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Benutzername: 
takabayashi
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Berlin
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Vielleser

Bewertungen

Insgesamt 150 Bewertungen
Bewertung vom 10.08.2019
Die geheime Mission des Kardinals
Schami, Rafik

Die geheime Mission des Kardinals


ausgezeichnet

Ein aufschlussreiches Bild der syrischen Gesellschaft – verpackt in einen Kriminalroman
Ich hatte bisher noch kein Buch von Rafi Schamik gelesen, da kam es mir als bekennender Krimileserin sehr zupass, dass sein neuster Roman als Kriminalroman „getarnt“ daherkam.
Der mäandernde, opulente Erzählstil hat mir sehr gefallen und ich habe diesen Bericht aus dem Syrien des Jahres 2010 – kurz vor Ausbruch des Bürgerkrieges – mit großem Vergnügen gelesen. Wobei die Krimihandlung nicht im Vordergrund steht und somit auch der Spannungssog eines Pageturners fehlt; ich habe für meine Verhältnisse relativ lange für diesen Roman gebraucht, was aber nichts über das Lesevergnügen aussagt!

Kommissar Barudi aus Damaskus steht kurz vor der Pensionierung, als er seinen letzten Fall auf den Tisch bekommt: In der italienischen Botschaft wurde ein Fass mit Olivenöl abgeliefert, in dem sich die Leiche eines aus dem Vatikan besuchsweise in Syrien weilenden Kardinals befand. Ein hochbrisanter Fall! Um sich abzusichern schlägt Barudi vor, einen italienischen Polizisten hinzuzuziehen. Ein Glücksfall, wie sich herausstellt. Kommissar Mancini hat Arabistik studiert, spricht also fließend Arabisch, und er und Barudi sind auf Anhieb auf einer Wellenlänge.

Der Roman wechselt häufig die Perspektiven: mal wird in der dritten Person vom Fortschritt der Ermittlungen berichtet, mal erfahren wir durch Ausschnitte aus Barudis Tagebuch sehr viel über seine Persönlichkeit und Vorgeschichte. Auch Mancini und den dritten Verbündeten der beiden, den Spurensicherer Schukri, lernen wir recht gut kennen.

Schamis Erzählweise ist ausufernd orientalisch, er kommt sozusagen vom Hölzchen aufs Stöckchen, aber gerade das macht den Reiz dieser Erzählweise aus und lässt vor dem Auge des Lesers ein Kaleidoskop der syrischen Gesellschaft mit all ihren Facetten entstehen. Einer Gesellschaft, die von der Angst vor dem allgegenwärtigen Geheimdienst geprägt wird, von unterschiedlichen Religionen und von Aberglauben.

Barudi und Mancini machen sich auf zu einer Reise nach Norden, zu einem Bergheiligen, den auch der Kardinal aus Rom aufgesucht hatte. Dabei kommen sie durch das ländliche Syrien und werden schließlich von einer islamistischen Terrorgruppe gefangen genommen, dann aber von diesen beschützt. Mancini drängen sich immer wieder die Parallelen zwischen der mafiösen Gesellschaft Italiens und der geheimdienstverseuchten syrischen Gesellschaft auf.

Barudi hat im Laufe der Erzählung eine neue Liebe, eine Witwe aus der Nachbarschaft, und in Mancini einen neuen guten Freund gefunden. Er schafft es, den Fall aufzuklären, auch wenn er die Art, wie mit seinen Ermittlungsergebnissen umgegangen wird, als persönliche Niederlage empfindet.

