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Leseratte
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Frankfurt

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Insgesamt 132 Bewertungen
Bewertung vom 24.02.2022
Wie Sheltie zu uns kam / Sheltie Bd.1
Clover, Peter

Wie Sheltie zu uns kam / Sheltie Bd.1


ausgezeichnet

Das hübsche, freundlich wirkende Cover hat sofort meine Aufmerksamkeit geweckt. Das Buch macht insgesamt einen sehr wertigen Eindruck. Festes Papier, niedliche Illustrationen, liebevolle Details und ein angenehm aufgelockertes Schriftbild machen das Buch auch zu einem sinnlichen Vergnügen.
Emma, die Hauptperson zieht mit ihren Eltern aufs Land, was sie zuerst total doof findet. Aber als ein Pony auftaucht, wendet sich das Blatt. Ein kleines Abenteuer, das sie zusammen mit ihrem Pony Sheltie besteht, beginnt.
Die Geschichte eignet sich sehr gut zum Vorlesen und schon ältere Kindergarten- oder Vorschulkinder werden ihren Spaß dabei haben. Fortgeschrittene Erstleser werden auch gut damit zurecht kommen. Die Sprache wirkt vollkommen natürlich, kindgerecht, ohne kindisch zu sein.
Das Buch umfasst 96 Seiten, ist aber in 10 Kapitel aufgeteilt, sodass die Aufmerksamkeitsspanne der Kinder nie überfordert wird. Obwohl jedes Kapitel auch für sich zu lesen ist, zieht sich doch ein roter Faden durchs Buch: Auf wessen Konto gehen die verschwundenen Salatköpfe? Ist etwa Sheltie der Schuldige? Man darf mitfiebern, wie sich alles aufklärt.
Fazit: Das Buch gefällt durch eine schöne Gestaltung, eine für Kinder spannende Handlung und sympathische Charaktere. Eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 06.02.2022
Unser wirkliches Leben
Crimp, Imogen

Unser wirkliches Leben


sehr gut

Die angehende Opernsängerin Anna lebt in materiell prekären Verhältnissen und muss sich ihr Leben als Sängerin in einer Bar finanzieren. Dabei lernt sie den undurchschaubaren Banker Max kennen. Er ist wesentlich älter als sie, reich und bietet Anna ein luxuriöses Leben. Anna ist auf unerklärliche Weise von Max angezogen und eine toxische Beziehung beginnt, in der Anna immer abhängiger von Max wird, der sie durch seine zunehmend manipulative Art immer mehr verunsichert.
Der Schreibstil ist flott und modern und so lässt sich das Buch in einem Rutsch durchlesen. Die bei den Dialogen fehlenden Anführungszeichen irritieren zuerst, mit der Zeit gewöhnt man sich aber daran. Die Figuren fand ich etwas klischeehaft gestaltet. Anna ist das nette Mädchen, das gefallen möchte - im Original lautet der Buchtitel "A very nice girl", was es sehr gut trifft. Max ist attraktiv, geheimnisvoll, reich und lädt Anna in teure Restaurants an - Pech nur, dass er ein echter Fiesling ist, der Anna auf Abstand hält und keine Gelegenheit auslässt, sie zu demütigen.
Der Autorin gelingt es sehr gut, die Mechanismen, die eine toxische Beziehung auszeichnen, offenzulegen. Mit gutem psychologischem Einfühlungsvermögen behandelt sie Themen wie Abhängigkeit, Liebe, Dominanz und Emanzipation und seziert scharfsichtig und unerbittlich die Beziehung zwischen Mann und Frau in einer patriarchalischen Gesellschaft. Wenn das nicht schon allein lesenswert wäre: Der Blick hinter die Kulissen des Opernbetriebs ist es allemal. Die Herangehensweise an eine Rolle, die Konkurrenz unter den Kolleg*innen sowie der tägliche Überlebenskampf des Großteils der Sänger*innen - das alles war für mich sehr interessant. Die Autorin hat Operngesang studiert und weiß, wovon sie schreibt - ich habe das starke Gefühl, dass das auch auf ihre Schilderung der toxischen Männlichkeit zutrifft.
Ein klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 05.02.2022
So reich wie der König
Assor, Abigail

