Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Mikka Liest
Wohnort: 
Zwischen den Seiten
Über mich: 
⇢ Ich bin: Ex-Buchhändlerin, Leseratte, seit 2012 Buchbloggerin, vielseitig interessiert und chronisch neugierig. Bevorzugt lese ich das Genre Gegenwartsliteratur, bin aber auch in anderen Genres unterwegs. ⇢ 2020 und 2021: Teil der Jury des Buchpreises "Das Debüt" ⇢ 2022: Offizielle Buchpreisbloggerin des Deutschen Buchpreises

Bewertungen

Insgesamt 735 Bewertungen
Bewertung vom 22.10.2017
Flugschnee
Müller-Wieland, Birgit

Flugschnee


gut

Der Titel des Buches könnte nicht perfekter zum Inhalt passen.

Flugschnee ist nämlich ein ganz besonders feiner Schnee. Doch was so zauberhaft und harmlos klingt, kann den Schutz eines vermeintlich sicheren Daches heimtückisch unterwandern: die winzigen Eiskristalle werden bei starkem Wind noch durch die kleinste Ritze geweht, was mitunter zu gravierenden Schmelzwasserschäden führt.

Der Schnee ist ein Leitmotiv dieses Buches, das sich über mehrere Generationen einer Familiengeschichte erstreckt, erzählt aus verschiedenen Perspektiven, die sich nach und nach zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Denn auf den ersten Blick erscheint diese Familie wie ein sicheres Gebäude, das die Unbilden schwieriger, sogar grausamer Zeiten in gemeinschaftlichem Zusammenhalt übersteht – doch wird mit jeder Seite klarer: Geheimnisse, Ungesagtes, halb Vergessenes, das sind die Ritzen, durch die das Unglück hereingeweht wird.

Meist wird dieses Leitmotiv von der Autorin wunderbar eingesetzt, manchmal empfand ich die Methaphorik jedoch als etwas zu forciert: so wird mehrmals betont, dass die Großeltern versuchen, die durch den Flugschnee an ihrem Haus entstandenen Schäden einfach zu ignorieren, als müsste man einem begriffsstutzigen Leser noch einmal deutlich vor Augen führen, wie es um diese Familie steht.

Denn deren Konstrukt gerät in der jüngsten Generation nun endgültig ins Wanken, seit der Sohn, Simon, spurlos verschwunden ist. Einen Großteil der Geschichte sieht der Leser durch die Augen seiner Schwester Lucy, die seit vielen Jahren den immer gleichen Schneetraum träumt: einen wiederkehrenden Albtraum, den sie sich selbst nicht erklären kann, dessen Ursprung aber möglicherweise das in Gang gesetzt hat, was letztendlich zu Simons Verschwinden führte.

Birgit Müller-Wieland erzählt eine Geschichte, in der das Unglück nicht als großes Drama auftritt, sondern leise und schleichend. Dennoch kann man sich dem als Leser immer weniger entziehen, denn die Art und Weise, wie sie es erzählt, ist wunderbar konstruiert und erzeugt dadurch seine ganz eigene Spannung. Vieles von dem, was diese Familie erlebt, findet sich so oder so ähnlich auch in der Geschichte unzähliger anderer Familien, und dennoch ist das Mosaik, das entsteht, durch und durch originell.

Ich musste mehr als einmal an ein Zitat aus Tolstoys 'Anna Karenina' denken: "Alle glücklichen Familien gleichen einander. Jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Art unglücklich."

Die Charaktere sind in meinen Augen bestechend lebensecht, obwohl man immer nur Fragmente aus ihrem Leben zu sehen bekommt. Die Autorin hat ein Gespür dafür, eine enorme Komplexität mit dem zu erreichen, was sie zwischen den Zeilen mitteilt. Und so stellt man irgendwann fest, dass das Buch eine Vielzahl von Themen vermittelt hat: nicht nur Generationenkonflikte und Familiengeheimnisse, sondern zum Beispiel auch Gedanken über Demenz, Abtreibung und die epigenetische Trauma-Vererbung.

Der Schlüssel zu allem, was geschieht, liegt in Lucys Traum(a), beziehungsweise dessen Ursache. Und hier hat das Buch mich sehr enttäuscht, denn die Auflösung erschien mir fast schon banal, die Ereignisse zusammenhaltslos – womöglich wurden aber für mein Empfinden am Schluss einfach zu viele Dinge noch schnell abgehandelt. Überhaupt sind die so sorgsam gehüteten Geheimnisse der verschiedenen Familienmitglieder zum Teil deutlich weniger bedeutungsschwer als erwartet.

"Überall war es weiß, als ich aufblickte, makellos weiß, eine Art grundloses Existieren – es zog einen Schmerz nach sich. Der Schmerz war wie etwas, das ich einmal gekannt aber irgendwann vergessen hatte.
Weißweißweiß."
(Zitat)

Der Schreibstil hat viele magische Momente, in denen er, ruhig und schwerelos, eine ungeheure sprachliche Schönheit entwickelt. Allerdings ist es hier ähnlich wie mit dem Leitmotiv: manchmal wirkten Formulierungen auf mich etwas überstrapaziert, und dann verlor sich für mich jeglicher Zauber.

