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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
ElliP
Wohnort: 
Hessen

Bewertungen

Insgesamt 131 Bewertungen
Bewertung vom 10.07.2021
Nur der Tod ist unsterblich
Gnettner, Reinhard

Nur der Tod ist unsterblich


sehr gut

Sternstunden der Vergänglichkeit
Das Wien der Gegenwart, fünf hochkarätige Schriftsteller und Literatur im Kaffeehaus - das Setting ist perfekt für eine anspruchsvolle Kriminalerzählung, bei der es mehr um die wirklich wichtigen Dinge im Leben als um das schnöde Verbrechen geht.
Der Leser begleitet die fünf betagten Herren, die sich in einer Alten-WG zusammengefunden haben und auf der Suche nach ihrem Opus Magnum, nach dem perfekten, großen, abschließenden Text - Gedicht, Roman, Novelle - sind. Dabei unterstützt sie die hinreißende Ella, die den besten Kaffee kocht und die Marotten der WG-Bewohner mit Charme und Chuzpe zu meistern versteht.
Und dann passiert das Unglaubliche, Unerhörte, ein erster kaltblütiger Mord erschüttert die Stadt und die Sensationsblättchen sind voll mit den Neuigkeiten des Tages. Der müde, sich auf seinen baldigen Ruhestand freuende Inspektor tritt auf den Schauplatz und muss den letzten, großen Fall seiner Karriere lösen.
Ein amüsanter, kurzweiliger Roman, der uns durch die Gassen Wiens führt, dem Leben der Vergangenheit und der Literatur huldigt, sich mit Vergnügen skurrile Gespräche, Begegnungen ausdenkt: Ja, so hätte es gewesen sein können. Die existenziellen Themen von Tod und Vergänglichkeit, der Sinn des Lebens, der Wert und die Schönheit der Literatur stehen im Zentrum und sicherlich fühlt sich so mancher nach der Lektüre verleitet, seine „Strudelhofstiege“ oder die „Sternstunden der Menschheit“ wieder einmal hervorzukramen und sich ein Stündchen den großen Literaten zu widmen.

Bewertung vom 03.07.2021
Untermieter im Kopf
Suter-Lattmann, Angela

Untermieter im Kopf


sehr gut

Es geht um eine große, kurze Liebe, eine Eintagsfliege? Liebe auf den ersten Blick? Liebe ohne Ende? Die Vergänglichkeit, Krankheit und Tod, der Genuss und die Wertschätzung des Augenblicks, Carpe Diem und Momento Mori geben sich die Hand. Weitere Themen sind die psychische Gesundheit bzw. die Krankheit, immer noch nicht vollends akzeptiert in unserer Gesellschaft, unter der Emma leidet, Freundschaft und Vertrauen, Hoffnung auf eine zweite Chance, auf eine erfüllte Beziehung.
Der Weg zum Krankenhaus stellt eine Herausforderung dar, den es zu meistern gilt und auf diesem Weg begleiten wir die Hauptfigur und lernen sie kennen, mit all ihren Makeln und besonderen Reizen, ihrem scharfen, durchdringendem Blick und ihrer spitzen Zunge. Die wesentliche Begegnung erfolgt auf diesem Weg - kann so ein Augenblick ein ganzes Leben verändern? Schicksal und größtes Glück zugleich sein?
Das überraschende Ende zeigt uns, was alles möglich ist und den Schluss darf sich der Leser selbst schreiben, Happy End? Happy End…
Ein wahres Lesevergnügen aufgrund der zielgerichteten Erzählung, der wunderbar dichten Sprache und des ungewöhnlichen Inhalts!

