er Gelegenheiten, Dinge geradezurücken, die aus dem Ruder gelaufen sind. Ich halte das für eine originelle Idee, wenn ich auch die Logik des Timings nicht ganz begriffen habe. Zum Glück läuft das alles nicht ganz so technikzentriert ab wie ich anfangs befürchtete.

Den reinen Fließtext unterbrechen sparsam verteilte Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die Sprache entspricht der geschilderten und angesprochenen Altersgruppe glaubwürdig und unaufdringlich.

Wenn sich auch schon eine Leseprobe für den zweiten Band anschließt, halte ich dem Titel sehr zugute, dass er die Leser am Ende mit einem Abschluss zufriedenstellt und nicht mit einem Cliffhanger ins Leere laufen lässt.

Insgesamt kann ich mir gut vorstellen, dass 10- bis 13jährige ihren Spaß daran haben werden.

Bewertung vom 23.03.2023
Dalee
Gastmann, Dennis

Dalee


ausgezeichnet

Das Herz vergisst nie

Mit dem ebenso irritierenden wie graziösen Bild eines im Meer schwimmenden Elefanten führt uns Gastmann ein in diese faszinierende Geschichte von Dalee und dessen jungen Führer Bellini.

Aus der Not heraus folgt die Familie dem Ruf nach begleiteten Arbeitselefanten zu Rodungen auf den Adamaneninseln. Schon das beinhaltet aufregende Szenen wie die qualvolle Überfahrt in engen Holzcontainern verbunden mit Krankheit und Tod und das Wettrennen der schweren Geschöpfe als Tauglichkeitsprüfung. Dalee ist stolze fünfzig Jahre alt, aber stark und erfahren. Vor Ort finden sie ausbeuterische Verhältnisse vor, vertreten durch den Verwalter Ray. Der Autor flicht immer wieder Informationen ein über die Kolonialgeschichte.

Die Inseln zeichnen sich aus durch eine paradiesische Natur voller Früchte, aber durch wilde und giftige Tiere, die das Leben der Menschen bedrohen.

Ein deutscher Direktor der Gesellschaft verschärft schließlich noch die Situation, indem er starken ökonomischen Druck aufbaut, während seine musisch begabte Ehefrau Bildung im wahrsten Sinne des Worts einbringt, indem sie die Kinder der Arbeiter unterrichtet. Sie verleiht auch den "Daak Naam", der "das kosmische Innen und Außen gebührend beschrieb" (S. 345), und ausgelöst durch ihre Initiative erhält das gealterte Tier eine Art Verklärung. Den "clash of cultures" symbolisieren zum Beispiel die mitgebrachten Uhren. Der Mentalität der Mahuts bringen die Europäer absolutes Unverständnis entgegen.

In lautmalerischer, sinnlicher Sprache voller einheimischer Begriffe breitet Gastmann die exotische Kulisse vor uns aus. Die Situationen ergeben ein Sinnbild des Lebens an sich, bis sie in eine regelrechte Apotheose münden, und ein einzigartiges Zeugnis der Symbiose von Mensch und Tier inmitten einer alles umspannenden Natur. Gastmanns große Stärke sind die Ausmalungen der Szenerie: wie er den Monsun beschreibt und den Zustand der Landschaft danach, dann den dramatischen Kampf gegen der Verlust der Holzernte. Ungemein farbige Darstellungen der Personen und Schauplätze blähen die Story auf, machen aber alles sehr anschaulich und erfreuen geneigte Leser durch meisterhafte Formulierungen. Ich staune über die akribische Recherche und das Hintergrundwissen, denn man kann kaum glauben, dass Gastmann kein "Native" ist.

Nach gelinden Anlaufschwierigkeiten wegen der ausufernden Schilderungen hat mich der Roman ungefähr nach der Hälfte völlig gepackt, dann konnte ich das Buch in atemloser Spannung nicht mehr aus der Hand legen. Die Rührung über den Schluss wird noch lange in mir nachhallen.

Bewertung vom 16.03.2023
Frankie
Köhlmeier, Michael

Frankie


gut

Verantwortung kommt vor der Schuld

Liebe auf den ersten Blick ist das nicht gerade, die Beziehung des 14jährigen Frank zu seinem aus einer 18 Jahre langen Haft entlassenen Opa. Bald artet das sogar in einen Akt der Gewalttätigkeit aus.

Wofür sie Opa so lange eingebuchtet haben, ist die große Frage, die auch Franks Mutter nicht aufklärt. Frank will es auch gar nicht wissen, trotzdem bricht er spontan mitten in der Nacht mit ihm auf in einem geklauten Auto.

In seinem Monolog oszilliert der Ich-Erzähler Fran zwischen treuherzig, abgeklärt und ausgefuchst und ist im Laufe der Geschichte immer schwerer zu fassen. Gewisse Stichwörter nimmt er zum Anlass für kleine philosophische Abhandlungen, vielleicht sind die auch mehr der Zweck des Buchs als die eigentliche Handlung - und gelegentlich auch ein Grund zum Schmunzeln. Dabei macht er auch leitmotivisch sein Alter zum Thema und was diesem gemäß ist oder auch nicht.

