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solveig

Bewertungen

Insgesamt 471 Bewertungen
Bewertung vom 12.03.2020
Rosie
Tremain, Rose

Rosie


sehr gut

Der Blick zurück

„Erst jetzt, wo ich älter bin, sehe ich, wie schnell das Leben an einem vorüberzieht und wie leicht es passieren kann, dass man seine Zeit leichtfertig verschwendet“ stellt Rose Tremain in einem Interview fest. Dafür, dass sie die Zeit keineswegs verschwendet hat, zeugen ihre zahlreichen Romane, die ihr etliche Literaturpreise beschert haben.
In der vorliegenden Autobiografie erzählt sie in ihrer leichten, beschwingten Schreibweise, wie sich das Kind Rosie zu der jungen Frau Rose entwickelt hat. Tremains Kindheit war sicher geprägt von Wohlstand auf der einen Seite, jedoch fehlten ihr Geborgenheit und Liebe auf der anderen. Dennoch spürt man in ihren Erinnerungen keine Bitterkeit, im Gegenteil: in der Rückschau versucht sie, das Verhalten ihrer Eltern zu verstehen. Bisweilen verweist die Autorin auch auf eigene ausgewählte Romane, in denen sie einige der Erlebnisse oder Personen aus ihrem Umkreis „verarbeitet“ hat. Ihre wunderbaren, aber oft auch schmerzhaften bildreichen Schilderungen machen Roses Erzählungen lebendig. Wie eindrucksvolle Szenen aus einem Film lassen sie den Leser ihre Kinder- und Jugendjahre nachempfinden. Ein schönes Plus: etliche in den Text eingefügte Fotografien dokumentieren zusätzlich das Leben von Rose und ihrer Familie.

Bewertung vom 12.03.2020
Tagesschau und Co. - Wie Sender und Redaktionen Nachrichten machen
Welk, Sarah

Tagesschau und Co. - Wie Sender und Redaktionen Nachrichten machen


ausgezeichnet

So erfahren wir, was täglich in der Welt passiert

Für Kinder ist es verwirrend: es gibt viele verschiedene Nachrichtenkanäle, auch im Fernsehen können wir zwischen mehreren wählen. Was unterscheidet denn etwa die Tagesschau von RTL Aktuell? Und wie erhält der Redakteur oder der Nachrichtensprecher seine Informationen?
Diesen und zahlreichen anderen Fragen geht Sarah Welk in ihrem neuen Buch nach. Ihre Antworten sind klar und verständlich, gehen aber nicht zu sehr ins Detail - also genau passend für Kinder ab 10 Jahren. Am Beispiel der alltäglichen Arbeit der (fiktiven) Redakteurin Nina erläutert die Autorin die wichtigsten Abläufe in der Nachrichtenredaktion sehr eingängig; sachlich, aber in lockerem Ton, wobei auch ein Schuss Humor nicht fehlt. Unterstützt wird sie dabei von Dunja Schnabel, die (ebenso humorvoll) den Text mit erläuternden Illustrationen begleitet. Die Vielfalt der Beiträge spiegelt sich auch in den Bildern; Sachbeiträge wechseln sich mit Interviews der bekannten Nachrichtenredakteure ab, es gibt „Rätselkästen“, in denen der kleine Leser sein Wissen selbst testen kann. Die zahlreichen Fotos und Zeichnungen ergänzen die Informationen und geben dem gut strukturierten Buch ein unverwechselbares Gesicht. Vervollständigt wird die Lektüre durch das übersichtliche Inhaltsverzeichnis sowie Quellenangaben.
Und wer nun erfahren möchte, wie es aktuelle Neuigkeiten in Tagesschau und logo!-Sendung schaffen oder wie man Fake News entlarven kann, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen.