So reich wie der König


ausgezeichnet

Sarah und ihre Mutter Monique sind das, was man im Amerikanischen „white trash“ nennen würde. Sie leben in einem Slum vor den Toren Casablancas, wo sie gestrandet sind, nachdem Monique von ihrem Geliebten um ihr Geld betrogen wurde. Als Französin besucht Sarah kostenlos das französische Gymnasium, das ansonsten nur von den Kindern der marokkanischen Oberschicht frequentiert wird. Jeden Tag ist sie konfrontiert mit dem Luxus und dem Überfluss, in dem diese Jugendlichen mit ihren teuren Klamotten, ihren Chauffeuren, Luxusautos, Villen und Hausangestellten leben. Sarah will unbedingt an diesem Leben teilhaben – der einzige Weg aus ihrem materiellen Elend ist die Heirat mit einem reichen Erben. Da spielt es keine Rolle, dass der Fabrikantensohn Driss unattraktiv und schüchtern ist – Hauptsache, er ist „so reich wie der König“. Sarah setzt alles daran, ihren Plan zu verwirklichen.
Kann das gutgehen in einer Gesellschaft, in der jegliches Auflehnen gegen Klassenschranken, die Familie, die Männer, den König und die Religion strengstens sanktioniert wird?
Das Buch „So reich wie der König“ ist der Debutroman der marokkanischen, in Casablanca geborenen Autorin Abigail Assor. Nach seinem Erscheinen erhielt er begeisterte Kritiken in Frankreich – und das ganz zu Recht, möchte ich sagen.
Sarah ist ein facettenreicher Charakter, der für seine 16 Jahre schon erstaunlich reif ist. Kein Wunder, denn familiäre Unterstützung hat Sarah nie erfahren, sodass sie ganz auf sich allein gestellt ist. Sie weiß, dass ihr einziges Kapital ihre Jugend und Schönheit sind und damit geizt sie nicht. So kann sie schon auf zahlreiche Männerbekanntschaften zurückblicken und verbringt ihre Tage mit Kiffen, Rumhängen in Cafés und Diskotheken mit ihrer Clique, jungen Nichtsnutzen, die das Geld ihrer Väter verprassen. So unsympathisch sie auf den ersten Blick wirkt – tatsächlich tut Sarah mir unendlich leid. Sie gehört nirgendwo dazu – weder zu ihren gut situierten Landsleuten noch zu ihren so genannten „Freunden“ aus der marokkanischen Oberschicht. Ihr unbändiger Wille, ihrem Elend zu entfliehen, und ihre Loyalität zu Driss nötigen mir Respekt ab.
Spannung erhält der Roman durch die Beschreibung der Beziehung, die sich zwischen ihr und Driss entwickelt. Auch Driss ist ein Außenseiter, absolut kein Traummann, aber immerhin reich, was für Sarah das Wichtigste überhaupt ist – für ein Mädchen aus ihrem Milieu ist diese Art zu denken durchaus verständlich, finde ich. Es ist sehr schön zu beobachten, wie die beiden Außenseiter sich finden, und man hofft und fiebert mit Sarah, dass sich ihre Träume erfüllen mögen. Und wenn die Autorin es schafft, dass man mit ihren Figuren mitleidet, hat sie ihre Sache gut gemacht!
Auch die anderen Charaktere wirken authentisch, die Lebensverhältnisse eindrücklich. Die Autorin schreibt in einem originellen, ungeschönten Stil, der sehr gut die geschilderten Verhältnisse illustriert. Hier stellt sich das „wirkliche“ Marokko, fern aller Exotik und 1001-Nacht-Kitsch dar. Der krasse Gegensatz zwischen Arm und Reich, das Elend der Slums gegenüber dem unermesslichen Reichtum der Villenviertel, das sinnentleerte, durch Amüsement und Reichtum geprägte Leben der marokkanischen „jeunesse dorée“ gegenüber der Aussichtslosigkeit der Slumbewohner, die Berechnung und der Materialismus, der die zwischenmenschlichen Beziehungen dominiert – all das wird eindrucksvoll und nachvollziehbar geschildert. Und inmitten all dessen die zart aufkeimende Beziehung zwischen zwei jungen Menschen, die mit der Zeit vielleicht so etwas wie Liebe füreinander empfinden.
Fazit: Ein wichtiges Buch, das mich mit seinem offenen Ende tief betroffen gemacht hat. Ich empfehle dieses Buch jedem, der Marokko aus einem anderen Blickwinkel kennenlernen möchte und ein intensives Leseerlebnis sucht. Ich freue mich auf weitere Werke dieser jungen, begabten Autorin.

