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carola1475

Bewertungen

Insgesamt 174 Bewertungen
Bewertung vom 26.06.2022
Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu. / Emer Murphy Bd.1
Getz, Kristine

Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu. / Emer Murphy Bd.1


ausgezeichnet

Ein überzeugendes Debüt - spannend, überraschend und aktuell

Kurz nachdem die berühmte Influencerin Lotte Wiig ein Bild ihrer zweijährigen Tochter Poppy vor dem Haus der Großeltern gepostet hat, verschwindet das Kind. Die Entführung erschüttert ganz Norwegen, jeder kennt Poppy und viele Millionen folgen dem Blog, in dem das Leben von Mutter und Kind, durch den Vater inszeniert, in der Öffentlichkeit stattfindet. Poppys Vermarktung sichert den Lebensunterhalt der Familie.
Kommissarin Emer Murphy, gerade nach 6 Wochen in der Psychiatrie wieder zu Hause und krankgeschrieben, setzt eigenmächtig die verschriebenen Psychopharmaka ab und bringt sich in die Ermittlungen ein, der Fall berührt sie im Innersten.

Von Anfang an herrscht eine unterschwellige Spannung, es gibt Geheimnisse in Lottes Vergangenheit, die zuerst nur angedeutet werden, erst später wird eine erschütternde Wahrheit offenbar. Auch die polizeilichen Ermittlungen verlaufen spannend, Emer arbeitet sehr intuitiv, vertieft sich völlig in den Fall und bringt sich dadurch mehr als einmal an den Rand des Zusammenbruchs, von den nicht eingenommenen Medikamenten ganz abgesehen. Sie ist für mich die faszinierendste Figur des Buchs.

Alle Protagonisten sind interessante Charaktere und werden authentisch und glaubwürdig beschrieben, das Verhältnis von polizeilichen Ermittlungen und privaten Hintergründen ist ausgewogen. Perspektivwechsel und viele Wendungen der Geschichte halten den Spannungsbogen durchgehend hoch, passend eingestreute Twittermeldungen und Forenbeiträge fügen weitere Perspektiven bei.

Das Cover ist außergewöhnlich und erst auf den zweiten Blick ist das Genre zu erkennen, das finde ich sehr gut gemacht. Kristine Getz' Schreibstil ist klar und einfach, aber auch lebendig und bildhaft und sehr angenehm zu lesen. Mit „Poppy“ ist ihr ein überzeugender Debütroman gelungen.

Neben Social Media spielen auch andere aktuelle Themen wie Pädophilie eine Rolle. Der Thriller bietet nicht nur gute Unterhaltung, sondern vermittelt auch Denkanstöße. Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich kann es jedem Leser von Spannungsliteratur mit aktuellem gesellschaftlichem Bezug empfehlen.

Bewertung vom 26.06.2022
Der Unbekannte / Milla Nova ermittelt Bd.4
Brand, Christine

Der Unbekannte / Milla Nova ermittelt Bd.4


sehr gut

Spannende Reise in die Vergangenheit

Nathaniel, seit dem 11. Lebensjahr erblindet, beschließt, sich seiner traumatischen Vergangenheit zu stellen. Er hat keine Erinnerung an den Mord an seiner Familie, den nur er schwer verletzt überlebte. Bei der Polizei ist seine Fallakte nach fast 30 Jahren nicht mehr auffindbar und Milla, eine befreundete Journalistin, muss sich um eigene und familiäre Probleme kümmern, mit denen sich nach kurzer Zeit auch ihr Lebensgefährte Sandro von der Kantonspolizei Bern beschäftigen muss. Also stellt Nathaniel vorerst auf sich allein gestellt Ermittlungen an.