Bewertung vom 16.10.2017
Niemand verschwindet einfach so
Lacey, Catherine

Niemand verschwindet einfach so


ausgezeichnet

"Niemand verschwindet einfach so" ist eines dieser unbequemen Bücher, die es dem Leser nicht leicht machen, sondern ihn herausfordern und dadurch sicher auch polarisieren.

Dabei ist die Geschichte weder brutal, noch schockierend oder auch nur polemisch. Tatsächlich passiert auf den ersten Blick viel, auf den zweiten erstaunlich wenig und auf den dritten dann wieder ganz viel – wenn man es denn zulässt.

Eine junge Frau bringt sich um. Ihre Schwester heiratet den Mann, der es ihr möglich macht, darüber zu weinen, und verlässt ihn letztendlich wieder, als das nicht ausreicht. Sie reist durch die halbe Welt, trampt, schläft in fremder Leute Schuppen, quartiert sich bei Menschen ein, die sie nicht kennt und die ihr auch nichts bedeuten. Und dabei wird sie nicht überfallen, es entspinnt sich keine hollywoodreife Liebesgeschichte, niemand kämpft heldenhaft gegen den Krebs, und überhaupt erstreckt sich die Handlung zwar über mehrere Länder, spielt sich aber streng genommen doch hauptsächlich im Kopf der Protagonistin ab.

Denn Elyria denkt. Und denkt. Und denkt. Und dort, in ihren Gedanken, verbirgt sich das wilde Biest, das kratzt, beißt und sticht. Im Verborgenen. Im Geheimen. In verqueren Bildern, in merkwürdigen Formulierungen, in ihrer Wahrnehmung der Welt als ein Grab aus Schatten. In endlosen Schachtelsätzen, die sich wieder und wieder im Kreise drehen.

Die Sprache ist brillant, wird aber nicht jeden Leser überzeugen: eine literarische Stimme, die aufhorchen lässt, weil sie in ihrer Wucht so unverfroren anders ist und zugleich eine ungeheure Zerbrechlichkeit ausstrahlt, eine Art bodenlosen Weltschmerz. Anstrengend, ja, manchmal ein wenig zu bemüht, aber lohnend.

Zitat:
Wir haben alle etwas Dunkles in uns, würdest du sagen; aber ich weiß, dass meine Dunkelheit dunkler ist und dass sich eine Horde tollwütiger Biester darin verbirgt, ich bin nicht wie du, Ehemann, in meiner Dunkelheit gibt es keinen Lichtschalter, meine Dunkelheit ist eine Savanne in mondloser, sternloser Nacht, und alle meine wilden Biester rennen in vollem Tempo blind drauflos, aber das könnte ich beim besten Willen nicht zu dir sagen, denn wir haben im Grunde jahrelang nicht miteinander gesprochen, und deshalb habe ich eine Distanz aus Raum und Zeit zwischen uns geschaffen, damit unser Schweigen einen Sinn ergibt.

Aber was bedeutet das alles? Wen oder was verkörpert das Biest? Elyrias Depressionen, ihren Zorn auf die Eltern, ihre Unfähigkeit, mit anderen Menschen gesunde Beziehungen einzugehen? Die Trauer um ihre Schwester? Jedenfalls keine nach außen gerichtete Aggression, auch wenn sich Elyria selber misstraut, was das betrifft. Verliert sie den Verstand?

Einfache Lösungen gibt es hier nicht. Elyria wird ohne Betriebsanleitung geliefert – oder vielleicht ist die auch nur in einer Sprache geschrieben, die Elyria selber nicht versteht.

Und das ist in meinen Augen auch vollkommen in Ordnung.

Die Geschichte hat einen unglaublichen Tiefgang, und ein erzwungenes Ende, das alles zu Tode erklärt, würde ihren Sog vielleicht sogar zerstören. Ob man das Buch liebt oder hasst, hängt meines Erachtens zumindest zu einem großen Teil davon ab, inwieweit man sich einlassen kann auf Elyrias inneren Monolog, ohne Erklärungen zu erwarten. Und sie macht es dem Leser nicht einfach: sie trifft falsche Entscheidungen, sie erwartet zu viel von Fremden und zu wenig von sich selbst, aber sie ist auf ihre kompromisslose Art echt und authentisch und durchaus liebenswert. Die anderen Charaktere bleiben schwer greifbar, weil Elyria unfähig ist, wirklich auf sie zuzugehen.

Bewertung vom 15.10.2017
Der Totensucher
Karlden, Chris

Der Totensucher


sehr gut

Zu dem Zeitpunkt, da die Handlung dieses Thrillers beginnt, durchlebt Protagonist Adrian Speer sein persönliches Drama bereits seit zwei Jahren: damals wurde seine 11-jährige Tochter Lucy entführt – aus der eigenen Wohnung, wo er sie nur kurz alleine gelassen hatte. Seitdem fehlt von ihr jegliche Spur und nun kratzt Speer, nach einem Totalabsturz in jedweder Hinsicht, die Scherben seines Lebens mühsam zusammen, als frisch ernanntes Mitglied einer neu gegründeten Mordkommission.

