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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
LindaRabbit
Wohnort: 
Freiburg
Über mich: 
Leseratte erster Klasse!

Bewertungen

Insgesamt 254 Bewertungen
Bewertung vom 26.08.2022
Schlangen im Garten
vor Schulte, Stefanie

Schlangen im Garten


sehr gut

Trauern, Verlust, Vermissen

"Zum Abendbrot isst er jetzt immer eine Seite aus dem Tagebuch seiner verstorbenen Frau. Er isst sie roh, und er tut es aus Liebe". Diesen Einstieg muss man sich echt auf der Zunge schmelzen lassen... Als ich einer Freundin von dem Buch erzähle, sagt sie 'einverleiben'. Genau.

Ein Schlange fand sich soweit nur auf einem Bild im Zimmer des Rektors, eine Aspis Viper. Viele surreale Momente. Immer wieder: Der eine Sohn sieht Gesichter. Die Tochter muss ihre Wut verprügeln, sie verdrischt andere Kinder mit einer Brutalität, die an Ermorden erinnert.
Johanne, Mutter und Ehefrau, ist tot. Die einzige, die wohl die Familie zusammenhielt. Adam, ihr Mann, sagte sie immer, sei lebensuntüchtig. Alle leiden, die drei Kinder, der Mann.
Die Tagebücher, die gegessen werden, aber ein Kind rettet immer wieder Fetzen, rettet Gedanken der Mutter oder will sie retten. Der Friedhof, auf dem zwei Kinder sich heimisch machen wollen. Die Frau mit dem Hund, eine Obdachlose. Ihr Hund, eigentlich ein Gummiball an der Leine. Sie beschimpft Adam, den Vater. Und er braucht es wohl.
Andere Figuren tauchen auf, spielen wichtigere Rollen, andere stören, werden an den Rand gedrückt. Es passiert soviel Surreales. Ein Traueramt macht sich Sorgen um die Familie, ein Trauerbegleiter wird fast verrückt mit der Familie.

Das erste Buch der Autorin war anders, wie ein Märchen. Der Junge und der Hahn und die schrecklichen Dinge, die dort passierten, doch der Junge und sein Hahn kamen gut durch. Happy End, wie in einem Hollywood Blockbuster.
Es hatte, zwar auch surreal, doch Hand und Fuß. Dieses Buch hier ist absolut surreal. Eigentlich eher ein Gedichtband zur Trauerverarbeitung. Liest man eine Seite oder nur wenige Zeilen, dann muss man einhalten, darüber nachdenken... nicht zuviel auf einmal lesen, sonst ist die Welt aus den Angeln gerückt.

Ich habe an meine Trauerverarbeitung gedacht und ich kenne die Trauer anderer. Wenn der Witwer seine Nase in die Pullis der Verstorbenen steckt, um ihren Geruch zu halten. Wenn die Witwe sich in Arbeit stürzt und sich an den Kindern festhält, den Kindern Zukunft gibt.

Dieses Buch wird kein Bestseller in dem Sinn werden, dass alle jubeln und sagen, das ist spannend. Es ist ein leises Buch, wie bereits erwähnt, eher wie ein Gedichtband. Ein Buch zum immer wieder in die Hand nehmen, um dann die Worte direkt ins Herz fließen zu lassen. Hoffentlich. Das Buch wird vermutlich wieder Preise gewinnen und manch einer wird es kaufen, aber viele werden es aus der Hand legen und den Kopf schütteln. (Eben ein leises Buch) Und dann wieder, eher etwas verstohlen, darin das eine oder andere lesen...

Und das Buch sagt, nehmt Euch Eure Zeit, es ist Eure Trauer. Und verarbeitet sie so wie Ihr es braucht...

Titelbild: Von Paul Gauguin, 'Porträt Vaiite'; sehr sehr schön... Diogenes - Verlag eben, der gerne künstlerisch anspruchsvolle Titelbilder nimmt

Bewertung vom 26.08.2022
Denk ich an Kiew
Litteken, Erin

Denk ich an Kiew


ausgezeichnet

Slawa Ukrajini! Holodomor

Stalin: Der Tod eines einzelnen Mannes ist eine Tragödie, der Tod von Millionen nur eine Statistik. Allein diese Aussage, dem Vorwort vorgestellt, des Massenmörders Stalin, das Vorwort der Autorin Erin Litteken, Nachfahrin einer geflüchteten Ukrainerin, bringt zum Weinen. Angesichts der aktuellen Situation so etwas von schrecklich! Stalin wird heute noch in Russland verehrt. Es gibt Museen, die ihn glorifizieren.

