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Forti

Bewertungen

Insgesamt 204 Bewertungen
Bewertung vom 05.10.2018
Das Vogelhaus
Meijer, Eva

Das Vogelhaus


ausgezeichnet

Die niederländische Autorin Eva Meijer stieß bei Recherchen für ein anderes Buch auf die Vogelforscherin Len Howard, die Ende des 19. Jahrhunderts geboren wurde. Über mehrere Jahrzehnte lebte diese bis zu ihrem Tod 1973 in ihrem 'Vogelhaus' in englischen Sussex. Dort beobachtete sie zahlreiche einheimische Vögel (vor allem Kohlmeisen), baute Vertrauen auf, lebte mit den Vögeln zusammen, richtete ihr Leben nach ihnen aus und veröffentlichte mehrere Artikel und zwei Bücher über ihre Beobachtungen. Obwohl sie nie ein wissenschaftliches Studium absolvierte und von der damaligen Wissenschaft nicht ernst genommen wurde, war sie bei den Forschungsmethoden ihrer Zeit voraus und beobachtete die Vögel in ihrem natürlichen Habitat und betrachtete sie als Individuen. Geprägt ist Len Howards Vorgehen von einer Empathie, die auch heute noch vorbildlich ist.
Im Roman vermischen sich Wahrheit und Fiktion, was mich zunächst vor allem in den Passagen über die Meise Sternchen irritierte, die Eva Meijer so schreibt, als würde es sich um von Len Howard geschriebene Zeitschriftenartikel handeln. Irgendwann warf ich diese Bedenken aber über Bord und ließ mich von der Geschichte einer ungewöhnlichen Frau unterhalten und bezaubern.
Eva Mejer beschreibt Len Howards Leben, ihre Gedanken und Gefühle und ihre Liebe zu Vögeln mit einer einfühlsamen, melodischen Sprache, die sich gut lesen lässt.
Für mich ein Highlight! Ein Muss für alle Vogelliebhaber!

Bewertung vom 04.10.2018
Der lächelnde Gott
Fink, Joseph;Cranor, Jeffrey

Der lächelnde Gott


sehr gut

Auch wer den "Welcome to Night Vale"-Podcast und das erste Buch von Joseph Fink und Jeffrey Cranor ("Willkommen in Night Vale", im gleichen Verlag erschienen) noch nicht kennt, wird der Handlung von "Der lächelnde Gott" problemlos folgen können – vorausgesetzt man lässt sich auf die herrlich abgefahrene und absurde Geschichte ein. Night Vale ist eine Stadt irgendwo in einer US-amerikanischen Wüste, in der die Realität ganz anders aussieht als bei uns. Es ist gefährlich, übersinnlich, unvorhersehbar – es gibt nicht existierende Häuser, Formwandler, Menschen die nicht an Berge glauben, Überwachung durch die Regierung und einiges mehr. In Zeiten von Fake News und Verschwörungstheorien kann man dieses Buch auch ganz wunderbar als Satire lesen.
Die Absurditäten in Night Vale werden gleichzeitig fantasievoll, witzig und nebenbei erzählt – das finde ich insgesamt einfach großartig. Für mich sind diese Erzählweise und die eigentlich nebensächlichen Details die Stärke sowohl dieses Buches als auch der gesamten Night Vale-Welt.
Leider kann die eigentliche Geschichte rund um den lächelnden Gott und die Wissenschaftlerin Nilanjana hier nicht mithalten. Die Geschichte verspricht Spannung, kann diese aber nur in wenigen Szenen bieten. Ich fand die Story leider schwach und sie hatte zudem für mich Längen.
Night Vale-Fans kann ich das Buch dennoch empfehlen – Night Vale-Neulingen würde ich eher zum ersten Buch "Willkommen in Night Vale" raten.

