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brenda_wolf
Wohnort: 
Oberfranken

Bewertungen

Insgesamt 166 Bewertungen
Bewertung vom 27.08.2020
Jahresringe
Wagner, Andreas

Jahresringe


sehr gut

Die Evangelische und der Wald

Andreas Wagners Debütroman „Jahresringe“ umfasst die Geschichte einer Familie und ihrer Heimat über 3 Generationen hinweg.

Leonores Flucht hat sie bis in die Gegend vom Hambacher Forst verschlagen. Sie findet ein Ende, als sie bei dem freundlichen Moppenbäcker Jean Immenrath, genannt Hannes, Unterschlupf und Arbeit findet. Sie gibt vor 21 Jahre alt zu sein, ist in Wahrheit jedoch erst 13. Die Ortsfremde, das Flüchtlingsmädchen aus Ostpreußen, ist im Dorf nicht willkommen. Die Leute lassen es ihr spüren, sie erlebt Anfeindungen. Man nennt sie verächtlich die Evangelische aus dem Osten. In Hannes hat sie jedoch einen Menschen gefunden, dem sie vertrauen kann. Änne Immenrath, Hannes Mutter, betrachtet sie eher als notwendiges Übel.

Leonore zieht es in ihrer knappen Freizeit in den Wald. Der Wald erscheint ihr genauso erholsam wie ein tiefer Schlaf. Hier trifft sie auf den geistig und körperlich zurückgeblieben Arnold Harbinger, ebenfalls ein Außenseiter, in ihm findet sie einen Freund.

So vergehen die Jahre. An Männern ist sie nicht interessiert, doch sie wünscht sich ein Kind. Sie wird von einem Priester geschwängert, der im Wald ihrem Zauber verfällt und gebiert einen Sohn. Paul ist ihr das reine Glück, obwohl sich das ganze Dorf das Maul darüber zerreißt, wer wohl der Vater des Kindes ist.

Der zweite Teil erzählt von Leonores Sohn Paul und von der Abforstung des Waldes durch einen Energieversorger, der Wald muss dem Abbau des Braunkohle-Tagebaus weichen. Ganze Dörfer werden umgesiedelt.

Der dritte Teil widmet sich Pauls Kindern Jan und Sarah. Sarah ist Umweltaktivistin. Mit ihr verbindet Leonie eine ganz besondere Beziehung. Ihrer Enkelin erzählt sie von ihrem Vater. Erst spät hat Leonie die Wahrheit über diesem Mann erkannt, jedoch dazu geschwiegen. Endlich kann sie darüber reden.

Eine Geschichte ist eingebettet um die Geschehnisse um den Hambacher Forst, zugleich eine Nachkriegserzählung. Und natürlich geht es um Heimat. Der Autor zeichnet ein sehr eindrucksvolles Bild vom dörflichen Leben in den Aufbaujahren, aber auch von Bigotterie und Ablehnung. Der Leser erfährt vom Raubbau an der Natur, von Umweltzerstörung und von Menschen, die Aufstehen und Widerstand leisten.

Die Geschichte liest sich leicht und flüssig. Mir gefielen vor allem die starken Frauen, Leonie und Sarah. Der Roman lasst nicht kalt, er berührt und regt zum Nachdenken an, trotz einiger Längen.

Fazit: Unbedingt lesen.

Bewertung vom 23.08.2020
Ein Sommer auf Sylt (ungekürzt) (MP3-Download)
Wolf, Lena

Ein Sommer auf Sylt (ungekürzt) (MP3-Download)


weniger gut

Leichte Sommerlektüre

Inhalt:

Sylt hat immer Saison und bietet wunderschönes Lokalkolorit für eine charmante Liebesgeschichte: Eigentlich wollte Julia nur eine Auszeit nehmen. Doch nun sitzt sie mit drei Streithähnen im Autozug nach Sylt: ihrer Mutter und zwei Tanten. Die Schwestern sind uneins, was mit dem Haus auf Sylt geschehen soll. Früher haben sie dort unbeschwerte Familienurlaube verbracht - bis sich alle in den gleichen Mann verliebten: Julias Vater. So einfach ist das mit Verkaufen aber ohnehin nicht, denn wie sich herausstellt, ist das Haus vermietet. Und zwar an die letzte Geliebte des Vaters. Notgedrungen kommen Julia und ihr kapriziöser Anhang in einer Pension unter. Zwischen dem Besitzer und Julia knistert es schon bald. Aber damit fangen Julias Probleme erst an ...