Bewertung vom 31.01.2022
Dschinns
Aydemir, Fatma

Dschinns


ausgezeichnet

Hüseyin kommt als junger Mann aus seinem kurdischen Dorf nach Deutschland, um hier zu arbeiten und sich seinen Traum einer Eigentumswohnung in Istanbul zu erfüllen. Er gründet eine Familie, lebt ein von Arbeit und Entbehrungen geprägtes Leben in Deutschland, ohne - ebenso wie seine Frau Emine - hier jemals wirklich heimisch zu werden. Ganz anders als seine vier Kinder, die in Deutschland aufgewachsen sind und alle ihren eigenen Lebensweg mehr oder weniger erfolgreich gehen. Kurz nach dem Einzug in die neue Wohnung stirbt Hüseyin und die Familie kommt anlässlich der Beerdigung zusammen.
Hier setzt nun der Roman ein. Jedem Familienmitglied, einschließlich dem verstorbenen Hüseyin, ist ein Kapitel gewidmet. Da ist der fleißige Hüseyin und seine tief im Inneren verletzte Frau Emine, der sensible Ümit, die rebellische Peri, die tüchtige Sevda und der problematische Hakan. Jede*r trägt seine Probleme, Verletzungen und Sorgen mit sich, jeder ist irgendwie beschädigt, auch durch die Ansprüche und Forderungen, die direkt oder indirekt von der Familie an ihn / sie gestellt werden. Das Buch endet mit einem unerwarteten Knalleffekt, der mich verstört, traurig und gleichzeitig ein wenig hoffnungsvoll zurückgelassen hat.
Dieses Buch hat mich unglaublich berührt. Die Autorin schafft es, authentische Menschen aus Fleisch und Blut erstehen zu lassen, jeder der sechs Charaktere bekommt eine eigene, typische, überzeugende Stimme. In seiner Gesamtheit ergibt das ein facettenreiches, vielschichtiges, aus vielerlei Themen gewobenes Bild: das Problem der Fremdheit im eigenen (und fremden) Land, die Unterdrückung der Frau, Diskriminierung und last not least die Frage, inwieweit man in einem von strengen Regeln geprägten patriarchalischen System seine eigene Identität bewahren und leben kann.
Das Buch hat mich auf allen Ebenen restlos überzeugt und begeistert. Eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 24.01.2022
Der letzte Sommer in der Stadt
Calligarich, Gianfranco

