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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Barbara
Wohnort: 
Remscheid

Bewertungen

Insgesamt 161 Bewertungen
Bewertung vom 21.02.2022
Ein Grab für zwei
Holt, Anne

Ein Grab für zwei


sehr gut

Selma Falck ist privat und beruflich am Ende. Sie ist spielsüchtig, hat Geld unterschlagen, ist drauf und dran ihre Anwaltslizenz zu verlieren und lebt getrennt von Mann und Kindern in einer heruntergekommenen Bruchbude. Die ehemalige Spitzensportlerin und erfolgreiche Anwältin ist pleite und verzweifelt als der reiche Geschäftsmann und ehemalige Klient Jan Morell mit einem Auftrag auf sie zukommt. Seine Adoptivtochter Hege Chin Morell, erfolgreiche Langläuferin in der norwegischen Nationalmannschaft, wird des Dopings beschuldigt. Ihre Teilnahme an den Olympischen Winterspielen steht damit auf dem Spiel, in der Öffentlichkeit wird die gebürtige Chinesin schnell verurteilt. Alle Fakten sprechen gegen Hege, doch Selma Falck versucht alles, um Beweise für eine Sabotage zu finden und geht eine letzte Wette ein, die sie ihre gesamte Existenz kosten kann.
Anne Holt hat in diese Geschichte viele aktuelle und soziale Themen eingebracht. Neben der Spannung in den Ermittlungen geht es hier um Spielsucht, Leistungsdruck im Sport, Doping, Rassismus und Obdachlosigkeit.
In verschiedenen Handlungssträngen wird dieser Krimi erzählt, was ihn einerseits sehr vielschichtig und spannend macht, andererseits ist es für mich in der Summe ein bisschen zu viel des Guten: da gibt es die Ermittlungen im Dopingfall, den mysteriösen Tod eines anderen Spitzensportlers, Selmas Beziehung zu dem Obdachlosen Einar, den nackten Gefangenen und das Drehbuch, das geschrieben wird. Jede Handlung ist für sich gut beschrieben, auch wenn man lange nicht weiß, wie sich alles miteinander verknüpft.
Das Hörbuch wird hervorragend gelesen von Katja Bürkle, die mit sehr angenehmer, ruhiger Stimme und hervorragender Aussprache der norwegischen Namen voll überzeugt.
Gerne mehr über Selma Falck, die nicht unbedingt immer sympathisch rüber kommt, aber eine sehr interessante Persönlichkeit ist.

Bewertung vom 10.02.2022
Die dritte Hälfte eines Lebens
Herzig, Anna

Die dritte Hälfte eines Lebens


ausgezeichnet

Anna Herzig ist es gelungen, auf 127 Seiten unendlich viel auszudrücken und die Leser*innen mit auf eine Reise in eine Dorfgemeinschaft zu nehmen, die keine Gnade kennt gegenüber denen, die irgendwie anders sind.
Und das sind in Krimmwing viele: der Seppi, unehelich geborenes Kind von einem dunkelhäutigen und abwesendem Vater und einer Mutter, die tief in Depressionen versunken ist; Der Rathbauer, der so gerne eine Frau wäre; die Liesl, die auffällig anders gebaut ist und mit ihrem Selbstbewusstsein die Frauen gegen sich aufbringt. Hier werden körperliche und psychische Auffälligkeiten beobachtet, bewertet und immer verurteilt. Vorurteile werden geschürt und wenn einer nicht mehr kann, dann wird weggeschaut .
Ein großartiges Romandebüt von Anna Herzig über menschliche Abgründe und Intoleranz in einer Dorfgemeinschaft, aber auch über das Anders-sein außerhalb der traditionellen gesellschaftlichen Normen.
Jeder Satz sitzt, beschreibt eindringlich, beobachtet die verschiedenen Personen. Selbst die wörtliche Rede, die hier als Strichaufzählung erscheint, ist auf das notwendige reduziert und trotzdem sehr intensiv. Ungewöhnlich die Überschriften der Kapitel, die aus dem Anfang der jeweils ersten Sätze bestehen.
Ein Buch, das mich extrem überrascht hat. Nach der Enttäuschung über die Kürze kommt das Aha-Erlebnis der Intensität und Vielschichtigkeit, die Faszination über die Umsetzung des Themas und den Schreibstil. Man möchte es gleich noch einmal lesen dieses Bändchen, um auch ja nichts von einem Satz verpasst zu haben.
Eine unbedingte Leseempfehlung für alle, die außergewöhnliche Bücher zu schätzen wissen.

