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Bücherstadt
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Berlin
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Bewertungen

Insgesamt 126 Bewertungen
Bewertung vom 11.09.2012
Wir sind die Macht
Gbowee, Leymah R.

Wir sind die Macht


ausgezeichnet

Die Friedesnnobelpreisträgerin des Jahres 2011 zeichnet in ihrem Buch nicht nur ihren persönlichen und politischen Weg nach. Sie geht auch auf die Geschichte Liberias ein und benennt Hintergründe und Voraussetzungen, die sehr spezifisch sind un die immer wieder aufkommenden Konflikte kennzeichnen. Genau diese Punkte werden aber aus ihrer Sicht häufig missachtet, wenn ausländische Friedenstruppen in ein Land kommen. Ihre Geschichte ist ein interessantes Beispiel dafür, wie Selbsthilfe in afrikanischen Ländern aussehen kann und wie mit finanzieller Unterstützung sinnvoll Aufbau betrieben werden kann. Sie macht zwar speziell den Frauen Mut sich stärker zu engagieren und ihre eigenen Ideen umzusetzen, spricht aber im Endeffekt alle Menschen an und fordert mehr Engagement. Gleichzeitig beschönigt sie aber auch nichts und beschreibt, welche Opfer man persönlich dafür bringen muss.

Aus sprachlicher Sicht kommt das Buch auf den ersten Seiten etwas gewöhnungsbedürftig daher, weil viele gedankliche Einschübe erfolgen. Nach wenigen Seiten ist man aber in dem Erzählfluß eingedrungen und hat das Gefühl, dass man gemütlich an einem Lagerfeuer sitzt und eine erstaunliche Geschichte hört, die nur verständlich ist, wenn einige Erläuterungen eingerückt werden. Zudem scheint sich der Stil mit dem Fortschreiten der Geschichte zu festigen. Ein wenig hat man den Eindruck, dass die Erzählerin zu Beginn mit sich selbst hadert und überlegt, was sie alles erzählen sollte. Kann man dem Zuhörer wirklich alle Details zumuten? Je sicherer sie selbst wird und je stärker sie auch in der jeweiligen Lebensphase ist, desto klarer erzählt sie. An manchen Stellen hat man regelrecht den Eindruck, dass sie ihre eigene Geschichte noch einmal durchlebt.
Dabei sind ihre Beschreibungen sehr eindrucksvoll und schaffen es auch einem unwissenden Europäer die Situation in Liberia deutlich darzustellen.
Zudem strotzt ihre Erzählung, wenn es um die politischen Aktivitäten der Frauen geht, so vor Leidenschaft, dass man am liebsten sofort selbst aktiv werden möchte. Letztendlich fragt man sich aber auch gerade als Frau, woher Leymah diese Energie genommen hat und wie sie es überlebt hat die Arbeit für den Frieden so sehr über ihre Familie zu stellen. Da sie aber wie bereits gesagt nichts beschönigt, bleiben auch diese Fragen nicht unbeantwortet. Sie gibt einen tiefen Einblick in ihre Seele und lässt uns gleichzeitig ein wenig an ihrer Leidenschaft teilhaben.

Bewertung vom 20.07.2012
Schattenspieler / Signum Bd.2
Römling, Michael

Schattenspieler / Signum Bd.2


ausgezeichnet

- Aus dem Wohnzimmer wehte ein kühler Abendhauch, der durch das Loch seinen Weg in die Wohnung gefunden hatte. In der Ferne grummelte es vernehmlich. Ein Gewitter, dachte Leo. Um diese Jahreszeit, merkwürdig. Und dann wurde ihm plötzlich klar, dass das kein Gewitter war. -

