Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
YukBook
Wohnort: 
München

Bewertungen

Insgesamt 290 Bewertungen
Bewertung vom 21.11.2021
Schwierige Frauen
Gay, Roxane

Schwierige Frauen


sehr gut

„Schwierige Frauen“ lautet der Titel dieser Kurzgeschichtensammlung, doch treffender für die Protagonistinnen fände ich die Beschreibung „Frauen, die es im Leben schwer haben oder es sich schwer machen“.

Einige wie Carolina und ihre Schwester leiden unter einem schweren Kindheitstrauma und können einander auch als Erwachsene nicht allein lassen, obwohl eine von ihnen verheiratet ist. Natasha, die einen schweren Verlust erlitten hat, bekommt immerhin unvermittelt eine neue Chance. Auch Hanna kann ihre aktuelle Lebenssituation mit ihrem Ehemann, den sie hasst, nicht länger ertragen und reflektiert über ihre verpassten Chancen. Doch sie belässt es nicht dabei, sondern plant einen Ausweg.

Genau diese Stärke zeichnet die Frauen aus, die Roxanne Gay skizziert: Sie kämpfen darum, etwas zu verändern, ihr Leben zu verbessern und scheuen dabei keine Konfrontation. In solchen Momenten schlägt die Autorin einen härteren Ton an in ihrer sonst unaufgeregten Erzählweise.

Die meisten Geschichten sind entweder traurig, brutal oder verstörend und allesamt schwer zu verdauen, bis auf „Requiem für ein Herz aus Glas“, die von einem überfürsorglichen Steinewerfer und seiner Glasfrau handelt und fast etwas Märchenhaftes hat. Roxane Gay thematisiert die Bandbreite zwischen emotionaler sowie körperlicher Widerstandskraft und Verletzlichkeit innerhalb verschiedener Formen von Liebe, Hass und Abhängigkeiten in ihrem ganz eigenen Stil, der mir gut gefiel.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.11.2021
Das unsichtbare Leben der Addie LaRue
Schwab, V. E.

Das unsichtbare Leben der Addie LaRue


sehr gut

Die Geschichte beginnt in dem kleinen französischen Dorf Villon-sur-Sarthe im Jahr 1714. Es ist eine Zeit, in der Frauen einen hohen Preis für ein selbstbestimmtes Leben zahlen mussten. Die junge Addie LaRue geht gar einen Pakt mit dem Teufel ein, um vor ihrer Hochzeit zu fliehen. Und das hat Folgen! Von nun an kann sie zwar in völliger Freiheit leben, wird jedoch niemals altern und von allen Menschen vergessen.

Verwoben ist dieser Erzählstrang mit einer zweiten Zeitebene, die uns in das Jahr 2014 nach New York katapultiert. Spannend wird es, als Addie dort den Buchhändler Henry kennenlernt, der sich als einziger an sie erinnern kann.

Auch wenn die Geschichte an manchen Stellen Längen hat, fühlte ich mich der Hauptfigur sehr nahe – wie sie unter ihrem Fluch und der Einsamkeit leidet und jeden Moment und jede Begegnung euphorisch auskostet. Wir begleiten Addie durch drei Jahrhunderte europäischer Geschichte, in denen sie als Muse zahlreiche Künstler inspiriert und sich in ihren Werken verewigt. Eine außergewöhnliche Idee, die V.E. Schwab in poetischer Sprache und atmosphärischen Bildern in einen Fantasy-Roman verpackt.

Bewertung vom 14.11.2021
Madame Pylinska und das Geheimnis von Chopin
Schmitt, Eric-Emmanuel

Madame Pylinska und das Geheimnis von Chopin


ausgezeichnet

Mit der Devise „Übung macht den Meister“ kommt man bei Madame Pylinska nicht weit. Das bekommt auch Eric zu spüren, der nach Paris gezogen ist und auf Empfehlung die titelgebende polnische Klavierlehrerin aufsucht.