Bewertung vom 09.03.2020
Dankbarkeiten
Vigan, Delphine

Dankbarkeiten


sehr gut

Intensives Leseerlebnis

Es passiert ohne Ankündigung. Michèle Seld, eine „alte Dame mit dem Habitus eines jungen Mädchens“, kann nicht mehr selbständig in ihrer Wohnung leben und bezieht ein Zimmer im Altenheim. Zum Glück ist da Marie, die ihr zur Seite steht und sie regelmäßig besucht. Doch Michka wird immer unsicherer, es fällt ihr zunehmend schwerer, sich auszudrücken, die Wörter „flüchten“, sie werden verwechselt oder fehlen ganz. Von den Übungen des engagierten Logopäden Jérôme, die ihre Aphasie so lange wie möglich aufhalten sollen, ist Michka nicht immer angetan, doch sie fasst Vertrauen zu dem jungen Mann und verrät ihm ihren Herzenswunsch: sie möchte das junge Ehepaar, das sie als Kind vor Verfolgung gerettet hat, finden und ihm dafür danken, wozu sie bis jetzt keine Gelegenheit hatte. Und Jérôme hat eine Idee…
Sehr ruhig und behutsam erzählt Delphine de Vigan die Geschichte eines langsamen, aber unaufhaltsamen Abschiednehmens. Voll Empathie schildert sie die Beziehungen, die zwischen Michka und den jungen Leuten Marie und Jérôme entstanden sind. Viel Verständnis und warmherziges Zugewandtsein bestimmt ihr Verhältnis - dabei spielt nicht nur Maries Dankbarkeit Michka gegenüber eine Rolle, die ihr während ihrer problematischen Kindheit die Liebe und Fürsorge hat zukommen lassen, die sie brauchte. Das Thema, Michkas Lebensretter Nicole und Henri endlich zu finden und ihnen für ihre Selbstlosigkeit danken zu können, ehe es für sie zu spät ist, zieht sich durch den ganzen Roman.
„Dankbarkeiten“ ist ein Roman der leisen Töne, dennoch ausdrucksstark und intensiv, der lange nachklingt.

Bewertung vom 04.03.2020
Die wichtigsten Fragen zum Intervallfasten
Thuile, Christian

Die wichtigsten Fragen zum Intervallfasten


ausgezeichnet

Geschärfter Blick auf gesunden Lebensstil

Das zur Zeit „moderne“ Intervallfasten bietet keine Zauberformel für eine schnelle Gewichtsabnahme, sondern Hilfestellung für eine gesündere Lebensführung mit einer zwar langsameren, dafür aber schonenderen und anhaltenden Gewichtsreduzierung. Dabei ist diese Art des Fastens absolut nicht neu, wie der Autor in seinem Ratgeber erklärt.
Der Arzt und Ernährungsberater Dr. Christian Thuile präsentiert hier die gängigsten Formen des intermittierenden Fastens. Um zu verstehen, was während der Nahrungsaufnahme in unserem Körper passiert und wie sich der Organismus in den Essenspausen verhält, schildert er, seriös und auch für Laien sehr gut verständlich, die entsprechenden Vorgänge. Nach der Theorie folgen Erläuterungen zu den unterschiedlichen Methoden des Intervallfastens und eine Abgrenzung zu herkömmlichen Diäten: ganz klar hat hier das intermittierende Fasten die positiveren Auswirkungen auf Körper und Psyche - wenn es richtig angewandt wird. Dazu gibt Thuile viele Tipps, wobei er den Fokus im wesentlichen auf den gesundheitlichen Aspekt legt. Zu dem gesunden Lebensstil, den er propagiert, gehören neben dem Fasten ebenso eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung. Das ist natürlich nicht neu, kann aber nicht oft genug wiederholt werden. Aus medizinischer Sicht beschreibt Thuile die zahlreichen positiven Auswirkungen der „Light Variante“ des Fastens, u.a. auch neue Erkenntnisse über ihre Wirkung auf spezielle Krankheiten. Aber er warnt auch davor, damit zu experimentieren; denn es ist nicht für jedermann uneingeschränkt zu empfehlen. Seine Erläuterungen sind klar und gut nachvollziehbar. In die einzelnen Abschnitte eingeschobene, farblich abgesetzte Wissens“kästen“ informieren darüber hinaus und jedes Kapitel endet mit einer sehr kurzen Zusammenfassung der wichtigsten Gedanken, sozusagen als Gedächtnisstütze.
Wer sich näher mit dem Thema Intervallfasten und einem damit verbundenen gesunden Lebensstil auseinandersetzen möchte, findet in Thuiles Buch sicher viele Anregungen.

