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Murksy

Bewertungen

Insgesamt 172 Bewertungen
Bewertung vom 01.10.2019
Hotel Cartagena / Chas Riley Bd.9
Buchholz, Simone

Hotel Cartagena / Chas Riley Bd.9


weniger gut

Ich kenne die ersten 8 Bände der Serie nicht. Da aber die Autorin mit diversen Krimipreisen überhäuft wurde, erwartet man als Leser ja schon so einiges. Und das Einige bekommt man auch. Die Grundstory ist raffiniert gestrickt und mit Zeitsprüngen in die Vergangenheit erfährt der Leser das Warum und Weshalb. Spannend und klug inszeniert, keine Frage. Allerdings ist die Besetzung dieses Krimis nicht allzu glaubwürdig und mit vielen tarantinoesken-Winslow-Landsdale-Serie noir und hard boiled -Einlagen ( etwas Bruce Willis nicht vergessen) versehen, die so jedes Klischee abdecken. Beispiel gefällig: was macht der verbitterte Mann, bevor er seinen Plan umsetzt? Genau--Liegestütze..jede Menge, warum auch immer.
Der spannende Aufhänger einer bewaffneten Truppe, die ein Hotel kapert und jede Menge Geiseln nimmt, lässt viel Spielraum. Dass unter den Gästen zufällig ein paar Kriminaler sind, die einen Geburtstag feiern wollten, erhöht den Spannungspegel. Leider ist das Verhalten der Polizisten nicht sehr glaubhaft. Sich in einer solchen Situation erst mal an der Bar zu bedienen, zeugt nicht von Professionalität. Wäre im Buch nicht erwähnt worden, dass es sich bei der Gruppe um Polizisten handelt, hätte man auch von einer Bande Kleinkrimineller, Zuhälter oder abgesoffenen Künstler ausgehen können. Dann unsere Hauptdarstellerin. Eine Staatsanwältin mit dem Vornamen Chastity (Keuschheit--was natürlich nicht passt), die zunächst damit beschäftigt ist, alle Männer (egal ob Geisel oder Gangster) darauf abzuprüfen, ob er sextauglich wäre. Sex mit Kollegen, bzw. Polizisten, scheint auch eines der Hauptsorgen der Anwältin zu sein. Ehrlich jetzt? Sind das die Gedanken einer Anwältin bei einer Geiselnahme? Egal wie abgebrüht sie auch erscheinen soll, unglaubwürdig. Ähnlich verhält es sich mit der Geburtstagsgruppe. Teile davon hatten oder haben ein Verhältnis mit der zügellosen Anwältin. Und natürlich gehören auch Polizisten dazu, die mit dem Sex ihre persönlichen Traumata bekämpfen wollen...usw. und so fort. Dass dann diese Profis im Kopfe zuerst die Rettung der gefährdeten Anwältin haben und sogar schießwütige Alleingänge planen, ist klar. Die begehrte Frau wiederum wird von einer angehenden Blutvergiftung geplagt, was ihre Gedanken immer wirrer werden lässt. Der Teil des Buches kann als künstlerisches Geschick..oder eher als Quatsch gedeutet werden, wie man mag. Problem dabei ist, dass der Leser mit keiner Figur sympathisiert, außer mit einem "Bösewicht" aus diversen Gründen. Die Personen sind leider mit Masse nicht glaubhaft. Genreübliches Psychodrama trifft Machismus in der eine harte Frau sich zu behaupten weiß …gähn.
Leider hat man ähnliches schon oft gelesen, nur besser. Wie gesagt, die Autorin schreibt gut und entwickelt eine spannende Grundstory. Die Personen um die Anwältin sind allesamt ein einziges großes Klischee.

Bewertung vom 08.09.2019
Du bleibst mein Sieger, Tiger
Leo, Maxim;Gutsch, Jochen

Du bleibst mein Sieger, Tiger


ausgezeichnet

Am allerbesten kommt das kleine Büchlein, wenn man (PartnerIn) es sich gegenseitig vorliest. Gesteigerter Tränenfluss ist sicher! Mal wieder beschreiben die Autoren treffend das Älterwerden. In jeder Geschichte findet ein kleiner Selbstfindungsprozess statt. Neid auf das freie und unbekümmerte Leben der Jugend, Selbstfindungsbestrebungen der Partnerin (oder des Partners), kleine Zipperlein als "bevorstehende Todesursache" oder das zum Event ausartende Grillvergnügen mit Freunden an der überdimensionierten Outdoorküche! Ach ja, kennen wir doch alle! Und da die Geschichten alle leicht überzeichnet werden, kann man sich als Leser beruhigt zurücklehnen und sich selbst einreden "na so schlimm ist es bei mir aber nicht". Witzig, kurzweilig und treffend. Der Mittelteil mit den Tipps hätte meiner Meinung nach wegfallen können, aber das ist ganz persönlicher Geschmack. Freu mich auf Band 3!