Von nun an werde ich sicher noch mehr von Rafik Schami lesen – da habe ich wohl einiges nachzuholen. Durch die Lektüre dieses Romans habe ich sehr viel über Syrien erfahren und der Schreibstil hat mich begeistert. Klare Leseempfehung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.05.2019
Murder Swing / Vinyl-Detektiv Bd.1
Cartmel, Andrew

Murder Swing / Vinyl-Detektiv Bd.1


ausgezeichnet

Originell, schrullig, witzig und sehr spannend – ein liebenswerter, extrem unterhaltsamer Krimi
Der selbsternannte, namenlos bleibende Vinyl-Detektiv hat sein Hobby zum Beruf gemacht und schlägt sich damit durch, Sammlern Vinyl-Raritäten zu verkaufen, die er bei seinen Streifzügen durch Wohlfahrtsläden, Flohmärkte, spezielle Basare etc. aufgetrieben hat.
Doch eines Tages steht eine hübsche junge Frau namens Nevada Warren vor ihm, die seine – irgendwann spaßeshalber als Vinyl-Detektiv gedruckten - Visitenkarten ernst nimmt und einen Auftrag für ihn als Detektiv hat. Er soll eine rare LP des Jazz-Musikers Easy Geary auftreiben, die letzte Aufnahme eines obskuren Jazz-Labels, das während seines knapp einjährigen Bestehens in den Fünfziger Jahren insgesamt 14 LPs herausgebracht hatte.
Wie eine LP hat der Krimi eine A- und eine B-Seite. Die A-Seite handelt bis auf eine kurze Exkursion nach Japan in London, wo der Protagonist und Nevada sich Plattenkisten durchwühlend auf die Suche nach der LP für Nevadas japanischen Auftraggeber begeben.
Alsbald stellt sich heraus, dass es jemanden gibt, der ihrer Spur folgt und die rare LP unbedingt in seinen Besitz bringen will. Was es mit dieser Platte besonderes auf sich hat, warum sie so begehrt ist, scheint auch Nevada nicht zu wissen. Die beiden germanisch wirkenden Verfolger werden von unserem Detektiv Heinz und Heidi, die arischen Zwillinge, getauft. Eine weitere wichtige Person ist sein bester Freund Tinkler, nicht zu vergessen seine beiden Katzen Turk und Fanny und weiteres skurriles Personal aus seinem Umfeld, wie z.B. die Taxifahrerin Cleanhead.
Die Dialoge sind ziemlich abgedreht, die Marotten der handelnden Personen liebenswert. Auch wenn die Begeisterung für alles was mit LPs und deren Abspielen, Anhören, Reinigen etc. etwas nerdig ist, so versteht der Autor es doch so zu beschreiben, dass man fasziniert weiterliest.
Die B-Seite beschäftigt sich mit der Auflösung des Geheimnisses um die rare LP und handelt größtenteils in LA. Zusammen mit dem Vinyl-Detektiv rätseln wir an der Bedeutung dieser Platte herum, wobei ein altes Tagebuch eine große Rolle spielt. Und wir verfolgen mit Spannung, wie er es immer wieder schafft, den „arischen Zwillingen“ eine Nasenlänge voraus zu sein. Zum Ende hin wird es fast unerträglich spannend, wahrhaft „unputdownable“.
Ich habe diesen erfrischend anderen Krimi aus der Welt der Vinylsammler mit dem größten Vergnügen gelesen und kann es kaum erwarten, den nächsten Band zu lesen. Der Vinyl-Detektiv ist mir richtig ans Herz gewachsen. Uneingeschränkte Empfehlung!

