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Luisabella
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 192 Bewertungen
Bewertung vom 22.09.2022
Lukusch
Heisenberg, Benjamin

Lukusch


schlecht

Keine Leseempfehlung! Sehr verwirrend und intransparent.
Um direkt und ehrlich zu sein: Das wird jetzt eine schwierige Rezension. Denn »Lukusch« von Benjamin Heisenberg ist ein Buch, das leider so gar nicht meins war oder bei dem ich die Message einfach nicht verstanden habe … aber anyway: Das war nicht meine Story.

Aufgrund seiner Aufmachung wirkt das Buch wie ein Tatsachenbericht bereichert um etliche Dokumente und Fotos aus (Spoiler: Ist es aber nicht.). Im Rahmen der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl (26. April 1986) kommt mit einer Kinder-Reisegruppe der junge Anton mit seinem unzertrennlichen Freund Igor nach Deutschland zu einer Pflegefamilie für kurze Zeit. Auf dieser Reise zeigt sich, dass Anton ein Schachgenie ist. Nach seinem plötzlichen Verschwinden 1991 und dem Auftauchen des heutigen Schachgenies Igor. Der Journalist Simon Ritter ist auf seiner Recherche zu Anton verschwunden - und nach dem Vorwort auch immer noch. Der Autor hat Simon’s Arbeit also mit diesem Buch aufgegriffen.

Das Buch enthält viele verschiedene Puzzleteile aus diesem Kontext und verdichtet dies irgendwie zu einem Buch. Für mich ist komplett intransparent, was Realität und was Fiktion und Erfindung ist. Zudem springt das Buch extrem in seiner Erzählung und Perspektive. Ich fand sowohl Inhalt als auch Schreibstil extrem schwer zu folgen.

Ich liebe Biografien und auch Romane. Walter Tevis’ ‚Damen Gambit‘ fand ich großartig - und hatte auf eine ähnliche Romanidee mit realer Biografie gehofft. Das hat dieses Buch nicht geschafft. Vielleicht waren meine Erwartungen zu hoch, vielleicht habe ich es einfach nicht verstanden, vielleicht war es eine Kombination aus beiden. Wie auch immer - dieses Buch ist aus meiner Sicht absolut verwirrend und ohne erkenntlichen roten Faden geschrieben. Keine Leseempfehlung von mir.

Bewertung vom 22.09.2022
Schwarz. Rot. Wir.
Raschdorff, Pierrot

Schwarz. Rot. Wir.


sehr gut

Ein wichtiges Plädoyer für mehr gelebte Vielfalt und Diversität in Deutschland
In seinem Buch »Schwarz. Rot. Wir. Wie Vielfalt uns reicher macht.« fordert der Politikwissenschaftler, Marketingleiter und Diversity-Experte Pierrot Raschdorff mit Vorurteilen zu brechen, Stereotype zu hinterfragen sowie einen Dialog und ein Miteinander in gelebter, alltäglicher Vielfalt. Was bedeutet dies konkret?

»Wir brauchen neue Vorbilder, die in der allgemeinen öffentlichen Wahrnehmung ungewohnt Positionen einnehmen, um unser Denken ganz unbewusst zum Hinterfragen von Stereotypen zu lenken.« (S.125)

Er fordert beispielsweise Diverstität in Wirtschaft, TV / Film, Zeitung, Literatur & Co. Er zeigt, inwiefern Werbung bereits Schritte in die richtige Richtung macht und inwiefern das Grundgesetzt problemaisch formuliert ist. Deutschland als eines der TOP Einwanderungsländer weltweit verändert sich fortwährend aufgrund dieser Bewegung in der Gesellschaft und Struktur. Damit gelebte Vielfalt aber für alle funktioniert, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt werden, wofür Ansätze im Buch dargestellt werden. (Und er zeigt auf, warum wir von Zuwanderungsgeschichte statt Migrationshintergrund sprechen sollten …)

In insgesamt 5 Kapiteln und einem abschließenden offenen Brief an seine Tochter (Kapitel 6) schreibt der Autor zum Teil wissenschaftlich zum Teil aus persönlicher Perspektive über Diversität, gelebte Vielfalt, Vorurteile und Stereotype in Deutschland. Er schreibt bewusst kein Anti-Rassismus-Buch, sondern möchte mit seinem Buch einen Beitrag zur Diversitätsdebatte beitragen. (Auch wenn dies implizit sehr eng miteinander verbunden ist.)

