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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Lu
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 124 Bewertungen
Bewertung vom 08.10.2023
Baustellen der Nation
Banse, Philip;Buermeyer, Ulf

Baustellen der Nation


sehr gut

Die Macher des Podcast „Lage der Nation“ haben gemeinsam mit ihrem Team eine informative, detailreiche Ergänzung zu ihrem Podcast geschrieben. Dieser wird durch das Sachbuch nicht überflüssig, evtl. hat man durch die vielen Hintergrundinformationen sogar noch mehr Spaß am Hören - und umgekehrt!
In „Baustellen der Nation“ werden die Leser:innen in grundlegende Probleme in Sachen Infrastruktur, Sozialstaat und Föderalismus eingeführt. Dabei wird teilweise ganz schön ins Detail gegangen, wenn z.B. kommunale Entscheidungsprozesse erläutert werden. Das kann mitunter anstrengend zu lesen sein, ist aber immer gut verständlich. Die Lösungen, die vorgeschlagen werden, gehen oft „lagetypisch“ in Richtung Liberalisierung und Entbürokratisierung einerseits und Zentralisierung andererseits - wir bewegen uns also politisch v.a. im ökolibertären bis linksliberalen Spektrum. Auch wenn durchaus auch Kritik an der Ampelkoalition geübt wird, bleibt sie immer konstruktiv und es wird auch auf Erfolge geschaut. Das fand ich persönlich sehr angenehm, weil die Probleme dann nicht in Hoffnungslosigkeit enden: Das Sachbuch bleibt eben nicht bei einer kritischen Analyse stehen, sondern zeigt auch realistische politische Lösungen auf.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.10.2023
Nachts erzähle ich dir alles
Landsteiner, Anika

Nachts erzähle ich dir alles


ausgezeichnet

Anika Landsteiners Roman "Nachts erzähle ich dir alles“ zeigt erneut, wie talentiert die Autorin ist. Mit ihrem unverkennbaren Stil beherrscht Landsteiner die Kunst der Coming-of-Age-Geschichte für Frauen Mitte dreißig wie keine andere. Dieser Roman ist keine Ausnahme und bietet eine fesselnde Handlung, komplexe Charaktere und ein herrlich sommerliches Setting in Südfrankreich.
Eines der herausragenden Merkmale dieses Buches sind zweifellos die Frauenfiguren, die von Landsteiner mit großer Tiefe und Komplexität gezeichnet wurden - man will sie eigentlich alle kennenlernen, am besten im kleinen Ort am Meer in Frankreich, der ebenfalls nah und dicht beschrieben wird. Jede einzelne Figur besitzt eine eigene Geschichte, eine einzigartige Persönlichkeit und individuelle Herausforderungen, mit denen sie sich auseinandersetzen muss. Ihre Stärken, Schwächen und Emotionen sind so realistisch und nuanciert dargestellt, dass man schnell eine Verbindung zu ihnen aufbaut.
Landsteiner gelingt es, ernste Themen wie Tod und Reproduktionsrechte auf eine Art und Weise anzusprechen, die die Lesenden sowohl berührt als auch zum Nachdenken anregt. Sie schafft es, diese Themen sensibel und einfühlsam in die Geschichte einzuflechten, ohne den Lesefluss zu beeinträchtigen oder den Roman zu überladen. Große Empfehlung!

Bewertung vom 07.10.2023
Rattensommer
Pickel, Juliane

Rattensommer


ausgezeichnet

Juliane Pickel hat einen weiteren sehr guten Jugendroman geschrieben, der sich mit Wut, Freundschaft und versagenden Erwachsenen auseinandersetzt, die die Jugendlichen nicht wirklich sehen bzw. die einfach weitgehend abwesend sind. Dabei verwendet die Autorin wie auch in Krummer Hund eine bittersüße, poetische Sprache, die eine melancholische Atmosphäre schafft. Die Geschichte von Lou und Sonny ist nur oberflächlich betrachtet eine queere Liebesgeschichte oder eine packende Story um einen Mordfall, wie der Klappentext es andeutet. Es geht vor allem darum, wie Lou sich von ihrer Freundin und ihren Eltern abnabelt und zu ihrem eigenen Weg findet. Dabei bleibt Vieles in der Geschichte ambivalent und offen, etwas, womit auch Lou lernen muss umzugehen und woran Sonny zu scheitern droht.
Coming-of-age + Sommer + Schwimmen scheint das Erfolgsrezept für Romane in diesem Sommer zu sein, es gelingt auch Juliane Pickel!