Bewertung vom 07.05.2019
Der Zopf meiner Großmutter
Bronsky, Alina

Der Zopf meiner Großmutter


gut

Geschmacksache
„Kaum jemand kann so böse, so witzig und rasant von eigenwilligen und doch so liebenswerten Charakteren erzählen wie Alina Bronsky“ heißt es im Verlagstext. Doch ich konnte die dominante und bösartige Großmutter beim besten Willen nicht liebenswert finden, und fand ihre Art zu reden nach einer Weile auch nicht mehr witzig. Vermutlich ist sie als eine Art „raue Schale – zarter Kern“-Typ angelegt, aber bei mir kam das so nicht an, ich empfand sie als bissig, herrschsüchtig und gemein. Ihr Ehemann, Mäxchens Großvater ist unter ihrem Regiment fast vollständig verstummt, und dass Max nicht völlig verstört ist, sondern doch noch zu einem normalen jungen Mann heranwächst, geschieht nicht wegen, sondern eher trotz der großmütterlichen Erziehung.
Aber der Reihe nach: der sechsjährige Max kommt mit seinen Großeltern aus Russland in ein deutsches Flüchtlingswohnheim. Die Großmutter, eine ehemals erfolgreiche Balletteuse, hält Max für so schwächlich und krank, dass sie ihm eine spezielle Diät aus püriertem Gemüse zukommen lässt, selbst seine Geburtstagstorte darf er nicht essen, nur dran schnuppern. Er darf nirgends alleine hingehen, wird ständig gemaßregelt und beschimpft (Krüppel, Idiot), darf nicht mit anderen Kindern spielen, muss ihrer Meinung nach ständig vor gefährlichen Keimen geschützt werden. Die deutschen Kinderärzte, die sie mit Max aufsucht, sind ihrer Meinung nach unfähig, denn sie halten Max für kerngesund. Sogar in die Schule wird Max von seiner Großmutter begleitet, die kaum Deutsch kann und den Unterricht auf Russisch stört.
Der Großvater, der sich in eine etwas jüngere Nachbarin verliebt hat, versucht im Rahmen seiner Möglichkeiten dagegen zu arbeiten. Bei dieser Frau soll Max Klavierstunden bekommen, und der Großvater muss ihn dorthin begleiten. Das alles wird aus der Sicht von Max geschildert, der ein erstaunlich dickes Fell zu haben scheint.
Das Buch ist schnell gelesen, ist gut geschrieben und unterhaltsam, ging mir aber doch irgendwie gegen den Strich. Für die Großmutter konnte ich keine Sympathie aufbringen und war am Ende nur dankbar, dass Max anscheinend seine Kindheit und Jugend mit ihr relativ unversehrt überstanden hat.

Bewertung vom 20.04.2019
Rückwärtswalzer
Kaiser, Vea

Rückwärtswalzer


ausgezeichnet

Warmherzig, skurril, berührend und komisch - eine Familiengeschichte und ein Road-Trip

Mein erstes Buch von Vea Kaiser hat mich gleich überzeugt - ihre anderen Romane werde ich auch noch lesen!
Es geht um die österreichische Familie Prischinger, vor allem um die drei Schwestern Mirl, Wetti und Hedi und ihren Neffen Lorenz, einen zur Zeit gerade arbeitslosen jungen Schauspieler in einer Lebenskrise. Der Lebenspartner von Hedi, der jüngsten der drei Tanten, Willi aus Montenegro, ist überraschend gestorben. Hedi hatte ihm versprechen müssen, ihn in seiner Heimat zu begraben. Allerdings ist eine offizielle Überführung durch ein Bestattungsinstitut viel zu teuer, so dass die drei Tanten Lorenz überreden, mit ihnen im Panda Onkel Willi nach Montenegro zu transportieren, was natürlich höchst illegal ist. Doch Versprechen müssen gehalten werden und so brechen sie auf zu ihrer abenteuerlichen Reise. Diese Fahrt ist quasi die Rahmenhandlung, auch hier erfahren wir schon viel über die fünf Hauptprotagonisten (inklusive Onkel Willi) und diverse andere Familienmitglieder, auch aufgrund turbulenter Reiseerlebnisse und der Art, wie die einzelnen damit umgehen und durch die während der Fahrt geführten Gespräche. Dazwischen gibt es aber immer wieder ausgedehnte Kapitel mit Rückblenden auf Episoden aus dem Leben der einzelnen Personen, denen wir dadurch sehr nahe kommen. Das Motto bei den Prischingers hat immer geheißen: Keiner wird zurückgelassen, und von seinem Onkel Willi, der ihm sehr nahestand, hat Lorenz gelernt, dass man nicht jedem jede Geschichte erzählen kann. Manche Geschichten sind dafür da, dass man sie allen erzählt. Andere dafür, dass man sie nur mit wenigen ausgewählten Menschen teilt. Willis Tod und die Reise nach Montenegro haben bei allen Beteiligten viel in Bewegung gebracht und zu Veränderungen in ihrem Leben geführt. Mir sind diese etwas schrulligen Prischingers alle sehr ans Herz gewachsen und ich habe mich über den positiven Ausblick am Ende gefreut.
Diese warmherzige Familienchronik, in der auch der Humor nicht zu kurz kommt, läßt die einzelnen Familienmitglieder gleichberechtigt zu Wort kommen, zeigt uns ihre unterschiedlichen Lebenswege, die Fehler, die sie machen und wie sie diese zu korrigieren versuchen und wie sie trotz aller Unterschiede doch unverbrüchlich zusammenhalten. Man liest mit einem lachenden und einem weinenden Auge und wird insgesamt sehr gut und mit Tiefgang unterhalten.