Seitdem ihm in seiner Kindheit seine Tante Aimée ein Stück von Chopin vorgespielt und ihn mit den Klängen regelrecht verzaubert hat, will er diese nun selbst dem Klavier entlocken können, was ihm allerdings missglückt. Doch was tut Madame Pylinska? Sie hält ihn vom Klavier fern und gibt ihm stattdessen ganz merkwürdige Aufgaben: Er soll im Jardin Du Luxembourg Blumen pflücken, ohne den Tau fallen zu lassen oder an einem windigen Tag die Bewegung der Bäume und Blätter beobachten.

Von Chopin, einem meiner Lieblingskomponisten, habe ich vor langer Zeit den Minutenwalzer rauf und runtergespielt. Zu gern hätte ich eine Lehrerin wie Madame Pylinska gehabt, die mir nicht nur das fehlerfreie Spiel und Fingerfertigkeit, sondern körperliche und geistige Feinfühligkeit beibringt und den Weg zu einer sinnlichen Erfahrung in allen Lebenslagen aufzeigt.

Wie die exzentrische und resolute Lehrerin ihren anfangs voreingenommenen Schüler und seine Sicht auf die Dinge verändert, erzählt Eric-Emmanuel Schmitt humorvoll, poetisch und mit typisch französischem Charme. Zum Schluss schlägt er einen schönen Bogen zu Chopins und auch Tante Aimées Geheimnis.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.11.2021
Dein Bücherregal verrät dich
Snider, Grant

Dein Bücherregal verrät dich


ausgezeichnet

Dass Bücher unsere Fantasie anregen, ist wohl unumstritten, doch Grant Snyder setzt noch eins drauf. Selbst entrückte Büchernarren werden staunen und schmunzeln über die vielen originellen Ideen, die in seinen liebevoll gezeichneten Cartoons stecken.

Ein Buchmarkt im Freien mit einem Dichterstreichelzoo, einem Kettenromankarussell und einem Antagonisten-Autoscooter – Da wäre ich sofort dabei. Manches Schreibwerkzeug wie Textglättbrett oder Metaphernmixer würde ich mir ebenfalls wünschen. Natürlich erkannte ich mich in vielen Situationen wieder, zum Beispiel wie ich das Bücherregal anderer inspiziere, meine Bücher sortiere oder was ich mit halbgelesenen Büchern anstelle.

Man sollte sich unbedingt Zeit nehmen, um sich die vielen Details nicht entgehen zu lassen, besonders im „Schreibblock“ oder „Im Ministerium für Poesie“, die Wimmelbildern gleichen. Die Liebe des New-York-Times-Zeichners zu Büchern spricht aus jeder Zeichnung, aus jedem Strich. Auch die ausgefallenen Konzepte anderer Künstler wie Rudine Sims Bishop oder Remy Charlip, die ich nicht kannte, setzt er gelungen um.

Grant Snyder widmet sich nicht nur Büchern, sondern auch der Schrift und der schreibenden Zunft, stellt Wundermittel gegen Schreibblockaden und einen Kurort für Schreibende vor. Die humorvollen Bildgeschichten illustrieren auf zauberhafte Art, wie kostbar die Momente sind, „die du nur kennst, wenn du Bücher liebst“.

Bewertung vom 01.11.2021
Madame Exupéry und die Sterne des Himmels
Villard, Sophie

Madame Exupéry und die Sterne des Himmels


ausgezeichnet

Bei vielen Künstlern frage ich mich, was aus ihnen geworden wäre, wenn sie nicht eine starke Frau an ihrer Seite gehabt hätten. Nachdem ich diese Romanbiografie gelesen habe, gehört nun auch Antoine de Saint-Exupéry dazu.

Sophie Villard erzählt die Liebesgeschichte zwischen ihm und der jungen Witwe Consuelo Suncin Sandoval de Gómez aus El Salvador, die sich auf einer Party in Paris kennenlernen. Diese erste Begegnung, die in einen abenteuerlichen Flug mündet, ist bezeichnend für ihre gesamte Beziehung und ihre turbulente Ehe.