Meine Meinung:

Leider kenne ich die Insel Sylt nur über Bücher und TV, so war ich sehr gespannt auf diesen Roman. Tatsächlich hat Lena Wolf mit „Ein Sommer auf Sylt“ einen leichten Roman mit einem interessanten Lokalkolorit vorgelegt.

Die Handlung war leider sehr vorhersehbar, auch wenn es etliche Irrungen und Wirrungen gab. Die liebe Verwandtschaft machte Julia das Leben schwer. Aber auch ihr Verlobter war ein Kaliber für sich. Von den Charakteren gefiel mir am besten Charlotte Engels, die Geliebte des Vaters. Selbst die Hauptprotagonistin Julia konnte meine Sympathie nicht erringen.

Zwei Fragen beschäftigten mich: Was war vorgefallen, dass die Schwester entzweite? Und: Was wirft Julia ihrer Mutter eigentlich vor? Denn das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter war mehr als distanziert.

Die Sprecherin Sandra Voss verstand es, die Figuren gut rüberzubringen, auch die Örtlichkeiten ließ sie bildlich vor meinem inneren Auge erstehen. An ihr lag es also nicht, dass mich die Handlung nicht wirklich fesseln konnte.

Fazit: Eine leichte Sommerlektüre für romantisch veranlagte Frauen.

Bewertung vom 22.08.2020
Wilde Freude
Chalandon, Sorj

Wilde Freude


ausgezeichnet

Tanz zwischen Leben und Tod

Inhalt:
Jeanne, die Buchhändlerin, erhält die Alptraumdiagnose Krebs. In ihrer linken Brust wird ein 23 mm großer Knoten festgestellt. Jeanne nennt ihren Krebs Kamelie. Sie hofft auf die Tage danach, wenn ihre Kamelie verwelkt und sie wieder aufgeblüht ist. Doch zuerst gilt es die OP und die anschließende Chemotherapie mit ihren Nebenwirkungen durchzustehen, danach folgen Bestrahlungen und fünf Jahre Medikamente.

Vor einigen Jahren hatte Jeanne ihren 7-jährigen, von Geburt an erkrankten, Sohn Jules verloren. Seit diesem Tag hatten ihre Augen den Glanz verloren. Matt ihr Mann, hielt nie wieder ihre Hand. Er hatte Jeanne die Schuld an der Erkrankung ihres Sohnes gegeben. Denn in seiner Familie ist niemand krank. Und jetzt verhält er sich wie ein echter Kotzbrocken. Er wirft ihr Grobheiten an den Kopf. Was folgende Szene verdeutlicht:
Jeanne: „Ist irgendwas?
Er zuckt die Schulter.
„Meine Frau hat Krebs, sie wird die Haare verlieren, alles super, warum?“

Jeanne hat wundervolles langes kraftvolles rotes Haar. Sie lässt sich ein Erinnerungsfoto von einem Profifotografen machen. Und dann Schock: erste Haare auf dem Sofa und auf dem Kopfkissen. Matt findet das widerlich, sagt, das Kopfkissen erinnere an den Liegeplatz einer räudigen Katze.

In der Chemo lernt Jeanne Brigitte kennen, auch sie ist an Krebs erkrankt. Sie nimmt Jeanne unter ihre Fittiche. Sie lernt Brigittes Partnerin Assia und eine weitere Leidensgenossin, Melodie kennen. Später zieht sie bei den drei Frauen ein. Ihre Ehe ist nun endgültig zerbrochen. Was die vier Frauen verbindet: Ihnen allen fehlt ein Kind.