Holodomor. Millionen Ukrainer verhungern. Vorsätzlich. Just zu dieser Zeit spielt die tragische Geschichte des Romans. Katja beschreibt diese Zeit ab 1930 in einem Tagebuch. Den Tod, die Suche nach Lebensmittel, die Ermordung der nahen Verwandten. Schmerzhaft, jede Seite ist voller Hoffnung und dem Schmerz.

Erin Litteken erzeugt geschickt Emotionen mit ihrer Schreibe. Mitgefühl, Fassungslosigkeit, Entsetzen. Die zweite Zeitebene, 2004 in den USA, Cassie hat ihren Mann verloren und vegetiert mit ihrer sprachlosen Tochter Birdie. Doch dann beginnt die Aufarbeitung von Katjas Geschichte durch Cassie. Die ukrainischstämmige Großmutter Bobby ist die zentrale Figur und ihre Weisheiten beeinflussen nun Cassies Leben. Beide Zeitebenen miteinander verflochten führen zum Heute. Neuer Lebensmut. Aus der Geschichte lernen...

Das Umschlagsbild - der grünlich-blaue Himmel über dem gelben Weizenfeld - erinnert an die ukrainische Flagge, die jetzt überall, zumindest in meiner Heimatstadt, an den öffentlichen Gebäuden hängt.

Über das Buch eine Rezension zu schreiben, ist auch ein politisches Statement gegen den Krieg, den Russland der Ukraine aufgezwungen hat. Es ist so unglaublich, dass russische Machthaber (einst ein kulturell hochstehendes Land) so etwas tun. Jeder russische Mensch und auch jede:r mit russischen Wurzeln muss gegen das, was Putin & Co machen, aktiv vorgehen.

Slawa Ukrajini!

Bewertung vom 26.08.2022
Die Passage nach Maskat
Rademacher, Cay

Die Passage nach Maskat


gut

Auf dem Weg nach Oman - Spannungsgeladener Roman

Marseille, das Gespräch zwischen Jung und einem anderen Passagier - die Narbe am Handgelenk (von einem Suicid-Versuch?), jedenfalls meint das der 'nette' Gesprächspartner: Nochmals versuchen, Problem weniger...

Und das ist der Einstieg, also weiß ich als lesende Mitfahrerin gleich woran ich bin - es sind eben nicht nur nette, gut aussehende und charmante Passagiere an Bord, sondern auch das genaue Gegenteil.

Die Passage nach Maskat: 1929 - die Champollion, die in Marseille in See sticht und in den Orient fährt. An Bord: Anita Berger, Nackttänzerin und Skandalnudel aus Berlin (eine echte Person mit Gedenktafel, Parkbenennung und x- Büchern, sogar Gemälde von Dix), ein angeblicher Anwalt aus Rom, eine englische Lady mit Gesellschaftsdame, ein Amerikaner, der sagt er sei Ingenieur, ... und und und..., und das schwerreiche Kaufmannsehepaar Rosterg, das mit seinem Prokuristen Berthold Lüttgen, mit dem Sohn, der Tochter Dora und deren Ehemann Theodor Jung Richtung Maskat unterwegs sind, um Gewürze einzukaufen. Nichts ist jedoch so wie gesagt. Der Illusionendampfer!

Theodor Jung, traumatisiert vom ersten Weltkrieg und dem Untergang seines U-Bootes, hat Probleme, vor allem auf dem Meer und im Schiff unterhalb der Wasserlinie (verständlich); er ist Fotograf der Berliner Illustrierten und soll großartige Fotos unterwegs machen.
Die Schwiegereltern wie der Schwager mögen Jung nicht, und auch nicht der sich von Anfang an als sehr unsympathisch darstellende Prokurist. Also ist Jung auf einem Schiff gefangen, inmitten von lauter Menschen, die ihn nicht mögen. Nur seine Ehefrau Dora an seiner Seite, aber um ihre Ehe sieht es auch nicht bestens aus. Allerbeste Voraussetzungen also für eine gelungene Schifffahrt.