Alle Protagonisten werden kurz vorgestellt, so dass sich auch ein Neueinsteiger in die Reihe zurecht finden kann, denke ich, wobei man aber an der Entwicklung der Charaktere sicherlich mehr Spaß hat, wenn man auch zumindest einen der Vorgängerbände gelesen hat. Die Autorin ist gerade in diesem Buch ihren Figuren sehr nah, sie sind alle interessante und besondere Charaktere, die einfühlsam und glaubhaft beschrieben werden. Christine Brands Schreibstil ist lebendig und fesselnd, gleichzeitig auch humorvoll, sogar Situationskomik kommt in einzelnen Szenen auf. Für Spannung sorgen auch die Cliffhanger am Ende der Kapitel und die wechselnden Perspektiven. Die dramatische Geschichte überrascht mit vielen Wendungen, es gibt aber auch unüberlegte Aktionen, die für einen beeinträchtigten Menschen wie Nathaniel gefährlich sind, es werden nicht nachvollziehbare Entscheidungen getroffen und auch glückliche Zufälle gibt es viele.

Mir ist eine zeitliche Unstimmigkeit hinsichtlich der Ereignisse 1992 aufgefallen, so etwas finde ich ärgerlich, das hätte auch das Lektorat finden müssen.

Die Autorin hat verschiedene Themen in der Geschichte verarbeitet und auch wenn jedes davon einen wahren Hintergrund hat, war mir der Thriller fast schon überfrachtet. Doch am Schluss vereinen sich die Erzählstränge zu einem runden Ende und der Epilog hat bei mir noch für ein überraschtes Grinsen gesorgt.

2 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.06.2022
Cybionic - Der unabwendbare Anfang
Eggers, Meike

Cybionic - Der unabwendbare Anfang


ausgezeichnet

Intelligente und spannende Science-Fiction

In diesem Sci-Fi-Tech-Thriller begleitet der Leser Sala auf der Suche nach seiner spurlos verschwundenen Schwester. Die hochbegabte Informatikstudentin hat zuletzt über künstliche Intelligenz und selbstlernende Algorithmen geforscht.

Bei Einblicken in sein Studentenleben und Salas Suche quer durch die Stadt entsteht ein authentisches Berlin-Gefühl, und ebenso sind die technischen Beschreibungen sehr gut und glaubhaft recherchiert. Die Entwicklung der Algorithmen von der Zeit des Zweiten Weltkriegs bis heute hat mich fasziniert.
Spannung ist von Anfang an da und wird immer weiter aufgebaut. Dazu trägt auch eine zweite, zunächst mysteriöse Erzählperspektive bei. Zu Beginn findet Sala nur häppchenweise Informationen. Großartig, wie es Meike Eggers gelingt, ausgehend nur von Ellas Foto und ihrem Wohnhaus, ein Rätsel zu entwickeln, wobei Sala sich beobachtet und zunehmend bedroht fühlt, je mehr er herausfindet.

Theoretische und technische Einzelheiten zu künstlicher Intelligenz werden auch für den Laien verständlich und mit scheinbarer Leichtigkeit erklärt und bringen die Handlung voran und ein lebendiger, angenehm zu lesender Schreibstil lässt im Kopf des Lesers Bilder entstehen. Um so bedauerlicher ist es, dass bei den Protagonisten keinerlei Emotionen geschildert werden, so dass vom Leser eine Beziehung zu den Charakteren nicht aufgebaut wird. Merkwürdigerweise werden Gefühle nur beim Antagonisten Steve beschrieben, der Menschen verachtet und nur „seiner“ KI zugetan ist und dabei Grenzen überschreitet.

Meike Eggers wirft in ihrem Buch nicht nur zukunftsgerichtete Fragen auf wie die nach einer vielleicht unaufhaltsamen Symbiogenese zwischen Mensch und selbstlernendem Algorithmus, sondern stellt auch ethische Fragen, z.B. wo ist der Sitz der Seele, was ist das Bewusstsein und gibt es ein Weltbewusstsein.

Titel (eine gelungene Wortschöpfung!) und Cover mit angedeutetem Schaltplan globaler Vernetzung und, im Dunklen kaum zu erkennen, dem Berliner Fernsehturm, sind sehr gut gewählt und gefallen mir.
„Cybionic – Der unabwendbare Anfang“ ist der erste Teil einer Trilogie, und hat ein nicht ganz rundes Ende, einige Entwicklungen werden nicht abgeschlossen. Dennoch hat das Buch mich bestens unterhalten und mir viel zu denken gegeben, und ich freue mich auf den Folgeband.