Meine Meinung:
Mich hat dieser Roman „Wilde Freude“ von Sorj Chalandon, einem französischen Schriftsteller und Journalisten von der ersten bis zur letzten Zeile nicht mehr losgelassen. Der Autor hat ein ernstes Thema angefasst und in eine spannende Story verwoben. Weniger gut finde ich, dass der Klappentext zu viel von der Handlung vorwegnimmt. Dieser Kritikpunkt geht an den Verlag. Auch der Titel ist irreführend gewählt, denn von wilder Freude ist nirgendwo was zu spüren.

Trotzdem ein starker Roman der mich berührt hat. Chaladon schreibt an keiner Stelle rührselig.. Er schreibt authentisch. Ich lerne in meinem Job Frauen kennen, die an diesem Krebs erkrankt sind. Genauso schildern sie mir ihre Nebenwirkungen, und ihre Geschichten gleichen der von Jeanne.

Zugegeben, ein bisschen erinnert der Roman an Thelma und Luise, aber wirklich nur ein bisschen.

„Wilde Freude“ übte auf mich eine ungemein starke Sogwirkung aus… Ich wollte wissen wie es mit den Frauen ausgeht. Wird alles gut? Nein, es wird nicht alles gut, jedenfalls nicht, wie es sich der Leser wünschen würde. Aber so ist das Leben nicht. Und dennoch wird alles gut.

Ich habe mitgelitten, ich war eine von den Frauen, die sich untereinander so viel geben. Die für einander da sind, und die in ihrer Solidarität sogar bereit sind Grenzen zu überschreiten.

Ich vergebe dennoch, die volle Punktzahl, denn für den Klappentext ist der Verlag verantwortlich.

Bewertung vom 20.08.2020
Ein Mann der Kunst
Magnusson, Kristof

Ein Mann der Kunst


ausgezeichnet

Der Malerfürst, vom Universum aus betrachtet

Herrlich! Der Förderverein Waldvogel plant einen Museums-Neubau, der ausschließlich dem Werk eines einzigen Künstlers gewidmet ist, nämlich KD Pratz. KD Pratz ist einer der bedeutendsten und teuersten und Künstler unserer Zeit. Der Künstler lebt zurückgezogen auf einer Burg im Rheingau und gilt als schwierig. Er verweigert sich jeder Vereinnahmung durch dem Kunstbetrieb.

Zu einem ungezwungenen Kennenzulernen besuchen Mitglieder des Fördervereins KD Pratz auf seiner Burg. KD Pratz ist ein Künstler, wie aus dem Bilderbuch. Exaltiert, immer bereit, seine Fans vor den Kopf zu stoßen. KD Pratz schwadroniert: Die Kunst ist genauso kaputt wie die Gesellschaft. Seine Arbeiten thematisieren die Entseelung des modernen Menschen. Aber auch die Mitglieder des Museumsvereins sind eigene Charaktere. Und so bleibt es nicht aus, dass diese mit dem Künstler aneinandergeraten. Die Situation ist zum Teil sehr aufgeladen und eskaliert. Pratz wird aus der Reserve gelockt, doch Pratz ist nicht käuflich.

Kristof Magnusson hat mit „Ein Mann der Kunst“einen herrlich unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Kunstbetrieb nicht ganz ernst nimmt und dennoch dem Leser Einblick in diese Welt verschafft. Die Charaktere, die er geschaffen hat, sind unterhaltsam, man hört ihnen gerne zu, und kann sich oft ein Schmunzeln nicht verkneifen. Der Schreibstil ist leicht und flüssig. Es hat Spaß gemacht. Ich war als Leser definitiv ein Teil der Gruppe.

