Sprich mit mir

ausgezeichnet

Sprich mit mir” von der italienischen Autorin Lidia Ravera ist ein hinreißendes Porträt über eine Frau um die 60, die ganz langsam aus dem Schneckenhaus ihrer selbstgewählten Emigration herausfindet. Aus der Ich-Perspektive erzählt, resümiert die Protagonistin ihr bisheriges Leben, ihre damaligen politischen Überzeugungen und Handlungen mitsamt den Konsequenzen – wie dem jahrelangen Abtauchen in die Illegalität. Zugleich beschreibt sie, wie sie allmählich Vertrauen zu der Nachbar-Familie fast und Nanny für die 3-jährige Tochter wird. Lidia Ravera überzeugt dabei mit einem emotionalen Stil, der die Gefühle ihrer Figur authentisch wiedergibt, ohne dabei allzu dramatisch oder kitschig zu werden. So ist “Sprich mit mir” ein großartiges fiktives Tagebuch einer Frau, die sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt, um sich für die Gegenwart zu öffnen. Perfekt gelesen von Tessa Mittelstaedt.

Toxin

sehr gut

Zusammen mit der Braunschweiger Mikrobiologin und Biochemikerin Susanne Thiele nimmt sich Kathrin Lange in dem Wissenschaftsthriller “Toxin” eines brisanten Themas an: Kann der Anthrax- oder Milzbrand-Erreger, eine der gefährlichsten Bakterienarten überhaupt, vielleicht als Heilmittel gegen Krebs eingesetzt werden? Und wie – oder an wem – könnte man das ausprobieren? Angelehnt an echte Fakten, erzählen sie ihren spannenden Thriller aus verschiedenen Perspektiven und legen dabei die unbarmherzigen Machenschaften von großen Konzernen und Staaten, die Verschleierungstaktiken von gewieften Wissenschaftlern und den Kampf ums große Geld offen. Das ist Spannung pur, auch wenn ihr Schreibstil manchmal etwas holprig ist und die Story nicht immer ganz logisch erscheint, ja selbst die eigentlich sympathischen Figuren mitunter etwas holzschnittartig wirken. So ist “Toxin” von Kathrin Lange und Susanne Thiele ein fesselnder actionreicher Thriller mit leichten dramaturgischen Schwächen.

Und du wirst lächelnd sterben

sehr gut

Mit “Und du wirst lächelnd sterben” erzählt Monika Feth einen fesselnden Jugendthriller. In dessen Mittelpunkt steht die junge Ivy, die sich zunächst an nichts erinnern kann, außer dass sie fliehen muss und wegen dem, das ihr passiert ist, auf keinen Fall zur Polizei gehen kann. Warum das so ist, erfahren wir erst nach und nach durch allerlei überraschende Wendungen in der Story, durch einfühlsame Einblicke in Ivys aktuelles und früheres Leben – und durch ihre Alpträume. So schickt uns die Autorin auf eine Reise, auf der niemandem zu trauen ist und dennoch Freunde und Verbündete sehr wichtig sind. Mit „Und du wirst lächelnd sterben“ gelingt Monika Feth ein fesselnder Jugendthriller, der sich mit topaktuellen Themen wie toxischen Beziehungen, Gewalt gegen Frauen und homophobem Rechtsextremismus innerhalb des Polizeiapparates auseindersetzt.

Saat der Sünde (MP3-Download)

ausgezeichnet

Auch in Lindas Costellos 14. Band mit ihrer toughen Polizistin Kate Burkholder ermittelt diese wieder in den Kreisen der Amish-People. Ein Teil der kleinen Religionsgruppe verneint moderne Errungenschaften wie Strom und Autofahren, lebt streng pazifistisch in patriarchalen Strukturen und spricht eine Art Pfälzisch, da sie ihre Ursprünge im Südwesten Deutschlands hat. In “Saat der Sünde” geht es um klassiche Themen wie Mord, Rache und Betrug, verbunden mit einigen Ausflügen in die Vergangenheit, bei denen wir auch allerlei aus Kates Vergangenheit erfahren. So ist “Saat der Sünde” wieder eine unterhaltende und spannende Krimi-Inszenierung, erneut brillant gelesen von Tanja Geke.

Never Coming Home

sehr gut

Ganz in der Tradition der klassischen Agatha Christie-Krimis, gibt es auch bei Kate Williams’ neuer Story nichts weiter als zehn Menschen, die auf einer Insel festsitzen. Sie alle sind durch die Sozialen Medien berühmt geworden und haben massenhaft Follower, aber hier gibt es für sie kein Entkommen – und eine Person, die sie alle tot sehen will. Die Autorin lässt uns lange über das Motiv des unbekannten Mörders im Dunkeln, aber dann geht es Schlag auf Schlag. Dabei switcht sie immer wieder kurz in die Perspektiven der verschiedenen Personen. Überraschend an diesem Whodunit-Krimi sind aber vor allem die letzten Seiten, denn dort versteht es Williams geschickt, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen zu lassen – fast wie in den realen Sozialen Medien. Und so bleiben wir mit der Frage zurück: was sind hier facts und was sind fakes?