Leider verfällt er im Laufe der Handlung ein wenig in das Klischee des toughen, wild entschlossenen Ermittlers, der nichts mehr zu verlieren hat, im Alleingang loszieht und sich einen Dreck darum schert, was ihm von Vorgesetzten befohlen oder untersagt wurde... Was bei Weitem nicht die Konsequenzen hat, die es im echten Leben wahrscheinlich hätte!

Aber das kann man ihm in meinen Augen dann doch verzeihen, denn er ist ansonsten authentisch, überzeugend und sympathisch, und immerhin geht es hier um einen verzweifelten Vater, der die einzige Chance ergreift, die seine Tochter noch hat. Ich habe jedenfalls sehr mit ihm mitgefiebert!

Manchmal fand ich seine emotionalen Reaktionen vielleicht nicht ganz glaubwürdig, er erschien mir in manchen Situationen zu gefasst... Aber möglicherweise hat er da auch einfach das Limit dessen erreicht, was einen Menschen noch erschüttern kann – oder ist ist der fortwährende Schlafmangel, der ihn abstumpft. (Mal ehrlich: schlafen Kriminalpolizisten wirklich so wenig, wie es einem in Krimis und Thrillern suggeriert wird?)

Ihm zur Seite steht Ermittler Robert Bogner, der erst ein wenig skeptisch ist, was seinen wortkargen neuen Kollegen betrifft. Aber man merkt schon nach den ersten Kapiteln: hier haben sich zwei gefunden, die ein verdammt gutes Team abgeben könnten! Beiden ist Loyalität wichtig, beide haben ihre Prinzipien und beide können auch mal um die Ecke denken und an dem rütteln, was schon gesichert scheint.

Perfekte Menschen sind sie beide nicht, und das ist auch gut so. Ja, manchmal verstoßen sie gegen ihre eigenen Prinzipien, aber mir sind Charaktere mit Ecken und Kanten, echten Schwächen und Fehlentscheidungen deutlich lieber als glattgebügelte, unfehlbare Superhelden.

Jedenfalls bekommen sie es mit bestialischen Morden zu tun: der Mörder hängt seine Opfer an den Fußgelenken auf, schneidet ihnen die Zunge heraus, stopft ihnen Stroh in den Mund und lässt sie dann langsam ausbluten. Auf den ersten Blick hat das absolut nichts mit der Entführung von Speers Tochter zu tun, doch dann findet sich auf dem Handy eines Opfers ein Foto von Lucy – und zwar ein aktuelles.

Die Geschichte hält durchgehend einen hohen Spannungsbogen. Der Mörder ist den Ermittlerin immer einen Schritt voraus, in rasantem Tempo überschlagen sich die Ereignisse und der Autor spielt gekonnt mit den Erwartungen des Lesers. Immer, wenn man gerade denkt, jetzt wüsste man, wie alles zusammenhängt, setzt Chris Karlden noch eine unerwartete Wendung oben drauf, überspannt aber niemals den Bogen der Glaubwürdigkeit. Gut, bei der ein oder anderen Wendung kann man sich als Leser denken, dass es eine falsche Fährte ist, aber die schlussendliche Auflösung fand ich an keinem Punkt wirklich vorhersehbar.

Die Perspektive wechselt zwischendurch ein paarmal zur Sicht des Mörders, und man ahnt schnell, dass man ihn vielleicht sogar ein wenig verstehen kann, ob man das nun will oder nicht... Ist er ein Monster – oder ist er ein Rächer, der die tötet, die es verdient haben?

Das Ende schreit nach einer Fortsetzung: was die Morde betrifft, ist die Geschichte zwar in sich abgeschlossen, aber in anderer Hinsicht bleibt noch alles offen. Ich hoffe darauf, dass Speer und Bogner eine ganze Reihe bekommen werden.

Der Schreibstil ist souverän, mit gutem Tempo und Sprachrhythmus. Ich habe das Buch durchweg gerne gelesen und mich gut unterhalten gefühlt.

Bewertung vom 15.10.2017
Trywwidt
Bellis, Klara

Trywwidt


ausgezeichnet

Ja, lieber Leser, hier gibt es Vampire und Elfen, aber es sind beileibe nicht die... Oh, Moment – ich unterbreche diese Rezension für eine kurze Servicedurchsage:

!! Achtung, Achtung, hier handelt es sich um die Rezension des *zweiten* Bandes! !!

Wo war ich stehengeblieben? Ach ja.

Ja, lieber Leser, hier gibt es Vampire und Elfen, aber es sind beleibe nicht die Vampire und Elfen, wie man sie halt so aus anderen Fantasybüchern kennt. Wenn man mich fragen würde, was die größte Stärke der Autorin ist, würde ich antworten: ihre Fähigkeit, einem Genre, in dem es alles schon gefühlte 1.000.001 Male gab, ihren eigenen Stempel aufzudrücken und ihr ganz eigenes Ding daraus zu machen. Und dieses ganz eigene Ding ist nicht nur verflixt originell, sondern auch spannend und witzig und einfach rundum unterhaltsam. Viel Fantasy, eine Prise Science Fiction, jede Menge schräger Humor und ein bisschen Romantik.