Bewertung vom 13.08.2020
Der halbe Russ / Daisy Dollinger ermittelt Bd.1
Peter, Isolde

Der halbe Russ / Daisy Dollinger ermittelt Bd.1


sehr gut

Daisy ermittelt - Humorvoller Krimiauftakt

Die Autorin „Isolde Peter“ legt mit ihrem Debüt einen unterhaltsamen Regionalkrimi vor.
Ein toter Straßenmusikant wird vor dem Münchner Hofbräuhaus von der 63jährigen Erika Sengersbach aufgefunden. Schon die Beschreibung dieser Zeugin konnte mir ein erstes fettes Grinsen entlocken. Der Tote ist ein Russe, mit Künstlernamen Oleg Wodka.

Daisy Dollinger, die Sekretärin der Staatsanwältin Dr. Liane von Papenburg mischt sich Undercover mit ihrem Akkordeon und im feschen Dirndl in die Straßenmusikantenszene. Sie lernt den attraktiven Akkordeonspieler Igor Strelnikow und seine Schwester Palina kennen. Beide sind russische Musikstudenten, die sich als Straßenmusiker ihren Unterhalt verdienen. Wenig später wird auch Igor tot aufgefunden. Um ihn tat es mir wirklich leid. Igor war ein Hingucker und Charmbolzen. Seine Schwester steht unter Verdacht.

Was allerdings Daisys Heimatort Dachselkofen und Daisys Vater mit der Geschichte zu tun haben, wird hier nicht verraten.

Insgesamt ein leicht und flüssig lesbares Werk, amüsant und humorvoll. Die Charaktere sind gut mit ihren Macken beschrieben. Eigentlich Typen, wie du und ich. Vor allem unter Daisys Familienclan und unter ihren Kollegen finden sich einige skurrile Persönlichkeiten. Ihr Ehemann ist übrigens Amerikaner. Und auch Daisys Dackel Wastl mischt kräftig mit. Im Laufe der Geschichte erfahren auch Nicht-Bayern unter den Lesern was ein halber Russ ist.

Ich liebe diese Art von Krimi, bei dem es nicht immer so bierernst zugeht. „Der halbe Russ“ ist amüsant und bietet viel Lokalkolorit. Einziger Kritikpunkt, für meinen Geschmack ist der Krimi leider etwas zu ausschweifend angelegt. Dennoch gut für einen entspannenden Nachmittag in der Hängematte.

Bewertung vom 24.07.2020
Zwei fremde Leben
Goldammer, Frank

Zwei fremde Leben


ausgezeichnet

Beklemmend realistisch

Inhalt:
Zwei Leben, die untrennbar miteinander verbunden sind und deren Wege sich doch erst nach 17 Jahren kreuzen: Claudia Behling sucht nach ihrer Mutter, die sie nach der Geburt weggegeben haben soll. Doch Ricarda wollte ihr Kind nie weggeben.

Meine Meinung:
Ein Buch das die Situation in der damaligen DDR und die Zeit nach der Wende gut abzeichnet. Die Stimmung kommt realistisch und nachdrücklich rüber. Aber auch die Verzweiflung der jungen Frau, deren Kind angeblich nach der Geburt verstorben ist. Ricarda kann einfach nicht glauben, was alle anderen um sie akzeptieren. Sie macht sich mit ihren Nachforschungen unbeliebt, anscheinend trifft sie auf einen Nerv. Denn da ist ganz offensichtlich was faul.

Mich hat die Geschichte sehr berührt. Ich hatte vorher noch nichts vom Autor Frank Goldammer gelesen. So bin angenehm überrascht, von seinem Stil, der unaufdringlich, aber gut nachvollziehbar ist. Ich konnte mich als Leser mühelos in die Figuren reinversetzten. Die Figur des Thomas Russ hat mir sehr deutlich vor Augen geführt, wie krass die Menschen waren, die sich gegenseitig bespitzelten und selbst vor den eigenen Genossen nicht halt machten, um die Karriereleiter zu erklimmen.

Ein lesenswerter Roman, der bei mit einem bitteren Nachgeschmacke hinterlassen hat.