Kurz nach der Abfahrt von Marseille verschwindet Dora plötzlich und alles, was mit ihr zu tun hat, verschwindet ebenfalls (wirklich alles?) und keiner kennt sie (wirklich nicht?). An Bord wird das luxuriöse Leben gelebt wie auf der Titanic. Die Speisekarte ist exquisit, die Gäste weniger.

Dora verzweifelt gesucht von Theo, der sich am Rande des Wahnsinns bewegt: Wer ist für das Verschwinden von Dora verantwortlich und warum? Geheimnisse offenbaren sich und Jung lebt in einem nicht enden wollenden Alptraum.

Doch es gibt nicht nur Böse an Bord (die so eindeutig böse sind, der lesende Mensch weiß daher schnell, dass die Bösen in das Böse verwickelt sind). Etwas mehr Raum für die Fantasie und Forscherwillen des lesenden Publikums zu lassen wäre nicht schlecht. Vor allem, da selbst die bösesten Menschen nicht immer böse sind, sondern im Gegenteil auch sehr liebenswerte Züge zeigen können, um dann in ihrer Falschheit zuzuschlagen. Also zu sehr schwarzweiß. Daher auch – trotz der spannenden Geschichte – Punktabzug.
Und dann sind auch einige logische Fehler im Roman: Selbst eine englische Lady weiß, wie ein Ehering an der Hand eines Mannes aussieht (S. 106, 'ich wusste nicht einmal, dass Sie verheiratet sind').

Die Reisebeschreibungen sind sehr schön (vermutlich ist der Autor die Strecke mit einem Kreuzfahrschiff gefahren und dabei fiel ihm die Idee zu diesem Roman ein). Einiges wurde von mir nachgeschlagen, Suezkanal z.B., mit dem Wunsch diese Route auch mal zu befahren.

Der Autor Cay Rademacher liebt niederschmetternde Beschreibungen von höchst unsympathischen Figuren. Rademacher hat schon einige erfolgreiche Romane geschrieben. (Bin ich froh, dass ich selten so bösartige Menschen treffen muss, wie er sie beschreibt)

Titelbild - passend, eine Schiffstreppe, mit zwei Passagieren (Theo und Dora?)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.08.2022
Isidor
Kupferberg, Shelly

Isidor


ausgezeichnet

Der Aufsteiger aus Lokutni – ein jüdisches Leben

Urgroßonkel Isidor alias Israel, die Geschichte von einem, der auszog aus Galizien, um die Welt zu erobern... Er ging ins k.u.k. Österreichische, nach Wien. Isidor wurde reich, berühmt und lebte integriert. Andere Familienmitglieder folgten ihm nach, so dass sie ein schönes Familienleben in Wien hatten. Isidor lebte mondän, er hatte Frauengeschichten und er war erfolgreich. Das alles wurde ihm genommen, als die Nazis Österreich 'heim ins Reich holten'. Da war er nur der Jude und er wurde misshandelt, was bei ihm letztendlich den Lebenswillen brach. Er hätte nie gedacht, dass das Land Österreich, was er so liebte, ihn in dieser Weise behandeln würde.
,
Es tut auch weh zu lesen, was die Erzählerin vom Großvater Walter (der Sohn von Isidors Schwester aus der zweiten Ehe) erzählt, der die österreichische Kultur so schmerzlich vermisste, als er nach Palästina auswanderte. Doch die Demütigungen, die Verfolgung, die Schmährufe, die Angst..., er musste weg. (Es tut weh, denn in meiner Großfamilie bei sechs Naziopfern haben drei nicht überlebt)...

Die Autorin suchte nach Spuren von Isidor und fand sie - sie fand Akten, Briefe, Aufzeichnungen, Fotos. Aufregend diese Spurensuche und großartig, was sie dabei fand. Aus den gefundenen Spuren hat sie diese Lebensgeschichte zusammen gestellt.

Wie geht man damit um, dass einem Heimatstadt nicht mehr will? Und noch mehr... Walter (der Großvater der Autorin) geht zur alten Wohnung der Familie und bei dem Hausmeisterpaar sieht er Möbel und Dinge aus dem elterlichen Besitz und dem der Nachbarn, gestohlen. Nicht mal verschämt, sondern: "der Jud is wiada do".