Bewertung vom 27.06.2021
Heldinnen werden wir dennoch sein
Wünsche, Christiane

Heldinnen werden wir dennoch sein


sehr gut

Die großen Themen im Leben eines jeden: Freundschaft, Partnerschaft, Vertrauen und Authentizität - darum geht es in Christiane Wünsches neuem Roman „Heldinnen werden wir dennoch sein“.
Der Titel ist eigentlich irreführend, dann die alten Freunde aus der Clique sind alles andere als Helden, stattdessen treffen wir auf junge Menschen, die auf dem Weg sind, auf dem Weg nach Anerkennung, Liebe, Freundschaft. Mädchen und Jungen, Teenager, mit den typischen Sorgen und Freuden Heranwachsender: erste Liebe, Sexualität, ungewollte Schwangerschaft, Kräftemessen, Drogen, Konflikte und Krankheit. Tod und Verlust dringen in die ursprünglich heile Welt und nichts ist mehr so, wie es mal war. Dieser Weg ist nicht gerade und einfach und es kommt darauf an, was wir daraus machen, wenn wir uns nach Jahrzehnten noch als Freunde in die Augen blicken wollen.
Wir lernen die Clique näher kennen, heute und früher, die verschiedenen Ebenen laden zum Mitdenken ein und wie bei einem großen Puzzle entdeckt man nach und nach das Gesamtbild. Der Erzähler wechselt auch immer wieder die Perspektive und häufig dabei auch die Sympathien, was es besonders reizvoll macht, seine „ Lieblingsfiguren“ zu entdecken.
Insgesamt ein wahrer Pageturner, spannend, schnell, handlungsstark, voller Neugierde und Mitgefühl möchte man den Geheimnissen auf den Grund gehen.
Ein mitreißendes Buch, bei dem man zum Nachdenken über die eigenen Freundschaften und Beziehungen angeregt wird, ein Buch, das man nicht einfach so aus der Hand legen kann und das einem auf dem Weg zur eigenen Entwicklung Denkanstöße verpassen kann.

Bewertung vom 13.06.2021
Die Wahrheit der Dinge
Thiele, Markus

Die Wahrheit der Dinge


sehr gut

„Die Wahrheit der Dinge“ von Markus Thiele liest sich rasant; erstmal Feuer gefangen, kann man das Werk kaum zur Seite legen. Aber nicht nur die rasante Entwicklung der Geschichte zeichnet diesen Roman aus, sondern auch die verschiedenen Ebenen, die Handlungsstränge, die sich erst im Laufe der Zeit aufeinander zubewegen und miteinander verbinden.
Der Roman spielt im Gerichtsmilieu und die Hauptfigur ist ein erfolgreicher Richter, der mit seinem Leben, seiner Karriere und seinen persönlichen Verstrickungen hadert. Durch einen alten Fall, den er nicht ad acta legen kann und einem weiteren, relativ aktuellen Fall, der ihn nicht loslässt, fühlt er sich zum einen der Vergangenheit verhaftet und zweifelt zum anderen an seiner Kompetenz. Seine Familie ist keine Stütze für ihn und seine Gedanken kreisen um vielschichtige Themen wie Wahrheit, Gerechtigkeit und die Unfehlbarkeit des Gesetzes. Anspielungen auf aktuelle Gerichtsverhandlungen tauchen immer wieder auf und unterschiedliche Positionen werden erörtert.
Der Leser wird indirekt aufgefordert, Stellung zu beziehen, eigene Überlegungen anzustellen, auf alle Fälle mitzudenken. Diese bewusst offengelassenen Leerstellen – dass man nicht alles auf dem silbernen Tablett serviert bekommt, auch dass nicht alle Fragen beantwortet werden, sind reizvoll und bieten aktiven Lesegenuss.
Der Roman hat mich sehr zum Nachdenken angeregt und ich glaube, dass er gerade auch für junge Menschen sehr geeignet ist, einen Eindruck von der Vielschichtigkeit von Wahrheit zu bekommen. Gerechtigkeit und Schuld sind nie eine bloße mathematische Aufgabe, bei der es nur richtig oder falsch, sondern ganz viele Grauzonen gibt - und das wurde mir bei diesem klugen, hintergründigen und intensiven Roman so deutlich.

Bewertung vom 06.06.2021
Das Salzfass
Sailer, Simon

Das Salzfass


ausgezeichnet

Eine kleine, feine Novelle der besonderen Art – der Leser fühlt sich in der Zeit zurückversetzt, obwohl das Geschehen ganz aktuell ist.
Wir werden in die Welt der Antiquitäten eingeführt und gehen mit einem Salzfass auf die Reise durch die Vergangenheit – unglaublich, was es da zu erleben gibt.
Im Stile Edgar Allan Poes oder auch E.T.A. Hoffmanns erinnert die Handlung an die Schauergeschichten der Romantik, ebenso spannend, unterhaltsam und schaurig sind die Vorstellungen der belebten Materie, des beseelten Objekts, das vorsätzlich handeln und eventuell sogar denken und fühlen kann.
Atmosphärisch dicht, sprachlich poetisch und ausdrucksstark formuliert schafft es die Erzählung den Leser in seinen Bann zu ziehen und er kann das Buch nicht einfach aus der Hand legen.
Eine klare Leseempfehlung für alle, die sich gerne etwas gruseln und verzaubern lassen, in schräge, kleine Nebengassen einbiegen und liebend gerne Antiquitätenläden oder auch Trödelmärkte aufsuchen!

Bewertung vom 03.06.2021
Blütenschatten
McAfee, Annalena

Blütenschatten


ausgezeichnet

Ein grandioser Roman – ein Feuerwerk der Farbenpracht und des sprachlichen Zaubers.