Durch die lebendigen Dialoge und Szenenbeschreibungen, sei es in Nizza, Casablanca, Buenos Aires oder New York, hatte ich die beiden klar vor Augen: Er ein übermütiger Streckenpilot bei der Luftpost, der die Nachtflüge liebt und immer wieder egoistische Entscheidungen trifft, sie eine Frau, die von seiner Fantasie und schriftstellerischen Begabung fasziniert ist und alles tut, um ihn darin zu fördern. Dabei ist sie selbst eine talentierte Malerin, die mit Künstlern wie Derain, Picasso und Bréton verkehrt.

Wie schwer muss es für sie gewesen sein, an der Seite eines Mannes zu leben, der es mit der Treue nicht so genau nimmt, sich ständig in waghalsige Abenteuer stürzt und nur knapp dem Tod entrinnt. Was sie dabei durchmacht, wie sie mit sich hadert und wie die Liebe zwischen ihnen vielen Schicksalsschlägen standhält, erzählt die Autorin so einnehmend, empathisch und elegant, dass ich den Roman verschlungen habe. Es gelingt ihr wunderbar, das Porträt einer bemerkenswerten Frau mit der Entstehungsgeschichte von „Der kleine Prinz“ zu verweben – ein Buch, das zum Lieblingsstoff meines Französischlehrers zählte, und das ich nun mit ganz anderen Augen lesen werde.

Bewertung vom 27.10.2021
Einzeln sein
Safranski, Rüdiger

Einzeln sein


ausgezeichnet

Ob Social-Media-Hype oder Corona-Krise – das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft begegnet uns im Alltag immer wieder. Daher weckte dieses Hörbuch gleich mein Interesse. Rüdiger Safranski unternimmt mit uns eine Zeitreise beginnend in der Renaissance und zeigt, wie Philosophen und Künstler sich selbst und die eigenen Möglichkeiten, die sich dabei auftun, entdeckten.

Den Drang, seine eigene Originalität nach außen zu tragen und unverwechselbare Spuren zu hinterlassen, erkennt der Autor bei Renaissancekünstlern wie Raffael oder da Vinci, die glaubten, sich mit ihren einzigartigen Begabungen zum Göttlichen erheben zu können. Ganz anders Luther, der erst über die Vereinzelung und Selbstüberwindung in einem Kloster die Ängste vor seinen Schuldgefühlen ablegen und zu der 'Freiheit eines Christenmenschen' finden konnte.

Ich fand es sehr spannend, dem Werdegang und den Gedanken eines Rousseau, Montaigne, Stendhal oder einer Hannah Arendt zu folgen und zu beobachten, wie sich aus dem zunehmenden Hang zur Selbstdarstellung und Selbstinszenierung essentielle Konzepte zur Selbstverwirklichung, die die gesellschaftliche Vielfalt bereichern, entwickelten. Rüdiger Safranski geht dabei auf ganz unterschiedliche Erfahrungen und feine Nuancen ein, zum Beispiel wie manche versuchten, sich zu ihrem eigenen Vorteil von anderen zu unterscheiden während andere den völligen Rückzug zu sich selbst in der Natur erlebten oder das Einzelnsein zu ihrer Lebensaufgabe machten.

Ich war verblüfft, wie viele Denkansätze sich in heutigen Selbsthilfebüchern wiederfinden. Das Thema Massenpsychologie und die Gegenüberstellung von Originalität und Nachahmung ließen mich an Influencer und Follower denken. Der Stoff, den uns Rüdiger Safranski präsentiert, ist sehr umfangreich, doch nie ermüdend oder langweilig, was auch dem Sprecher Frank Arnold zu verdanken ist, der genau im richtigen Tempo und mit angenehmem Timbre spricht. Zwischen- und Schlussbetrachtungen, in denen der Autor das Wesentliche zusammenfasst, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Thesen herausstellt und zum Nachdenken anregt, runden das sehr aktuelle und lesenswerte Werk ab.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.10.2021
Lasst uns tanzen und Champagner trinken - trotz alledem!
Karl, Michaela

Lasst uns tanzen und Champagner trinken - trotz alledem!


sehr gut

Isadora Duncan – eine Frau, die als Pionierin des modernen Tanzes gilt und ihn zu einer Kunstform erhob. Sehr viel mehr wusste ich über die weltberühmte Tänzerin nicht, bis ich mich in dieser Biografie tiefer in ihr Leben versenken konnte.