Bewertung vom 07.10.2023
Nincshof
Sebauer, Johanna

Nincshof


sehr gut

Was für ein netter Sommerroman! Man merkt den verschroben gestalteten Charakteren an, mit wie viel Liebe und Spaß hier geschrieben wurde. Am besten hat mir Erna Rohdiebl gefallen, mit der alles beginnt: Nachts bricht die patente ältere Dame in einen Garten in ihrem Dorf Nincshof ein, um dort im Pool schwimmen zu gehen. Was für ein Skandal in Nincshof, als das auffliegt! Auch die Hauptstoryline muss der Autorin unheimlich viel Spaß gemacht haben: Eine kleine Gruppe aus Verschwörern will das Dorf verschwinden lassen, damit man von Touristen und co in Ruhe gelassen wird. Sogar ein theoretisches Fundament mit Bezug zu Arendt und co wird dafür entwickelt, verschiedene Aktionen werden durchgeführt. Am Ende wird schließlich alles auf die Spitze getrieben, es geht weiter ins Absurde - vielleicht nicht weltverändernd, aber rundum ein nettes Lesevergnügen!

Bewertung vom 07.10.2023
Die Einladung
Cline, Emma

Die Einladung


sehr gut

Mit Alex, der Protagonistin, kann man sich kaum identifizieren: Sie lebt in den Tag hinein, begeht immer wieder zwischenmenschliche Fehler, wodurch sich ihre Lebenssituation weiter verschlechtert, geht aber gleichzeitig sehr berechnend mit ihren Mitmenschen um und knüpft nur Kontakte, um die Menschen auszunutzen. Trotzdem ist Alex faszinierend, ich wollte immer weiterlesen, um zu sehen, ob sie noch bekommt, was sie will: das Leben der Reichen und Schönen, endlich dort nicht mehr nur zu Gast sein. Nie erfährt man dabei etwas Wichtiges über sie. Mit ihren eigenen Emotionen setzt sie sich lieber nicht auseinander. So richtig scheint das die Reichen um sie herum aber auch nicht zu stören, die sind nämlich auch viel zu sehr mit sich selbst und den künstlich erzeugten Problemen beschäftigt. Menschen, die offensichtlich nicht dazu gehören, werden von ihnen kategorisch ausgeschlossen. Alex schafft es allerdings, sich ihnen so anzupassen, dass die fehlende Zugehörigkeit oft nicht bemerkt wird. Bis zum Schluss wird das Lesen von Fragen begleitet, die dafür sorgen, dass man durch die Seiten eilt: Fliegt Alex auf? Entkommt sie Dom, dem sie Geld schuldet? Lebt sie einfach immer so weiter im Dunstkreis der reichen Leute?

Bewertung vom 07.10.2023
Mattanza
Fabiano, Germana

Mattanza


ausgezeichnet

Als auf der Insel Katria Nora Greco geboren wird, bricht eine neue Zeit an: Die Tunfischjagd wird, wenn ihr Großvater zurücktritt, erstmals von einer Frau angeführt werden. Ihr Leben lang wird Nora darauf vorbereitet, dann übernimmt sie, als sie gerade volljährig geworden ist. Aber die Zeiten auf Katria ändern sich auch in anderer Hinsicht: Tourismus, moderne Tunfischjagd und schließlich auch die Ankunft vieler Geflüchteter über das Mittelmeer bedrohen die traditionelle Lebensweise und Tunfischjagd auf Katria, was Nora als Anführerin vor große Herausforderungen stellt.
Der Roman ist einfühlsam geschrieben, die poetischen Beschreibungen des Meeres passen wunderbar zum Mare Verlag, die Menschen im Dorf werden liebenswert aber komplex dargestellt. Ich habe die fiktive Geschichte der kleinen Insel gerne mitverfolgt. Nur das Titelbild passt für mich nicht gut - Noras Augen werden ganz anders beschrieben und die gesamte Insel spielt eine viel größere Rolle im Roman. Nur aufgrund des Titelbilds wäre ich am Roman vorbeigegangen.

Bewertung vom 07.10.2023
Sylter Welle
Leßmann, Max Richard

Sylter Welle


sehr gut

Max Richard Leßmann erzählt von einem Besuch bei seinen Großeltern auf Sylt, bei dem er sich immer wieder an Geschichten aus seiner Großfamilie erinnert. Diese humoristisch erzählten Anekdoten erinnern an den Stil des beliebten Autors Horst Evers, wobei Leßmann viel tiefgründiger erzählt und seine Charaktere liebevoller zeichnet. Der Schreibstil überzeugt mich auch mehr - feiner Humor, schöne Satzkonstruktionen, lebendige Dialoge. Während ich Horst Evers gar nicht gut ertragen kann, weil eine Pointe die andere jagt, konnte ich Leßmann gut weglesen, auch wenn ich sogar gern noch mehr von dem Blick hinter die Fassaden der stoischen Großeltern gehabt hätte. Gerade die traurigen und leisen Momente im Roman haben mich nämlich sehr berührt. Einen zweiten Band der witzigen und abstrusen Familienanekdoten bräuchte ich dagegen nicht, auch wenn ich sie gerne gelesen habe.

Insgesamt ist "Sylter Welle" ein Roman, der sich hervorragend als Sundowner Lektüre eignet - nicht zu schwermütig, nicht zu leichtfüßig, schnell weggelesen. "Sylter Welle" ist eine Empfehlung für alle, die eine berührende und gleichzeitig unterhaltsame Lektüre suchen.