Die Perspektiven und Argumente von Pierrot Raschdorff finde ich sehr wichtig und ich denke, dass dieses Buch einen sehr guten Zugang für viele zur Diverstitätsdebatte darstellen kann und als Einstiegslektüre für Anti-Rassimus und Diverstitätsthemen gut geeignet ist. Ich hätte mir dennoch an einigen Stellen eine tiefere und auch wissenschaftlich bzw. belegbare Diskussion und Auseinandersetzung gewünscht - z. T. werden viele Begriffe aus der Anti-Rassismus-Debatte kurz aufgegriffen, aber nicht diskutiert.

Insgesamt ein sehr wichtiges Plädoyer für eine gelebte Vielfalt in Deutschland, das zur weiteren Auseinandersetzung einlädt und auffordert.

Bewertung vom 22.09.2022
Diese eine Entscheidung
Tuil, Karine

Diese eine Entscheidung


ausgezeichnet

Einblick in den Arbeitsalltag von Ermittlungsrichter:innen & Aufgreifen eines hochaktuellen Spannungsthemas

»Im Allgemeinen sind Richterinnen und Richter nicht beliebt, die Menschen betrachten uns als Grundpfeiler des staatlichen Strafapparats, sie halten uns für rigide und machtbesessen, für die Erfüllungsgehilfen des Gesetzes - den bewaffneten Arm der Zwangsmacht.« (S.21)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.09.2022
Verbrenn all meine Briefe
Schulman, Alex

Verbrenn all meine Briefe


ausgezeichnet

Dramatisches Ménage à trois im Schweden der 1930er Jahre

»Mit Olof braucht sie nicht darüber nachzudenken, wie sie sich benimmt. Dass es so eine Erleichterung sein kann, man selbst sein zu dürfen.« (S.212)

Der Autor, Blogger und Journalist Alex Schulman trägt eine Wut in sich, die ihn zerfrisst und sich zunehmend auf seine Partnerschaft und Familie auswirkt. Mit einer Familienaufstellung will er diese Wut ergründen und stellt fest, dass die Familienverhältnisse auf mütterlicher Seite sehr zerrüttet und von Wut geprägt sind. In seinem Buch »Verbrenn all meine Briefe « (aus dem Schwedischen von Hanna Granz, Original 2018) schreibt Alex Schulman über genau diese Familienrecherche, seine Familienerinnerungen und verwebt dies mit der fiktionalisierten Nacherzählung des Lebens von seinen Großeltern. Die Kapitel wechseln sich inhaltlich ab und die Erzählung dieser dramatischen Liebeskonstellation ist jeweils durch Datumsangaben aus dem Schicksalsjahr 1932 gekennzeichnet.

Die mit dem schwedischen Schriftsteller und Literaturkritiker Sven Stolpe [1905-1996] verheiratete Karin [1907-2003] verliebt sich in den jüngeren Schriftsteller Olof Lagercrantz [1911-2002]. Es entsteht eine tiefe Liebe zwischen den beiden - aber das Ménage à trois ist nicht durch Glück gekennzeichnet. Mehr nehme ich an dieser Stelle nicht vorweg.

»Sie schaut zu Olof. Da steht er mit seinem schönen Blick und sieht sie mit sanftem Lächeln an. Sie bemerkt, dass er weint. Lautlos und still. Und erst da, als ihr klar wird, dass er für sie weint, kann sie endlich Selbstmitleid empfinden. Es öffnet sich ein Kanal direkt in ihre Kindheit. Seine Tränen machen sie so verzweifelt hilflos, denn es ist, als würden sie sagen: Du darfst traurig sein, Karin. Du hast jedes Recht dazu.
Wer würde bei so etwas stark bleiben können?« (S.199)

»Verbrenn all meine Briefe« ist ein sehr persönliches Buch und erzählt die Liebesgeschichte von Karin & Olof und die Ehe von Alex Schulman’s Großeltern Karin & Sven. Eine dramatische Liebesgeschichte, wie sie nur das Leben schreiben kann, und die zeigt, dass das Bild, das wir von unseren nahestehenden Personen haben, sich sehr verändern kann. Alex Schulmans neues Buch (das älter ist als sein Bestseller »Die Überlebenenden«) zeigt seine großartigen Schreibkünste kombiniert mit sehr aufwändiger Recherche.