Die geschichtliche Einordnung zu Beginn fand ich sehr hilfreich, um zu verstehen, dass der Amerikanerin mit irischen Wurzeln, die in San Francisco aufwuchs, Werte wie Unabhängigkeit, Individualismus und Selbstvertrauen in die Wiege gelegt wurden. Nach einer schweren, entbehrungsreichen Kindheit träumt sie davon, eine Tanzschule zu gründen, in der sie nicht nur Ausdruckstanz, sondern auch freie Lebensführung vermittelt.

Doch der Weg dahin ist steinig und verschlägt sie in verschiedenste Städte wie Chicago, London, Paris, München und St. Petersburg. Von Hochs und Tiefs zu sprechen, wäre glatt untertrieben. Schlief sie an einem Tag noch mittellos und ausgehungert auf der Parkbank, quartiert sie sich am Tag darauf im teuersten Hotel der Stadt ein und schlürft Champagner. Diese extremen Widersprüche, die sich durch ihr Leben ziehen, macht die Autorin bereits im Buchtitel "... trotz alledem!" und durch zahlreiche Zitate aus ihren Memoiren und aus Briefen und Tagebüchern ihrer Zeitgenossen sichtbar.

Auch ich war hin- und hergerissen zwischen Bewunderung, Anteilnahme und Unverständnis. Die Isadora, die im British Museum mit ihren Geschwistern die Posen der griechischen Antike studierte, sich von der Natur inspirieren ließ und unerschrocken auf der Bühne barfuß und in flatternden Gewändern tanzte, gefiel mir. Ihr extremer, ausschweifender Lebensstil nach einem Schicksalsschlag und ihr Umgang mit hilfsbereiten Freunden machten sie dagegen unsympathisch. Michaela Karl zeigt in dieser detailreichen Biografie, welcher Mensch mit seinen täglichen Sorgen, Freuden und ehrgeizigen Träumen hinter der Legende steckt.

Bewertung vom 13.10.2021
Fleckenverlauf
Mora, Terézia

Fleckenverlauf


gut

Wenn mich ein Buch beeindruckt, möchte ich gern hinter die Kulissen schauen. So erging es mir nach der Lektüre von „Die Liebe unter Aliens“, einer Kurzgeschichtensammlung von Terézia Mora. Daher wurde ich aufmerksam auf dieses Tages- und Arbeitsbuch von ihr und erhoffte mir einen Einblick in ihr Leben und ihre Inspirationsquellen.

Die ungewöhnlichen Erzählungen des besagten Bandes kommen tatsächlich mehrmals in ihren Eintragungen vor. Mehr Raum nimmt jedoch Darius Kopp, die Hauptfigur ihrer Romantrilogie, ein. Daneben beschreibt Terézia Mora Beobachtungen und kleine Glücksmomente in ihrem Alltag und zitiert Schriftsteller, Serien und Filme. Freunde und Bekannte kommen kaum vor, ihre Gedanken kreisen vielmehr um ihre schlechte gesundheitliche Verfassung und ihren Alltag als Schriftstellerin und Übersetzerin. Wenn sie Gründe dafür aufzählt, was sie vom Schreiben abhält – zeitraubender E-Mail-Verkehr, Arzt- und Pressetermine, Kindererziehung etc. – stellt man fest, dass es ihr nicht anders ergeht als ihren Berufskolleg/innen.

Manche Kommentare brachten mich zum Schmunzeln, zum Beispiel dass Reiseschriftsteller an exotische Orte fahren, „damit das, was sie machen, nach was aussieht“, auch wenn ich ihre Meinung nicht teile. Ich konnte zwar die Schriftstellerin ein wenig näher kennenlernen und nachfühlen, warum sie die sieben Jahre bis zu ihrem 50. Lebensjahr als "die härteste Zwischenzeit“ bezeichnet, doch die Lektüre ihrer Geschichten hat mir mehr Freude bereitet als ihre Momentaufnahmen.