Bewertung vom 25.02.2020
Die Angezählten
Dowideit, Anette

Die Angezählten


ausgezeichnet

Wertschätzung von Arbeit

Mittlerweile ist es zum „Dauerbrenner“ und ein oft beschworenes Wahlthema geworden: die unverhältnismäßig schlechte Entlohnung von Pflegepersonal und der damit einhergehende Mangel an Arbeitskräften. Doch nicht nur im Bereich Kranken- und Altenpflege sind die Löhne ungerecht - auch in vielen anderen Bereichen des Arbeitsmarktes haben Arbeitnehmer zunehmend Mühe, die steigenden Lebenshaltungskosten zu bewältigen oder sind gar zum „Aufstocken“ ihres Gehaltes gezwungen. Das Problem betrifft nicht nur untere soziale Schichten, sondern auch immer mehr Mittelstandsberufe rutschen ab.
Die Wirtschaftsjournalistin Anette Dowideit gibt hierzu zahlreiche Beispiele aus unterschiedlichen Berufssparten. Sie lässt einige ihrere Gesprächspartner selbst von ihrem täglichen Arbeitsleben und ihren (Existenz-)Ängsten berichten. Wie kommt es dazu, dass viele Menschen von dem Erlös ihrer Arbeit nicht mehr leben können? Natürlich liegen die Hauptursachen in dem enormen Einfluss der Wirtschaft auf die Politik. Doch auch wir als Konsumenten müssen umdenken und das „Geiz ist geil“-Prinzip in Frage stellen. Denn wer zahlt letzten Endes die Zeche, wenn wir alles möglichst billig erwerben wollen …?
Was ist Arbeit noch wert? Dieser Frage geht Dowideit nach und zeigt ungeschminkt auf, wie die aktuelle Situation heute aussieht. Sie reflektiert aber auch mögliche Lösungsansätze, die (in anderen Ländern bereits Realität) sicher durchführbar wären - wenn sich die Arbeitsmarktpolitik weniger von der Wirtschaft beeinflussen ließe.
„Die Angezählten“ ist ein gut strukturiertes, eingehend recherchiertes Buch. Deutlich, auf verständliche Weise lässt Anette Dowideit ihren Lesern, auch wenn sie über keine Vorbildung in Wirtschaftswissenschaften verfügen, detaillierte Informationen zukommen. Eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 12.02.2020
Die Dunkelheit der Drachen
Patrick, S. A.

Die Dunkelheit der Drachen


ausgezeichnet

Zum Mitfiebern

Musik ist Zauber, und sie spielt eine ganz besondere Rolle in einer Welt, die vor Magie vibriert. In Flick Klarwassers Universum existieren neben ganz normalen Menschen auch Zauberer, Hexen, Drachen und Pfeifer, die mit ihren Flötenmelodien magische Dinge bewirken. Der allseits berüchtigte Rattenfänger von Hameln, der seine Kunst missbraucht hat, um Kinder zu entführen, sitzt anscheinend wohlverwahrt im Kerker, wo auch der Pfeiferschüler Flick eine Strafe abbüßen muss. Bei einem Drachenangriff auf das Verlies der Burg Tiviscan erfährt Flick ein Geheimnis des angeblichen Rattenfängers und kann fliehen. Eine abenteuerliche Reise voller tödlicher Gefahren steht ihm bevor, die er gemeinsam mit Rena, einem verzauberten Mädchen, und dem Drachengreif Barver bestreiten muss. Sie führt ihn schließlich an den Ort zurück, dem er entfliehen wollte: Tiviscan, und zu einem folgenreichen Duell…
Patricks erstes Kinderbuch nimmt als roten Faden die Sage des Hamelner Rattenfängers auf und weitet sie zu einem gut geschriebenen, äußerst spannenden Roman aus. Auch der Humor kommt nicht zu kurz. Seinen fantasievollen Figuren und dem ideenreichen Verlauf der Geschichte ist Patricks früherer Beruf als Spieleentwickler anzumerken. Rasantes Erzähltempo und zahlreiche Wendungen im Geschehen sorgen dafür, dass junge Leser ab 10 Jahren von Anfang bis Ende gefesselt bleiben. „Die Dunkelheit der Drachen“ ist eine mitreißende Lektüre, die nach einer Fortsetzung verlangt.