Ein schönes und gleichzeitig trauriges Buch über eine unglückliche Dreieckskonstellation. Große Leseempfehlung!

[TW: Schwangerschaftsabbruch]

Bewertung vom 16.09.2022
Neues Backen
Kratochvila, Laurel

Neues Backen


ausgezeichnet

Großartiges Backbuch mit zahlreichen Erläuterungen und Fotos
»Wenn man über Europa nachdenkt, landet man früher oder später bei Brot. Würde man irgendwo in Europa in eine Bäckerei gebäumt, könnte man am Brotangebot schnell erraten, ob man sich in Riga oder Paris, from oder Warschau befindet oder ob es Winter oder Sommer ist.« S.6

Bewertung vom 15.09.2022
Intimitäten (eBook, ePUB)
Kitamura, Katie

Intimitäten (eBook, ePUB)


sehr gut

Die namenlose Protagonistin in Katie Kitamuras Roman "Intimitäten" arbeitet als Dolmetscherin am Internationalen Gerichtshof in Den Haag und erlebt in dieser Tätigkeit intensiv, welche Grausamkeiten in der Welt geschehen und, welchen Tribut und Opfer dies fordert. Sie hat ihre Heimat - die USA - verlassen, um diese Stelle auszuüben und in der Liebesbeziehung zu Adriaan stellen sich Ihr existenzielle Fragen über Heimat, über Wahrheit und Gerechtigkeit.

Katie Kitamuras gelingt es großartig, das Spannungsfeld, in dem sich Dolmetscher:innen bewegen zu skizzieren: Zwischen Übersetzungsarbeit und Kommunikationsfluss nicht aufzufallen, aber gleichzeitig die Nähe und Intimität zu den beteiligten Personen. Ein Roman mit vielen Zwischentönen, der sich wunderbar lesen lässt und tolle Einblicke in die Dolmetscher Tätigkeit gibt (ich würde sagen, hier wurde großartig recherchiert!)

Klare Leseempfehlung für diesen feinen und einfühlsamen Roman.

Bewertung vom 09.09.2022
Anleitung ein anderer zu werden
Louis, Édouard

Anleitung ein anderer zu werden


sehr gut

Ein sehr selbstreflektiertes und starkes autofiktionales Werk, das sich von seinen vorherigen abhebt

»Sie waren in einer anderen Welt als unserer aufgewachsen, und durch sie entdeckte ich nicht so sehr meine Klassenzugehörigkeit, denn die war mir im Prinzip immer bewusst gewesen, sondern, was meine Klassenzugehörigkeit konkret bedeutete.« (S.38)

In seinem neusten Buch »Anleitung ein anderer zu werden« schreibt der 1992 geborene Autor Èdouard Louis über seine persönliche und gesellschaftliche Veränderung von Eddy Bellegueule zu Èdouard. Der in extremer Armut aufgewachsene Autor verspürt nicht zuletzt aufgrund der erlebten Klassenunterschiede und Diskrimminierungserfahrungen ein intensives Verlangen, ein anderer werden zu müssen. Mit dem Wechsel aus das Gymnasium in Amiens beginnt die Transformation getrieben vom Veränderungswillen und Selbst(-er-)findungsprozess: Freundschaften und Bekanntschaften prägen diesen Prozess und verschiedene Freund:innen dienen ihm solange als Vorbild und Ziel seines Strebens bis sie vom nächst höheren abgelöst werden.

»Alle Leben zu leben, war meine Rache für die Tatsache, dass man mir bei der Geburt einen bestimmten Platz zugewiesen hatte.« (S.208)

Der Autor schreibt Passagen fiktiv an seinen Vater, führt Spiegelselbstgespräche und imaginäre Aussprachen mit zwei seiner zerbrochenen Freundschaft (Elena & Didier). Er geht dabei selbstkritisch und schonungslos mit sich selbst, seinen Gedanken, Streben und Verhalten ins Gericht. Die Passagen lesen sich dabei teilweise wie eine Danksagung, teilweise wie eine Entschuldigung an diese Personen, die er auf seiner persönlichen Transformation zurückgelassen hat.