Bewertung vom 29.08.2019
Letzte Rettung: Paris
deWitt, Patrick

Letzte Rettung: Paris


gut

Dieses kleine Buch zu besprechen, ohne nicht allzu viel zu verraten, ist nicht leicht. Ich werde es trotzdem versuchen. In der ungewöhnlichen Familiengeschichte spielen eine Witwe, ihr Sohn und ein Kater, der die Seele des verstorbenen Mannes beherbergt, die Hauptrollen. Im Laufe der Geschichte kreuzen mehrere Personen die irrwitzige Bahn der Mutter-Sohn-Allianz, die versuchen, das Vermögen des ungeliebten Toten auf den Kopf zu hauen. Als das Geld tatsächlich knapp wird, reisen die drei mit dem Schiff nach Europa und wollen in Paris den Rest des Geldes ausgeben. Nach un nach erfährt der Leser mehr über die Familie und den Kern der Katze. Allerdings bleiben viele Fragen offen. Nur unzureichend werden die Familienverhältnisse vor dem Tod des Mannes erläutert. So bleibt es dem Leser, zu erraten, was den Wunsch ausgelöst hat, das ganze Vermögen aufzubrauchen. Skurril trifft es sehr gut, allerdings auch nachbetrachtend nichtssagend. Das Buch hat teilweise wundervollen Humor, kratzt aber nur an der Oberfläche der Personen und endet sehr unbefriedigend. Was letztendlich der Sinn des Ganzen war, erschließt sich nicht. Für eine tiefgreifend poetische Psychostudie fällt das Buch zu blutleer aus, eine Liebesgeschichte wird angerissen, die Familientragödie geht nicht wirklich zu Herzen. Daraus hätte mehr werden können. Abschnitte wie eine illustre Seancengesellschaft heitern auf und lockern das Buch auf. Aber der große Wurf ist damit nicht geglückt.