Bewertung vom 11.02.2020
Goodbye, Bukarest
Seeberger, Astrid

Goodbye, Bukarest


ausgezeichnet

Eine nachdenkliche Reise in die Vergangenheit

Ihre Mutter Rosa beschreibt die Autorin Astrid Seeberger als eine Frau, die sie nur mit einem traurigen „Flüchtlingsgesicht“ gekannt habe. Dieser Tristesse und der gefühlsmäßigen Distanz in ihrer Beziehung zueinander ist Astrid im Alter von 17 Jahren entflohen, zum Studium nach Schweden. Während sie Jahre nach dem Tod ihrer Mutter deren Leben in einem autobiografischen Roman aufgearbeitet hat („Nächstes Jahr in Berlin“), schildert sie in ihrem neuen Buch „Goodbye Bukarest“ ihre Suche nach dem verschollenen Bruder ihrer Mutter, der in dem ersten Buch ebenfalls eine große Rolle spielt.
Das Schweigen der Mutter über Brunos Schicksal macht Astrid zu schaffen. Ist er tatsächlich bei der Schlacht um Stalingrad gefallen? Konnte er fliehen? Welche Rolle spielt Astrids geliebter Großvater?
Erst als die Mutter gestorben ist, erhält Astrid über einen Vertrauten Rosas weitere Informationen. Sie erfährt den Namen eines ehemaligen Strafgefangenen der Stalinära, der Bruno begegnet ist, und sucht ihn in Berlin auf. Ohne Theatralik, doch mit viel Feinfühligkeit gibt sie seine Leidensgeschichte wieder, in der neue Hinweise zu Bruno und Menschen, die ihn kannten, auftauchen. Astrid reist weiter, immer den Spuren nach, die sie findet, nach Bukarest und München. Sie lässt die Zeitzeugen ihre Geschichten aus ihrer eigenen Perspektive erzählen und Bruno so schildern, wie sie ihn wahrgenommen haben. Stück für Stück setzt sich so ein Bild ihres Onkels zusammen, dessen Leben von politischer Willkür und Gewalt bestimmt war, der aber auch selbst viel Liebe und Trost geben und empfangen konnte. Der bedrohliche geschichtliche Hintergrund der 1930er bis 1980er Jahre bleibt konstant, obwohl sich vor allem die Musik als tröstendes Element durch den Roman zieht. Seeberger zeigt ihren Onkel Bruno als Menschen inmitten von Weltgeschichte, dem jeweiligen politischen System ausgeliefert, jedoch stets ruhig, nie (an)klagend. Sie schlägt dabei leise Töne an - so wie es wohl auch ihr Onkel getan hat.

Bewertung vom 26.01.2020
1794 / Winge und Cardell ermitteln Bd.2
Natt och Dag, Niklas

1794 / Winge und Cardell ermitteln Bd.2


sehr gut

Wer wehret dem, der seine Verbrechen mit Stärke verbindet …

… wird Isak Reinhold Blom zitiert, der in Natt och Dags Roman Polizeisekretär und Freizeitdichter in einer Person darstellt. Intrigen, Macht und Geld sind tatsächlich Hauptthemen des Buches, in dem der Kriegsveteran und Häscher Jean Michael Cardell (wie schon im Vorgängerroman 1793) eine Hauptrolle spielt. Auch einigen anderen „alten Bekannten“ aus Natt och Dags erstem Kriminalroman begegnen wir wieder. Vor dem Hintergrund der düsteren Realität eines Stockholm gegen Ende des 18. Jahrhunderts konstruiert Natt och Dag äußerst plastisch eine teuflische Intrige, deren Opfer Erik, ein sehr junger, unerfahrener Mann ist. Der Autor konfrontiert den Leser ungeschönt mit den sozialen Missständen und brutalen Methoden jener Zeit und schildert den Verlauf der Geschichte aus der jeweiligen Sicht seiner Hauptcharaktere. So erfahren wir auch einiges aus dunklen Zeiten der tropischen Insel St. Barthelemi, einer schwedischen Kolonie, die ihren Wohlstand in erster Linie dem Sklavenhandel verdankt. Überhaupt flicht der Autor immer wieder diverse Details aus der schwedischen Historie ein, überaus bildstark, jedoch ganz nebenbei, ohne dass der Leser das Gefühl hat, belehrt zu werden.
Packend geschrieben, atmosphärisch echt, spricht 1794 vor allem die etwas härter gesottenen Krimifans an. Zwar ist die Geschichte ohne weiteres zu verstehen, auch ohne den Vorgängerroman zu kennen - doch wer bereits 1793 kennt, ist, was etliche Feinheiten betrifft, deutlich im Vorteil.