Unaufgeregt hat Shelly Kupferberg von ihrer Familie berichtet.
Von einer Zeit, die schlimm war und so hoffentlich nie wieder wiederholt wird.

Umschlagsbild: Das Reh, was in der grün gestrichenen Wohnung steht. Das Reh steht für 'das Reh am Grab von Isidor'. Auf dem Friedhof begegnen der Forscherin Rehe... Es ist sehr auffällig. Interessierte gucken aufmerksam auf dieses Titelbild während Fragenzeichen in den Augen stehen, was bedeutet das Reh...(bei einer Zugreise).

Ein Auskunftssroman über eine schlimme Zeit! Und der Diogenes Verlag hat seinen Ruf als ein besonderer Verlag wieder wettgemacht.

Bewertung vom 27.07.2022
Die versteckte Apotheke
Penner, Sarah

Die versteckte Apotheke


ausgezeichnet

Der alte Apothekerschwur

Gemäß dem alten Apothekerschwur - niemals Gift zu verabreichen: 1791 London, dann: "Nicht nur eine Apothekerin, sondern eine Mörderin. Eine Meisterin der Tarnung..."

Caroline ist an ihrem zehnten Hochzeitstag unterwegs - ohne ihren Gatten, denn kurz vor dem Abflug musste sie erfahren, dass ihr Ehemann James eine Affäre hat. So fliegt sie alleine nach London. Um ihren traurigen Gedanken zu entkommen, macht sie bei einem 'mudlarking' mit, im Schlamm der Themse nach alten Gegenständen suchen. Und sie findet einen kleinen Flakon... und nun 'let it begin': Was ist das für ein Fläschchen, wem gehörte es, was für ein Geheimnis birgt der Flakon?

Die Geschichte springt zwischen der Jetzt – Zeit und dem 18. Jahrhundert hin und her: Nella, die Apothekerin, ist auch eine Giftmischerin, um Frauen von schrecklichen Männern zu befreien. Und hätte Caroline nicht allen Grund ihren untreuen Ehemann (für den sie ihre eigene Karriere ins Abseits stellte) auch ins Jenseits zu schicken?

„In diesem Moment spürte ich eine Veränderung: wie die Unzufriedenheit in mir die Gelegenheit zu einem Abenteuer ergriff, eine Exkursion in meine lange vergessene Begeisterung für vergangene Zeiten.“ S.68

Geschickt sind die beiden Erzählstränge miteinander verflochten. Immer sind Frauen die Protagonistinnen, aber auch die Übeltäterinnen; Frauen, die mit ihren Männern nicht auf die gute Seite der Geschichte gefallen sind. Brechnuss, Wolfswurz, und einige andere Giftpflanzen und Käfer – die Erzählerin hat wirklich Ahnung von gewissen Pflanzen oder gut recherchiert. Das Ende der Erzählung ist großartig! Sehr geschickt! Gute und spannende Unterhaltung!

Das Umschlagsbild ist aufregend, bunt, voller geheimnisvollen Blüten und einem Flakon mittig (der enthält, was?). Am Ende des Buches werden ein paar geheimnisvolle Kräuter erklärt, gleichzeitig einige Rezepte eingebracht zum Nachkochen / -backen (gehört wohl heute dazu, passende Rezepte finden sich mittlerweile in einigen Büchern an)

Bewertung vom 27.07.2022
Fischers Frau
Kalisa, Karin

Fischers Frau


ausgezeichnet

Ein Lebensteppich (Pommersche Fischerteppiche)

Ein Buch voller Überraschungen:
Das beginnt bereits mit dem Umschlagbild – das kräftige Blau, davor das kräftige Grün, zwei Frauen, deren 'Schattenbilder' sich überlappen (so wie im Roman die beiden Frauengestalten sich auch überlappen). Das Umschlagbild ist wunderschön, so passend.

Mia und der Fischerteppich: Ist es eine Fälschung? Was hat es mit dem Fischerteppich auf sich...
Und auf einmal bin ich in der Geschichte drin... der Geschichte der Pommerschen Fischerteppiche (eine kleine Erfolgsgeschichte). Die Fischer haben ein Fangverbot, 1928, ein Experte des Teppichknüpfens bringt ihnen die Fertigkeit bei, um 'nordische Perser' zu knüpfen; dann von den Nazis missbraucht, in der DDR ebenfalls als Volkskunst unterstützt; heute als Tradition wieder am Aufleben...