Bewertung vom 06.05.2019
Zehn Stunden tot / Fabian Risk Bd.4
Ahnhem, Stefan

Zehn Stunden tot / Fabian Risk Bd.4


gut

Ahnhem tut das, was seine Leser fordern, er liefert einen Schwedenkrimi mit den üblichen Zutaten ab: Ermittler, die persönliche Probleme oder Traumata zu bekämpfen haben, verschiedene Handlungsstränge um zumindest den Anschein einer spannenden Handlung zu erzeugen und natürlich brutale Morde eines perversen Killers. Was mich zunächst störte, ist der eindeutige Serienbezug. Das heißt, ohne die vorherigen Bände zu kennen, tut man sich etwas schwer, alle Zusammenhänge oder Anspielungen zu verstehen. Der nächste Nachteil einer Serie: es muss eine Steigerung da sein, sonst wird es irgendwann langweilig. Nicht ohne Grund wird der neue Fall als der härteste für die Hauptperson bezeichnet. Ich vergleiche das gerne mit einer bekannten Horrorserie im Kino: der erste Teil war klasse, weil sich alles in einem Raum mit zwei Personen und einer Säge abspielte. Die Nachfolger mussten immer ausgefallenere Todesarten, Maschinen und mehr Opfer haben, um das Publikum zu befriedigen. In der Buchserie ist das ähnlich. Der Autor will schließlich fast 500 Seiten füllen. Da reicht der rechtsextreme Ausflug der Handlung oder sich rivalisierende Polizeibeamte auf Dauer nicht aus. Immer wieder wird ein brutaler und abscheulicher Mord eingefügt. Damit das Ganze so richtig fies wirkt, sucht sich hier der Mörder mithilfe eines komplizierten Würfelspiels die Opfer zufällig aus. Das wirkt zwar auch teilweise konstruiert, aber zumindest ist es ausreichend originell, um kurze Zeit zu fesseln. Logiklücken, wie zum Beispiel Beamte die auf eigene Faust agieren oder sogar selbständig im Kollegenkreis ermitteln, werden dadurch allerdings nicht besser. Aber irgendwie soll ja schließlich Spannung erzeugt werden. Merke: ein guter Krimiautor schafft es mit einem "gewöhnlichen" Mord und einer guter Story einen tollen Roman zu schreiben. Wer diese Fähigkeit nicht hat, setzt auf Effekte und Schockmomente oder versucht auf Stieg Larssons Spuren zu wandeln. Leider gibt es von diesen Büchern mittlerweile zu viele, beliebig austauschbar und letztendlich ohne wirklichen Wiedererkennungsfaktor. Ein weiteres Problem dieser Machart: irgendwann läuft sich eine solche Serie "tot", weil es einfach keine Steigerung mehr gibt. Dann wiederholen sich nur noch ganze Bücher und der abgestumpfte Leser verschlingt eingelullt die Massenware. Was wahre Krimifans an diesen Büchern auch missen, ist die Möglichkeit, den Fall mit Spürsinn zu lösen. Ein beliebtes Stilmittel ist es leider mittlerweile, einfach eine Lösung aus dem Hut zu zaubern, die ohne Hinweise aus dem nichts geliefert wird (also z.Bsp. ein absolut unverdächtiger Täter, der ein Kindheitstrauma nicht verarbeitet hat und nun Menschen meuchelt. Kommt bekannt vor, oder?).
Also Fazit: das Buch wird von Fans der Serie sowieso gelesen. Alle Anderen finden besseres auf dem Markt. Durchschnittliche Thrillerunterhaltung mit Spannungsmomenten, aber leider auch den oben beschriebenen Mängeln.

Bevor jetzt wieder auf allen möglichen Wegen Proteste gepostet werden: dies ist eine persönliche Rezension, basierend auf eigenem Geschmack und mehreren hundert, eher tausend gelesenen Büchern. Also: lesen, hinnehmen oder ignorieren.

Bewertung vom 02.04.2019
Die große Heuchelei
Todenhöfer, Jürgen

Die große Heuchelei


sehr gut

Der Autor bereist seit 50 Jahren die Welt und seine Krisengebiete, sein Wissen und seine Kenntnisse der Zustände vor Ort sind vermutlich sehr selten zu finden. Bei seinen Reisen, oft von seinem Sohn begleitet, spricht er mit allen Parteien. Ob westliche Politiker oder IS-Führer, erkennt sie alle. Das ist beeindruckend und erstaunlich zugleich. In vielen Büchern hat er berichtet. Vor allem sein Wandel vom Politiker zum Mahner wird darin immer wieder deutlich. Auch in seinem neuesten "Reisebericht" von den Fronten dieser Welt klagt er in unzähligen kleinen Abschnitten, geradezu mosaikartig reiht er seine Erlebnisse aneinander, über die Grausamkeiten (vor allem der westlichen Welt). Dabei macht er auch kleine Exkurse in die Bibelgeschichte, vergleicht (ob angebracht oder nicht, muss der Leser entscheiden) Grausamkeiten des Koran mit dem heiligen Buch der Christen. Ohne Frage sind viele Kriege auf Religionsfragen beruhend, wenn auch der Autor schreibt, dass nicht Religion tötet, sondern die Menschen. Und auch wenn der Autor Verbrechen östlicher Länder oder des IS an den Pranger stellt, schlägt das Pendel eindeutig in eine Richtung. Der Westen, seine Politiker und seine Medien, die waffenstrotzende USA und die verlogenen Europäer, die seit Jahrhunderten andere Länder ausbeuten, sind das Feindbild des Autors. Obwohl er beteuert, dass dies nicht so sei. Meiner Meinung ist dies trotzdem zu kurz gesprungen. Natürlich kennt er die Brutalität des Krieges aus nächster Nähe. Natürlich weiß er, was Drohnen verursachen. Am Kernproblem geht aber auch er vorbei. Egal welcher Nation oder Religion angehörend: der Mensch ist letztendlich ein grausames Tier, dass letztendlich seine Ziele mit Gewalt durchsetzt. Und je mehr Macht der Mensch zu haben scheint, umso bereitwilliger lässt er die Konkurrenz seine Brutalität spüren. Urvölker im Amazonas bekriegen sich bei Bedarf bis aufs Blut. Herrscher, egal woher, festigen ihre Macht und vergrößern sie mit Gewalt. Das war schon immer so. Mag sein, dass unsere Welt heuchlerischer geworden ist. Massenmedien erlauben es allen Seiten, Meinungen zu manipulieren. Ob darin der Westen führend ist, weil er "noch" einen Technologievorsprung hat, mag sein. Ob gut gemeinte mahnende Bücher eines politisch Reisenden dies ändern werden, darf bezweifelt werden. Lehrreich, aufrüttelnd, informativ und zum Nachdenken anregend sind diese Bücher alle Mal und deshalb unverzichtbar. Den nichts ist schlimmer als zu wenig, oder zu einseitige Information.