Bewertung vom 05.10.2021
Jeden Tag blättert das Schicksal eine Seite um
Wassef, Nadia

Jeden Tag blättert das Schicksal eine Seite um


ausgezeichnet

Wenn man sich etwas wünscht, das es noch nicht gibt, sollte man es einfach selbst erschaffen. Genau das taten die Schwestern Nadia und Hind Wassef mit ihrer Geschäftspartnerin Nihal Schawky. Sie gründeten im März 2002 die erste unabhängige Buchhandlung in Kairo und nannten sie „Diwan“. Welche Hürden sie dafür aus dem Weg räumen mussten, schildert Nadia Wassef in diesem Buch. Ich habe mich bisher wenig mit Ägypten beschäftigt und fand es spannend, Einblick in das dortige Verlagswesen, den Buchhandel und die Literaturszene zu bekommen.

Wir begleiten die Autorin von einer Regalwand des Buchladens zur nächsten und erfahren, wie das Sortiment in den verschiedenen Abteilungen wie ägyptische Klassiker, fremdsprachige Bücher, Kulinarik, Business, Mutterschaft etc. zustande kam und welche Bücher besonders gut bei den Kunden ankommen. Dabei bekam ich große Lust, selbst in den Regalen zu schmökern und die illustre Kundschaft zu beobachten.

Von einzelnen Buchtiteln und ihrem Berufsalltag macht Nadia Wassaf einen eleganten Schlenker zu Themen wie die ägyptische Kultur, die Zensur oder das Frauenbild in der Gesellschaft. Sie gibt auch viel Persönliches preis, erzählt von Kindheitserinnerungen, beschreibt die unterschiedlichen Charaktere und Rollen der drei Buchhändlerinnen, den schwierigen Umgang mit jüngeren männlichen Angestellten und unternehmerische Entscheidungen bei der Gründung weiterer Filialen. Das Buch ist emotional packend und lehrreich zugleich und wird sicher nicht nur Fans von Büchern und Buchhandlungen wie mich begeistern.

Bewertung vom 01.10.2021
Wo auch immer ihr seid
Pham, Khuê

Wo auch immer ihr seid


ausgezeichnet

Irgendwann kommt wohl für jeden der Moment, in dem man gezwungen wird, sich mit seinen Wurzeln zu beschäftigen. Bei der Ich-Erzählerin Kieu ist eine Facebook-Nachricht von ihrem Onkel, der in Kalifornien lebt, der Auslöser. Zur Testamentseröffnung von Kieus verstorbener Großmutter trommelt er die gesamte Familie zusammen.

Für Kieu, die als Kind vietnamesischer Einwanderer in West-Berlin geboren wurde, ist es eine Reise in die Fremde und zugleich zu sich selbst. Schon immer versuchte sie, deutsch zu sein und so behandelt zu werden. Wie unwohl sie sich daher in Gesellschaft ihrer Verwandten fühlt, kommt besonders beim gemeinsamen Essen zum Ausdruck. Was es heißt, zwischen zwei Kulturen aufzuwachsen, kenne ich selbst nur zu gut. Dabei stellt man sich als Leser ganz ähnliche Fragen wie die Autorin selbst: Was steckt hinter dem Zerwürfnis zwischen ihrem Vater und ihrem Onkel?

Zum Glück lässt uns Khuê Pham nicht im Unklaren und erzählt uns parallel die Lebensgeschichte der Brüder. Der eine konnte durch ein Medizinstudium in Berlin dem Vietnamkrieg entkommen, der andere nicht. In ihren persönlichen Schicksalen spiegeln sich sowohl die Brutalität und Folgen dieses Krieges als auch die ganz unterschiedlichen Sichtweisen wider, was mir sehr nahe ging. Auch sprachlich gefiel mir der Roman sehr gut. Khuê Pham setzt sich nicht nur intensiv mit ihrer eigenen Familiengeschichte, sondern auch mit Themen wie Kriegsschrecken, Entwurzelung und Identität auseinander, die leider nichts an Aktualität eingebüßt haben.