Aber das brauche ich den Lesern, die den ersten Band gelesen haben, wohl nicht extra zu erklären.

Die Charaktere sind wieder so wunderbar un-heroisch und un-perfekt, wie man sie schon in "Trywwidt – Kaiserin der ewigen Nacht" kennengelernt hat. Aus Messie Klaus ist ein depressiver Jungvampir geworden, während Elfe Trywwidt immer noch weit entfernt ist von der 'maximalen Effizienz', Menschenfrau Ira nach wie vor auf Schokolade steht – und Vampir Korwin allmählich die Nase voll davon hat, dass die Elfen ihn entweder umbringen wollen oder zumindest ungefragt seine Dusche benutzen. Herrlich. Sie sind mir alle so ans Herz gewachsen, dass ich ihnen Weihnachtskarten schreiben will.

Natürlich bekommen sie es in diesem Band wieder mit mehr als einem Problem und mehr als einem Widersacher zu tun. Da sind ja nicht nur die Vampirjäger, die zusammen (vielleicht) genug Grips haben, um Korwin gefährlich zu werden, sondern es gilt immer noch, die Elfe Phyrridt aus ihrer albtraumhaften Existenz als endloser Schmerzensschrei zu befreien – und dabei wäre es ganz nett, wenn die Elfen nicht aus Versehen die Menschenwelt zerstören. Das war für mich durchweg spannend; ich hatte nie das Gefühl, dass die Geschichte sich zog, und fand auch alles schlüssig und glaubhaft.
Die Liebesgeschichten drängen sich dabei nicht zu sehr in den Vordergrund, sind aber wirklich süß zu lesen. Trywwidt und ihr Liebster bereiten sich vor auf das Frühlingsritual, während Ira mit Unsicherheiten und Selbstzweifeln zu kämpfen hat, ob sie für Korwin vielleicht doch nur ein Haustier und/oder Snack ist...

Der Schreibstil ist auf gute Art ungewöhnlich, mit großartigen, manchmal durchgeknallten Metaphern. Man hat das Gefühl, dass Klara Bellis ihre Welt durch und durch kennt und daher auch perfekt beschreiben kann, jedenfalls kam die Atmosphäre bei mir mühelos an.

Fazit:
Auch im zweiten Band der Reihe tummeln sich die Antihelden: vom depressiven Jungvampir Klaus über die chaotische Techno-Elfe Trywwidt bis hin zu Menschenfrau Ira, die sich langsam fragt, ob ihr Vampirchef Korwin ihr nur deswegen Pralinen schenkt, um sie zu mästen... Das ist wieder spannend, irrsinnig komisch und auch ein bisschen romantisch, und dabei glitzern die Vampire kein bisschen. Volle Punktzahl für Originalität – oder wie die Elfen wahrscheinlich sagen würden: maximale Effizienz!

Bewertung vom 09.10.2017
Außer sich
Salzmann, Sasha Marianna

Außer sich


gut

Die Geschichte erstreckt sich nicht nur über Generationen, Religions- und Ländergrenzen, sondern reizt auch aus, wie unfassbar zerbrechlich und zugleich fließend die Identität eines Menschen sein kann.

»Hier schreibt jemand, der etwas zu erzählen hat« sagt DIE WELT, und dem würde ich vorbehaltlos zustimmen. Sasha Marianna Salzmann weiß, wovon sie spricht, und sie spricht in einem so innovativen wie kompromisslosen Stil, der mal poetisch klingt – und mal so, als habe sie ihre Lebenswut aufs Papier gekotzt.

Aber dieses 'etwas', das sie zu erzählen hat, blieb für mich über weite Strecken nicht greifbar, ihre Charaktere interessant, aber seltsam blutleer. Auch die Wucht des Schreibstils blieb oft auf dem Papier kleben.

Wenn der schnelle Wechsel von Schauplätzen und Perspektiven den Leser irritiert und verwirrt, so ist dies von der Autorin jedoch durchaus erwünscht. Sie wolle dem Leser eine Ahnung verschaffen, sagte sie in einem Interview, wie es sich anfühlt, wenn "die Drehscheibe zu schnell ist".

Und die Drehscheibe ist rasend schnell für die Menschen, die sie in ihrem Roman beschreibt. Anton und Ali sind die Kinder von Heimatlosen, haben die Rastlosigkeit im Blut, begegnen auf ihrer Suche nach dem eigenen Ich nur mehr anderen Suchenden, aber keinen Angekommenen. Besonders Ali ist grenzenlos haltlos, ohne Anton hat sie das Gefühl, auch sich selbst verloren zu haben. Aber ist sie überhaupt eine Sie? Sexualität und Gender werden durch Antons Verschwinden erschüttert: es bleibt unklar, ob Ali transgender ist oder den Verlust des Bruders kompensieren will, indem sie/er seine Identität übernimmt.

Möglicherweise ist das schon die Erklärung, warum es mir so schwerfiel, für die Charaktere mehr als vages Interesse zu empfinden: sie sind unfassbar, im wahrsten Sinne des Wortes, weil sie keine klar umgrenzte Identität haben, und damit wird der interessanteste Aspekt des Buches zugleich zu seiner größten Schwäche.