Realität mit Fiktion geschickt verwoben! In Greifswald, in Zagreb, in... (so vielen weiteren Orten, ein europäischer Lebensteppich).

Die Hauptfigur Mia Sund (alias Maria Lena Guda) hat ein bewegtes Leben geführt und sie leidet unter den Langzeitfolgen. Sie fühlt sich verfolgt. Ihr altes Leben, ihre Kindheit, ihre Jugend. Sie hat Ahnung von Fälschungen. Ist der Fischerteppich, den ihr Kollege ihr - der Faserarchäologin - in Greifswald auf den Schreibtisch legt, eine Fälschung?

Der Schreibstil ist sehr eigen und doch einmalig. Er zeugt von einer großen Erzählkunst und ist sehr poetisch, das erfordert geduldiges Lesen. Schnelles Lesen ist nicht angesagt, da entgehen einem die Feinheiten: Das Verwobene der Geschichten ineinander, die Geschichten der Mia und der Nina.

Durch den Roman und meinem Erzählen davon bin ich auf die anderen Bücher der Autorin Karin Kalisa gestoßen und auf ihre 'website' … es ist das erste Buch was ich von der Autorin gelesen habe, vermutlich aber nicht das letzte. Aus meinem Bekanntenkreis tönte es sofort, ja, Karin Kalisa, wenn du mir das neue Buch von ihr ausleihst, dann bekommst du 'Sungs Laden'. So geht die Geschichte weiter...

Bewertung vom 16.06.2022
Verhängnisvolle Lügen an der Côte d'Azur / Kommissar Duval Bd.9
Cazon, Christine

Verhängnisvolle Lügen an der Côte d'Azur / Kommissar Duval Bd.9


gut

Cote d‘Azur und etwas Ungelöstes

Dies ist mein erster Duval Krimi... Natürlich habe ich bereits mit der Leseprobe nachgeschlagen (Internet / Suchmaschine) und gleich festgestellt, dass es dieses Malpasset und das Unglück (???) gibt und gegeben hat... Die Autorin hat fast eins zu eins aus Wikipedia den Text zu dem Unglück abgeschrieben...Mich interessiert immer, ob Orte und Geschehnisse in einem Roman / Krimi der Phantasie eines begabten Schreiberlings entsprungen sind oder sich auf reale Fakten beruhen... Beides ist interessant. Ich mag auch, wenn reale Fakten umgearbeitet werden zu einem spannenden Roman...

Duval unternimmt mit seinen älteren Kinder den Ausflug nach Malpasset - das berufliche Interesse mit Privatvergnügen kombinieren, gute Idee. Und er kann wirklich die Kinder auch animieren dafür Interesse zu entwickeln. Wenn ich wieder in Südfrankreich bin, da fahre ich auch dort vorbei und gucke mir das an...

Gut, dass alles dort als ein Erinnerungsmal belassen wird und nicht weggebaggert... Irgendwie erinnert mich das an den anderen Ort, der als Erinnerungsmal arrangiert ist (wo dieser Pilot das Flugzeug gegen den Berg gesteuert hatte und den Tod vieler Menschen, vor allem von vielen Jugendlichen, in Kauf nahm). Sollte es wirklich ein Anschlag gewesen sein, dann ist das genauso mies und zu verurteilen wie der gezielte Flugzeugabsturz.

Der Krimi ist weniger ein Krimi als ein interessantes Porträt einer ungelösten Angelegenheit. Gut geschrieben, aber unter Krimi würde ich das nicht verorten. Wie wohl mein Interesse für den Ort Malpasset geweckt wurde..

Bewertung vom 16.06.2022
Riechst du ihre Angst?
Schwarz, Gunnar

Riechst du ihre Angst?