Bewertung vom 12.04.2019
ALLES WAS ICH DIR GEBEN WILL
Redondo, Dolores

ALLES WAS ICH DIR GEBEN WILL


ausgezeichnet

Spannender Krimi und packendes Familiendrama aus Spanien
Der Schriftsteller Manuel erhält in Madrid Besuch von 2 Polizisten, die ihm die Nachricht vom Unfalltod seines Ehemanns Alvaro überbringen. Der Autounfall ist in Galicien passiert, was Manuel als Zeichen für eine Verwechslung deutet, denn Alvaro war geschäftlich in Barcelona, nicht in Galicien. Doch dann bricht seine Welt zusammen, als er erfährt, dass Alvaro Geheimnisse vor ihm hatte, der Spross einer galicischen Adelsfamilie war und eine Art Doppelleben führte.
Manuel fährt nach Galicien, trifft die feudale Adelsfamilie, die ihn mit Herablassung behandelt, und hat Zweifel daran, dass es nur ein Unfall und nicht Mord war. Auf eigene Faust macht er sich an die Aufklärung, wobei ihm der zunächst unsympathische frisch berentete Polizist der Guardia Civil, Nogueira, und ein Pater, der seinen Mann Alvaro seit der Schulzeit kannte, zur Seite stehen.
Der Genremix aus Familiendrama und Kriminalroman entfaltet sich über 600 Seiten, ein richtiger Wälzer also, der aber nie langweilig wird.
Manuel entdeckt allmählich, warum Alvaro diesen Teil seines Lebens vor ihm verborgen hielt. Es ging um ein Familiengeheimnis, das mit dem Thema Pädophilie innerhalb der katholischen Kirche zusammenhängt. Die Auflösung, wer tatsächlich für die Morde (es gab noch weitere) verantwortlich war, kam für mich sehr überraschend. Das Ende ist traurig, aber auch voller Hoffnung.
Die Autorin Dolores Redondo war mir bis dato unbekannt, ich werde sie aber von jetzt an im Auge behalten. Ein interessanter Einblick in das Leben spanischer Landadelskreise, ein fesselndes Familiendrama und ein Krimi, den man kaum aus der Hand legen mag: die letzten 200 Seiten habe ich in einer Nacht zuende gelesen. Unbedingte Leseempfehlung! (Das einzige, was mir fehlt, ist das Komma nach "Alles" im Titel!)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.04.2019
Eine eigene Zukunft
Dueñas, María

