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R. S.

Bewertungen

Insgesamt 165 Bewertungen
Bewertung vom 07.09.2022
Die rätselhaften Honjin-Morde / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.1
Yokomizo, Seishi

Die rätselhaften Honjin-Morde / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.1


sehr gut

Klassischer Kriminalroman über einem Mord in einem verschlossenen Raum

3.5/5

„Die rätselhaften Honjin-Morde“ spielt 1937 in einem ländlichen japanischen Dorf namens Okamura, wo nach der Hochzeit des ältesten Sohnes der wohlhabenden Familie Ichiyanagi ein grausamer Mord geschieht. In der Hochzeitsnacht hört die Familie schreckliche Schreie aus dem Schlafzimmer des frisch vermählten Paares. Kurz darauf wird das Brautpaar ermordet aufgefunden. Das Mysteriöse daran ist, dass die Tür und die Fenster des Schlafzimmers verschlossen waren und somit der Mord in einem geschlossenen Raum stattgefunden hat.
Warum musste das Brautpaar sterben? War der ominöse Mann mit drei Fingern, der durch das Dorf streifte und der von den Dorfbewohnern gesehen wurde, der Mörder? Und was hat es mit der mysteriösen Koto-Musik auf sich, die man in der Nacht vernehmen konnte? Um den Fall zu lösen, bittet der trauernde Onkel der ermordeten Braut den Privatdetektiv Kosuke Kindaichi um Hilfe.

Bei „Die rätselhaften Honjin-Morde“ handelt es sich um einen klassischen Kriminalroman über einen Mord in einem verschlossenen Raum. Es ist der erste Teil einer Serie, in der der junge, zerzauste und stotternde Detektiv Kosuke Kindaichi die Hauptrolle spielt.

Was mir gut gefallen hat, war der flüssige und kurzweilige Schreibstil, die Anspielungen auf klassische Kriminalautoren wie Agathe Christie, die ebenfalls Krimis über Mordfälle in verschlossenen Räumen geschrieben haben und der Einblick in die japanische Kultur.
Als Fan klassischer Detektivgeschichten und Kriminalromane sprach mich auch die Wahl der Erzählperspektive an. Wer hierbei jedoch einen spannenden und wendungsreichen Krimi erwartet, wird eher enttäuscht sein, geht es doch mehr um das Wie und weniger um das Wer und Warum. Dadurch das ein namenloser Erzähler die Ereignisse Jahre nach dem Fall rekonstruiert und sich auf das stützt, was ihm von Personen aus dem Umfeld des Verbrechens berichtet wurde, fehlt der es der Geschichte an Dringlichkeit, vieles wird schon ziemlich früh angedeutet, und die Handlung an sich ist ziemlich Meta-lastig.

Alles in allem ein gut konstruierter Krimi, der ohne unnötige Beschreibungen auskommt und mit einer guten Charakterzeichnung aufwartet. Für Fans klassischer Detektivgeschichten zu empfehlen.

Bewertung vom 04.09.2022
Carrie Soto is Back
Reid, Taylor Jenkins

Carrie Soto is Back


sehr gut

Fesselndes Buch über Tennis und Frauen in der Sportwelt

Wir schreiben das Jahr 1994 und Carrie Soto, eine der größten Tennisspielerin aller Zeiten, muss mit ansehen, wie ihr Rekord von der sehr talentierten Nikki Chan bei den US-Open gebrochen wird. Daraufhin beschließt Carrie, mit 37 Jahren ihren Ruhestand als Tennisspielerin aufzugeben, um ihren Rekord zurückzuerobern, und zwar mit ihrem Vater an ihrer Seite. Als ihr Trainer hat ihr Vater sie immer dazu gedrängt, das Beste aus sich herauszuholen, und Carrie hat diese Einstellung ihr ganzes Leben lang mit sich herumgetragen: Sie muss die Größte sein und darf nicht versagen. Deshalb nennen die Medien sie auch die "Kampfmaschine“. Carrie will sich und allen beweisen, dass sie es noch draufhat, aber um in der Rangliste aufzusteigen und Titel zu gewinnen, muss sie sich deutlich verbessern. Dafür braucht sie die Hilfe von Bowe Huntley, der als Tennisspieler auch noch letzte Erfolge erzielen will, bevor er aufgibt. Bald geht es nicht nur um Titel und Rekorde, sondern um viel mehr für Carrie.