ausgezeichnet

Der neue Gunnar Schwarz

„Und er sah, dass es gut war, sehr sehr gut“

Gunnar Schwarz kann gar nicht anders – sein neuester Thriller ist wieder fürchterlich brutal: Auch dieses Mal geht es wieder um einen durchgeknallten Serienmörder. Er quält seine Opfer (weiblich) tagelang und er ritzt sie, bevor er sie brutal erwürgt. Daniela, das erste Opfer - Eau de Daniela. Ein brutaler Mörder, der seine Opfer leiden lässt – zu seinem Vergnügen. Und er lässt sie Schweiß produzieren, um diesen aufzufangen und als ‚Eau de Daniela' etc aufzufangen…Erinnert an ‚Das Parfüm‘ von Süßkind, „...ihren Schweiß zu genießen...“ Der Täter bekennt sich im online chat (moderne Version) zu seinen Gelüsten, natürlich anonym. Isa, Evelyn, Cheyenne… Alle (Polizei) tapsen im Dunkeln, doch die famose Frieda ahnt bereits etwas... herrlich, die Szenen mit ihr sind wunderbar. Sie besitzt so ein Wortgespür und durchschaut ihr Gegenüber. Das ‚Dreiecksverhältnis Marc – Frieda – Ella‘, (eigentlich gehören Marc und Frieda zusammen, eigentlich! Uneigentlich ist er jetzt mit Ella verheiratet, weil er ein guter Mensch sein wollte und die geschwängerte Ella geehelicht hatte, nicht unbedingt ein guter Heiratsgrund).

Kapitel 9 endet mit einem ‚cliffhanger‘, die dunkle Gestalt, die um das Haus von Marc schleicht. Ist das der Mörder, will er sich etwa Ella holen? Ist es ein Mörder, der sich mit dem Ermittlerteam auseinandersetzt? Das macht es schwierig zu warten bis das nächste Kapitel… ‚aufgeschlagen‘ wird…
Das zweite Opfer wird auf einem Floß abgelegt. Wie viele Frauen hatte Grenouille getötet? So viel ich mich erinnern kann, ganz schön viele… will das der Mörder nachmachen? Er ist ein Zwangsneurotiker (Fetischist). Die tote Isa ist drapiert, hält wieder ein Glas in der Hand, mit Silberklebeband umwickelt… alles arrangiert. Die Presse, vor allem Cheyenne Sturm, wird widerwärtig dargestellt: Es gibt solche wie die Sturm, Bildzeitung & Co. Keine seriöse Presse. Aber dann gibt es echt gute Journis, die serös schreiben (nicht Cheyenne Sturm).
Enorm spannender Aufbau. Doch bei Isas erstem Ehemann war doch klar, dass er es nicht ist. So einfach ließe sich der Mörder nicht überwältigen. Zumindest hat Frieda das Beste daraus gemacht und ihn ausgequetscht. Frieda traue ich am Meisten zu – zur Aufklärung. Cheyenne ist eine reichlich undurchsichtige und kaputte Persönlichkeit.

'Riechst du ihre Angst' ist wieder ein spannender Gunnar Schwarz: Spannungsgeladen verhindert Gunnar Schwarz, dass Frieda Hilfe rufen kann, du hast sechs Sekunden zu antworten, oder Cheyenne ist tot. Himmel, das ist so spannend, dass ich kaum aufhören kann zu lesen... so ist es mir bislang immer ergangen. Wenn ich einen 'Gunnar Schwarz' lese, dann muss ich von vorne herein einplanen, dass ich genügend Zeit habe zum Weiterlesen.

An Gunnar Schwarz - bitte weiterschreiben!

Bewertung vom 12.06.2022
Bekenntnisse eines Betrügers
Raina, Rahul

Bekenntnisse eines Betrügers


ausgezeichnet

ein indischer 'Felix Krull'

Widmung: "Für meine Familie, die schreckliche Angst hatte, dass das Buch von ihr handelt..." Allein schon durch diese Widmung wird der besondere Humor des Autors Rahul Raina deutlich

Teil eins des Buches beginnt mit: "Das erste Kidnapping war nicht meine Schuld. Alle weiteren - definitiv ich". Das macht natürlich sehr neugierig auf den Roman. Viele Lesende lesen den Beginn eines Buches und ein paar zufällig ausgewählte Zeilen, manche sogar den Schluss, um sich für ein Buch zu entscheiden. Mit diesem Einstieg hat einem der Autor im Griff. Definitiv!

Das Buch ist interessant: Ein abgehackter Finger und viele indische Begriffe. Das Glossar hinten ist äußerst nützlich, obwohl mir viele Begriffe bekannt sind, aber da ich nur rudimentäres Hindi spreche, schlug ich öfters Begriffe nach.