Bewertung vom 24.09.2018
Das Erwachen des letzten Menschen
Pale, Leveret;Skrobisz, Nikodem

Das Erwachen des letzten Menschen


sehr gut

Vom Seitenumfang her ist diese Novelle ja durchaus überschaubar, aber sprachlich und inhaltlich hat sie es in sich und deshalb habe ich mehr Zeit für die Lektüre gebraucht, als ich zunächst bei den 46 Textseiten von "Das Erwachen des letzten Menschen" gedacht hätte.
Edgars Geschichte wird als Entwicklung über 10 Tage von ihm selbst in Tagebuchform erzählt - hier finde ich die ambitionierte Sprache nicht immer ganz passend bzw glaubwürdig. Allerdings führt Edgar auch nicht ein ganz so abgestumpftes Leben, wie man vielleicht denken könnte. Die utopisch-dystopische Welt im Jahr 2137, in der er lebt, wird in einem guten Maß beschrieben, das wesentliche Merkmale nennt, sich aber nicht in Details oder Wiederholungen verliert.
Die Wendungen am Ende fand ich überraschend.
Eine kurze, gehaltvolle Geschichte, die zum Nachdenken angeregt.

(Hat in der mir vorliegenden zweite Auflage nicht mehr das Caspar David Friedrich-Cover, sondern ein anderes, ansprechenderes)

Bewertung vom 06.09.2018
Ed ist tot
McLean, Russel D.

Ed ist tot


sehr gut

Die üblichen aktuellen Krimis langweilen mich meist schon beim Lesen des Klappentextes. Das war hier nicht der Fall – im Gegenteil: die Beschreibung klang nach einer ungewöhnlichen Geschichte. Die war es dann auch. Russel D McLeans Geschichte um die schottische Buchhändlerin Jen, die auf Abwege gerät ist definitiv anders als die meisten Krimis.
An "Ed ist tot" geht man aber vielleicht leicht mit falschen oder zu hohen Erwartungen heran – wenn man weiß, was einen erwartet, wird man meiner Meinung nach gut unterhalten. Es ist kein Krimi im herkömmlichen Stil. Die Handlung orientiert sich nicht an einem Detektiv oder einer Polizistin, die den Fall lösen wollen Stattdessen berichtet die die Buchhändlerin Jen, wie sie in eine Kriminalgeschichte verwickelt wird und immer mehr auf Abwege gerät. Es ist ein skurril-makabres, manchmal schon morbides Buch, mit zahlreichen Opfern, ohne viel Mitleid und Moral – aber auch ohne ausführliche Gewaltdarstellungen. Für mich hätte der vom Verlag versprochene "rabenschwarze Humor" allerdings etwas ausgeprägter sein können.

Wen das und die Aussicht auf eine ziemlich abwegige Geschichte nicht abschreckt, der findet in "Ed ist tot" eine ungewöhnliche, unterhaltsame Kriminalgeschichte mit britischem Humor, die sich gut und flüssig liest.

Bewertung vom 03.09.2018
Der Blumensammler
Whitehouse, David

Der Blumensammler


sehr gut

David Whitehouse erzählt die Geschichte des Blumenliebhabers Peter auf drei Zeitebenen, wobei die Ebene von Peter selbst den Hauptteil ausmacht. Mithilfe der beiden kleineren Zeitebenen um den Wissenschafter Cole und den Telefonisten Dove fügt sich die komplexe Geschichte rund um die Suche nach Blumen, Liebe und Familie nach und nach zum einem großen Ganzen zusammen, wobei am Ende fast alle offenen Fragen geklärt werden.

Man sollte sich bei dem Buch selbst den Gefallen tun, es nicht auf seinen Realitätsgehalt hin zu prüfen. Es ist eine Geschichte mit ein paar wenige übersinnlichen Elementen und dichterischen Freiheiten. Für mich durchaus in Ordnung und gut gemacht.

Ein Buch, das zum Mitdenken und Spekulieren anregt. Leider liefen meine Spekulationen gerade bei den Nebendarstellern oft ins Leere – diese fand ich oft zu schnell abgehandelt, nachdem sie recht ausführlich eingeführt wurden.
Zwischendurch hatte das Buch leichte Längen. Ich habe das Buch gerne gelesen, hätte es mir manchmal aber etwas zügiger gewünscht.

Für mich hatte das Buch Schwächen, die aber durch eine ungewöhnliche Geschichte und liebenswerte Charaktere aufgefangen wurden.