In seiner Coolness und der absurden Abfolge von Ereignissen hat der schmale Roman beinahe etwas von Camus' "Fremden", und entsprechend befremdet habe ich schließlich die Lektüre beendet.

Bewertung vom 14.03.2023
Der Fluch der dreizehnten Fee / Magic Kingdom Bd.1
De la Cruz, Melissa

Der Fluch der dreizehnten Fee / Magic Kingdom Bd.1


sehr gut

Alte Märchen neu erzählt

Durch eine gewisse Prädisposition, die erst gegen Ende des Buchs aufgeklärt wird, gerät die zwölfjährige Filomena in ein Abenteuer zwischen zwei Welten, in denen die von ihr bevorzugte Fantasyreihe eine Rolle spielt. Diese beiden Sphären bereichern und ergänzen einander und sind einfallsreich miteinander verwoben. Dabei amüsiert mich ganz besonders, wie de la Cruz die archaischen Märchenmotive und Episoden mit der frischen, jugendlichen Sprache Filomenas konterkariert in ihrem Pandämonium aus Grimm, 1001 Nacht und Alice im Wunderland.

Differenzierte Charaktere, übersichtliche Spannungsbögen und einfallsreiche Motive und Szenerien erleichterten mir die Lektüre, denn oft stieß mich bei der Fantasieliteratur ab, wie wahllos und willkürlich möglichst sensationelle, aber wackelige Luftschlösser aneinandergepappt werden. Nur die Verse holpern leider ein bisschen, ob das die Autorin selbst oder die Übersetzerin verbrochen hat, sei dahingestellt.

Humor kommt für mich ins Spiel, wo sie die Stories gegen den Strich bürstet und umdeutet, wie zum Beispiel bei den Wölfen, durch die als Motorradgang genauso wie durch die modebewusste Gretel ein moderner Touch ins Spiel kommt.

Die pfiffige Idee, Märchen komplett umzuschreiben, zeigt sich auch in der dem Buch hinzugefügten Leseprobe mit Aschenputtels Schuhen. Wahrhaftig goutieren werden das aber nur Kenner der Märchenwelt, denen sich die Zusammhänge erschließen. Aber wer noch keiner ist, kann noch einer werden, denn schon Bruno Bettelheim stellte fest: "Kinder brauchen Märchen". Sich mit dieser Welt voller Archetypen und engem Bezug zur Psyche zu befassen ist es nie zu spät - und dazu könnte diese Geschichte eine wertvolle Anregung sein. Das Material wird dieser inspirierenden Reihe jedenfalls so schnell nicht ausgehen.

Bewertung vom 07.03.2023
Ein Geist in der Kehle
Ní Ghríofa, Doireann

Ein Geist in der Kehle


sehr gut

Ihre Träume erben

Eine junge Mutter erforscht wie besessen die Ursprünge und Personen eines Gedichts, das sie schon seit ihrer Kindheit begleitet. Wie schafft sie das, wo sie im Grunde mit ihren häuslichen Pflichten ausgelastet ist, die sie mit Hilfe von To-do-Listen beherzt und mit staunenswertem Gleichmut in Angriff nimmt? Kein Wort der Klage kommt über ihre Lippen, mit unendlicher Liebe wendet sie sich Tag und Nacht ihrem Nachwuchs zu, aber auch ihrem Ehemann, denen sie allen keinen Namen verleiht.

Ein Leitmotiv ist dabei das Thema Stillen im Sinne von Leben Spenden. Bei drei Kindern gibt sie ihre problemlos fließende Muttermilch ab für Frühgeborene. Dann ereilt sie das gleiche Schicksal nach einem Notkaiserschnitt. Die medizinischen Fakten beschreibt sie akribisch, ihre psychische Verfassung und den Betrieb auf der Neugeborenenstation. Wer das noch nicht selbst erlebt hat, kann sich das gar nicht vorstellen.

Viellicht hilft ihr dabei aber auch die intensive Beschäftigung mit der früh verwitweten Adligen aus dem 18. Jahrhundert, von der das Gedicht handelt, und die Identifizierung mit ihr lenkt die Ich-Erzählerin von ihrem Alltag ab und überhöht diesen.

Es entsteht dabei ein Buch über das weibliche Leben in der Vergangenheit und Gegenwart, über emotionale Betroffenheit durch Literatur und über die weibliche Psyche allgemein. Sie reflektiert ja auch selbst die Gründe für ihre Obsession: sie will die Frau als Hauptakteurin mit all ihren persönlichen Eigenschaften beleuchten. Sie geht ihren Spuren nach, indem sie die Schauplätze aufsucht, stellt literaturwissenschaftliche Betrachtungen über Gedichte von Frauen an, die oft nur mündlich überliefert wurden, weil man die Autorinnenschaft nicht anerkannte, und betreibt Quellenforschung in allen möglichen Bibliotheken und im Internet. "Das ist ein weiblicher Text."

Zwei Sphären prallen dabei aufeinander und vermischen sich: die des alltäglichen Lebens und die geistig-wissenschaftliche.