Bewertung vom 07.10.2023
Vatermal
Öziri, Necati

Vatermal


ausgezeichnet

„Vatermal" von Necati Öziri ist ein Roman, der auf den ersten Seiten direkt eine Sogwirkung entfaltet. Der Autor versteht es, die Leserinnen und Leser unmittelbar in die Welt des Protagonisten Arda und seiner Freunde am Bahnhof zu versetzen. Man hat das Gefühl, selbst auf der Bank zu sitzen, während man mitverfolgt, wie Ardas Schwester Aylin von zu Hause wegläuft, weil sie mit der Mutter nicht mehr klarkommt.
Besonders beeindruckend ist, wie Öziri die Geschichten von Ardas Mutter und Schwester im Krankenhaus einfängt und vermittelt. Man spürt förmlich, wie Arda diese Erzählungen aufsaugt und dabei über die Auswirkungen der Abwesenheit seines Vaters auf seine eigene Geschichte nachdenkt. Die beiden Frauengeschichten bekommen dabei viel Raum.
Die knappe Erzählform des Autors ermöglicht es, die emotionalen Bindungen der Charaktere und die Tiefe ihrer Gedanken auf eindrucksvolle Weise zu erfassen, man ist immer ganz bei den Figuren. „Vatermal“ ist ein Roman, der den Leserinnen und Lesern ein intensives Leseerlebnis bietet. Necati Öziri hat hier eine beeindruckende Erzählung geschaffen, die sich mit Themen wie Familie, Verlust und Identität auseinandersetzt und dabei einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Bewertung vom 07.10.2023
Paradise Garden
Fischer, Elena

Paradise Garden


sehr gut

"Paradise Garden" von Elena Fischer ist eine bewegende Coming-of-Age-Geschichte, die das Leben von Billie, einer 14-jährigen Protagonistin, in den Mittelpunkt stellt. Der Roman fängt die emotionale Achterbahnfahrt ein, die Billie erlebt, nachdem sie ihre Mutter verloren hat. Die Beziehung zwischen Billie und ihrer Mutter erinnert sehr an die dynamische Bindung der Gilmore Girls - nicht zuletzt, weil die Mutter Cowboy Stiefel besitzt, selbst früh von zu Hause fort gegangen ist und ein schwieriges Verhältnis zu ihrer eigenen Mutter hat.
Im zweiten Teil des Romans macht sich Billy im alten Auto ihrer Mutter auf die Suche nach ihrem Vater. Ab dort erinnert der Roman an den Roman Tschick, wobei Billies Geschichte insgesamt hoffnungsvoller und positiver erscheint.
Mir hat die Coming-of-age-Story insgesamt sehr viel Spaß gemacht, zu lesen, auch wenn ich mit den Bezügen zu Gott nichts anfangen konnte und mich Fehler in der Kontinuität der Geschichte teilweise gestört haben (plötzlich ist Milch im Kühlschrank, plötzlich kann die Protagonistin Autofahren, plötzlich ist die kaputte Autotür nicht mehr so kaputt, dass sie in Kurven festgehalten werden muss, Handys und Internet existieren in der Geschichte nicht).

Bewertung vom 07.10.2023
Adam und die Jagd nach der zerbrochenen Zeit
Schmidt, G.Z.

Adam und die Jagd nach der zerbrochenen Zeit


sehr gut

Der Roman „Adam und die Jagd nach der zerbrochenen Zeit“ von G.Z. Schmidt ist eine spannende Zeitreisengeschichte für junge Leser:innen. Der zwölfjährige Junge Adam findet auf seinen Reisen in die Vergangenheit Menschen, die zu Freunden werden, Unglücke, die er gerne verhindern würde und weitere Gegenstände, die mit Gegenwart und Zukunft magisch verbunden sind.
Mir hat besonders gut gefallen, dass Adams Geschichte eigentlich realistisch erzählt wird und auch die Zeitreisenthematik durchaus realitätsnah angegangen wird. Durch diesen Stil sowie die magischen Gegenstände und die Tatsache, das Adam früh seine Eltern verloren hat und bei seinem Onkel lebt, hat mich die Geschichte angenehm an Harry Potter erinnert. Insgesamt ist der Roman dabei aber deutlich kurzweiliger und schneller erzählt, auch wenn ich es durchaus auch schade finde, dass manche Charaktere wie z.B. die als Freunde von Adam in verschiedenen Zeiten auftauchenden Figuren Francine oder Daisy nur kurz auftauchen und ihr Schicksal nicht näher erzählt wird.
Dass der Roman recht kurz ist, motiviert aber bestimmt auch einige junge Leser:innen. Auch das Cover ist sehr ansprechend gestaltet. Den Titel finde ich allerdings nicht passend übersetzt - um „zerbrochene Zeit“ geht es nur, wenn man dies als Metapher sieht. Das werden nicht alle lesenden Kinder verstehen.