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Benutzername: 
herrzett
Wohnort: 
lübeck

Bewertungen

Insgesamt 115 Bewertungen
Bewertung vom 02.10.2017
Die Insel der Freundschaft
Sukegawa, Durian

Die Insel der Freundschaft


ausgezeichnet

"Die Insel der Freundschaft" ist ein recht vielschichtiger Roman. So finden hier neben der erwarteten Freundschaft zwischen Menschen, eine besondere Beziehung zu Tieren, Fachliches über die Käseherstellung, Traditionen, Weisheiten über das Träumen und Scheitern sowie Hin- und Aufgabe ihren Platz. Wir begleiten Ryosuke, der seine Stelle als Koch verlor und nun als Bauarbeiter auf einer abgeschiedenen Insel, mitten im Pazifischen Ozean anheuert. Dort soll er zunächst mit seinen neu gewonnenen Freunden Kaoru und Tachikawa einen Graben für eine Wasserleitung ausheben, doch sein eigentliches Ziel ist ein ganz anderes. Ryosuke hofft hier Antworten zu finden - den Sinn des Lebens und mit ihm den Mann, von dem seine verstorbene Mutter so viel gesprochen hat.

"Ich glaube, auch Menschen wandeln sich im Fluss der Zeit. Vielleicht sind wir sogar dazu geboren worden, immer wieder Neues zu empfinden."

Auf dem Festland hatte Roysuke alles verloren. Der Tod seines Vaters hatte ihm schwer zu schaffen gemacht und eigentlich möchte er selbst auch Suizid begehen. Die Insel bietet ihm nun ein neues Lebensziel und noch dazu eine ganz besondere Freundschaft. Er trifft auf Hashi, dessen ursprünglicher Traum Ziegenkäse zu produzieren bislang gescheitert war und sich nun der Fischerei widmet. Mit Roysuke lebt dieser Traum neu auf und er lernt mit seinen Freunden die Käseherstellung kennen. Dies ist allerdings nicht ganz so einfach wie erhofft. Auch die Inselbewohner sind nicht allzu begeistert von den Neuankömmlingen und stellen ihnen einige Hindernisse in den Weg.

"Es geht uns doch allen gleich. Wenn wir uns etwas vornehmen, denken wir, wir müssten es um jeden Preis erreichen. Und wenn wir es doch nicht schaffen, fühlen wir uns gleich wie Versager. Aber ich weiß nur zu gut, was es heißt, sein Leben für einen Traum zu opfern. Ein Traum darf ruhig auch ein Traum bleiben."

Durian Sukegawa zeigt uns mit diesem Roman, dass Aufgeben niemals ein Ziel sein sollte und Träume niemals alles sind. Er erschafft mit nur wenigen, klaren Worten ein detailliertes Bild voller Neugier, Wünsche und Weisheit. Leider bleiben am Ende sehr viele Fragen ungeklärt, was das Buch nicht weniger schön macht, aber den Leser etwas enttäuscht zurück lässt. Da sich sehr viel Tiefgründigkeit auch zwischen den Zeilen versteckt, würde ich dieses Buch nicht unbedingt jedem zu empfehlen.

"Er legte sich auf den Boden und blickte in den Himmel, an dem kleine, leuchtende Wolken vorbeizogen. Sie ähnelten sich, und doch hatte jede Wolke ihre ganz eigene Form. [...] Vielleicht waren die wallenden Wolken so strahlend weiß, weil sich in ihnen die Seelen unzähliger Lebewesen sammelten."

Bewertung vom 22.09.2017
Als der Teufel aus dem Badezimmer kam
Divry, Sophie

Als der Teufel aus dem Badezimmer kam


weniger gut

"Im Supermarkt sind die Armen leicht zu erkennen. Es sind die mit einer Einkaufsliste in der Hand, von der sie nicht abweichen. Die, die Waren ohne Preisschild mit dem Barcodescanner prüfen. Die, die vor den Regalen von einem Fuß auf den anderen treten. Die, die lange vor dem Überangebot an Joghurt verharren und Vergleiche anstellen [...] in der Hoffnung, die klügste Wahl zu treffen " - Willkommen im Leben von Sophie.