Taylor Jenkins Reid hat mit „Carrie Soto is Back“ eine eindrucksvolle und kurzweilige Geschichte über Tennis, Ehrgeiz und Tatkraft geschrieben, in der es auch darum geht, was es bedeutet, eine Frau zu sein, die alles will, während die ganze Welt ihr dabei zusieht. Carrie ist eigen, abgehärtet und manchmal auch ziemlich egoistisch. Zusammen mit ihrem eisernen Willen und unbarmherzigen Ehrgeiz hat sie sich so nicht nur Freunde beim Publikum und in den Medien gemacht. Doch genau diese Charaktereigenschaften sowie ihre Hingabe an den Tennissport und an die, die sie liebt, machen sie insgesamt zu einer faszinierenden Persönlichkeit, der man gerne folgt und der man beim Lesen die Daumen drückt, als handelte es sich um ein echtes Tennismatch.

Wenn man sich an die Tennisbegriffe und dem eingestreuten Spanisch gewöhnt hat, fliegt man dann sehr schnell nur so durch die Seiten und folgt gebannt Carrie auf und abseits des Tennisplatzes. Besonders die kurzen Kapitel, die eingestreuten Zeitungsartikel und Spielkommentare sorgen für schnelles und unterhaltsames Lesen. Obwohl das Buch über Tennis handelt, muss man hierbei kein Tennisfan sein, um das Buch genießen zu können. Auch hat das Buch eine gewisse Tiefe. Die Charaktere sind gut gezeichnet und Carries Beziehungen, Gefühle und Charaktereigenschaften sowie das Thema Frauen im Sport werden gut durchleuchtet und beschrieben und machen das Buch insgesamt lesenswert.

Wer auf der Suche nach einem fesselnden, leicht zu lesenden und unterhaltsamen Buch mit Tiefe ist, macht mit „Carrie Soto is Back“ nichts falsch.

Bewertung vom 01.09.2022
Wer mit den Toten spricht / Raven & Flyte ermitteln Bd.2
Turner, A. K.

Wer mit den Toten spricht / Raven & Flyte ermitteln Bd.2


gut

Cassie überzeugt, die Handlung eher nicht

3.5/5

Cassie hatte immer geglaubt, dass ihre Eltern bei einem tragischen Autounfall ums Leben kamen. Wie sich herausstellte, saß ihr Vater über ein Jahrzehnt im Gefängnis, weil er ihre Mutter in einem betrunkenen Wutanfall zu Tode geprügelt hatte. Erst nach einem Schlaganfall enthüllte ihre Großmutter der erwachsenen Cassie schließlich die Wahrheit. Sie hat gute Erinnerungen an ihre Eltern. Vor allem an ihren Vater. Deshalb ist die wahre Geschichte hinter dem Tod ihrer Mutter und der Inhaftierung ihres Vaters ein großer Schock für sie und löst sehr gemischte Gefühle bei ihr aus. Und in all der Zeit, seit ihr Vater entlassen wurde, hat er sich nie bei ihr gemeldet. Bis jetzt. Er hat immer seine Unschuld beteuert. Aber jetzt liegt es an Cassie, ob sie auf ihn hören will oder nicht.