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Bewertung vom 09.03.2019
Lola
Love, Melissa Scrivner

Lola


ausgezeichnet

Candice Fox und Don Winslow haben Konkurrenz bekommen. Scrivner Love schreibt fesselnd, authentisch und zwingt den Leser dazu, eine Seite nach der anderen zu verschlingen. Und nebenbei hat sie eine ambivalente Anti-Heldin geschaffen, die man trotz ihren unfraglich verbrecherischen Lebens ins Herz schließt. Lola schwankt stets zwischen Loyalität, Familienzusammenhalt und der Gier nach Anerkennung als Chefin einer Gang. Dies darf aber zunächst niemand wissen, sie handelt im Hintergrund. Niemand ahnt, dass nicht ihr Freund mit dem üblichem Machogehabe die Bande anführt, sondern die zierliche Frau. Eines Tages bekommt die Gang den Auftrag, einen Drogendeal der gegnerischen Seite zu verhindern. Doch das geht gehörig schief. Nun droht das Kartell mit Lolas Tod, wenn nicht Drogen und 2 Millionen Dollar wieder auftauchen. Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit und ein Katz und Maus-Spiel zwischen den Parteien. Lola ist gezwungen, sich aus dem Schatten zu bewegen und setzt alles auf eine Karte.

In dem Buch verwischen die Grenzen zwischen Gut und Böse perfekt. In einer Minute versucht Lola, ihre Familie zu beschützen, in der anderen wird sie zur eiskalten Killerin. Dunkelstes Grau schwebt über der Geschichte, die zwar brutal, aber nicht vor Blut triefend ist. Gewalt findet statt, dient aber eher zur Verdeutlichung der Situation der Kriminellen. Wie im Fluge vergeht das Mitfiebern mit Lola und der Leser erlebt einen der besten Thrillerdebüts der letzten Zeit. Diese knallharte Lola mit dem großem Herz hinterlässt einen bleibenden Eindruck.

Bewertung vom 09.03.2019
1793 / Winge und Cardell ermitteln Bd.1
Natt och Dag, Niklas

1793 / Winge und Cardell ermitteln Bd.1


ausgezeichnet

Im Jahre 1793 wird ein Leichnam aus einer Kloake gezogen. Arme und Beine abgetrennt, keine Augen mehr...ein Anblick, der einem den Magen umdreht. Ein ungleiches Ermittlerduo findet sich zusammen, um den grausigen Fall zu lösen. Winge, ein gefürchteter Jurist und Cardell, ein Kriegsversehrter und als Häscher tätiger Säufer. Die Zeit läuft den beiden davon. Der politische Umbruch wird auch die Polizei treffen, Köpfe werden ausgetauscht und Winge ahnt, dass ihm dann die Ermittlung entzogen wird. Zudem ist er schwer krank. Bruchstückhaft versuchen die Männer das Rätsel zu lösen. Doch wo anfangen, ohne Namen, Zeugen oder Ähnliches? Durch meisterliche Arbeit und etwas Glück kommen sie aber dem grausamen Mörder näher. Aber wird er zu fassen sein? Und was hat sich in der düsteren Zeit damals abgespielt?
Niklas Natt och Dag ist mit diesem Roman ein dramaturgisches und erzählerisches Meisterwerk gelungen. Präzise und pedantisch hat er recherchiert, zeichnet ein beeindruckend authentisches Bild der damaligen Zeit, soweit man das heute beurteilen kann. Stockholm ist düster, stinkt und es herrscht ein System der Grausamkeiten. Der Autor beschreibt das Ganze so lebhaft, dass der Leser die dunklen Gassen spüren kann, die Armut fühlt und mit den Spinnerinnen leidet. Viele Personen des Romans gab es wirklich, das Sittengemälde ist nahezu perfekt. Und in diesen Rahmen zaubert der Schriftsteller einen dunklen Krimi, der raffiniert im Jahre 1793 vor und zurückspringt. Zeitweise ist der Leser den Ermittlern voraus, wird wieder eingeholt und eilt gemeinsam mit ihnen Richtung Auflösung des düsteren Stückes. Ein zurecht ausgezeichneter Krimi, der auch als historischer Roman ein Glanzstück ist.