In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges begann die Rote Armee mit Panzern, einen Belagerungskrieg um Berlin zu bilden. Wenn man allerdings eine ganz gehörige Portion Glück und Mut besaß, konnte man an einigen Stellen noch lange in die Stadt gelangen. Durch Dreistigkeit und Kraft schafft es auch ein Lastwagenfahrer mit seinem Gefährt in die damalige Reichshauptstadt zu gelangen. Beladen ist das Fahrzeug mit 28 Kisten voller Schätze. Bis diese jedoch wirklich an ihrem Bestimmungsort in Berlin ankommen, muss ihr Transporteuer einige Menschen aus dem Weg räumen. Zufällig wird er bei einer seiner Taten, vor den Toren Berlins, von einem jüdischen Jungen beobachtet, der als U-Boot die letzten Kriegsjahre überlebte. Leo musste nach einem Bombenangriff aus der Stadt fliehen. Damit wurde er nicht nur zum Zeugen einer schrecklichen Tat, sondern rannte auch seinen Befreiern direkt in die Arme. Gemeinsam mit einigen Soldaten kehrt er nach Berlin zurück und wird in eine Villa im Westend einquartiert. Dort begegnet er Friedrich, der sich als wundervoller Freund und kleiner Draufgänger entpuppt. Gemeinsam unternehmen sie Streifzüge durch die Stadt und versuchen das Rätsel der 28 Kisten zu lösen. Allerdings bringt sie ihr Forscherdrang mehr als einmal in Gefahr.

Schattenspieler ist eine erstaunlich gute Kombination aus realer Geschichte und Fiktionalität. In einer ansprechenden, aber nicht zu simplen jungen und frischen Sprache, die frei von Schnörkeln ist und sich trotzdem auf einem hohen Niveau bewegt, erzählt Römling eine Geschichte voller Abenteuer und Freundschaft, die den Leser sofort packt und zum Verschlingen des gesamten Buches führt.
In die eigentliche Handlung, welche rasant verläuft und einem nur selten eine Atempause gönnt, werden kleine Weisheiten eingebettet, die auf der einen Seite wichtige Informationen enthalten und auf der anderen Seite zum Nachdenken anregen. Schon kleine Äußerungen einer Person sorgen dafür, dass man sich bewusst wird, welche Taten in der damaligen Zeit verbrochen wurden und dass die handelnden Menschen einfach normal weiterlebten, während vielen anderen gar nicht mehr die Möglichkeit gegeben wurde zu existieren.
Gleichzeitig werden aber auch Dinge angesprochen, die nach Kriegsende passiert sind und teilweise ebenfalls Verbrechen darstellen. Hier schafft es der Autor wundervoll die verschiedenen Rollen der Alliierten darzustellen und gibt ein differenziertes Bild der damaligen Wirklichkeit. Man saugt dadurch quasi ganz nebenbei wissen auf, dass man durchaus auch einmal im Schulunterricht anbringen kann. Zum besseren Verständnis der damaligen Vorgänge gibt es am Ende des Buches einen kleinen Glossar, in dem wichtige Wörter und Fakten erklärt werden.

Sollte man doch einmal das Buch zuklappen, was eigentlich ein Frevel ist, fällt sofort die tolle Gestaltung des Einbandes und des Vorsatzes auf. Außen befindet sich eine alte Berlinkarte, die genau den Bereich zeigt, welcher in dem Buch eine tragende Rolle spielt. Innen befinden sich Fotos aus der damaligen Zeit, die meiner Meinung nach alle Szenen aus Berlin oder dem Umland zeigen. Da möchte man gleich wieder in die Geschichte eintauchen.

Fazit: Warum in aller Welt habe ich noch nie etwas von Michael Römling gehört? Diese Mann kann Jugendbücher schreiben, die fesseln, tolle Details enthalten, Wissen vermitteln und einfach Spaß bereiten.
Ein absolutes MUSS! Ein hervorragendes Jugendbuch, an dem es aus meiner Sicht nichts zu meckern gibt.