Eve, eigenwillige, egozentrische, streitbare Künstlerin hat den Höhepunkt ihres Schaffens erreicht und bereitet ihre wichtigste und intensivste Ausstellung über Leben, Tod und Schönheit vor. Wir begleiten sie auf einer Fahrt durch das nächtliche London, eine Tour de Farce, die durchdrungen ist von Eves Gedanken und Gefühlen. Sie wird zu einer intensive Reise durch die Vergangenheit; kaleidoskopartige Momentaufnahmen, Impressionen, Erfolge und Misserfolge, Beziehungen, Freundschaften - diese Fahrt in ihr Inneres wird grandios erzählt und die Psyche entblößt sich vor dem Auge des Lesers. Wichtige Bezugspunkte ihres Lebens, Freunde, Liebhaber, Rivalen tauchen auf, Verletzungen, alte Feindschaften, Risse unter der Oberfläche werden peu a peu sichtbar.
Das künstlerische Umfeld, in dem sich Eve bewegt, wird bissig, tiefgründig und immer mit viel Sachverstand skizziert, verschiedene Strömungen, Stilrichtungen thematisiert und immer wieder spiegeln (echte) Kunstwerke wie Munchs „Schrei“ oder John Everett Millais‘ „Ophelia“ die Stimmung und das Geschehen wider.
Unglaublich dicht, von sprachlicher Präzision, Bilderreichtum und Metaphern nur so strotzend ist dieser Roman ein wahrer Genuss – keine leichte Unterhaltung, sondern ein Leckerbissen für den Geist und das innere Auge -
„Blütenschatten“ weckt Lust auf mehr dieser Autorin Annalena McAfee!

Bewertung vom 21.05.2021
Das Wasserhaus
Schultze, Reinhard

Das Wasserhaus


gut

Ein Roman über die Bedeutung und den Wert des Wassers eingebettet in eine spannende Familiensaga

„Ein gutes Rudel braucht immer beide – den mit dem Dolch und das Nilpferd, das lacht.“
Der Roman versucht zwei Ebenen zu verknüpfen und den Leser zu erbauen und zu bilden und beide Ansätze verbindet Reinhard Schultze gekonnt. Wir erfahren Genaueres über den Raubbau von Ressourcen im Allgemeinen, Wasserverschmutzung und einem Wasseraufbereitungsprojekt im Besonderen. Dazu kommt dann eine überaus unterhaltsame Familiengeschichte mit diversen Charakterköpfen, von denen jeder von unterschiedlichen Motivationen und Anschauungen geleitet wird. Diese z.T. konfliktgeladenen Zusammentreffen verweben Gegenwart und Vergangenheit und die Figuren werden anschaulich gezeichnet und bieten unterschiedliche Identifikationsvorlagen.
Allerdings ist für meinen Geschmack der erhobene Zeigefinger zu deutlich zu spüren – Wasser ist so kostbar, dass wir uns weitreichende Gedanken über den Verbrauch und den Umgang mit dem lebensstiftendem Nass machen sollten.
Alles in allem ist der Roman dennoch lesenswert und er bietet sowohl einen gelungenen Einblick in das Thema der Wasserknappheit als auch eine unterhaltsame Familiengeschichte, bei der es um das Große und Ganze geht!

Bewertung vom 14.05.2021
Der Verdrüssliche
Holzmair, Eva

Der Verdrüssliche


ausgezeichnet

Der Mensch ist gut, nur die Leut‘ sind schlecht (Nestroy).

Ein grandioses Lesevergnügen, bei dem der Leser selbst aktiv werden und mitdenken muss.
Die drei Erzählstränge – fantasievoll, anregend und intelligent – sind miteinander verwoben, was sich erst nach und nach offenbart.

Ein besonders skurriler und famoser Erzähler ist der titelgebende Charakterkopf, der so viel erlebt, über die Jahrhunderte hinweg als genauer Beobachter die Welt und seine Umgebung betrachtet und Schlüsse gezogen hat – ein redseliger Alter, der sein Hier und Jetzt immer wieder forsch bezwingt und mit der Zeit geht – that’s the way you do it. Dann erleben wir die kluge, gezeichnete Carola, Frau Dr. Hofrätin, die sich noch einmal abschließend ihrer Lieblingsaufgabe widmet. Das Trio komplettiert Gitta, die empfindsame, fragile und talentierte Künstlerin, die dabei ist, das Leben zu üben und zu meistern.
Jeder ist auf seine Art und Weise gefangen und begrenzt, versteht es aber auch mit unterschiedlichen Ausdrucksmitteln sich zu offenbaren und mit der Welt in Kontakt zu treten. Und alle drei verbindet eine große Leidenschaft…
Es geht um Kunst, um Kommerz, die Welt der Museen und der Meisterwerke, um Kunstmäzene, Raubkunst, Nazigrößen, Katzen und Ratten, Schein und Sein, letztendlich um das Wahre und Echte im Leben.