Bewertung vom 10.02.2019
Zukunft - Eine Biografie
Ogiermann, Jan M.

Zukunft - Eine Biografie


gut

..oder eher zu wenig? Auf zweihundert Seiten eine mehr als tausendjährige Geschichte zu behandeln, ist eine verwegene Aufgabe. Zudem der Titel eher trügerisch ist. Viel weniger werden Zukunftsvisionen und ihre Auswirkung besprochen (was ich eigentlich erhofft hatte, also welche Auswirkungen haben Forschergeist oder bahnbrechende Erfindungen), sondern über dutzende Seiten der Glauben der Menschheit und ihr Versuch, auf verschiedenste Arten die Zukunft zu deuten. Das ist natürlich interessant. Doch um dieses Thema wirklich umfassend zu behandeln, ist das Buch zu kurz. Was daraus wurde, ist ein Parcours-Ritt durch die Geschichte. Ereignisse werden schlaglichtartig aneinander gereiht, ohne die Hintergründe ausreichend zu belichten. Wer also mit Geschichte gar nichts am Hut hat, wird resigniert das Buch zuklappen. Interessierte werden bestimmt viel erkennen, vermissen aber die Tiefe. Und wer nun wirklich etwas über die Zukunft und deren Bedeutung für die Menschheit erfahren will, sucht vergeblich. Weniger wäre hier mehr gewesen. Die Errungenschaften der Neuzeit, die meiner Meinung mach viel zukunftsprägender waren, als hunderte Jahre langes Sternelesen oder Leberschauen, kommen ebenfalls viel zu kurz. Was bleibt, ist eine rasante Geschichtsstunde, die allerdings nicht viel zum Thema beiträgt. Schade.

Bewertung vom 24.10.2018
Chicago
Mamet, David

Chicago


sehr gut

Chicago spielt in der Zeit der boomenden Mafia. Capone und co haben die Stadt in ihrem Griff, nichts läuft ohne sie. Verbrechen, Korruption und Mauscheleien bis in die höchsten Kreise sind an der Tagesordnung. Für die beiden Reporter, die sich mit philosophischen Gesprächen und viel Alkohol die Welt zurechtbiegen, ist dies der Alltag. Wortgewaltig und voller Zynismus diskutieren sie über die sündige Welt. Mike, ein Kriegsgedienter, verliebt sich in eine Irin. Wohl wissend, dass diese Beziehung nicht geduldet werden wird. Außerdem scheint das Blumengeschäft ihres Vaters auch nicht ganz koscher zu sein. Von diversen Seiten bekommt Mike Warnungen, auch von einer schwarzen Bordellbesitzerin. Ihre Mahnungen sind nicht minder rätselhaft und blumig dargebracht, wie auch fast sämtliche Dialoge des Buches. Und das ist auch das kleine Problem dieses wirklich gelungenen Romanes. Der Autor verfügt über viel Wissen und hat seinen Roman im Kopf. Dem Leser mit weniger Wissen fällt es manchmal schwer, den komplizierten Erklärungen oder Andeutungen zu folgen. Wer macht mit wem Geschäfte? Wer zieht die Fäden? Wie ist die politische Lage im damaligen Chicago? Oftmals bleibt dem Leser nur übrig, sich mit offenen Fragen zufrieden zu geben. Die Aufklärung des Verbrechens rückt dann manchmal beinahe schon in den Hintergrund. Trotzdem ein gelungenes Abbild des alten Chicago mit all seinen Grauzonen. Manchmal überfordert das Buch mit Detailwissen, aber die Wortgefechte der Protagonisten bereiten ein farbenfrohes Literatengewitter.