Bewertung vom 20.07.2012
Der gebrochene Zweig
Lawens, Christine

Der gebrochene Zweig


sehr gut

- Verrücktes Weibstück. -

Sheila ist eine strebsame Londoner Anwältin, die eine kinderlose Ehe mit dem erfolgreichen Fußballer Elias Belfort führt. Sie sah ihr gesamtes Leben immer als gut durchgeplant, erfolgreich und glücklich. Doch ihr Mann zerstört alles völlig unerwartet indem er ihr mitteilt, dass er sich verliebt hat und die neue Frau an seiner Seite bereits ein gemeinsames Kind unter ihrem Herzen trägt.
Sheila ist am Boden zerstört und versucht ihre Trauer und Wut mit zusätzlicher Arbeit zu betäuben. Dies bringt sie jedoch an den Rand ihrer Kräfte. Gedrängt von ihrem guten Freund und Kollegen sowie ihrem Chef, gönnt sie sich ein paar Monate Auszeit, die sie auf einer Andalusischen Hazienda verbringen möchte. Bei ihrem letzten Besuch war sie noch ein junges Mädchen, das dort seine Ferien verbrachte und sich liebevoll um die Pferde kümmerte. Diesmal kehrt sie als erwachsene Frau zurück und möchte gemeinsam mit den Männern auf dem Land arbeiten und den gesamten Tag im Sattel verbringen. Sie will aber auch wieder zu sich finden und sich klar werden, wie ihre Zukunft ohne Mann aussehen soll. Der stolze und sture Vorarbeiter Rafael Márquez macht ihr die Eingewöhnung allerdings nicht leicht. Bald merken die beiden aber, dass die gegenseitige Antipathie nur eine Tarnung für die eigentlichen Gefühle darstellte. Zwischen den völlig verschiedenen Menschen entsteht eine brennende und unkontrollierbare Leidenschaft, die beiden gut tut und zunächst der Ausgangspunkt für eine gemeinsame Zukunft zu sein scheint. Die unterschiedlichen Lebenswelten sind aber immer wieder der Grund für Streit. Und dann verschwindet Rafael eines Tages ganz plötzlich.

Bisher habe ich mich nur an wenige Romane getraut, die in Ansätzen eine Liebesgeschichte beinhalten. Zu schmalzig, zu übertrieben und zu unecht. Daher bin ich auch an dieses Buch ein wenig voreingenommen herangegangen. Londoner Juristen und Profifußballer? Das kam mir etwas konstruiert vor. Doch die Trennung war ja bereits absehbar und ich wollte diesem Genre auch eine Chance geben. Darüber bin ich jetzt sehr froh. Ich habe während der ganzen Höhen und Tiefen mitgefiebert, musste unbedingt weiterlesen und ja, das muss ich leider zugeben, ich habe in der Mitte des Buches geschmult wie es ausgeht. Ich konnte es einfach nicht aushalten.

Da die Geschichte so spannend geschrieben ist und die Charakter sehr stilvoll aufeinander abgestimmt sind, habe ich mich auch nicht an einigen wenigen Fehlern in dem Buch gestört. Es hat zum Beispiel ein "nicht" gefehlt, was mich kurzfristig verwirrt hat. Oder es gab kleine Wortdreher. Aber das ist, zumindest aus meiner Sicht, alles nicht dramatisch. Viel wichtiger sind mir die Figuren und die Handlung. Und wie bereits gesagt passt beides. Sheila und Rafael sind sich eigentlich sehr ähnlich, doch ihr jeweiliger Stolz, lässt sie immer wieder aneinander abprallen. Zudem erschweren ihnen die verschiedenen Lebenswelten eine gemeinsame Zukunft. Dabei konstruieren beide in vielen Fällen lediglich Probleme, die man überwinden kann.

Christine Lawens schreibt in einer leicht verständlichen nicht zu säuseligen Sprache, die auch die Liebesszenen nicht kitschig wirken lässt. Die Leidenschaft, die zwischen den beiden Verliebten entbrannt ist, kann man fast greifen und die machohaftige Art von Rafael macht die ganze Sache noch spannender und reizvoller. Das gegenseitige Verlangen und die Phasen, in denen sie sich wieder abstoßen sind hervorragend aufeinander abgestimmt und ein wichtiger Baustein in der gesamten Handlung. Sie sind wirklich das Salz in der Suppe und sorgen für eine Spannung, die keine besonderen Ereignisse braucht, um an Tempo zu gewinnen.