Ganz nebenher erzählt die Autorin die Lebensgeschichte der entwurzelten russisch-jüdischen Familie Tschepanow über vier Generationen – was an sich gar nicht auf 366 Seiten passen sollte, es aber tut, weil alles fragmentarisch bleibt.

Auch hier wieder: interessant, aber.

Es erklärt Ali, und es erklärt Ali nicht, weil der Leser die Familiengeschichte sieht wie in einem zerbrochenen Spiegel. Mir erschwerte das Fragmentarische die emotionale Investition, die die Geschichte in meinen Augen fordert – auch wenn es wunderbar Alis Identitätskrise widerspiegelt und verdeutlicht, was für ein trügerisches Konstrukt die menschliche Erinnerung ist.

Möglicherweise muss man sich als Leser von der Vorstellung verabschieden, das Buch müsse einem seinen Sinn offenbaren und Alis Reise in vollkommener Selbsterkenntnis enden. Es spricht wichtige, interessante Themen an. Die Sprache an sich ist es wert, gelesen zu werden, die Geschichte an sich ist es wert, gelesen zu werden.

Für mich scheiterte es – oder ich? – jedoch an der Umsetzung, die Drehscheibe drehte sich zu schnell. Ich spürte, dass sich hinter dem, was ich las, etwas Großes verbarg, bekam es im Schwindel der Erzählung jedoch nicht zu fassen.

Fazit:
"Außer sich" ist vieles: eine epische Familiengeschichte, ein rasant erzählter, mutiger Roman mit einer Unzahl von Themen: Migration, Integration, Fremdenhass, Genderidentität, Inzest und immer wieder Selbstfindung, Selbstverlust... Es passiert unglaublich viel, und es fühlt sich an, als würde alles gleichzeitig passieren, der Schreibstil ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Wucht. Einfach ist das nicht – kein Buch zum nebenher Konsumieren.

Was meine abschließende Bewertung betrifft, bin ich so zwiegespalten wie die Hauptfigur des Buches bezüglich ihrer Identität: letztendlich bleibt es ein Buch, dessen Ehrgeiz, Mut und sprachliche Innovation ich anerkenne, das mich jedoch dennoch nicht vollends überzeugen konnte.

Bewertung vom 07.10.2017
Das Porzellanmädchen
Bentow, Max

Das Porzellanmädchen


sehr gut

(3,5 von 5 Sternen)

Ich habe dieses Buch als ungekürztes Hörbuch gehört.

Manchmal war ich mir nicht sicher: höre ich einen Thriller, eine Geistergeschichte oder ein psychologisches Drama über eine Frau, die an einem schrecklichen Erlebnis zerbrochen ist? Tatsächlich war ich mir dessen immer noch unschlüssig, als das letzte Wort verklungen war...

Mit Sicherheit sagen kann ich, dass Axel Milberg als Sprecher des Hörbuchs eine phänomenale Wahl war: er flüstert, raunt, grollt und knarzt sich nicht nur durch den Text, sondern gibt auch die Geräusche der Puppe wieder.

Welche Puppe?

Die Puppe, die vielleicht wirklich nur eine Puppe ist, vielleicht aber auch besessen – auf jeden Fall aber ein Erinnerungsstück an ein Trauma, das Protagonistin Luna an den Rand des Wahnsinns treibt.

Die neun Stunden, die das Hörbuch dauert, vergingen wie im Flug. Ich war fasziniert und gebannt, gruselte mich, stellte Theorien auf, was denn nun wirklich hinter der ganzen Geschichte steckte. Und doch war ich am Ende nicht ganz zufrieden.

Interessant fand ich, dass die Geschichte mit ihrer eigenen Ambivalenz spielt. Luna, die Autorin ist, verarbeitet ihre Erlebnisse in einem Roman, dessen Hauptfigur ihr sehr, sehr ähnlich ist – und die aufgrund desselben Traumas, das Luna erlebt hat, zur mehrfachen Mörderin wird. Da fragt man sich als Leser: hat Luna all das, was ihre Romanheldin tut, denn wirklich getan? Einiges spricht dafür... Bentow wartet da auch noch mit einer interessanten Wendung auf, die die Dinge noch mal in einem anderen Licht erscheinen lässt.

Allerdings fand ich die Auflösung des Ganzen am Schluss nicht gänzlich logisch und schlüssig, manches erschien mir unrealistisch und konstruiert, und in meinen Augen bemüht sich das Buch zu sehr, den Leser auf den letzten Seiten noch einmal dazu zu bringen, alles in Zweifel zu ziehen.

Natürlich geht es auch darum, was Luna vor vielen Jahren passiert ist, und was man als Leser über die Motive des damaligen Täters erfährt, wirkte auf mich eher wie plumpe Westentaschenpsychologie.