Nach »Das Ende von Eddy« (2014), »Im Herzen der Gewalt«(2016), »Wer hat meinen Vater umgebracht«(2018) und »Die Freiheit einer Frau« (2021) ist »Anleitung ein anderer zu werden« (2022) das fünfte Buch des jungen französischen Autors, in dem er autofiktional über seine Herkunft, seine Familie, sein Leben und seine Entfremdung schreibt. In diesem Werk schreibt er darüber jedoch als Flucht und Abwendung von seiner Familie und Herkunft - angetrieben von Rache- und Schamgefühlen über seine Herkunft und erlebten Diskrimminierungserfahrungen aufgrund seiner Homosexualität.

Ein emotionales, sehr selbstreflektiertes und starkes Buch des Autors, das beeindruckend zeigt, wie viel persönliche Transformation kosten kann.

Bewertung vom 08.09.2022
Amalfi-Küche - Rezepte aus Italiens Süden
Caldesi, Giancarlo;Caldesi, Katie

Amalfi-Küche - Rezepte aus Italiens Süden


sehr gut

»AMALFI Küche - Rezepte aus Italiens Süden«

Bewertung vom 08.08.2022
Isidor
Kupferberg, Shelly

Isidor


sehr gut

Isidor - die Erzählung einer jüdischen Familiengeschichte

» »Stil hat man oder hat man nicht«, das habe nichts mit Geld zu tun. Dazu gehöre auch das Speisen mit Gabel und Messer. Und ein ordentliches Trinkgeld, behauptete der junge Israel weltmännisch.« (S.41)

Und Stil, den hat der Kommerzialrat Dr. Isidor Geller (*15.9.1886 | † 17.11. 1938), der in einem kleinen Schtetl in Galizien als Israel mit seinen vier Geschwistern aufgewachsen ist und als junger Mann - umbenannt in Isidor - einen beachtlichen Aufstieg in der k.u.k Metropole Wien macht.

»Isidor lernte rasch, den richtigen Augenblick abzuwarten und sich dann einzubringen. Ohne aufdringlich zu sein - er hatte die Gabe, Menschen für sich zu gewinnen.« (S. 65)

Als Direktor in einer Lederfabrik wird Isidor im 1. Weltkrieg nicht eingezogen und schafft durch geschickten Handel auf dem Schwarzmarkt und Anlage auf dem Aktienmarkt es zu einem beachtlichen Vermögen. In »Isidor« erzählt die Autorin die Lebensgeschichte ihres Urgroßonkels und verbunden damit auch die ihres Großvaters Walters: Von Isidors Werdegang über seine Blütezeit in Wien als Gastgeber großartiger Veranstaltungen in seinem Palais und seine Liebschaft mit der heutigen Hollywood-Star Ilona Hajmássy (später Massey) bis zu seiner Verhaftung nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Wien 1938 und seinem damit einhergehend Untergangs.

Es ist eine interessante Biografie, die Shelly Kupferberg aufwändig recherchiert und mit Fiktion zu diesem Roman verdichtet hat. Gerne hätte ich am Ende noch mehr von der Lebensgeschichte ihres Großvaters erfahren, da vieles aus seinem Leben ebenfalls miterzählt worden ist. Alles in allem eine klare Leseempfehlung!

»Isidor« ist das Debüt der Journalistin, Moderatorin und Autorin Shelly Kupferberg, das am 24. August 2022 im Diogenes Verlag erscheint.

Bewertung vom 01.08.2022
Das Leben vor uns
Gorcheva-Newberry, Kristina

Das Leben vor uns


ausgezeichnet

«And we'll keep on fighting till the end ...»

«Etwas zu wollen und in der Lage zu sein, es zu tun, ist zweierlei. Vielleicht erleben nur ein paar Glückskinder beides zusammen. Vielleicht ist es das, was man Glücklichsein nennt: die Fähigkeit, seine Wünsche mit den eigenen Fähigkeiten in Einklang zu bringen. Aber oft liegt es ja gar nicht an uns.» S. 106 ❤️‍