Bewertung vom 10.02.2022
Thirteen / Eddie Flynn Bd.4
Cavanagh, Steve

Thirteen / Eddie Flynn Bd.4


ausgezeichnet

Eddie Flynn, Strafverteidiger mit krimineller Vergangenheit, wird als Anwalt zu einem spektakulären Mordprozess hinzugezogen: der prominente Hollywood-Schauspieler Bobby Solomon soll seine ebenfalls berühmte Ehefrau und ihren Liebhaber ermordet haben. Alle Indizien sprechen gegen ihn, die Verteidigung erscheint hoffnungslos. Denn der Serien-Mörder Joshua Kane steckt hinter dieser Tat und hat seine perfide Freude daran, als Geschworener im Prozess gegen Solomon alle Beteiligten zu manipulieren.
Obwohl man als Leser von Anfang an weiß, dass Kane hinter der Tat steckt und Solomon unschuldig ist, bleibt dieser Thriller bis zur letzten Seite hoch spannend. Das liegt unter anderem daran, dass Steve Cavanagh diese Geschichte im Perspektivwechsel zwischen Flynn und Solomon erzählt. So bekommt man Einblicke in die Denkweise sowohl des Strafverteidigers, als auch des Mörders. Außerdem bewirken die Cliffhanger am Ende vieler Kapitel einen regelrechten Sog der verhindert, dass man dieses Buch aus der Hand legt. Zudem schafft es der Autor immer wieder, die Leser mit unvorhergesehene Wendungen zu verblüffen.
Eddie Flynn ist ein sehr interessanter und sympathischer Charakter, vielleicht gerade wegen seiner fehlenden Perfektion. Seine Probleme mit Alkohol und seine Zerrissenheit in Bezug auf seine Pflichten als Anwalt und seiner Familie gegenüber machen ihn zutiefst menschlich. Aber auch das Böse in der Person von Joshua Kane ist gut dargestellt.
Ein super spannender Justizthriller, von der ersten bis zur letzten Seite ist hier für Freunde dieses Genres gute Unterhaltung vorprogrammiert.

Bewertung vom 10.02.2022
Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1
Schoch, Julia

Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1


gut

Das unerwartete Zusammentreffen mit ihrer Halbschwester, von deren Existenz sie nichts gewußt hat, läutet eine Wende in ihrem Leben ein: die Ich-Erzählerin beginnt, sich neu mit ihrem Leben auseinanderzusetzen. Dabei reflektiert sie über ihre Kindheit in der DDR genauso wie über die Beziehung zu ihren Eltern, ihrem Mann, den Kindern und der Schwester.
Julia Schoch beschreibt das Vorkommnis, das Zusammentreffen mit der unbekannten Halbschwester, fast nebensächlich, eher unspektakulär. Doch es entpuppt sich als Auslöser für viele Emotionen rund um das Thema Familie. Ohne eine Handlungsabfolge springt die Ich-Erzählerin in kurzen Kapiteln in ihren Gedanken zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her. Das macht dieses Buch zum einen interessant, ist aber auch anspruchsvoll zu lesen. Zudem benutzt sie für die beschriebenen Personen keine Namen, hier ist lediglich die Rede von der Schwester, der Mutter, dem Mann, dem älteren Kind, etc. Das hat es für mich schwierig gemacht, eine persönliche Beziehung zu den Personen aufzubauen, sie bleiben - genauso wie die Ich-Erzählerin - eher abstrakt und distanziert. So kann ich auch die emotionale Achterbahnfahrt der Protagonistin nicht immer nachvollziehen oder verstehen.
Gut gefallen mir die vielen Literaturvergleiche, die Julia Schoch in ihrem ersten Teil der Trilogie "Biographie einer Frau" zieht.
Ein ungewöhnlicher Familienroman, anspruchsvoll zu lesen und sehr interessant für Literaturliebhaber.