Die Prämisse des Thrillers klang vielversprechend, doch leider konnte mich das Buch nicht restlos begeistern. Die Stärke des Buches sind auf jeden Fall der gute und eingängige Schreibstil, man fliegt förmlich durch die Seiten sowie die gut gezeichneten Charaktere, besonders die Protagonistin Cassie gefiel mir gut. Obwohl sie in keiner Weise typisch ist, ist sie durch ihre Freundlichkeit und ihren Respekt vor den Toten wirklich liebenswert. Mir gefällt auch die Tatsache, dass sie die Gedanken der Toten hören kann, auch wenn ich beim Lesen das Gefühl hatte, dass das Potenzial hier nicht vollständig ausgeschöpft wird. Positiv ist auch die Liebe zum Detail bei Beschreibung von Cassies Arbeit in der Gerichtsmedizin anzumerken. Die Fülle anschaulicher Leichenbeschreibungen und anatomischer Details zeugt von der umfassenden Recherche der Autorin.

Probleme habe ich vor allem mit der Handlung. Zu Beginn kommt nur wenig Spannung auf und die Geschichte zieht sich etwas, auch wird viel Nebensächliches zu ausführlich behandelt, was dann aber immerhin zum Schluss besser wird. Außerdem gibt es inhaltlich einige Stellen, bei denen ich beim Lesen mit den Augen rollen musste, da durch sie meiner Meinung nach die Geschichte nur unnötig dramatisiert wird, wodurch ihr etwas von ihrer Glaubwürdigkeit genommen wird. Auch konnte ich nie wirklich eine emotionale Nähe zu den Charakteren aufbauen.

Insgesamt ist „Wer mit den Toten spricht“ ein kurzweiliger Thriller mit einer außergewöhnlichen Protagonistin und interessanter Prämisse, jedoch inhaltlich etwas langatmig und teils mit Schwächen.
Da dieses Buch so viel mit Cassies Familie zu tun hat, funktioniert es auch gut als Standalone und es ist einfach als Neuling in die Serie und in das Buch einzutauchen.

Bewertung vom 30.08.2022
Die Stimme meiner Schwester
Vieira Junior, Itamar

Die Stimme meiner Schwester


sehr gut

Das Erbe der Sklaverei in Brasilien - eindrucksvoll erzählt

„Die Stimme meiner Schwester“ von Itamar Vieira Junior ist ein beeindruckender und bewegender Roman über das Erbe der Sklaverei in Brasilien.
Erzählt wird die Geschichte zweier Schwestern, Bibiana und Belonísia, die durch ein schicksalhaftes Ereignis in ihrer Kindheit eng miteinander verbunden sind. Beide sind Nachkommen ehemaliger afrikanischer Sklaven und gehören der Gemeinschaft der Quilombolos an. Schauplatz der Handlung ist die fiktive Farm Agua Negra im Nordosten von Brasilien. Allgegenwärtig in der Erzählung ist der Glaube der Quilombolos mit all seinen mystischen Elementen und ihre tiefe Verbindung mit dem Land, auf dem sie leben und arbeiten.

Aufgeteilt in drei Teile, beginnt der Roman damit, dass man Sicht der einen Schwester Zeuge wird, wie die andere sich beim Spielen mit einem Messer aus Versehen die Zunge abschneidet. Erzählt erst aus Sicht der einen, dann der anderen Schwester, folgt man Bibiana und Belonísia beim Erwachsen werden und wie sie das harte Leben auf der Farm meistern. Durch ihre Augen gewinnt man einen Einblick in die Unterdrückung und Ungerechtigkeiten, denen sie als Frauen und als Arbeiter auf der Farm ausgesetzt sind. Im Gegensatz zu Belonísia, die sich mit dem harten Leben arrangiert hat, will Bibiana die Situation nicht länger hinnehmen. Sie beginnt zusammen mit ihrem Ehemann, die anderen Arbeiter von Água Negra zu organisieren und fordert ihre Rechte für das Land ein, auf dem deren Familien jahrzehntelang gearbeitet haben, das ihnen aber nicht gehört. Der Kampf um die Befreiung von Ausbeutung und Knechtschaft hat jedoch einen menschlichen Preis.