Die Geschichte ist fast schon ein Kammerspiel: sie spielt sich auf kleinem Raum und mit nur einer Handvoll Personen ab. Das funktioniert meist gut, manchmal aber auch nicht, denn die Charaktere sind in meinen Augen nicht hundertprozentig ausgereift und der Schreibstil ist oft sehr einfach. Besonders die Dialoge wirken gelegentlich etwas hölzern. Luna ist ohne Zweifel ein sehr interessanter Charakter, aber so richtig greifbar war sie für mich über lange Passange nicht. Und Leon, der 15-Jährige, den sie mitgeschleift hat in das Horrorhaus ihres persönlichen Dramas, benimmt sich mal wie ein viel jüngeres Kind, dann wieder merkwürdig abgeklärt und viel zu erwachsen.

Dennoch: das Buch kann mit dichter Atmosphäre und einem hohen Unterhaltungswert punkten.

Fazit:
Ein Thriller, eine Geistergeschichte, ein Drama? Vielleicht ein bisschen von allem. Die Geschichte hat in meinen Augen durchaus Schwächen, der Schreibstil konnte mich auch nicht immer begeistern, dennoch fand ich das Buch auf jeden Fall unterhaltsam und das Hörbuch hervorragend gesprochen.

Bewertung vom 06.10.2017
Moon Chosen / Gefährten einer neuen Welt Bd.1
Cast, P. C.

Moon Chosen / Gefährten einer neuen Welt Bd.1


weniger gut

Auf den ersten Blick wirkt der Weltentwurf komplex, originell und überzeugend, im Laufe des Buches kamen mir jedoch Zweifel. Vieles erschien mir nicht bis ins Detail durchdacht oder blieb sogar gänzlich unerklärt. Bis zum Schluss fehlte mir das Gefühl, wirklich in diese Welt abtauchen zu können und einen guten Eindruck vom täglichen Leben der verschiedenen Völker zu haben.

Tatsächlich zog sich das Buch für mich über weite Strecken, besonders im Mittelteil. Es gibt zwar einige spannende Passagen, aber da hätte in meinen Augen deutlich gestrafft werden können!

Was mir das Buch aber am meisten verleidete, war seine Protagonistin, Mari. In den ersten Kapiteln verhält sie sich eher kindlich für ihr Alter, später jedoch zeigt sie eine Seite an sich, die nicht nur unglaublich selbstzentriert ist, sondern grausam und geradezu monströs. Sie gerät in eine Situation, in der sie mit ihren Fähigkeiten schrecklichstes Leid beenden könnte – und sie ist zu dieser Zeit die Einzige, die das kann. Sie entscheidet sich ganz bewusst, nichts zu tun... Was nicht wirklich hinterfragt wird!

Es gibt einen anderen weiblichen Charakter, den ich lieber als Heldin des Buches gesehen hätte: Sora, eine Konkurrentin Maris. Aber warum wird in vielen Jugendbüchern das fiese Mädchen, mit dem sich die Protagonistin nicht versteht, als Schlampe dargestellt? Man kann einen weiblichen Charakter doch auch aus anderen Gründen als unsympathisch darstellen als über ihre Sexualität! Sora zeigte für mich jedenfalls mehr emotionales Wachstum als Mari.

Natürlich gibt es eine Liebesgeschichte, die kommt jedoch erst spät im Buch wirklich ins Rollen – und ging dann in meinen Augen zu schnell, um glaubhaft zu sein.

In manchen Szenen gefiel mir der Schreibstil sehr gut, in anderen fand ich ihn flach, mit vielen Wiederholungen und ohne natürlichen Sprachrhythmus. Die meisten Fakten, die der Leser wissen muss, werden übermittelt, indem Charaktere sich gegenseitig ihre eigene Welt erklären. Wenn sonst niemand da ist, führt Mari zu diesem Zweck auch schon mal Selbstgespräche...

Mari ist das Kind einer Erdwanderin und eines Gefährten, ist aber mit ihrer Mutter Leda bei den Erdwanderern aufgewachsen.

Die Gefährten unterdrücken und versklaven die Erdwanderer, was sie vor sich rechtfertigen, indem sie sich einreden, die Erdwanderer wären dumme, hilflose Tiere und sollten dankbar sein, dass sich jemand um sie kümmert. Weiße Sklavenbesitzer dachten früher in unserer realen Welt oft sehr ähnlich.

Hätte die Autorin dieses Thema sensibel behandelt, würde ich jetzt wahrscheinlich ihr Loblied singen. Tatsächlich aber schwingt in ihren Worten etwas mit, was auf mich wirkte wie unterschwelliger, nicht hinterfragter Rassismus. Ich möchte ihr da keine böse Absicht unterstellen, aber zumindest einen sehr problematischen Sprachgebrauch.

Die Erdwanderer haben dunkle Haut und dunkle Haare, während die Gefährten hellhäutig sind und meist auch helle Haare haben. In Mari ist das Erbe ihres Vaters dominanter, sie ist hellhäutig und blond. Insoweit nicht problematisch, aber: das Aussehen der Erdwanderer wird oft mit negativ behafteten Adjektiven beschrieben, das der Gefährten mit positiven.