Das Buch "Als der Teufel aus dem Badezimmer kam" eine Art Biografie, nur anders. Sophie Divry schreibt sehr offen über ihre Gedanken und das Dasein als Arbeitslose, Schriftstellerin und von der Grundsicherung Lebende. Der Weg hinaus aus diesem Leben ist nicht einfach und gar häufig schwieriger als es aussieht - die Verlockung steckt überall und macht nicht am fehlenden Plus auf dem Konto halt. Sophie hat gerade noch 17,70 Euro für die nächsten Tage ... eine weitere Rechnung? Bingo! Überzogen.

Es wird bereits zu Beginn nur von einem "Improvisationsroman voller Unterbrechungen und ohne Anspruch auf Tiefgang" gesprochen, dennoch hätte ich mehr erwartet. Die durch den Titel erwartete Auseinandersetzung mit dem Teufel beschränkt sich auf wenige Seiten, die kaum der Rede wert sind. Es ist eine Art Collage aus Alltagsbeschreibung, lustigen Metaphern und Umschreibungen sowie Auseinandersetzungen mit dem gesellschaftlichen Problem der Arbeitslosigkeit. Der lockere Schreibstil macht es recht einfach in Sophies Leben hineinzuversetzen, dennoch denke ich, dass vieles durch die Übersetzung aus dem Französischen verloren ging. Das Besondere an diesem Buch ist die Gestaltung, bereits der minimalistische Titel macht aufgrund seiner Ausstanzung der Teufelshörner neugierig und die Innenseiten brechen häufig aus dem alltäglichen Blocksatz heraus. Ansonsten muss man leider sagen: "am Thema vorbei". Sehr schade!

Bewertung vom 20.09.2017
Die Entdeckung des Glücks
Prophet, Isabell

Die Entdeckung des Glücks


sehr gut

"Die Entdeckung des Glücks" stellt sich als eine sehr interessante Zusammenstellung von Theorie, Beispielen und Praxis heraus. Isabell Prophet schafft es auf freundschaftlich, angenehmer Art und Weise das Thema Glück dem Leser näher zu bringen und auf verschiedene Zusammenhänge aufmerksam zu machen.

"Die Menschen um uns herum können unser Leben bereichern oder zerstören, uns fordern oder langweilen, amüsieren oder betrüben"

Das Wichtigste ist dabei wie man selbst damit umgeht und in wie weit man sich positiv oder negativ lenken lässt. Diese Erkenntnis sollte bereits vor dem Lesen klar sein. Eine gute Mischung aus Arbeit, Sport und Freundschaften ist der Schlüssel und dieses Buch hilft über viele Situationen seines Lebens nachzudenken und diese eventuell auch zu verbessern. Teilweise gibt in dem theoretischen Abschnitt Aussagen, die ich als recht kritisch bewerte oder einfach nicht als differenziert genug erachte z.B. PTBS/Traumata-Verarbeitung.

"Glücklich sein im Beruf kann man lernen - es hat uns nur noch niemand gezeigt, wie."

Falls Isabell Prophet uns mit ihrem Buch den Weg dahin zeigen will, gelingt es ihr meiner Meinung nach nur im Ansatz.
"Die Entdeckung des Glücks" ist dennoch ein gutes Einstiegswerk mit zahlreichen, nützlichen Verweisen und ich würde es jedem empfehlen dieses Buch wenigstens ein Mal gelesen und durchdacht zu haben. Den Rest muss man sich dann selbst erarbeiten.