„Die Stimme meiner Schwester“ ist ein Roman, der erst nach und nach seine ganze Kraft entfaltet, dann aber einen nicht mehr loslässt. Mittels seines kraftvollen und atmosphärischen Schreibstils versetzt der Autor einen in die Siedlung von Bibiana und Belonísia und vermittelt so ein authentisches und einfühlsames Bild vom Leben der Quilombolos. Ein Roman, der den Unterdrückten eine Stimme gibt und die Frauen in den Mittelpunkt stellt. Lesenswert!

Bewertung vom 29.08.2022
Das Zuhause
Coccia, Emanuele

Das Zuhause


gut

Philosophische Reise durch die eigenen vier Wände

Emanuele Coccias „Das Zuhause“ ist ein kompaktes und facettenreiches Buch über den häuslichen Raum, den wir Menschen als Zuhause bezeichnen. Der Autor erklärt darin auf philosophische-analytische Weise, welche materielle, strukturelle und psychologische Bedeutung die verschiedenen Räume, teils auch das Inventar sowie Flur, Garten und Terrasse für den Menschen haben. Seine philosophischen Ausführungen lassen einen nicht nur über das Zuhause an sich und seinen moralischen Wert nachdenken, sondern auch über viele andere Themen wie Geschlecht, Liebe, Identität und Elternschaft, wobei mir manchmal der Zusammenhang zum Thema Zuhause fehlte.
Gelegentlich schweift der Autor auch vom Thema ab, wird zu theoretisch oder verliert sich in Nebensächlichkeiten, wodurch man leider schnell den roten Faden verliert. Erschwerend für das Textverständnis kommt hinzu, dass der Autor sich vorwiegend eines gehobenen Sprachstils mit langen und verschachtelten Sätzen bedient. Von Vorteil ist hierbei, dass die Kapitel nicht zu lang sind und thematisch nicht aufeinander aufbauen, sodass man die Kapitel überspringen kann, die einem nicht zusagen.

Insgesamt ist „Das Zuhause“ von Emanuele Coccia ein interessantes und zum Nachdenken inspirierendes Buch, bei dem aber manchmal der Eindruck entsteht, dass sich der Autor ein wenig zu sehr im philosophischen Aspekt des Hauses verliert und daher die Konzepte auf die Leser*innen etwas abstrakt wirken bzw. dass sich kein eindeutiger Zusammenhang zum überordnenden Thema des Zuhauses erkennen lässt. Daher eher nur für Liebhaber philosophischer Texte zu empfehlen.

Bewertung vom 29.08.2022
Sturmrot / Eira Sjödin Bd.1
Alsterdal, Tove

Sturmrot / Eira Sjödin Bd.1


gut

Nordic-Langeweile statt Nordic-Noir

2.5/5

„Sturmrot“ von Tove Alsterdal ist ein Schwedenkrimi, der aus Sicht verschiedener Charaktere erzählt wird und ist der erste Band einer neuen Reihe um die Polizistin Eira Sjödin.
Die Handlung beginnt damit, dass Olof Hagström auf seiner Fahrt entlang der Nordküste Schwedens einen Impuls folgt und seinen Vater und seinem Heimatort nach langer Abwesenheit einen Besuch abstattet, wo er vor 20 Jahren ein Verbrechen begangen haben soll. Der damals 14-jährige Olof hat gestanden, dass er ein Mädchen namens Lina Stavred vergewaltigt und ermordet hat, woraufhin er in ein Jugendheim untergebracht wurde. Als er jedoch in seinem Elternhaus ankommt, findet er seinen Vater tot in der Badewanne auf. Wer hat ihn ermordet und warum? Gibt es einen Zusammenhang zu dem Fall vor 20 Jahren? Die Polizistin Eira Sjödin macht sich auf die Suche nach dem Mörder und dem Motiv. Ihre Nachforschungen führt sie zurück in die Vergangenheit zum Fall Lina und sie muss feststellen, dass es auch familiäre Verbindungen zu dem Fall gibt.