Der letzte Sommer in der Stadt


sehr gut

Hauptfigur dieses Romans ist der junge Leo Gazzarra. Er kommt aus Mailand nach Rom, zieht in die Wohnung von Freunden, kauft sich ein Auto, findet einen mehr als anspruchslosen Job beim Corriere dello Sport und lernt die verführerische Arianna kennen. Seine Zeit verbringt er in den Bars und mit seinen Bohème-Freunden, es gibt reichlich Alkohol und viele pseudo-intellektuelle Gespräche. Wenn das Geld knapp wird, ist das kein Grund zur Sorge oder Ansporn zur Arbeit, denn es findet sich immer mal wieder jemand, der ihn aushält oder einlädt.
Man könnte Leo für einen Lebenskünstler – wenn da nicht dieser melancholische Ton mitschwingen würde. Leo hat kein Ziel im Leben, er treibt so dahin und die ständige Unrast und das permanente Unterwegs-Sein überdecken nur eine große innere Leere und eine Verzweiflung, die in einem überraschenden und schockierenden Ende kulminiert.
Dem Autor gelingt es recht gut, das Stimmungsbild einer Generation zu zeichnen, die im Wohlstand aufgewachsen ist und die zu verwöhnt, träge und antriebsarm ist, um für irgendetwas zu „brennen“. Die Zeit, die Lebenseinstellung und auch der Hintergrund der Figuren sind mir ziemlich fremd und deshalb konnte ich mich auch nicht wirklich mit irgendeiner Figur identifizieren. Trotzdem habe ich den Roman mit Interesse gelesen. Dem Autor gelingen sprachlich schöne, eindrucksvolle Bilder Beschreibungen, die ich oft mehrmals gelesen habe, um ihre Tiefe auszuschöpfen und um den Bildern, die er entwirft, nachzuspüren.
Aus diesem Grund: Eine klare Empfehlung für Leser*innen, die eine schöne, elegante Sprache mögen und zwischen den Zeilen zu lesen verstehen!

Bewertung vom 07.11.2021
Berauscht vom Leben
Libaire, Jardine;Ward, Amanda Eyre

Berauscht vom Leben


gut

Das Cover finde ich etwas einfallslos und nicht besonders ansprechend. In der Buchhandlung hätte ich sicher nicht danach gegriffen.
Aber: Man soll ja nichts nach dem Äußeren beurteilen und so habe ich mich auf das Buch eingelassen. Die Idee hinter dem Ganzen erschließt sich mir nicht so ganz.
Die Autorinnen berichten aus ihrem Leben und von ihren Erlebnissen mit Alkohol, die durchaus als Exzesse bezeichnet werden können. Irgendwann entschließen sich beide, alkoholfrei zu leben und sich allein vom Leben berauschen zu lassen.
Das Buch besteht aus zwölf Kapitel, die jeweils aus kurzen, teilweise nur zwei, drei Seiten umfassenden, unzusammenhängenden Unterkapiteln bestehen. Der Schreibstil ist sehr einfach, die angesprochenen Themen auch. Die Autorinnen geben Tipps, wie man aus ihrer Sicht auch ohne Alkohol ein schönes, spannendes und genussvolles Leben führen kann. Tipps für alkoholfreie Getränke, Badezusätze und Rezepte runden das Buch ab.
Mich persönlich hat dieser Mix aus Lebenshilfe, Erfahrungsbericht und Kreativ-Ratgeber nicht überzeugt. Wer Probleme mit Alkohol hat, findet in diesem Buch sicher keine Ansätze zur Lösung. Und warum sich ein gelegentliches Glas Wein und die in dem Buch angeführten Tipps zu mehr Genuss und Lebensfreude ausschließen sollen, erschließt sich mir nicht wirklich. Immerhin - einige dieser Tipps, die auf mehr Achtsamkeit mit sich selbst zielen, finde ich durchaus umsetzbar und interessant.
Deshalb gebe ich gute drei Punkte!