Bewertung vom 27.01.2022
606
Fox, Candice

606


sehr gut

Ein genial geplanter Gefängnisausbruch verschafft 606 Gefangenen die Flucht in die Freiheit, darunter auch den Schwerverbrechern aus dem Todestrakt. Einer von ihnen ist John Kradle, der die Gelegenheit nutzen möchte, um seine Unschuld zu beweisen. Ihm auf den Fersen ist Celine Osbourne, die Kradle von ganzem Herzen hasst und ihn um jeden Preis wieder einfangen möchte.
Ein spannender Thriller von Candice Fox, die gerne über zu Unrecht beschuldigte Typen schreibt. Die Idee mit dem Gefängnisausbruch ist genial, die verschiedenen Verbrechen würden jeder für sich Material für eine eigene Geschichte geben. Zum Glück beschränkt sie sich auf zwei Haupt-Erzählstränge und reißt andere nur an, ansonsten würde das den Rahmen eines Buches sprengen. Ihr Schreibstil ist einfach, bei ihren Charakteren setzt sie auf Brutalität und Härte. Für meinen Geschmack werden dabei manche Personen ein bisschen zu übertrieben gezeichnet, unter anderem Celine Osbourne.
Aber ein spannendes und rasantes Buch, auf jeden Fall gute Unterhaltung für Freunde von harten Thrillern.

Bewertung vom 24.01.2022
Ende in Sicht
von Rönne, Ronja

Ende in Sicht


sehr gut

Zwei Menschen treffen sich zufällig auf dem freiwilligen Weg an ihr Lebensende: Juli ist ein unglücklicher und einsamer Teenager, die ihrem Leben mit einem Sprung von der Brücke ein Ende machen möchte und dabei vor dem Auto von Hella landet. Diese ist selber auf ihrer letzten Fahrt zu Dignitas in der Schweiz unterwegs, um mit Anfang 70 ihr Leben als abgehalfterter Schlagerstar zu beenden. Notgedrungen gehe die zwei unterschiedlichen Frauen auf eine gemeinsame Reise und kommen sich dabei unfreiwillig näher.

Ronja von Rönne liest ihren eigenen Text mit angenehmer Stimme. Und sie zeichnet dabei das Bild von zwei unglücklichen Menschen, die jeder auf seine Weise zutiefst einsam sind. Man leidet als Leser*in mit der jungen Juli genauso wie mit der älteren Hella, begleitet ihre holprige Autofahrt quer durch Deutschland. Die Autorin schafft es, dieses traurige Thema tatsächlich mit einer gehörigen Portion Humor in eine kurzweilige Geschichte zu verpacken, so dass man sich zum Schluß als Hörer nicht etwa deprimiert, sondern gut unterhalten fühlt.

Ein Hörbuch, das jüngere und ältere Menschen gleichzeitig anspricht und trotz des ernsten Themas gut unterhält.

Bewertung vom 24.01.2022
Erschütterung
Everett, Percival

Erschütterung


sehr gut

Zach Wells ist Paläontologe, unterrichtet an der Universität und hält sich ansonsten gerne aus allem heraus. Auch aus seiner Ehe mit Meg, in der sich beide eher eingerichtet haben als dass sie einander besonders zugetan wären. Nur zu seiner 12jährigen Tochter Sarah hat er eine intensive und tiefe Verbindung, mit ihr spielt er Schach und erkundet die Umgebung. Doch als bei Sarah eine schreckliche Diagnose gestellt wird ist Zach zutiefst erschüttert und versucht einen Weg zu finden, um mit dem Unausweichlichen fertig zu werden.

Die Geschichte ist aus der Sicht von Zach geschrieben, mit ihm leidet und hadert der Leser. Dadurch kommen die Gefühle von Meg und Sarah relativ kurz, was aber auch gut ist: mehr Erschütterung könnte man als Leser auch nicht vertragen. Und so beschreibt Percival Everett Zachs Gefühle fast kühl, manchmal ironisch, jedoch nie rührselig. Dabei kommt der Protagonist nicht immer sympathisch rüber, sein Umgang mit Meg und den Kollegen zeigen ihn nicht unbedingt als netten Kerl. Dass der sonst völlig unpolitische Zach plötzlich eine Reise nach New Mexico auf sich nimmt, um einem Hilferuf auf einem Zettel zu folgen, ist absolut untypisch für ihn und der Flucht vor der eigenen Verzweiflung geschuldet. Und dieser zweite Erzählstrang, der sich mit völlig anderen Themen wie Rassismus und Sklaverei auseinandersetzt, liest sich als Gegenpol zur Gefühlswelt eines erschütterten Vaters richtig spannend und abenteuerlich.