Spannend wie ein Thriller liest sich dieser Roman, peu a peu verfolgen wir den Weg des Verdrüsslichen und finden heraus, ob er schon bei seinem letzten Ziel angekommen ist und sein Glück finden kann.

Bewertung vom 08.05.2021
Alles, was passieren wird
Hacker, Katharina

Alles, was passieren wird


sehr gut

Weißt du, es ist schön hier, aber es geht auch einiges schief.

Ein zärtlicher Jugendroman, der viele große Themen behandelt: ein Buch über Wahrheit, Vertrauen, Freundschaft, Abschied und Neubeginn.
Wir begleiten das Mädchen Iris nach dem Tod der geliebten Mutter, die immer wieder in ihren Träumen und Gedanken auftaucht. Iris versucht mit dieser schwierigen Situation zurechtzukommen, aber es hat sich einfach alles verändert. Die Trauerbewältigung fällt nicht nur ihr schwer, auch der Vater leidet, die Kommunikation zu ihm und auch zu ihrer besten Freundin ist teilweise unmöglich und gestört und alles steht auf dem Spiel. Eindeutig ist nur die riesige Leerstelle, das Fehlen der Mutter und Ehefrau, dem Zentrum der Familie, die ihnen zu schaffen macht…
Aus der Perspektive der Ich-Erzählerin nehmen wir an ihren Ängsten, Gedanken und Hoffnungen teil, die Welt der Erwachsenen wirkt immer wieder gestört und falsch – warum nur muss vieles so vieles im Leben schieflaufen?
Katharina Hacker versteht es, sich ganz unaufgeregt und einfühlsam in die junge Heldin zu versetzen, sie wächst dem Leser ans Herz und ihre Sorgen sind so nachvollziehbar. „Ich wünschte mir so sehr, ich hätte meine Mutter fragen können, ob sie sich auch wirklich nicht verraten fühlte, wenn ich wieder glücklich wäre.“
Ein emotionales, spannendes Leseerlebnis besonders auch für alle Pferde- und Hundefans, die schon immer wussten, dass Tiere einen besonderen Zugang zu Menschen haben und eine große Bereicherung für das seelische Gleichgewicht darstellen können.

Bewertung vom 05.05.2021
Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte
Tîbuleac, Tatiana

Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte


ausgezeichnet

„Wir waren nicht normal“
Die Chronologie des Sommers - Erinnerungsfetzen, Träume, Ängste, existenzielle Gefühle, Alles und Nichts …
In dieser unerwünschten Aus-Zeit passiert das Unerwartete: Aleksy und seiner Mutter verbringen die Ferien miteinander in Frankreich und betreten unbekanntes Terrain. Die wenigen gemeinsamen Wochen verändern ihre gestörte Beziehung grundlegend, sie entdecken den anderen ohne Maske, aber können die mannigfachen Verletzungen geheilt werden? Die typischen Rollen müssen getauscht werden: Der Sohn übernimmt Verantwortung für die Verletzliche und konzentriert sich nicht mehr nur auf die eigene Erlebniswelt und die eigene Person. Die Vergangenheit wird neu gesichtet, neu bewertet, aber nicht alle Erlebnisse, Tod, Lüge, Schuld können ohne Schmerz einfach vergessen werden.
Der Sommer des Abschieds ist auch ein Neubeginn und eine Metamorphose, rückblickend Ausgangspunkt einer Entwicklung, die das ganze Leben verändert. Nach und nach verschärft sich der Blick auf das Ganze; zuerst unverständlich werden die Splitter und Scherben zusammengesetzt und die Geschichte hinter den verschiedenen Momentaufnahmen tritt immer deutlicher hervor: eine Familie jenseits der Normalität, eine Familie ohne Liebe und Zuneigung, ohne Zukunft.
Aleksy, ein unglaublicher Protagonist voller Wiedersprüche, Aggressionen, Sprachgewalt, Lebensgier, Fatalismus, Eigensinn und so vieles mehr. Die Sprache ist entsprechend ausdrucksstark - voller Magie, ungewöhnlicher Ausdrücke und Vergleiche – mal kraftstrotzend, brutal, offen und dann wieder ganz zärtlich und voller Poesie.
Ein unglaublicher Roman, eine Geschichte, die berührt, die einen nicht loslässt, ein Sog, faszinierend, intensiv, verstörend.