Bewertung vom 03.09.2018
Die Hochhausspringerin
Lucadou, Julia von

Die Hochhausspringerin


sehr gut

Julia von Lucadou führt die Leser ihres Debüts in eine düstere, kalte dystopische Welt. Die titelgebende Hochausspringerin Riva wird – ohne ihr Wissen – von der Psychologin Hitomi betreut. Riva befindet sich in einer Krise – sie springt nicht mehr, funktioniert nicht mehr und das ist in der im Buch beschriebenen Welt weder vorgesehen noch akzeptabel. Aus dem Hintergrund versucht Hitomi Riva wieder auf die Spur zu bringen, wobei sie immer mehr in Riva Welt versinkt.
Die Handlung des Buches ist übersichtlich – aus Hitomis Sicht wird die Zeit ihrer Betreuung (Überwachung?) Rivas berichtet. In einigen Rückblicken erfährt man auch mehr über die Person Hitomi, die (anders als der Klappentext vielleicht vermuten lässt) in diesem Buch noch vor Riva im Mittelpunkt steht.
Der Fokus des Romans liegt meiner Meinung nach eher auf der dystopischen Welt und dem psychologischen Aspekt, wenn Hitomi sich immer mehr in Rivas Leben reinsteigert. Eine actiongeladene Handlung, die der eine oder die andere bei dem Titel erwarten mag, sucht man vergebens. Die Welt, in der Riva und Hitomi leben, wird nicht detailreich beschrieben, sondern eher subtil. Am Ende werden nicht alle Details aufgeklärt. Ich bin nicht wirklich ein Fan von einer solch offenen Beschreibung, fand sie hier aber passend, obwohl ich gerne noch mehr handfestes über diese fremde Welt erfahren hätte.
"Die Hochausspringerin" regt auch zum Nachdenken an über unserer Technik- und Mediennutzung und wohin diese sich noch entwickeln kann. Ist die hier beschriebene Realität in dieser Hinsicht wirklich so überspitzt oder Zukunftsmusik, wie man zunächst glauben mag?
Ein gelungenes Debüt, das den Leser zum Nachdenken anregt.

Bewertung vom 15.08.2018
Ein unvergänglicher Sommer
Allende, Isabel

Ein unvergänglicher Sommer


sehr gut

Anhand des Klappentexts und des Covers könnte man bei "Ein unvergänglicher Sommer" eine eher kitschige Geschichte erwarten. Aber das täuscht - genauso wie übrigens auch der Titel. Ich habe Isabel Allendes neuestes Buch nicht als Liebesgeschichte gelesen, sondern als eine Geschichte über Migration. Jeder der drei Protagonisten hat hierbei seinen ganz eigenen Hintergrund. Im Blizzard des Januar 2015 treffen sie zusammen. Neben der Geschichte um die Leiche im Kofferraum wird nach und nach die Vergangenheit aller drei erzählt. Natürlich ist auch eine Liebesgeschichte enthalten, die aber überhaupt nicht kitschig ist und eher ein Nebenschauplatz ist.

Richard aus New York, Lucía aus Chile und Evelyn aus Guateamala werden durch einen Zufall zusammen geführt. Trotz aller Unterschiede bilden die eine Zweckgemeinschaft, um eine Leiche zu beseitigen. Die Geschichte rund um die Leiche mutet tragikomisch bis überzeichnet an, was in meinen Augen nicht gut zum Rest des Buches passt.
In Rückblicken erfahren wir immer mehr über die drei Protagonisten, die bisher alle ein Leben voller tragischer Umstände hinter sich haben. Wiederkehrendes Motiv ist die Migration, die jeden bereits durch mehrere amerikanische Länder geführt hat - vielleicht wäre "getrieben" das richtige Wort, denn wirklich richtig ankommen können alle drei bisher nirgendwo. Diese ganz unterschiedlichen Geschichten machten für mich den Reiz des Buches aus, zeigen sie doch, wie unterschiedlich Flucht und Migration verlaufen kann. Leider geht es nicht richtig in die Tiefe - viele Aspekte werden eher gestreift als genau analysiert - anders wäre es wohl bei drei Lebensgeschichten und diesem Seitenumfang nicht möglich. Hierdurch ist es dennoch ein sehr aktuelles Buch zu einem internationalen Thema, in dem die Autorin die menschliche Seite hinter einer oft polemisch geführten Debatte zeigt.