Blutmond / Harry Hole Bd.13 (eBook, ePUB)

ausgezeichnet

Harry Hole is back. Was musste der coole Typ von der Osloer Polizei schon alles ertragen. Und eigentlich ist er darüber zum abgehalfterten Alkoholiker mutiert, der nichts weiter will, als sich in Los Angeles durch die Bars zu schlagen. Doch Jo Nesbø lässt ihn noch einmal voll aufdrehen, und siehe da: In der intelligent aufgebauten Story kann sein echter (Anti)Held plötzlich wieder richtig glänzen. So ist das neue Harry Hole-Abenteuer “Blutmond” erneut ein spannender und kurzweiliger Thriller für alle treuen Fans – und für die, die es noch werden wollen.

1989 - Wahrheit oder Tod

ausgezeichnet

Nachdem Val McDermid ihre toughe Journalistin Allie Burns in “1979” zum ersten Mal auftreten ließ, geht es in “1989” erneut um die schreibende Zunft – und um die Frage, wie viel Einfluss diese Medien auf die gesellschaftlichen und politischen Zustände eines Landes haben. Im Sommer 1989 recherchiert Allie über den damaligen skandalösen Umgang mit Menschen, die sich am HIV-Virus infiziert hatten. AIDS war Ende der 1980er Jahre noch immer eine tödliche Krankheit, die in der Forschung keinen Vorrang hatte; die Behandlung der meist homosexuellen oder drogenabhängigen Opfer war eklatant schlecht. Aber auch die angespannte Lage im Ostberlin des Sommers 1989 beschreibt McDermid sehr anschaulich, nicht ohne noch weiter zurückzuschauen auf einen Fall von fiesem Verrat während der Nazi-Zeit. Zugleich entwickelt sie die Beziehung zwischen Allie und ihrer Freundin Rona weiter. So ist “1989” ein spannender Einblick in ein Jahr, in dem in Europa große Veränderungen bevorstanden und in dem eine tödliche Krankheit für die Betroffenen noch immer auch ein Kampf um Würde und Akzeptanz war.

Solange wir schwimmen

ausgezeichnet

Julie Otsuka erzählt in ihren neuen Roman “Solange wir schwimmen” von dem schwindenden Erinnerungsvermögen von Alice. Kapitelweise berichtet sie aus ganz unterschiedlichen Perspektiven über Gewohnheit und Veränderung, über Trauer und Vertrauen, Liebe und Erinnerung. Auf intelligente, liebevoll-sensible Weise beleuchtet sie das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter und stellt sich die Frage, was Kinder ihren Eltern eigentlich schuldig sind. So ist “Solange wir schwimmer” ein manchmal sentimentaler, manchmal tragisch-komisch erzählter Roman, der sich mit Familie, Verlust und neuen Rollen auseinandersetzt.

Vertrauensübung

sehr gut

Vertrauensübungen sind bewährte Techniken im Schauspielunterricht, die das Vertrauen der Schüler*innen untereinander und auch zur Lehrkraft fördern sollen, damit sich alle tiefer in ihre Rollen hineinfallen lassen können und das Spiel intensiver wird. Diese Übungen ziehen sich wie ein roter Faden durch den neuen Roman der amerikanischen Autorin Susan Chor. “Vertrauensübungen” ist einer jener klassisch-anspruchsvollen College-Romane, die über die Zeit am College hinausgehen. Chor erzählt darin, wie sich ihre Protagonist*innen zwar weiterentwickeln, aber untereinander noch immer das gleiche, manchmal durchaus düstere Spiel aus Authenzität und Inszenierung, Erfolgsbeweisen und Geltungsdrang spielen. Auch wenn “Vertrauensübungen” ein paar Längen hat, ist Susan Chor eine besondere Inszenierung über Beziehungen, Ehrgeiz und Scheitern gelungen.

Schneewittchensarg / Ingrid Nyström & Stina Forss Bd.7

ausgezeichnet

“Schneewittchensarg” ist der siebte Fall mit den beiden ungleichen Kommissarinnen Ingrid Nyström und Stina Forss. Dieses Mal führen ihre Ermittlungen sie zurück in die frühen 1970er Jahre zu fragwürdigen Kunstaktionen, verschwundenen Bräuten und einflussreichen Glasbläser-Dynastien. Zwischen Rache und Verblendung, Eifersucht und feministisch motiviertem Freiheitsdrang bewegt sich der undurchsichtige Fall voran, großartig erzählt vom Autoren-Gespann Voosen und Danielsson. Dabei vergessen sie natürlich auch nicht, die privaten Geheimnisse ihrer Figur Stina Forss weiter zu spinnen. So ist “Schneewittchensarg”, übrigens der leicht zweifelhafte Kosename des alten VOLVO-Modells P1800ES, ein weiterer ultra-spannender und sehr unterhaltsamer Schweden-Krimi von Voosen und Danielsson. Wieder bravourös gelesen von Verena Wolfien.