Vielleicht am vielsagendsten: Um unter den Erdwanderern nicht aufzufallen, schminkt Mari sich jeden Tag und verändert ihre Gesichtszüge – indem sie sie mit einer dicken Masse aus Lehm und Kohle 'gröber' formt und ihre helle Haut unter einer 'schmutzig-braunen' Schicht verbirgt.

Mari benutzt ständig den Begriff 'Dreckwühler' – eine herabwürdigende Bezeichnung, die die Unterdrücker der Erdwanderer geprägt haben. Anfangs empfindet sie scheinbar nur Verachtung für das Volk ihrer Mutter und würde diesen Teil ihres Erbes am liebsten auslöschen.

Für ein Jugendbuch enthält die Geschichte sehr viel und sehr explizit beschriebene Gewalt. Die Vergewaltigung einer Minderjährigen wird zwar nicht beschrieben, dafür aber die gravierenden Verletzungen, die später behandelt werden.

Bewertung vom 05.10.2017
Hygge
Larsen, Elias;Jackson, Jonny

Hygge


sehr gut

Was ist Hygge?

"Hygge" klingt wie ein Schaukelstuhl von IKEA, und so weit daneben ist das gar nicht – zumindest geographisch. Nein, es handelt sich nicht um ein Möbelstück der schwedischen Firma, ist aber dennoch skandinavischen Ursprungs! Hygge ist eine dänische Lebensphilosophie, die sich um viele schöne Sachen mit "G" dreht: Glück, Gemeinschaft, Geselligkeit, Gemütlichkeit...

Dieses kleine Büchlein möchte Hygge vorstellen und strahlt dabei selber ein bisschen Hygge aus. Alleine bei den zahlreichen Bildern geht einem schon das Herz auf: Kaminfeuer, dicke Stricksocken, Tassen mit heißer Schokolade, unter eine warme Decke gekuschelte Hunde, ein schlafendes Kätzchen, gehäkelte Herzen, Schokoladen-Toast in Herzform... Tatsächlich sind es vor allem die Bilder, wegen denen ich das Buch immer wieder in die Hand genommen habe.

Kapitel 1 – So holst du Hygge in dein Haus

Es ist kein knallhartes Sachbuch, das einem von A bis Z erklärt, wie man sein Leben optimiert, und zwar pronto! Ich sehe es eher als Appetithappen, der Lust darauf macht, sich mehr Hygge ins Leben zu holen, auf seine ganz eigene Art.

Insofern ist der reine Informationsgehalt der Kapitel nicht unbedingt das Wichtigste. Vieles weiß man schon – zum Beispiel ist es wohl für niemanden eine Überraschung, dass ausreichend Tageslicht, frische Luft und weiche Stoffe dem persönlichen Glücksgefühl zuträglich sind. Manches ist auch nicht für jeden machbar, so besitze ich nun mal keinen Kamin und kann daher auch die Freuden verschiedener Feuerhölzer nicht genießen. Aber ich habe dennoch einiges gefunden, was ich ausprobieren möchte.

Es sind durchaus einige Dinge enthalten, die man ganz konkret gebrauchen kann, so gibt es zum Beispiel eine Liste mit Zimmerpflanzen, die laut einer NASA-Studie für ganz besonders gute Raumluft sorgen. oder eine Übersicht über die Wirkung verschiedener ätherischer Öle.

Kapitel 2 – Handarbeiten sorgen für Gemütlichkeit

Die handarbeitlichen Projekte im zweiten Kapitel sind sehr einfach und sollten für die meisten Leser zu schaffen sein, so gibt es zum Beispiel eine Anleitung, wie man aus einer Wollsocke einen Tassenwärmer macht, und eine für eine Lichterketten-Laterne. In diesem Kapitel hätte ich mir, ehrlich gesagt, noch ein bisschen mehr Auswahl gewünscht und vielleicht auch das ein oder andere größere Projekt.

Kapitel 3 – Wohnungsdekoration

In Kapitel 3 geht es darum, wie man mit einfachen Dingen die Wohnung gemütlicher und ansprechender machen kann: Schnittblumen, im Winter Schneeflocken aus Papier, hübsche Fundstücke oder eine einfache Wimpelgirlande.

Kapitel 4 – Wohlfühlrezepte für gemütliche Abende daheim

Die Rezepte im vierten Kapitel sind vor allem für die kalte Jahreszeit ideal: Plätzchen, heiße Schokolade mit Zimt, ein Lebkuchenhaus, gewürzter Fruchtpunsch, Kürbiscremesuppe und mehr. Die Rezepte sind alle vegetarisch, jedoch nicht alle vegan.

Kapitel 5 – Spaß im Freien zu jeder Jahreszeit

Hier geht es zum Beispiel um Winterspaziergänge, Picknicks, geröstete Marshmallows am Lagerfeuer oder den Sternenhimmel.

Kapitel 6 – Einfache Freuden

Für mich war das letzte Kapitel fast das anheimelnste, denn hier geht es um Dinge, mit denen man sich in der eigenen Wohnung jederzeit pudelwohl fühlen kann: heiße Bäder, gemütliche Leseabende oder einem Spielabend mit Freunden. Enthalten ist auch eine Liste mit Wohlfühl- und Familienfilmen.