Das Titelbild ist ebenfalls nicht alltäglich: Ein sogenannter 'eye catcher' – knallig gelb zieht das 'Auge' an, der Titel darauf in einem metallic Blau. Ein Tiger (ja, in Indien gibt es Tiger und viele interessante Bücher, die mit indischen Tigern zu tun haben), Affen (sogar heilige Affen, die alles tun und lassen dürfen); der davon laufende Mann mit offenem (schreienden?) Mund wurde in Einzelteile verlegt. Genau das passt auch wieder zum Inhalt des Buches. Wer bin ich und wenn wie viele? (Um mit einem anderen Buchtitel zu kontern). Auffallend schön gemacht, Kompliment!

Der ganz spezielle Schweizer Verlag 'KEIN & ABER' macht besondere Bücher, die keine Durchschnittsware sind oder Bücher, die man mal in die Hand nimmt und sagt, es liest sich gut. Dieser Roman ist toll geschrieben, zeitgeistig, amüsant, aufweckend bezüglich der indischen Gesellschaft (also Gesellschaftskritik auf subtile Weise). Den Namen Rahul Raina muss man sich merken. Wie viel Rahul Raina in 'Bekenntnisse eines Betrügers (Originaltitel 'How to kidnap the Rich') steckt, lässt sich ahnen – in England hat er eine Beratungsfirma und in Neu-Delhi lebt er ebenfalls. Deswegen, um den Bogen zu schließen, war vermutlich die Ängste seiner Familie nicht unbegründet.

Definitiv interessant! Zum Lesen!

Bewertung vom 12.06.2022
Die Freundinnen vom Strandbad - Wellen des Schicksals / Die Müggelsee-Saga Bd.1
Heiland, Julie

Die Freundinnen vom Strandbad - Wellen des Schicksals / Die Müggelsee-Saga Bd.1


sehr gut

Martha, Clara, Betty und der Müggelsee (damals zu DDR Zeiten)

Die Freundinnen vom Strandbad – Wellen des Schicksals: Im Westen der Wannsee, im Osten der Müggelsee. Badespaß, Schwimmen, Wasser, Bootsfahrten, Bratwurst und Eis vom Kiosk, dazu Musik wie es damals – kontrolliert – im Osten üblich war; das alles in der 'alten DDR' mit ihren Einschränkungen.
Ostberlin, 1956: Martha, Clara, Betty - die drei Lebensretterinnen vom Müggelsee (sie haben Horst aus dem Wasser gerettet); der Beginn einer außergewöhnlichen Freundschaft. Und – die DDR mit allem, was dazu gehörte.

Wie entwickelt sich das Leben dieser drei völlig unterschiedlichen jungen Frauen, in der DDR, mit dem Mauerbau und ihren massiven Einschränkungen. Der Roman begleitet ihr 'coming of age' in einer Republik, die zwar auf die Jugend baut, aber nur wenn sie angepasst lebt.

Das Ende macht natürlich neugierig: Hat es die Dritte geschafft? (Ohne zu spoilern...). Wie geht es weiter?

Manches Mal ein schweres Schlucken..., denn ja, jede:r von uns kennt ja jemand, der/die drüben aufgewachsen ist und es mitgemacht hatte.

Umschlagbild - mittelprächtig, aber eben passend zum Titel: Auf dem Umschlagbild sind zwei der drei Freundinnen, im Badeanzug am See. Schön geschrieben, flüssig und angenehm zu lesen.

Seit einiger Zeit scheint es üblich zu sein am Ende eines Romans Rezepte (passend zur Geschichte, in diesem Fall ostdeutsche, bzw. russische Rezepte) beizugeben, vielleicht keine schlechte Idee, aber ich koche wirklich nicht nach einem Roman. Das eine Gericht wird laut Internet Skubanki(y) genannt, nicht wie im Buch Skuwanki (ein böhmisches Gericht).

Die Autorin recherchierte gründlich und hat wohl Informationen von Zeitzeugen benützt. Sie selbst ist in der Münchener Gegend aufgewachsen, vielleicht hat(te) sie Verwandte im Osten. Auf jeden Fall ist das ein konstruierter Roman und nicht die Wiedergabe tatsächlicher Fälle. Ein Fortsetzungsband von 'Die Freundinnen vom Strandbad'; Wogen der Freiheit, erscheint ebenfalls 2022. Die Autorin schreibt unter diversen Namen unterschiedliche Bücher, dabei auch gerne Herz-Schmerz Werke.