Ich vergebe 4,5 Sterne.

Bewertung vom 15.06.2022
Yo
Nitrak, Alex J.

Yo


sehr gut

Entwicklungsgeschichte voller Magie in einer fantastischen Welt

Schon das schöne Cover mit seinem ungewöhnlichen Layout hat mich neugierig auf das Buch gemacht.
Yosephiné ist eine einsame, unsichere und mutlose junge Frau, die sich am Abend ihres 23. Geburtstages plötzlich in Pardalis wiederfindet, einer ganz anderen Welt, in der große Aufgaben auf sie warten.

Erzählt wird aus Yos Ich-Perspektive, so dass der Leser unmittelbar an ihren Gedanken und Selbstzweifeln teilnimmt und so sehr einbezogen wird.

Der Schreibstil ist lebhaft, voller Bilder, der Weltenbau sehr einfallsreich und vielschichtig. Es macht Spaß, die verschiedenen Bereiche von Pardalis zu entdecken, ihre erstaunlichen facettenreichen Bewohner kennenzulernen und Yo bei ihren Abenteuern zu begleiten. Die Beschreibungen sind faszinierend und glaubwürdig, Pardalis wird dadurch lebendig.
Yo wächst an ihren Aufgaben, reflektiert und entwickelt sich, staunt selbst über ihre wachsenden Fähigkeiten und überwindet Grenzen. Auch mit der am Ende von Yo gezogenen Schlussfolgerung kann diese märchenhafte Fantasygeschichte in unserer realen Welt Anstoß und Aufmunterung sein. Das gefällt mir sehr, genau wie das unerwartete und überraschende Ende der Erzählung.

Zu Abstrichen führen die stellenweise detaillierte Blutrünstigkeit und die wenig überzeugende Liebesgeschichte. Trotzdem hat mich das Buch gut unterhalten und ich habe es mit Vergnügen gelesen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.06.2022
Schmalz und Rebellion
Balzer, Jens

Schmalz und Rebellion


ausgezeichnet

Unterhaltsamer Überblick über 70 Jahre Sprache in der deutschen Popmusik

Aus dem Verlagstext: Jens Balzer beleuchtet das spannungsreiche Verhältnis von Popmusik und deutscher Sprache: Die ersten Rockbands singen natürlich auf Englisch, als Rebellion gegen die spießigen Eltern. Politische Liedermacher entdecken Mundarten und Dialekte. In der Neuen Deutschen Welle wird das Spiel mit der Sprache ironisch und kunstvoll. Im Hip-Hop der Gegenwart zeigt sich, wie divers, vielstimmig und auch widersprüchlich die Gesellschaft geworden ist. So entsteht eine Geschichte der Sprache im deutschen Pop – und wie nebenbei eine Gesellschafts- und Kulturgeschichte.

Das Cover mit seinem Orange zieht die Aufmerksamkeit auf sich und die abgebildete Schallplatte bietet eine haptische Überraschung, die Rillen sind fühlbar!
Jens Balzer, geboren 1969, ist erfolgreicher Autor und Kulturjournalist für ZEIT, Rolling Stone und radioeins und hat bereits mehrere Bücher über verschiedene Aspekte des Pop geschrieben.
In Schmalz und Rebellion präsentiert er in Zusammenarbeit mit dem Duden-Verlag die Entwicklung der Sprache der Popmusik unterhaltsam, mit vielen Textbeispielen und betrachtet die Sprache im Kontext des Zeitgeschehen.
Von Caterina Valente, Freddy Quinn und Peter Kraus über Beat, Krautrock und Ton Steine Scherben bis Rammstein und Helene Fischer spannt Jens Balzer einen weiten Bogen über Jahrzehnte der deutschen Popmusik. Zur Sprache kommt auch Musik abseits des Mainstream: türkische „Gastarbeiter“-Musik, Lieder auf plattdeutsch und die Geschichte des Punk in der DDR haben mir Überraschendes und Neues nahe gebracht.

Eine Playlist und informative Anhänge wie auch eine Liste von Literatur zum Weiterlesen vervollständigen dieses äußerst unterhaltsame und interessante Buch, das ich mit Vergnügen gelesen habe und gern jedem Leser empfehle, der sich nicht nur für Musikgeschichte, sondern auch für Sprache interessiert.