Fazit: Ein toller Roman für kuschelige Sofastunden. Hoffentlich gibt es bald noch mehr von der Autorin!

Bewertung vom 20.07.2012
Voll streng, Frau Freitag
Frau Freitag

Voll streng, Frau Freitag


sehr gut

Frau Freitag ist Lehrerin an einer Schule mit recht komplizierter Schülerschaft, die für sie eine Herausforderung darstellt. Sie akzeptiert ihre Schüler mit all ihren Macken, versucht ihnen aber wichtige Dinge (oder neudeutsch Kompetenzen) zu vermitteltn, die sie in ihrem späteren Leben gebrauchen können. Gleichzeitig lernt sie aber auch von ihren Schülern eine ganze Menge. Wie dies passiert beschreibt sie in ihrem Blog, der mehrmals wöchentlich aktualisiert wird. Die schönsten Geschichten und einge unbekannte Begebenheiten wurden bereits in dem Buch "Chill mal, Frau Freitag" veröffentlicht. In dem zweiten Buch "Voll streng, Frau Freitag" geht es hauptsächlich um ihre Klasse, die in der Zehnten ist, aber noch einige Probleme hat die eigene Zukunft in die Hand zu nehmen. Dabei ist es gar nicht so, dass bei allen Hopfen und Malz verloren wäre. Nein, sie scheinen sich nur noch ganz gut zu fühlen in der behüteten Welt der Schule und verplanen wichtige Termine. In vielen Fällen ist den Schülern nicht klar wie wichtig Engagement ist. Und teilweise muss man sie auch einfach als ein bisschen weltfremd abstempeln. Frau Freitag rotiert daher immer wieder, stellt Fragen, gibt Hilfen und versucht gleichzeitig die Schüler zu ermutigen. Das ist eine aufreibende Arbeit und gedankt wird ihr so gut wie nie. Doch wenn sie ihre Abschlussklasse mit der neuen siebten Klasse vergleicht, wird ihr klar, was sie alles geschafft hat und wie sich die Schüler entwickelt haben. Und darauf ist sie schon ganz schön stolz.

Frau Freitag berichtet in einem sehr ungezwungenen Stil über ihre Schüler. Sprachlich springt sie dabei immer zwischen der Ausdrucksweise ihrer Schüler und der eigenen Form hin und her. Das wirkt aber nie aufgesetzt oder unpassend. Es ist immmer in die jeweilige Handlung eingebettet und entspricht der vorherrschenden Atmosphäre. Zudem bewirkt dieser sanfte Stilwechsel, dass man immer mit einem gewissen Schmunzeln den Text liest und keine Verständnisprobleme hat. Dadurch kann man das Buch natürlich auch sehr fix druchlesen. Ist man hingegen ein Leser, der eher am Abend nur ein wenig lesen will, kommen einem die kurzen Kapitel entgegen.
Betrachtet man die Protagonisten genauer, entsteht der Eindruck, dass die Autorin völlig offen und schonungslos über sie berichtet. Das bezieht sich auch auf ihre eigenen Person. Frau Freitag gibt eigene Fehler zu, ohne Ausflüchte zu suchen. Sie berichtet aber auch über ihre Ängste, Wut und Traurigkeit. Das mag in manchen Fällen zwar auch auf eine sehr witzige Art und Weise passieren, wer aber zwischen den Zeilen liest, erkennt den wahren Gehalt.
Die Schüler findet man irgendwie putzig und im selben Moment ein klein wenig sonderbar. Und nach dem Lesen fragt man sich, ob ihr Verhalten und ihre damit einhergehende Leichtigkeit nicht auch ein bisschen erschreckend ist.

Insgesamt gibt Frau Freitag einen wundervollen und sehr humorvollen Einblick in den deutschen Schulalltag einer multikulturellen Gesellschaft. Der recht oberflächliche Leser wird sich köstlich amüsieren und vielleicht der blühenden Autorenfantasie danken. Alle anderen er

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