Bewertung vom 19.07.2020
UNFOLLOW!
Schink, Nena

UNFOLLOW!


ausgezeichnet

Virtuellen Scheinwelt mit Suchtfaktor

Inhalt:
Nena Schink ist süchtig. Ihre Droge: Instagram. Alles beginnt mit einem Experiment: Für das Jugendportal vom Handelsblatt soll sie selbst zur Influencerin werden. Nena, die sich sonst wenig um die Meinung anderer schert, bettelt nun bei ihren Freundinnen um Likes und Kommentare. Sie räkelt sich vierzig Minuten lang im Bikini auf einer Wassermelonen-Luftmatratze, die sie nur fürs Foto mit in den Urlaub genommen hat.

All das kostet sie Zeit. Lebenszeit. Zwei Stunden täglich. 14 Stunden wöchentlich. 672 Stunden jährlich. Das sind 28 Tage, ein ganzer Monat. Verschwendet an Instagram. Nena beginnt sich zu fragen: Warum sexualisiert sich eine Generation, die alle Chancen hat, freiwillig? Wieso machen wir uns abhängig von einer virtuellen Scheinwelt? Für die Influencerinnen ist Instagram ein Geschäft. Mehr nicht. Die Währung: Follower und Likes. Aber worin besteht eigentlich ihr Job? Warum investieren große Mode- und Kosmetikfirmen Tausende von Euros in die Mädchen hinter den Accounts?

Nena will es wissen, taucht ein in die funkelnde Instagram-Welt, trifft die Influencerinnen in der Realität, besucht ihre glitzernden Events und beschließt, etwas gegen diese Scheinwelt zu unternehmen. In ihrem Buch zeigt sie auf, warum wir Instagram anders nutzen müssen. Inklusiven Lösungsvorschlägen für die eigene Instagram-Nutzung. Ihre Botschaft: Hör auf ein Follower zu sein. Werde zum Influencer deines eigenen Lebens.

Meine Meinung:
Ja, was macht die Faszination Instagram eigentlich aus? Und macht Instagram wirklich glücklich? Viele Mädels stellen sich diese Frage nicht. Sie brauchen Instagram um sich gut zu fühlen, gieren nach den Komplimenten ihrer Follower, ihrer Aufmerksamkeit.

Teilt man auf Instagram wirklich den Moment, die Stimmung, die Emotionen? Das mag für einige Nutzerinnen gelten, die meisten nutzen ihr Account für eine perfekte Selbstinszenierung. Das Leben auf Instagram zeigt sie und ihr Leben makelloser, glatter und außergewöhnlicher, als es wirklich ist. Was Follower oft nicht kapieren ist, auf Instagram ist vieles Fake, da werden ganze Szenen gestellt, Fotos bearbeitet, man bietet der Welt ein perfektes Bild. Und man will auch ein bisschen neidisch machen. Seht her, bewundert mich.

Schlimm ist, dass viele Followerinnen, dass nicht mehr unterscheiden können. Sie sind von den schönen Bildern angezogen, möchten ihren Stars nacheifern, so sein wie sie. Sie vergleichen sich mit ihnen. Und schon ist die Laune im Keller. Diese Stars sind scheinbar wunderschön und unerreichbar, super schlank, trainiert, mit definiertem Bauch, makelloser Haut. Da fragt sich manche Followerin, warum schaffe ich das nicht, so auszusehen? Was mache ich falsch? Sie übersehen, dass vor allem Fitness-Models wirklich stundenlang trainieren, ihren Tag danach ausrichten, alles tun um ihren Körper zu formen. Und was nicht passt, wird auf den Bildern zurecht retuschiert. Aber will ich das wirklich, soviel Zeit investieren? Das muss jede für sich entscheiden.

Dieses Paralleluniversums ist unersättlich, es frisst Zeit, viel Lebenszeit. Jedes Mädels sollte sich das vor Augen führen. Tag für Tag müssen tolle Fotos geliefert werden. Shoppen mit der Freundin, Treffen mit Freunden im Café oder Restaurant, Freizeitgestaltung … überall wird ein Selfie geschossen, gepostet, sich ins rechte Licht gerückt. Irgendwie hat das alles schon einen fetten Suchtcharakter. Da stellt sich irgendwann die Frage: Gibt das alles meinem Leben einen Mehrwert? Wenn die Antwort nein lautet. Dann sollte man seine Social-Media-Zeit drastisch reduzieren oder ganz aussteigen. Denn es gibt noch ein Real Life und das ist viel aufregender und da gibt es echte Freunde mit denen man sich ehrlich austauschen kann.