Mein Highlight waren die drei Lebensgeschichten - die Handlung in der Gegenwart fand ich im Vergleich etwas schwach. Trotzdem sehr lesenswert.

Bewertung vom 31.07.2018
Kampfsterne
Hennig von Lange, Alexa

Kampfsterne


sehr gut

Alexa Hennig von Lange hat mit "Kampfsterne" ein Buch geschrieben, das nicht einfach einzuordnen ist. Eine Geschichte über Kindheit und Jugend in den 1980'ern, Dynamiken innerhalb von Familien, die Charakterisierung des westdeutschen oberen Mittelstandes in den 1980'er Jahren, ein genauer Blick hinter die Kulissen - das Buch ist all das, dafür gibt es aber keine handfeste Handlung. Das Buch dreht sich wie seine Charaktere um sich selbst.
Die typischen Klischees der 1980'er wie Neue Deutsche Welle oder Terrorismus werden nur ganz am Rande gestreift. Die Eltern scheinen zu sehr mit sich selbst beschäftigt, was andererseits von ihren Kindern klug beobachtet wird. Die Eltern kommen dabei überhaupt nicht gut weg - sie waren mir jeder auf ganz eigene Art einfach nur unsympathisch.
Die Geschichte wird als Ich-Erzählung im schnellen Wechsel von den verschiedenen Protagonisten erzählt. Die Charaktere werden dabei anfangs fast nicht eingeführt - Altersgruppe und Persönlichkeiten werden erst im Laufe der Handlung deutlich. Das beides machte es für mich manchmal zu einer Herausforderung, die Protagonisten (es gibt Jonathan UND Joschi) und die Familien auseinander zu halten.
Ich habe diese ungewöhnliche, nicht ganz einfache, offenbar autobiografisch geprägte Geschichte gerne gelesen.

Bewertung vom 29.07.2018
Der Duft des Lebens
Bagus, Clara Maria

Der Duft des Lebens


gut

Ich bin hin-und hergerissen - "Der Duft des Lebens" bewegt sich für mich auf einem schmalen Grad zwischen kluger, zum Nachdenken anregender Literatur und allzu offensichtlichem Kitsch. Clara Maria Bagus hat in jedem Fall eine Geschichte geschrieben, in der Stimmung, Beschreibungen und vor allem zum Nachdenken anregende Gedanken vor der eigentlichen Handlung stehen. Die ins märchenhafte gehende Handlung ist überschaubar, auch wenn sie in der zweiten Hälfte des Buches unerwartet Fahrt aufnimmt. Für mich wäre eine gleichmäßigere Verteilung wünschenswert gewesen. Die eigentliche Handlung erinnert an Süskinds "Das Parfum", kann aber meiner Meinung nach nicht damit mithalten. Im Gegensatz zu Süskind setzt Bagus ihre Handlung in einer phantastischen, manchmal märchenhaft anmutenden Welt an und hat mit dem Glasbläser Aviv und dem Seelensammler Kaminski zwei Hauptcharaktere geschaffen - ein guter und ein böser. Im Vergleich zu Süskinds komplexen Charakter Jean-Baptiste wirkt Letzteres ziemlich schwarz-weiß. Für ein Märchen mag diese einfache schwarz-weiß-Kategorisierung der Protagonisten aber wohl in Ordnung sein. Die fremde Welt wird einerseits minimalistisch beschrieben - die Details, die aber beschrieben werden, werden farben- und detailreich beschreiben. Auch wenn mir die gut recherchierte Welt bei "Das Parfum" besser gefallen hat, hat auch die Umsetzung von Bagus ihren Reiz.

Aber weg vom Vergleich mit anderer Literatur! Ein wichtiger Bestandteil von Bagus' Buch sind die Passagen, in denen sie den Leser zum Nachdenken anregen möchte. Diese sind keinesfalls falsch oder dumm, aber wirklich neu sind sie auch nicht. Wie anfangs erwähnt, bewegt sich die Autorin auf einem schmalen Grad und droht manchmal, in Klischee und Kitsch abzurutschen.

Es ist kein Buch für Leser, die eine spannungsgeladene Handlung oder bahnbrechende neue Erkenntnisse erwarten. Wer jetzt aber trotzdem noch neugierig ist, sollte sich auf "Der Duft des Lebens" einlassen!