Bewertung vom 02.11.2021
Die unhöfliche Tote / Die Fälle Ihrer Majestät Bd.2
Bennett, S J

Die unhöfliche Tote / Die Fälle Ihrer Majestät Bd.2


ausgezeichnet

Eine charmante Idee, ein hübsches Cover, eine Prise englischer Humor, interessante Charaktere und ein angenehmer, spannender Schreibstil – „Die unhöfliche Tote“ ist ein Buch ganz nach meinem Geschmack!
Im Buckingham Palace geht es drunter und drüber. Eine Angestellte des Palasts wird tot im Swimmingpool entdeckt, es geht weiterhin um ein verschwunden geglaubtes Gemälde und Drohbriefe. Die Queen kann das alles natürlich nicht einfach so hinnehmen und setzt Rozie, ihre sympathische Privatsekretärin auf den Fall an. Im Verlauf der Handlung kommt es zu weiteren schockierenden Ereignissen.
Die Queen als Ermittlerin im Hintergrund, die klug und geschickt die Strippen und ihre Schlüsse zieht – „Die unhöfliche Tote“ ist ein Lesevergnügen erster Klasse. Die Personen werden respektvoll und voller Sympathie gezeichnet. Auch aktuelle Ereignisse wie der Brexit und die Wahl in den USA finden Eingang in die Geschichte.
Mein Fazit: Das Buch punktet durch eine unterhaltsame, dabei niemals platte Handlung, ein interessantes Setting und liebenswerte Charaktere. Ein weiterer Reiz ist die Spannung, die daraus resultiert, dass die Hauptpersonen prominente Figuren des öffentlichen Lebens sind, die wohl jede*r kennt oder zu kennen glaubt. Die Queen als pfiffige Ermittlerin – das ist eine Facette, die mir jedoch neu ist.

Bewertung vom 05.10.2021
Ein Buch, vier Jahreszeiten
Funk, Kristin

Ein Buch, vier Jahreszeiten


gut

Der Verlag ars edition hat viele schöne Bücher in seinem Programm und auch das vorliegende Werk gefällt durch seine hochwertige Gestaltung. Schon der Leinen-ähnliche Einband macht einen guten Eindruck, auf dem stabilen, festen Papier kommen die schönen Fotos besonders gut zur Geltung. Allerdings fühlt sich das Papier für mich etwas komisch an – es wirkt beschichtet, fast gummiartig.
Die einzelnen Kapitel sind alle nach demselben Prinzip aufgebaut: Zuerst folgt ein einstimmender Text, dann eine „Schöne Dinge-Liste“, ein Gedicht, zahlreiche DIY-Tipps, Rezepte und Ähnliches. Ergänzt wird das Ganze durch Sinnsprüche, kurze Geschichten und Zitate.
Ganz schön zum Durchblättern, aber für mich ist nichts wirklich Inspirierendes oder Neues dabei. Tatsächlich ist es kein Buch, mit dem ich den ohnehin knappen Platz in meinem Bücherregal füllen möchte. Den Vögeln lauschen, eine Fahrradtour unternehmen oder einen Zitronenkuchen backen – keine besonders originellen Tipps für den Frühling und Tee trinke ich das ganze Jahr hindurch und nicht bloß im Herbst. Sowieso sind die Rezepte sehr simpel gehalten – da kenne ich bessere Rezepte für Marmelade oder Schokokuchen! Auch die DIY-Tipps - beispielsweise selbstgemachten Badreiniger und Lavendelwaschmittel - finde ich doof.
Insgesamt ist das Buch für mich eine Enttäuschung und ich denke, dass man da viel mehr hätte rausholen können. Sowohl qualitativ als auch quantitativ. Drei Punkte gebe ich für die schönen Fotos und den hochwertigen Eindruck – der sich aber leider beim näheren Hinsehen nicht bestätigt hat.