Die Autorin Nina Schink hat hier den Finger in eine Wunde gelegt. „UNFOLLOW“ ist eine kritische Auseinandersetzung mit der Social-Media-Welt und insbesondere Instagram. Ich kann es nur empfehlen.

Bewertung vom 09.07.2020
Der Gepäckträger
Rawlings, David

Der Gepäckträger


ausgezeichnet

Leichter leben

Inhalt:

Drei Menschen nehmen denselben Flug – und den falschen Koffer vom Gepäckband!
Der dreifachen Mutter Gillian Short graut es vor dem Besuch bei ihrer perfekten Schwester Becky.
Dem ehrgeizigen Geschäftsmann David Byrne droht den Verlust seines Jobs – und seiner Frau.
Der talentierte Michael Downer erhofft sich ein Sportstipendium, obwohl er eigentlich von einem Leben als Künstler träumt.
Drei verwechselte Koffer, die vollgepackter sind, als ihre Besitzer glauben. Drei Menschen, die vor großen Herausforderungen stehen. Und ein junger Mann vom Gepäckdienst, der schon auf sie wartet…

Meine Meinung:

Warten am Gepäckband voller Spannung auf den Koffer. Diese Situation haben wir alle schon erlebt. Es geht um drei Koffer, die im Eifer des Gefechts vertauscht werden. Da ist der Koffer von Gilian, die eigentlich gar nicht zur Hochzeit ihrer Nichte möchte, sie hat ein Problem mit ihrer Schwester. Der zweite Koffer gehört einem jungen Mann, Michael, er wird von seinem Vater in eine Richtung gedrängt, die nicht seine ist. Er ist zwar sportlich, aber seine Leidenschaft gehört der Kunst. Und dann ist da noch David, der sich von seiner Frau getrennt hat, da er ihr nicht verzeihen kann und dem jetzt beruflich alle Felle davon zu schwimmen drohen.

Das Buch führt den Leser vor Augen, dass wohl jeder von uns emotionale Lasten mit uns herumschleppt. Wie sagt man doch so schön: Jeder trägt sein Päckchen. In dem Buch geht es um Neid, Minderwertigkeitsgefühle, Unversöhnlichkeit, Wut, Angst, falschem Ehrgeiz. David Rawlings Roman stößt den Gedanken an: Welchen Koffer trage eigentlich ich? Eine gute Frage. Für ein leichtes Leben ist es notwendig, seine Koffer loszulassen, Lasten abzuwerfen. Tatsächlich werden die eigenen Gedanken oft zu einer schweren Last. Es macht Sinn, seinen Gedanken zu überprüfen, denn unser Denken und Fühlen beeinflusst unsere Wahrnehmung. Und ganz wichtig: Mit der Vergangenheit abschließen, sonst drückt uns der Lebensrucksack eines Tages zu Boden.

Mich hat das Buch beeindruckt und zum Nachdenken meiner eigenen Situation angeregt. Dieses Innehalten und Bilanzziehen ist unglaublich wichtig. Ich kann das Buch aus vollstem Herzen empfehlen.

Bewertung vom 20.06.2020
Haben wir noch alle Tassen im Schrank?
Jürgens, Sabine

Haben wir noch alle Tassen im Schrank?


ausgezeichnet

Stöpsel ziehen

Meine Meinung:

„Haben wir noch alle Tassen im Schrank“, ein provokanter Titel. Auch die einzelnen Kapitel tragen recht witzige Überschriften. Die Autorin Sabine Jürgens, Heilpraktikerin für Psychotherapie mit den Schwerpunkten Verhaltenstherapie, Coaching und Resilienz, erklärt uns zum Teil sehr unterhaltsam wie wir ticken.