Bewertung vom 20.05.2022
Wunderland
Krist, Martin

Wunderland


ausgezeichnet

Erschütternder Thriller nach wahren Begebenheiten

Der lang erwartete achte Fall der Kalkbrenner-Reihe beginnt für den Kommissar mit dem Fund eines Toten in einer Mülldeponie, während die Potsdamer Kollegin Jamina Stark mit dem plötzlichen Tod ihres Bruders konfrontiert wird.
Ein weiterer Ezählstrang verdichtet sich rasch zu einer schockierenden Erzählung um das Leid, das Kindern in einem „christlich“ geführten Kinderheim angetan wird.
Kalkbrenner ist mir aus früheren Büchern der Reihe bekannt, es ist schön, diesen sympathischen integren Kommissar wieder zu treffen. Kenntnisse der Vorgängerbänden sind zum Verständnis nicht notwendig. Die neue Protagonistin Jamina unternimmt unbeirrt und eigenmächtig Ermittlungen zum Tod ihres Bruders.

Verschiedene Perspektiven und der Wechsel von Ich-Erzähler und personalem Erzähler, kurze Abschnitte, die mit einem Cliffhanger enden, und häufige Szenenwechsel sorgen für ein hohes Erzähltempo und anhaltende Spannung.
Der Autor ist seinen Figuren sehr zugewandt und stellt sie glaubwürdig und authentisch dar. Auch die Entwicklung und Beschreibung der Emotionen und psychologischen Aspekte ist glaubhaft und so sehr berührend.

Martin Krists Schreibstil ist angenehm zu lesen, er ist lebendig und bildhaft. Schonungslos und realistisch beschreibt er die Zustände im Kinderheim. Atmosphärisch dicht, ergreifend und gut recherchiert beruht dieser fesselnde Thriller auf wahren Begebenheiten, von denen jeder schon gehört hat, die ich mir aber nie in ihrem ganzen Ausmaß vorstellen wollte oder konnte.

Die unterschiedlichen Erzählstränge und auch Zeitebenen laufen schließlich zusammen und lassen mich auch am Ende noch lange nicht los. Martin Krist hat mit diesem vielschichtigen und raffiniert aufgebauten Thriller ein aufrüttelndes Buch vorgelegt, dem viele Leser zu wünschen sind.

Bewertung vom 18.05.2022
Kaltherz
Faber, Henri

Kaltherz


ausgezeichnet

Raffinierter Thriller mit Tiefgang

Die unangepasste Kommissarin Kim Lansky bekommt in der Vermisstenabteilung der Kripo München eine letzte Chance und stößt auf den Fall der vor 4 Monaten entführten 5-jährigen Marie. Lansky ist unbequem, pfeift auf Regeln, scheut kein Risiko, geht bis an ihre Grenzen. Mir hat die Figur sehr gefallen. Aber auch die anderen Protagonisten sind interessante Personen.

Abwechselnd wird aus den verschiedenen Perspektiven der beiden Eltern, der Kommissarin und von Marie erzählt und der Leser wird ab der ersten Zeile in die Geschichte förmlich hinein gesogen, sie ist von Beginn an spannend. Da die Protagonisten als Ich-Erzähler auftreten, kommt ihnen der Leser sehr nah und kann sich den Gedanken und starken Gefühlen nicht entziehen. Alle Charaktere besitzen Tiefe und erscheinen authentisch, die Figurenzeichnung ist glaubwürdig und ich kann ihre jeweilige Entwicklung nachvollziehen.

Die Geschichte entwickelt sich überraschend, voller Wendungen und unvorhersehbar bei durchgehend hohem Spannungsbogen bis zur überzeugenden Auflösung.

Auch andere in die Krimihandlung eingeflochtene gesellschaftspolitische Aspekte, z.B. benachteiligte Kinder aus sozialen Brennpunkten oder schwierige Ermittlungen bei Wirtschaftskriminalität finde ich überzeugend und interessant dargestellt.