Bewertung vom 04.10.2021
Wut und Böse
Hoeder, Ciani-Sophia

Wut und Böse


gut

Die Autorin beschäftigt sich in ihrem Buch mit der – allzu oft – unterdrückten Wut von Frauen. Basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, eigenen Erfahrungen oder Berichten aus ihrem Bekanntenkreis beschreibt wie, dass viele Frauen die Fähigkeit verloren haben, Wut zu empfinden, weil ihnen dies von klein auf abtrainiert worden ist. Sie stellt fest, wie unterschiedlich Wut bei Männern und Frauen wahrgenommen wird – Männer wirkten kompetent, Frauen dagegen hysterisch. Sie ruft Frauen dazu auf, zu ihrer Wut zu stehen und sie anzunehmen, weil sich die Unterdrückung von Gefühlen negativ auf die Psyche auswirkt. Nur indem wir uns unserer Wut bewusst werden, können wir Veränderungen in Gang setzen.
Die Autorin schafft es, ihr Anliegen und die Thematik sowohl unterhaltsam als auch wissenschaftlich fundiert zu vermitteln und so habe ich das Buch sehr gern und in einem Rutsch gelesen. Ich stimme der Autorin darin zu, dass es wichtig ist, Kinder und ihre Gefühle ernst zu nehmen. Das bedeutet natürlich auch, dass man kleinen Mädchen erlaubt, ihre Wut auszudrücken. Soweit, so gut. Allerdings sollte man ihnen auch Wege und Möglichkeiten an die Hand geben, mit ihrer Wut konstruktiv umzugehen.
Ich bin nach wie vor nicht davon überzeugt, allein durch Wut etwas erreichen zu können. Im Gegenteil: Ich empfinde Wut als zerstörerisch. Wer wütend ist, wird von seinen Gefühlen derart überwältigt, reagiert allzu oft übereilt und unvernünftig. Wenn wir nicht wissen, wie wir diese Wut kanalisieren sollen, neigen wir dazu, uns selbst oder andere zu verletzen - physisch oder auch psychisch. Das ist keine gute Basis, um im persönlichen Umfeld oder im politischen Rahmen Veränderungen zu erzielen – und genau das möchte die Autorin doch für uns Frauen erreichen.

Bewertung vom 18.09.2021
Der Gesang der Berge
Que Mai, Nguyen, Phan

Der Gesang der Berge


sehr gut

Das wunderschön gestaltete Cover und der poetische Titel lassen nicht erahnen, dass es sich bei diesem Buch um eine zutiefst tragische Geschichte handelt. Die Autorin erzählt die Geschichte einer / ihrer Familie vor dem Hintergrund des Indochina- und des Vietnamkriegs.
Die Geschichte spielt demzufolge auf zwei Zeitebenen. Die erste umfasst die Jahre 1930 - 1965, Erzählerin ist die 1920 geborene Diệu Lan. Die zweite Ebene spielt in den Jahren 1972 - 1979, das Geschehen wird von ihrer Enkelin, der 1960 geborenen Hương erzählt. Beide berichten aus ihrer Perspektive von den Schrecken des Krieges, vom verschollenen Vater, von der Teilung des Landes, der abwesenden Mutter, von fremder Besatzung, vom Zerbrechen der Familie, von Vertreibung und unsäglichem Leid. Der / die Leser*in erfährt aber auch von der Stärke der Frauen und am Ende kann er zusammen mit dem geschundenen Volk wieder halbwegs hoffnungsvoll in die Zukunft schauen.
Die Autorin berichtet bildgewaltig, eindringlich und schonungslos über ein Land, von dessen Geschichte und Traditionen ich bislang nicht allzuviel wusste. Allein aus diesem Grund war das Buch sehr interessant für mich. Die Figuren fand ich ziemlich schematisch gezeichnet - auf der einen Seite die Guten, auf der anderen Seite die Bösen. Aber das ist vielleicht der Tatsache geschuldet, dass das Geschehen aus der Perspektive der Opfer geschildert wird.
Der Schreibstil ist unkompliziert und auch für den / die westliche Leser*in angenehm und spannend, was vielleicht auch daran liegt, dass die Autorin das Buch auf Englisch geschrieben hat.
Was mir an dem Buch gut gefallen hat, ist seltsamerweise auch gleich ein Kritikpunkt: Das Ende stimmt allzu hoffnungsfroh, allzu optimistisch, allzu versöhnlich. So fand ich das Buch vor allem gegen Ende ziemlich klischeehaft. Das tut dem überaus positiven Gesamteindruck aber nur geringen Abbruch.