Es fängt gleich so an:
Der Besucher einer geschlossenen Anstalt fragt den Direktor, nach welchen Kriterien entschieden wird, ob ein Patient aufgenommen wird?
Direktor: »Wir füllen eine Badewanne, geben dem Patienten einen Teelöffel, eine Tasse und einen Eimer und bitten ihn, die Badewanne zu leeren?«
Besucher: »Verstehe, ein normaler Mensch würde den Eimer nehmen, richtig?«
Direktor: »Nein, ein normaler Mensch würde den Stöpsel ziehen?«
Hätten Sie den Stöpsel gezogen?

Die Autorin unternimmt mit dem Leser zuerst einen kleinen Exkurs in die Vergangenheit, lässt die großen Denker und Ärzte wie Freud, Platon und Co, zu Wort kommen.

Dann wird es hochspannend. Psychische Beschwerden lassen sich ja nicht so leicht feststellen wie eine Erkältung. Psyche röntgen – ja, das wär’s! Einfach mal kurz reinschauen, und zack, Diagnose.

Sabine Jürgens weist daraufhin, wie enorm wichtig unsere Gedanken für unser Wohlbefinden sind. Schon Aristoteles vertrat die Meinung: „Auch das Denken schadet bisweilen der Gesundheit.“ Gedanken machen was mit uns und unserer Stimmung. Entscheidend ist, WAS und WIE wir denken, z.B. wenn wir morgens schon beim Aufwachen denken: „Was für ein Sch…tag!“ löst das jede Menge miese Gefühle aus und der Tag ist jetzt schon im Eimer. Oder wir ziehen uns mit Gedanken runter: „Oh nein, bin ich doof ..“ „Alles Kacke.“

Jemand, der immer nur negative Gedanken hat, grübelt und pessimistisch vor sich hindenkt, kann keine gute Laune entwickeln. Die Autorin empfiehlt, das Denken auf Lösungen und nicht auf Probleme zu richten. Sabine Jürgens hat hierzu ein spannendes Experiment durchgezogen. Sie hat einen Tag lang auf ihre Gedanken geachtet. Krass war die Erkenntnis, wie oft sie das Verhalten anderer in Gedanken ver- und auch negativ beurteilte.

Auch damit schaden wir uns selbst, denn dadurch produzieren wir nur eine miese Stimmung. Wichtig ist es, dass wir uns mit Dingen beschäftigen, mit denen wir alles um uns herum vergessen, unter Umständen sogar unsere Schmerzen. Ja, das geht,

Die Autorin rät dem Leser Gedankenhygiene zu betreiben, wenn die Gedanken überwiegend negativ, traurig und trüb sind. Denn jeder von uns, kann sein Denken beeinflussen. Unseren Gedanken Richtung geben. Glaubenssätze überprüfen.

Fazit: Gut lesbarer Ratgeber, kurzweilig geschrieben. Frau Jürgens beschreibt sehr anschaulich psychologischen Aspekte ohne dabei zu theoretisch oder langweilig zu werden. Der Leser erfährt, wie er mit einfachen Schritten seine Psyche beeinflussen kann.

Bewertung vom 07.06.2020
flüchtig
Achleitner, Hubert

flüchtig


ausgezeichnet

Wie viel Erfüllung vertragen wir?
Inhalt:
Maria ist verschwunden. Seit Monaten hat Herwig, mit dem sie seit fast dreißig Jahren verheiratet ist, nichts von ihr gehört. Dass sie ihren Job gekündigt und seinen Volvo mitgenommen hat, lässt zumindest hoffen, dass sie noch am Leben ist. Doch was ist passiert, mit ihrer Ehe, ihrer Liebe, ihrem gemeinsamen Leben? Hubert Achleitner schickt seine Protagonisten auf eine abenteuerliche Reise, die sie von den österreichischen Bergen quer durch Europa bis nach Griechenland führt. Und die für beide doch in erster Linie eine hochemotionale Reise in ihr Inneres bedeutet. Ein weiser und sehr musikalischer Roman über Liebe und Sehnsucht, das Schicksal und das flüchtige Glück … „Flüchtig wie die angezupften Töne der Bouzouki waren die Begegnungen mit diesen Menschen. Dennoch hinterließ jeder von ihnen eine Melodie in meinem Herzen, die weiterschwingt.“