Bewertung vom 07.09.2017
Der Sandmaler
Mankell, Henning

Der Sandmaler


sehr gut

Zu dem Roman "Der Sandmaler" kann man eigentlich gar nicht so viel sagen, außer dass er so viel Wahrheit über die Zustände Afrikas und den Einfluss des Kapitalismus enthält. So begleiten wir den wohlhabenden Stefan und die 'normale' Elisabeth im Urlaub auf ihrer Reise in die unbekannte Lebenssituation der Armen der Welt. Es handelt sich hierbei um eine frühere englische Kolonie und Touristenhochburg inmitten von Armenvierteln.

"Elisabeth bekam den Eindruck, dass alles, was die Menschen hier besaßen, Reste und Abfälle aus jener Welt waren, in der sie selbst lebte. Als würde dieses Land von den reichen Industriestaaten als Müllhalde benutzt."

Es ist erschreckend, wenn man bedenkt, dass die schwedische Originalausgabe bereits 1974 erschienen ist und sich bis heute eigentlich nichts Grundlegendes verändert hat. Mankell greift in Form dieses Romans unzählige seiner Reiseeindrücke, von der schnellen Nummer/Prostitution und Bettelei bis hin zur eigentlichen Kultur Afrikas auf und setzt sich mit diesen kritisch auseinander.

"Aber weißt du, solche Bräuche werden sehr schnell verschwinden, wenn dieses Land sich nach ausländischen Interessen entwickelt. Man wird dann nur ein paar pittoreske Riten aufrechterhalten, um sie den Touristen vorzuführen. Aber die eigentliche Kultur wird ausgelöscht und durch Coca-Cola und schwedische Popmusik ersetzt werden."

Das Bemerkenswerte, wie ich finde, ist, dass dieser Roman um die Haupthandlung herum so viel Wahrheit enthält. Den reichen und gut situierten Menschen der Welt sind die dort herrschenden Zustände gänzlich egal, Hauptsache es geht ihnen gut und an ihrer eigenen Einstellung wird sich wenig ändern. Elisabeth, die normal Bügerliche - sofern man das so sagen kann - ist diejenige, die durch die Zustände erschüttert wird, sich Gedanken macht, helfen mag und auf so viel Kultur und Menschlichkeit trifft."Der Sandmaler" ist kein mitreißender Roman, es ist ein eindrucksvoller Reise- und Situationsbericht, der der wohlhabenderen Gesellschaft die Wahrheit und das afrikanische Leben vor Augen halten soll.

Bewertung vom 25.08.2017
Was man von hier aus sehen kann
Leky, Mariana

Was man von hier aus sehen kann


ausgezeichnet

Ich hatte ja bereits - dank zahlreicher begeisterter Rezensionen - meine Erwartungen an dieses Buch recht hoch angeschraubt, aber Mariana Leky hat mit ihrem Roman diese eindeutig mehr als übertroffen.

Bereits der Prolog zeigt, dass es sich hierbei um ein literarisches Highlight dieses Jahres handelt. Es ist ein nahezu perfektes Konglomerat aus Überraschungen, Unterhaltung, Weisheiten, Witz, Liebe und Trauer gepaart mit reichlichen Situationen, die man auch in seinem eigenen Leben wiederfindet - sei es der rasende Buschfunk innerhalb des Dorfes, die Eigenarten und schrulligen Macken einzelner Hauptfiguren, die Begeisterung für den Buddhismus oder andere Länder und Ängste über seine eigenen Schatten zu springen.
Diese Geschichte zeigt uns, dass man sich "die Abenteuer für die man gemacht ist nicht immer aussuchen" kann und Veränderungen manchmal auch ganz plötzlich und ohne Worte geschehen, doch alles am Ende irgendwie auch gut läuft, sofern man es sich auch eingesteht.

Ohne zu viel vorweg zu nehmen ist "Was man von hier aus sehen kann" einfach eine Bereicherung für jedes Bücherregal und ein Buch welches auch noch langfristig beschäftigen wird - zumindest ist mein Kopf auch noch nach Stunden voller Gedanken und irgendwie doch ganz leer.