Henri Fabers Schreibstil ist lebendig, bildhaft und fesselnd, eindringlich und auf den Punkt, sehr gekonnt den verschiedenen Perspektiven angepasst: Selbstironie und Sarkasmus bei Kim Lansky und eine kindgemäße Sprache bei Marie.
Cover und Titel sind passend gewählt.

Dieses zweite Buch des Autors ist großartig gelungen, noch besser als sein erfolgreiches Debüt „Ausweglos“, ein toller Thriller, der mich begeistert hat.

Bewertung vom 08.05.2022
Gezeitenmord / Teit und Lehmann ermitteln Bd.1
Jürgensen, Dennis

Gezeitenmord / Teit und Lehmann ermitteln Bd.1


sehr gut

Spannender komplexer Krimi mit binationalem Ermittler-Duo

Ein Toter wird im Watt auf der Grenzlinie zwischen Dänemark und Deutschland gefunden und so wird ein dänisch-deutsches Ermittler-Duo gebildet. Der 11-jährige Junge, der den Toten gefunden hat, wird darüber hinaus vermisst, wodurch Spannung und Zeitdruck noch zunehmen.
Die beiden ungleichen Ermittler, Lykke Teit von der Kopenhagener Polizei, und Rudi Lehmann von der deutschen Behörde in Flensburg, verstehen sich auf Anhieb und bilden schnell ein sympathisches Team, das harmonisch und vertrauensvoll miteinander ermittelt. Beide Charaktere sind authentisch gezeichnet, wobei mir bei Rudi besonders der selbstironische Humor gefällt, und beide haben im privaten Bereich ihr Päckchen zu tragen. Andere Figuren sind eher klischeehaft dargestellt, hier habe ich mehr Tiefe vermisst. Gewundert hat mich, wie offen Teit und Lehmann mit den Menschen sprechen, die sie vernehmen. Sie geben immer Auskunft und verweigern keine Antwort. Das kommt mir nicht wirklich realistisch vor.

Der Fall wird immer komplexer und die Ermittlungen bleiben durchgehend spannend, wobei auch grausame Details nicht ausgespart werden. Bis auf einen Aspekt hat der Leser immer den gleichen Kenntnisstand wie Teit und Lehmann und kann miträtseln und eigene Schlüsse ziehen.

Sehr bildhaft und atmosphärisch dicht beschreibt der Autor auch Landschaft, Natur, Wind und Wetter in dem süddänischen Küstengebiet an der Nordsee.
Der Schreibstil ist flüssig, lebendig und angenehm zu lesen. Auch das düstere Cover ist passend für den Krimi und deutet auch das Grenzüberschreitende optisch an.

Ich kann „Gezeitenmord“ jedem Krimileser empfehlen, der nicht von Beschreibungen von Grausamkeit gegenüber Kindern abgeschreckt wird und ein neues, sympathisches deutsch-dänisches Ermittlerduo kennenlernen will.

Bewertung vom 06.05.2022
Perfect World. Nichts scheint, wie es ist
Storesang, Joner

Perfect World. Nichts scheint, wie es ist


ausgezeichnet

Aufgeben ist keine Option

Evas Ehemann Daniel verschwindet überraschend, sie verliert am gleichen Tag ihren Job und als wäre das noch nicht genug, kann sie gerade noch die Entführung ihres Sohns verhindern, von ihrer Tochter gibt es keine Spur.

Evas bis dahin heile Welt steht plötzlich Kopf, wem kann sie vertrauen, wie findet sie heraus, was eigentlich los ist? Es gibt viele Wendungen, die Protagonistin wird zur Löwenmutter, stellt sich der Mafia entgegen und kämpft um ihr Leben und das ihrer Kinder. Unterstützt wird Eva lediglich von zwei rätselhaften Personen, denen sie nicht vertrauen kann, es aber muss.
Spannend und voller Action entwickelt sich ein wahrer Thriller, der weder Eva noch dem Leser die kleinste Ruhepause lässt.

Selbst am Ende der Geschichte gibt es noch einmal eine überraschende Wendung, die Eva und den Leser sprachlos zurück lässt. Nichts ist, wie es scheint.