Meine Meinung:
Dieses Buch habe ich mit Spannung erwartet. Der Autor ist ja bekannt als Hubert von Goisern. Ich bin kein Volksmusik-Fan, aber seine Musik liebe ich, und so habe ich mir auch Konzertkarten für seine diesjährige Tournee erstanden, dessen Termin leider wegen „Corona“ verlegt wurde und so muss ich mich noch bis Nov. 2021 gedulden.
Okay, ich war extrem neugierig, wie sich von Goisern als Autor machen würde. Und … was soll ich sagen: Ich bin total begeistert über seinen wortgewaltigen Schreibstil. Das gibt es Sätze, die anmuten wie die Tonfolgen einer Melodie, die einmal leicht und luftig wie der Flügelschlag eines Schmetterlings daherkommen, dann wieder gewaltig, wie der Donnerschlag einer Konzertpauke. Achleitner versteht es zu verzaubern. Er nimmt den Leser mit auf philosophische Gedankenexkurse.
Aber nun zu Maria, die ihren Ehemann nach 30 Ehejahren scheinbar grundlos verlässt. Wer ist diese Frau? Ein Winterkind, mit animalischem Pragmatismus, der das Reden nicht liegt, die das praktische Handeln vorzieht. Die Frage musste nicht lauten: „Warum jetzt“, sondern „Warum erst jetzt“. Kann ich Maria verstehen? Oja, ich bewundere ihren Mut, ihrem Leben eine Wende zu geben, ohne ein Wort die Zelte abzubrechen. Aber ich spüre auch ihre Trauer. Da ist so viel an Gemeinsamkeit, die sich nicht einfach absteifen lässt. Und ist Eifersucht nicht auch ein Beweis für Liebe?
Herwig und Maria, haben vor über 30 Jahren den Bund fürs Leben geschlossen. Wig war vom ersten Augenblick an von Maria verzaubert. Doch was geschieht mit der Liebe, wenn sie in die Jahre kommt?
Marias Reise führt uns in eine bunte Hippiewelt. Da ist das Regenbogentreffen, dass sie mit der Anhalterin Lisa besucht. Wir treffen Nonkonformisten und Freigeistern. „Der Weg zu den Sternen führt über raue Pfade.“ Wir reisen mit Maria und Lisa nach Griechenland, und lesen vom Heiligen Berg und von der autonomen Mönchsrepublik, die nur über den Seeweg zu erreichen ist und deren Zutritt Frauen verwehrt ist.
Musik zieht sich durch das gesamte Buch. Maria begegnet immer wieder Musik, passend zu ihrer Stimmung, da ist Leonard Cohen, Jimi Hendrix, John Lennon. Der Bouzouki-Spieler liebkost sein Instrument. Und Maria wacht morgens mit Musik im Kopf auf. Wir lesen vom Rhythmus der Meereswellen und vom Gesang der Vögel. Und auch Herwig ist Musiklehrer. Musik, so schön und doch so flüchtig. Flüchtig wie die Liebe, wie das Leben?
Ein Zitat, dass ich sehr mochte, ist mir auf Seite 134 begegnet:
„Doch wie viel Erfüllung vertragen wir? Was passiert, wenn wir übergehen vor Glück? Musste es nicht auch unerfüllte Tage geben? War eine schattenlose Welt nicht genauso schlimm wie eine ohne Licht? Braucht unser Leben nicht beides? Ist es nicht unsere Bestimmung, um das Licht zu tanzen wie die Erde um die Sonne? Und ihm immer wieder den Rücken zuzuwenden?“

Das Ende hat fand ich besonders gelungen. Für mich ein grandioser Debütroman. Also Daumen hoch.
Fazit: Unbedingt lesen.