Die Prämisse von „Sturmrot“ war vielversprechend, aber leider war es nicht so fesselnd, wie ich mir erhofft habe. Der Klappentext macht Lust auf einen atmosphärischen, spannenden und mysteriösen Krimi, doch außer der stimmungsvollen Atmosphäre wurde der Kriminalroman meinen Vorstellungen nicht gerecht.
Die Handlung war zwar gut erdacht und anfangs kam durchaus Spannung auf, aber ab etwa der Hälfte des Buches hat die Handlung stark mäandert und verlor sich in Nebensächlichkeiten, sodass das Mysterium hinter dem Kriminalfall für mich seinen Reiz verlor. Auch litt der Spannungsbogen darunter, dass man ziemlich schnell erahnen kann, was sich vor 20 Jahren wirklich ereignet hat.
Darüber hinaus blieben auch die Charaktere, Haupt- wie Nebencharaktere, ziemlich blass und eindimensional, der Charakterzeichnung fehlte es eindeutig an Tiefe. Besonders mit der Protagonistin Eira Sjödin wurde ich nicht richtig warm und ich empfand sie als Ermittlerin unprofessionell.

Alles in allem für mich ein Schweden-Krimi, der dessen Vorschusslorbeeren nicht gerecht wurde und statt für Spannung eher für Langeweile sorgte.

Bewertung vom 27.08.2022
Freundin bleibst du immer
Obaro, Tomi

Freundin bleibst du immer


weniger gut

Verschenktes Potenzial

2.5/5

In „Freundin bleibst du immer“ von Tomi Obaro geht es, wie der Titel schon andeutet, um das Thema Freundschaft, konkret um die Freundschaft zwischen drei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Durchaus unterhaltsam und kurzweilig wird auf knapp über 300 Seiten erzählt, wie die drei Freundinnen Enitan, Zainab und Funmi nach 30 Jahren wieder in Lagos zusammenkommen, um die Hochzeit von Destiny, Funmis Tochter, zu feiern.
Die Geschichte ist aufgeteilt in zwei Zeitstränge, einer in der Gegenwart mit Destinys Hochzeit und einer in den 80er-Jahren, als sich die drei Frauen an der Universität von Lagos kennenlernten und im Verlauf ihres Studiums zu besten Freundinnen wurden. Dabei wird neben dem Kennenlernen der drei auch auf deren Liebeserfahrungen an der Uni, was nach ihren Abschlüssen passiert ist sowie auf die politische Situation eingegangen. In der Gegenwart stehen neben der Freundschaft die Themen Mutter-Tochter-Beziehung und Generationenkonflikte im Fokus.

Doch leider konnte der Roman mich in Bezug auf das Thema der Freundschaft zwischen Enitan, Zainab und Funmi nicht wirklich überzeugen. Zu keiner Zeit war für mich eine tiefe emotionale Verbindung zwischen den dreien spürbar, beim Lesen hatte ich eher das Gefühl, das einem erzählt wird, dass sie beste Freundinnen sind und nicht das gezeigt wird, was ihre Freundschaft nun eigentlich so besonders macht. So hätte ich mir z. B. im Erzählteil, der in der Vergangenheit spielt, gewünscht, dass mehr auf ihre Freundschaft als auf ihre romantischen Erfahrungen eingegangen wäre.
Auch in der Gegenwart blieb vieles nur oberflächlich und wurde nicht tiefergehend behandelt. Besonders die Beschreibung der Hochzeit von Destiny nahm im letzten Teil viel Platz in Anspruch, ohne außer einen atmosphärischen und authentischen Einblick in die nigerianische Kultur zu geben, etwas großartig zur Handlung beizusteuern.