Fazit:
Dieses hübsche kleine Büchlein verlockt dazu, immer mal wieder reinzublättern, sich die Bilder anzuschauen und daraus vielleicht Inspiration für die eigene Wohnung bzw. die eigene Freizeitgestaltung zu holen. Es gibt Rezepte, simple Anleitungen für Dinge wie Filzpantoffeln und Lavendelsäckchen und einfach einen schönen Einblick in die dänische Lebensphilosophie. Viele rein faktische Informationen sind nicht enthalten, aber ich denke, das Buch ist auch nicht als umfassender Ratgeber, sondern mehr als Geschenkbuch oder Bildband für den heimischen Sofatisch gedacht.

Bewertung vom 04.10.2017
Das Glück wohnt überall
Teimer, Katharina

Das Glück wohnt überall


ausgezeichnet

Im englischen Sprachraum nennt man Bücher wie dieses "coffee table books", also "Kaffeetisch-Bücher". Dabei handelt es sich meist, wie auch hier, um großformatige Bücher mit zahlreichen Bildern, die sich wunderbar dazu eigenen, immer mal wieder zwischendurch reinzublättern und ein Kapitel hier, ein Kapitel da zu lesen – und genau so habe ich dieses Buch gelesen, es also quasi häppchenweise genossen. Und ja, da war auch oft eine Tasse Kaffee mit im Spiel.

"Wie nehmen die Menschen Glücksmomente und ein bleibendes Glück wahr in unterschiedlichen Kulturen? Wie versuchen sie, ihrem Glück auf die Sprünge zu helfen oder Unglück abzuwenden mit kleinen und großen Glücksbringern und Bräuchen?"
(Zitat)

Autorin Katharina Teimer, wunderbar unterstützt durch Illustratorin Inka Vigh, führt den Leser Kapitel für Kapitel durch 14 Länder und deren Vorstellung vom Glück. Sie stellt Traditionen und Bräuche vor, Aberglauben, bekannte Geschichten, Sprichwörter, sogar das ein oder andere Rezept. Im Kapitel, das sich mit China beschäftigt, darf zum Beispiel das Rezept für Glückskekse nicht fehlen!

Die enthaltenen Bilder und Fotos sind wirklich wunderschön; mir haben sie schon beim Durchblättern und Betrachten ein gewisses Glücksgefühl beschert.

Manches wird man als Leser vielleicht schon wissen, von anderem hat man zumindest schon mal gehört, aber dennoch enthält das Buch meines Erachtens zahlreiche Informationen und Geschichten, die überraschen und verzaubern können. So lernt man im Kapitel über Russland zum Beispiel, warum Studenten in einem Flur der Moskauer Metra Schlange stehen, um die Nase eines Bronzehundes zu streicheln, in dem über China erfährt man, warum ein Haus mit ausgewiesenen 70 Stockwerken in Wirklichkeit oft nur 53 Stockwerke hat... Dänemark ist selbstverständlich vertreten mit dem dänischen Lebensgefühl Hygge (und einem Glühwein-Rezept für gløgg).

"Glück ist wie ein kleiner lebhafter Hund, der mit dem Schwanz wedelt. Glück kann aber auch sein, einen kleinen traurigen zu streicheln, so dass er anfängt, mit dem Schwanz zu wedeln."
(Zitat: Willy Breinholst, dän. Humorist und Autor)

Im Kapitel über Deutschland habe ich ebenfalls Dinge gelernt, wie zum Beispiel, warum der Marienkäfer bei uns als Glücksbringer angesehen wird und warum er überhaupt Marienkäfer heißt. Das Kapitel über Japan verrät uns unter anderem, was es mit der winkenden Glückskatze auf sich hat, während das Kapitel über Indien und Tibet etwas kurz ausgefallen ist mit einer kleinen Abhandlung zum Buddhismus.

Um den Karneval in Rio geht es im Kapitel über Brasilien genauso wie um die Fitinhas, die beliebten bunten Armbänder, die man tragen muss, bis sie von selber vom Handgelenk fallen, damit ein Wunsch in Erfüllung geht. In Irland begegnen wir dem Leprechaun, einem Kobold, der weiß, wo am Ende des Regenbogens der Goldschatz versteckt ist – und wusstet ihr, dass es in Island eine Elfenbeauftragte gibt, die sogar vom Bauministerium konsultiert wird?

In Algerien gibt es das Glücksymbol Hamsa, auch bekannt als die fünf Finger der Fatima, der jüngsten Tochter Mohammeds, und das Kapitel über Großbritannien erklärt unter anderem, was es eigentlich mit dem Mistelzweig auf sich hat. In vielen Gegenden in Lateinamerika wird die Gottheit Ekeko verehrt, deren Statue in vielen Haushalten steht – und besonders Glück bringt es, der Statue eine angezündete Zigarette in den Mund zu stecken.

Das Kapitel über Thailand ist wieder ein kurzes: hier geht es darum, warum Glücksforscherin Sauwalak Kittiprapas eine staatliche Glückspolitik für sinnvoll hält. Abschließend macht die Reise halt in den USA, wo das Streben nach Glück im Grundrecht verankert ist.