Dieses hochliterarische Werk der Autorin, die sich schon mit ihrer Lyrik einen Namen machte, hat mich bereichert, aber auch stark gefordert. Es beginnt schon mit den gälischen Namen und Begriffen, bei denen mich eine Aussprachehilfe unterstützt hätte. Unterhaltungsliteratur ist das nicht, aber wenn man Verständnis aufbringt für Frauenbewegte, die trotzdem in ihrer Familie aufgehen, und die Geschichte Irlands, wird man hier eine Erweiterung des Horizonts erfahren.

Bewertung vom 02.03.2023
Anpfiff! / Die Zauberkicker Bd.1
Schreuder, Benjamin

Anpfiff! / Die Zauberkicker Bd.1


gut

Eigentlich bin ich Spielmacher

Alle jungen Menschen mit Interesse an Fußball werden sich in der hier beschriebenen Welt wiederfinden: in der Fachsprache, in der beschriebenen Organisation, aber auch in den mentalen Psychospielchen der Akteure. Gewisse Typen sind überall vertreten. Benjamin Schreuder charakterisiert sie treffend. Ben, der Ich-Erzähler bietet sich in seiner sympathischen Sprechweise als Identifikationsfigur an.

Eine originelle Idee ist es, diese profane Sportart in ein magisches Ambiente zu verpflanzen, das fügt noch eine ganz besondere Dimension hinzu. Hierzu verwendet er Elemente, die auch andernorts schon erfolgreich waren: die eingeschworene, durch Quertreiber aber auch krisenanfällige Welt eines Internats, verständnisvolle Pädagogen und Verdacht erweckende Individuen.

Dieser erste Band stellt die Weichen für im Grunde angelegte Konflikte, die er wegen des knappen Umfangs aber nicht weiter ausführt, sondern nach einem Handlungshöhepunkt mit einem Cliffhanger enden lässt. Die unmittelbar danach angefügte Leseprobe aus Band 2 zeigt, wie stark die Story auf eine Serie angelegt ist, ohne deren kompletten Erwerb ein einzelner Teil unvollständig und unbefriedigend ist. Diese geschickte Marketingstrategie des Verlags soll die jungen Leser erst einmal anfixen und dann zum Erwerb weiterer Bände zum Preis von jeweils 12 Euro veranlassen. Das wären bei drei Bänden bereits 36 Euro für eine bisher relativ dünne Story.

Bewertung vom 12.02.2023
Getraut / Andrea Schnidt Bd.12
Fröhlich, Susanne

Getraut / Andrea Schnidt Bd.12


weniger gut

Das große Ja-Wort

Dem Hören-Sagen nach kenne ich Susanne Fröhlich als Bestsellerautorin, die ihrem Namen alle Ehre macht, aber da das Genre "Heiteres" nicht zu meinen zentralen Interessen gehört, hatte ich noch nicht die Gelegenheit einer persönlichen Bekanntschaft.

Der im Rhein-Main-Gebiet gebräuchliche Dialekt nimmt nicht gerade die Spitzenstellung ein in der Rangliste der deutschen Regionalidiome, besonders was die Assoziation mit überdurchschnittlichem Intellekt anbelangt. Vor allem in Fassenachtszeiten dient er aber unverdrossen der Belustigung, allerdings mehr in der gesprochenen als in der geschriebenen Form, die immer etwas sperrig zu konsumieren ist. Damit ist er einerseits gut geeignet für ein Buch wie "Getraut", schränkt aber unter Umständen die Zielgruppe etwas ein.

Mit diesem Ersteindruck machte ich mich an die Lektüre. Dass Susanne Fröhlichs Fangemeinde jede ihrer Neuerscheinungen sehnlichst erwartet, gönne ich ihr.

Harmlos, aber dramatisch dargestellt sind die Episoden, außerdem zugeschnitten auf einen speziellen Humortyp. Slapstickartige Szenen handeln von mehr oder weniger geglückter Verdauung von Mensch und Tier oder mit der Suche nach Trauringen in deren Hinterlassenschaften.

Womit sich Fröhlich wirklich auskennt, sind Frauenseelen aller Art, und da kann sie auf erheiternde Weise richtig schön bösartig werden, was sie aber dann wieder konterkariert durch Kommentare zu den Geschehnissen wie aus einem Psychoratgeber von der Stange. Mit einem Pandämonium aufgeblasener Belanglosigkeiten hat sie einfach ein paar Fässer zu viel aufgemacht: der halbseidene Selbsterfahrungscoach, die Tücken der Patchworkfamilie, die demente Mutter im Heim, der beziehungsunerfahrene Taubenmann, die Freundinnen mit allen möglichen Beziehungskisten, Hochzeitsvorbereitungen, jede Menge Senioren, die von Altersweisheit weit entfernt sind, und die Betreuung des geliebten Enkels, besonders spektakulär im Geschäft für Brautmoden.

Bewundernswert, wie sie nach 300 Seiten die Kurve kriegt und einen allerseits versöhnlichen Knoten schürzt, so dass die Leserin auf der Suche nach Ablenkung von den Übeln der Welt das Buch zufrieden aus der Hand legt.