Bewertung vom 17.01.2020
Vincent flattert ins Abenteuer / Vincent Bd.1
Kaiblinger, Sonja

Vincent flattert ins Abenteuer / Vincent Bd.1


ausgezeichnet

Mit Spaß lesen lernen

Für Kenner der „Scary Harry“-Reihe ist Vincent kein Unbekannter mehr; denn als Halb-Geister-Fledermaus hat er sich dort bereits eine heimliche (Mit-)Hauptrolle erflattert.
Nun ist er alleiniger Star eines Kinderbuches, das für Kinder ab 7 Jahren geeignet ist. Auf dem Dachboden, den er mit dem Polstergeist Polly teilt, möchte Vincent gern einen neuen Freund einquartieren, der beweglicher als Polly und ebenso unternehmungslustig ist wie er. Die kluge Eule Beule weiß Rat und heftet eine Suchanzeige an einen dicken Baum - und es dauert auch gar nicht lange, da klopft bereits ein Bewerber an die Dachluke …
Wie auch in ihren vorherigen Kinderromanen gelingt es Sonja Kaiblinger, junge Leser mit einer herrlich fantasievollen Geschichte zu begeistern, in der es nicht an Witz fehlt. Ideenreich und in kindgerechter, zeitgemäßer Sprache erzählt sie von der kleinen Fledermaus und ihren Kapriolen. Das stabil eingebundene Buch wartet mit relativ festen Papierseiten auf, die auch das Umblättern sehr ungeduldiger Kinderfinger gut überstehen. Hier dominieren ganzseitige Illustrationen mit viel „Action“ die Lektüre, in gewohnt witziger Manier von Fréderic Bertrand erstellt. Der Text ist geschickt in die Bilder integriert, wobei Erzähl- und Sprechtext durch unterschiedliche Schriftsätze kenntlich gemacht sind und die wörtliche Rede dem jeweiligen Charakter zugeordnet ist. Die Variationen an Schriftarten und –größen bringen zusätzlich Abwechslung in die Seiten, ebenso wie diverse Schriftfarben. Dennoch ist das Buch kein Comic: Illustrationen und Text wirken ausgeglichen und laden gerade Lesedebütanten ein, die Geschichte „häppchenweise“ zu erkunden. Eine amüsante Lektüre für Erstleser!

Bewertung vom 12.11.2019
Nellie Bly
Attadio, Nicola

Nellie Bly


sehr gut

"I´m a free American girl..."

Was heute als ganz selbstverständlich gilt, war Mitte des 19. Jahrhunderts eher ungewöhnlich: Elizabeth Jane Cochran will ihr Leben selbst bestimmen und keinesfalls eine Ehe eingehen, nur um finanziell versorgt zu sein. Zielstrebig, mutig, auch wenn ihr manchmal nicht so zumute ist, beschließt sie, sich weiterzubilden und einen Beruf zu ergreifen. Nach einigen Enttäuschungen kommen ihr der Zufall und etwas Glück zu Hilfe. Ein Leserbrief, den sie an die Zeitung "Pittsburgh Dispatch" verfasst, öffnet ihr schließlich die Tür zum Beruf der Journalistin, in dem sie unter dem Pseudonym "Nellie Bly" ihre Artikel veröffentlicht. Natürlich begegnet sie hier, in einer von Männern dominierten Arbeitswelt, ebenso Vorurteilen und Problemen. Doch sie verfügt über Ausdauer und hat eine Idee, die der Chefredakteur nicht ausschlagen kann: für einen Zeitungsbericht ermittelt sie undercover in einer bekannten New Yorker Irrenanstalt. Weitere sensationelle Reportagen folgen, die sie über die Landesgrenzen hinaus bekannt machen - am meisten sicherlich ihre Arbeit als Kriegsberichterstatterin im Ersten Weltkrieg.
Nicola Attadios Biografie über diese ungewöhnliche Frau ist in einem sachlichen, zurückhaltenden Stil abgefasst, aber dennoch spürt der Leser seine Empathie. Sehr anschaulich gibt er den historischen Hintergrund des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts wieder, der Nellys Situation verdeutlicht. Zitate und Auszüge aus Berichten Nellie Blys und ihrer Zeitgenossen geben zusätzlich Einblick in ihr Denken und Fühlen und vervollständigen das Lebensbild. Attadio ist es gelungen, ein sehr eindrückliches Porträt von Nelly, dem „free American girl“, wiederzugeben; einer Frau, die sich Zeit ihres Lebens bemühte, ohne die (fianzielle) Unterstützung eines Mannes zurechtkommen, aber stets ein großes Herz für jene bewies, die ihre Hilfe nötig hatten.