So bleibt nach Beenden der Lektüre eher ein Gefühl der Enttäuschung zurück. Die Prämisse war toll und das Potenzial war vorhanden, aber außer dem facettenreichen und faszinierenden Einblick in die Gesellschaft und Kultur von Nigeria konnte mich der Roman in Bezug auf das Thema Freundschaft nicht wirklich überzeugen. Vieles wurde nur angedeutet oder oberflächlich behandelt, sodass es dem Roman insgesamt einfach an Tiefe fehlt.

Bewertung vom 26.08.2022
Blutige Stufen / Detective Robert Hunter Bd.12
Carter, Chris

Blutige Stufen / Detective Robert Hunter Bd.12


sehr gut

Ein Mentor, der einem das Fürchten lehrt

In Chris Carters neuen spannenden Thriller “Blutige Stufen” trifft man auf ein einen Mörder, der sich selbst der Mentor nennt und bei seinen Verbrechen so bösartig und akribisch vorgeht, das nicht nur die Leser*innen sondern auch die einiges an Grausamkeiten gewöhnten Detective Robert Hunter, sein Partner Detective Carlos Garcia und das restliche Team der UV-Einheit des LAPD an ihre Belastungsgrenze gebracht werden. Der Mörder lebt von der Angst seiner Opfer, foltert diese auf brutalste Art und Weise, bis sie schließlich tot sind. Zusätzlich hinterlässt er immer einen Teil eines Gedichtes bei der Leiche, auf das sich Hunter zunächst keinen Reim machen kann. Doch quält er nicht nur seine Opfer, sondern auch die Angehörigen, indem kurz nach dem Mord eine Videobotschaft an diese sendet, deren Inhalt so grausam ist, dass es sie um den Verstand bringt. Zunächst ohne Spur, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, der dann in einem großen Showdown endet.

Robert Hunters 12. Fall ist blutig, grausam, fesselnd von Anfang bis Ende und definitiv nichts für schwache Nerven. So angewidert man von dem grausamen Vorgehen des Mörders auch sein mag, Carter schafft es mit seinem atmosphärische düsteren Schreibstil und einer wendungsreichen Handlung einen in seinen Bann zu ziehen, sodass man nicht aufhören kann zu lesen. Beim Lesen positiv aufgefallen ist mir auch, dass nicht nur auf die Morde eingegangen wird, sondern auch auf deren psychische Auswirkungen auf die Hinterbliebenen. Mit entsprechender Sensibilität werden hierbei Themen wie Trauer, Trauma und Selbstmord angesprochen und teils auch ausführlicher behandelt.

Leider passt jedoch die Grausamkeit des Mentors nicht ganz mit seinem Motiv hinter seinen Taten überein, meiner Meinung nach ist seine Reaktion zu extrem, wodurch die Glaubwürdigkeit der Handlung im Nachhinein etwas leidet. Nichtsdestotrotz ist „Blutige Stufen“ ein blutiger und fesselnder Psychothriller, bei dem Fans von Chris Carter definitiv auf ihre Kosten kommen.

Bewertung vom 25.08.2022
Das neunte Gemälde / Lennard Lomberg Bd.1
Storm, Andreas

Das neunte Gemälde / Lennard Lomberg Bd.1


sehr gut

Fesselnder Krimi über NS-Raubkunst

Im April 2016, erhält der Kunstexperte Dr. Lennard Lomberg einen mysteriösen Anruf von einen gewissen Monsieur Dupret. Dupret ruft ihn im Auftrag einer Stiftung an, die ein kubistisches Gemälde, bei dem es sich um NS-Raubkunst handelt, zurückgeben will und an dem Lomberg persönliches Interesse hat. Mehr Informationen sollen bei einem weiteren Treffen geliefert werden, doch zudem kommt es nicht, denn bevor er sich mit Dupret treffen kann, wird dieser tot aufgefunden und das BKA steht vor seiner Tür und verdächtigt Lomberg mehr über den Fall zu wissen. Infolgedessen begibt sich Lomber auf die Suche nach Antworten und kommt so einem dunklen Familiengeheimnis auf die Spur.