Kein leichtes Lesevergnügen aber ein tolles Buch. Der Grund für den einen Stern Abzug ist, dass der zweite Erzählstrang um New Mexico mir zum Ende hin ein wenig zu dramatisch und vor allem zu abrupt geendet hat.
Ein tolles und ungewöhnliches Buch mit interessanten Themen für Leser, die nicht nur leichte Lektüre zu schätzen wissen.

Bewertung vom 12.01.2022
Im Auge des Zebras / Olivia Holzmann Bd.1
Kliesch, Vincent

Im Auge des Zebras / Olivia Holzmann Bd.1


sehr gut

Vincent Kliesch ist hier ein spannender Serienauftakt mit der Ermittlern Olivia Holzmann gelungen, die aus dem Schatten ihres ehemaligen Kollegen Boesherz getreten ist.
Es ist schon ein rätselhafter Fall, der Olivia Holzmann beschäftigt und sie zwingt, ihren pensionierten Kollegen Boesherz mit in die Ermittlungen einzubinden. Man verzweifelt als Leser zusammen mit der jungen Frau an diesem unmöglich erscheinenden Fall. Die Charaktere sind interessant und authentisch, meine Sympathie liegt hier mehr bei Olivia Holzmann als bei Severin Boesherz, der sich nicht vor ihren Karren spannen lassen will.
Die kurzen Kapitel sind überwiegend personenbezogen, das macht diesen Thriller vielschichtig und damit abwechslungsreich. Außerdem gibt es einige Cliffhanger, so dass man dieses Buch als Leser nicht leicht aus der Hand legen kann.
Titel und Cover passen hervorragend zum Inhalt, sie erschließen sich im Laufe der Geschichte. Den 5. Stern habe ich nur deshalb nicht gegeben, weil mir ein bisschen die sprachliche Herausforderung gefehlt hat.
Eine unbedingte Leseempfehlung für Freunde von spannenden Thrillern mit ungewöhnlichen Charakteren und hohem Unterhaltungswert.

Bewertung vom 12.01.2022
Zum Paradies
Yanagihara, Hanya

Zum Paradies


sehr gut

Es sind gleich drei Geschichten, die Hanya Yanagihara in ihrem Buch erzählt. Buch I spielt am Washington Square in New York 1893, doch ist es kein Rückblick in die Geschichte sondern eine völlig veränderte Vergangenheit. In dieser Welt verliebt sich ein wohlhabender junger Mann in einen unbedeutenden Musiklehrer mit zweifelhaftem Ruf und muß sich entscheiden, ob er die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen oder sich in eine unbekannte Zukunft stürzen möchte.
Buch II handelt von einem jungen Hawaiianer, der 1993 inmitten der AIDS-Epidemie eine Beziehung zu einem deutlich älteren Mann in New York hat. Diesem gegenüber verleugnet er seine Vergangenheit und die Geschichte seines Vaters, die ihn stark geprägt und verändert hat.
Buch III beschreibt eine Zukunftsvision, in der 2093 New York von verschiedenen Seuchen heimgesucht wurde und die Menschen von einem totalitären Staat überwacht werden. Hier versucht eine junge Frau ihren Weg zu finden zwischen Anpassung und Auflehnung.
In ihrem wunderbarem Schreibstil erzählt die Autorin in drei völlig unterschiedlichen Szenarien von jungen Menschen, die anders sind als ihre Geschwister, versehrt sind, keine Freunde haben. Allen gemeinsam ist auch ihre Suche nach Glück, nach Anerkennung und Liebe und die Auseinandersetzung mit der Familie und der Vergangenheit. Dabei sind Gefühle wie Angst, Versagensängste und Scham allgegenwärtig. Doch auch die Liebe gerade zu diesem Menschen, vor allem von Seiten eines Großelternteils, ist in allen drei Geschichten ein großes Thema.
Ein ungemein eindrucksvoller Roman, weil er so ungewöhnlich ist und intensiv vor allem tiefe Emotionen beschreibt. Gut gefällt mir auch der Bezug zu Hawaii und damit zu den Wurzeln der Autorin.
Der Grund, warum ich nur 4 und keine 5 Sterne gegeben habe ist, weil mich die Verwendung der gleichen Namen in allen drei Geschichten doch immer wieder etwas verwirrt hat, obwohl ich die Intention dahinter verstehen kann. Keine leichte Lektüre aber unbedingt empfehlenswert für Freunde von ausgefallener Literatur und dicken Büchern.