Das Cover ist einfallsreich gestaltet und sehr gelungen, der Schreibstil ist abwechslungsreich, lebendig und bildhaft, auch humorvoll, die Geschichte ist schnell und angenehm zu lesen. Die Ich-Erzählperspektive der Protagonistin verleiht der Figur Tiefe und ich bin als Leser mitten drin im Geschehen und folge Evas Gedankengängen. In kursiv gesetzten, rückblickenden Überlegungen räumt sie ein, dass sie vielleicht hier und da anders hätte handeln können und gegen Ende bescherten mir diese Einschübe einen aha-Effekt, der mich schmunzeln ließ. Eine sehr schöne Idee lieber Autor!

Dieser durchgehend spannende, actionreiche Thriller mit einer toughen Protagonistin, für die Aufgeben keine Option ist, hat mich bestens unterhalten.

Ich vergebe 4,5 Sterne.

Bewertung vom 16.04.2022
Automaton
Glanz, Berit

Automaton


gut

Hoffnung auf ein gutes Ende

Die alleinerziehende junge Mutter Tiff arbeitet von zu Hause aus im Akkord: online erledigt sie schlecht bezahlte monotone Klick- und auch Video- Überwachungsjobs für die Plattform Automa. Tiff leidet an einer Angststörung, sie kann nur unter Schwierigkeiten das Haus verlassen, macht sich Vorwürfe wegen ihres Sohns, dem sie kaum etwas bieten kann und der natürlich ebenfalls unter ihren psychischen Problemen leidet, und sie ist einsam.

Unterstützung und Beistand erfährt sie von zwei Wohnungsnachbarn und da gibt es noch die beiden Chatpartner, Kollegen, mit denen sie sich im Geheimen austauscht. Sie musste einen Verschwiegenheitsklausel unterschreiben, denn ihre Arbeit wird den Kunden als Überwachungsleistung einer KI verkauft.

Es gibt einen zweiten Handlungsstrang um die verwitwete Stella und einen Freund, den sie jahrzehntelang nicht gesehen hat, beide haben ebenfalls Erfahrung mit prekären Arbeitsverhältnissen.

Das Verschwinden eines Obdachlosen, der oft auf einem der Überwachungsvideos zu sehen war, bedeutet eine Unterbrechung der monotonen Bildschirmarbeit und wird für Tiff zum Anlass, sich aktiv um die Aufklärung dieses Verschwindens zu bemühen. Ihr unbedingter Wunsch, dass „diese Geschichte gut ausgeht“, erscheint wie ein Gegengewicht zu den furchtbaren Bildern, die sie in ihrem vorigen Onlinejob moderiert hat und die ihre Angststörung verursacht haben. Das Internet wird für Tiff auch zur Möglichkeit, etwas in Gang zu setzen und die Geschichte des Obdachlosen mit Hilfe ihrer befreundeten Nachbarn und Kollegen aufzuklären.

Berit Glanz schildert die Lebenssituation der jungen Mutter glaubwürdig, berührend und authentisch und beleuchtet die monotone, anstrengende Tätigkeit der „clickworker“, die allein, auf sich gestellt und nicht abgesichert, schlecht bezahlte Arbeit leisten. Die Erzählung ist latent spannend, weiß Tiff (und damit auch der Leser) doch nie, was auf den Bildern oder in den Videos zu sehen sein wird. Der Handlungsstrang um Stella und ihren Freund nimmt für mich jedoch zu viel Platz ein, obwohl es Parallelen im Leben der beiden Frauen gibt und die beiden Erzählebenen schließlich zusammengeführt werden.
Der Schreibstil ist flüssig und lebendig, sehr angenehm zu lesen, die Kapitel sind kurz und werden durch Chatprotokolle ergänzt.
Der Klappentext ist irreführend, denn er deutet eine Entwicklung an, die nicht eintritt, weshalb ich einen halben Stern abziehe. Ich hatte auf Grund des Verlagstextes eine andere Geschichte erwartet. Am Schluss bleibt offen, wie es für Tiff weitergeht, aber das Buch endet in einer hoffnungsvollen Stimmung.

Ich vergebe 3,5 Sterne.