Auf drei Zeitebenen und in mehreren Handlungssträngen wird dann das Rätsel um das neunte Gemälde nach und nach aufgelöst, und die Geschichte, die sich dahinter verbirgt, hat es in sich. Als Leserin reist man in die Vergangenheit nach Paris zur Zeit der deutschen Besatzung in die junge Bundesrepublik und in die Gegenwart, wo man Lomberg quer durch Europa dabei begleitet, wie er Lichts ins Dunkle bringt. Unterstützung erhält er auch durch seine Tochter und der Kriminalrätin Sina Röhm. Es geht um Beutekunst und die Rolle, die Lombergs Vater in Paris gespielt hat und wie er in den 60er-Jahren dann Karriere machte.

Die Handlung ist komplex aber logisch aufgebaut und wenn man sich an den leicht anspruchsvollen und dialoglastigen Schreibstil gewöhnt hat, ist es schwer sich dem Bann des Buches zu entziehen. Dem Autor ist es hierbei auch gut gelungen, geschichtliche Fakten und Ereignisse gut mit fiktiven Inhalten zu mischen, sodass authentische Charaktere und eine glaubwürdige Geschichte entstanden sind, die sich so auch in Wirklichkeit so hätte zutragen können.

Alles in allem ist „Das neunte Gemälde“ von Andreas Storm ein vielschichtiger Krimi, der vor allem durch seine interessanten und gut gezeichneten Charaktere sowie einer gut konstruierten und fesselnden Handlung überzeugen kann. Klare Leseempfehlung für all diejenigen, die sich für Kunst, insbesondere Raubkunst, interessieren und Fans von anspruchsvollen Krimis sind.

Bewertung vom 25.08.2022
Schlangen im Garten
vor Schulte, Stefanie

Schlangen im Garten


sehr gut

Trauer surreal dargestellt

3.5/5

Familie Mohn trauert, denn sie hat die Mutter Johanne verloren. Doch die Art und Weise, wie sie trauert, gefällt nicht jedem, dass Traueramt melden sich bei ihnen und sie stehen im Verdacht, die Trauerarbeit zu verschleppen. Doch der Vater Adam und die Kinder Linne, Steve und Micha halten sich nicht daran. Sie wollen und können noch nicht Abschied nehmen von ihrer Mutter, haben sie doch Angst, sie zu vergessen. Familie Mohn will die Erinnerung an Johanne wachhalten und das mutet mitunter sehr skurril an, da werden z. B. Tagebucheinträge der Mutter gegessen, um sie in Erinnerung zu behalten, auch scheinen die Dinge der Familie Mohn um Johanne zu trauern.

All das wird in einer surrealen und märchenhaften Geschichte erzählt, bei der man manchmal zweimal lesen muss oder pausieren muss, um das Geschriebene auf einen wirken zu lassen. Ausdrucksstark und voller Metaphern wird der Trauerprozess der Familie aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Als Leser*in ist man fasziniert, teilweise aber auch verwirrt.

Es ist kein rein trauriges oder bedrückendes Buch, auch wenn es um Trauer geht, sondern auch ein Buch voller Liebe und Hoffnung auf bessere Zeiten. Wie die ganze Familie in der Trauer wieder einander näherkommt, sich nach außen hin öffnet und Johanne in Geschichten weiterleben lässt, zeigt dies deutlich.

„Schlangen im Garten“ von Stefanie vor Schulte ist ein eigenwilliges, aber kraftvolles Buch über Trauer, das einen nach Beenden des Buches noch länger begleiten wird. Aber sicherlich auch ein Buch nicht für jedermann, den der poetisch, aber teils distanziert und abgehakte Schreibstil sowie das skurrile märchenhafte der Geschichte machen das Lesen nicht leicht. Ein Roman, auf dem man sich einlassen muss, damit er seine Wirkung entfalten kann, doch es lohnt sich.