Eine eigene Zukunft


sehr gut

Drei spanische Schwestern im New York der 30er Jahre
Mit Begeisterung erinnere ich mich an Maria Duenas Roman "Wenn ich jetzt nicht gehe", und habe mich deshalb sehr gefreut, dass jetzt ein weiterer Roman von ihr veröffentlicht wird. Und zu Beginn hat die Autorin es auch wieder geschafft, mich mit ihrem Familienepos zu fesseln.
New York 1936: Erst vor kurzem hat Vater Emilio seine Frau und 3 Töchter nachkommen lassen, da sie in Spanien nach dem Tod ihrer Großmutter obdachlos geworden waren und er sich entschlossen hatte, endlich seßhaft zu werden und ein spanisches Lokal zu eröffnen - dabei konnte er die Hilfe seiner Familie gut gebrauchen. Doch die 3 Mädchen sind widerwillig nach New York gekommen, weigern sich, Englisch zu lernen und wollen wieder zurück nach Spanien. Dann, kurz nach der nicht sehr erfolgreichen Eröffnung des Restaurants, die Katastrophe: der Vater kommt durch einen Unfall ums Leben. Wie soll es nun für die Familie weitergehen?
Sollen sie die kleine Abfindung und die Schiffskarten für die Heimreise annehmen, die die Schifffahrtsgesellschaft, die den Unfall verschuldet hat, ihnen anbietet, oder sollen sie auf den windigen Anwalt hören, der ihnen verspricht, mit einer Klage viel mehr für sie rauszuholen? Eine Nachbarin macht sie mit einer Nonne bekannt, die Jura studiert hat. Diese Schwester Lito macht ihnen klar, dass der Anwalt zwar mehr Geld erstreiten könnte, dass das meiste davon aber in seiner eigenen Tasche landen würde und bietet der Familie an, sich selbst um ihren Fall zu kümmern. Und obwohl andererseits der Gedanke an eine sofortige Heimkehr ihnen verlockend erscheint, nehmen sie das Angebot der Nonne an.
Im Folgenden werden die drei Schwestern - jede auf ihre eigene Art - flügge und gewöhnen sich allmählich an die neue Umgebung. Sie machen Pläne, fallen dabei des öfteren auch auf die Nase, weil sie von Leuten aus ihrer Umgebung ausgenutzt und betrogen werden. Am Ende bleiben sie in New York und finden ihre "eigene Zukunft".
Die Handlung vermochte mich in ihrem Verlauf nicht mehr so sehr zu fesseln, vieles wird zu ausufernd abgehandelt und manches bleibt etwas wirr. Etwas weniger wäre hier vielleicht mehr gewesen, z.B. auch bei der hohen Zahl der handelnden Personen. Die Geschichte um den abgehalfterten spanischen Thronfolger fand ich zwar ganz interessant, sie wäre aber wohl für den Verlauf der Handlung nicht zwingend notwendig gewesen.
Ein kleineres Problem hatte ich mit der Sprache, wobei ich nicht weiß, ob das eventuell nur an der Übersetzung liegt: Ich gehe davon aus, dass die Autorin ihre drei Protagonistinnen mag, aber wenn sie deren Interaktionen miteinander oder mit anderen Personen beschreibt, fallen häufig Worte wie schreien, brüllen, kreischen, keifen, zetern, gackern, etc., die ich als eher negativ empfinde und die die Schwestern manchmal fast unsympathisch wirken lassen. Sicher passen die Worte manchmal, aber für meinen Geschmack fielen sie hier zu häufig.
Insgesamt ein gut lesbarer, interessanter historischer Roman, der aber nicht ganz so fesselnd ist, wie "Wenn ich jetzt nicht gehe".

Bewertung vom 30.03.2019
Ein perfider Plan / Hawthorne ermittelt Bd.1
Horowitz, Anthony

Ein perfider Plan / Hawthorne ermittelt Bd.1


sehr gut

Originelle Idee deren Umsetzung nicht durchgängig überzeugt
Das Besondere an diesem Krimi ist, dass der Autor selbst als Protagonist in die Handlung einbezogen ist und zwar in seiner realen Persona als Autor Anthony Horowitz.
Der Ex-Polizist Hawthorne, den Drehbuchautor Horowitz bei den Dreharbeiten einer Fernsehserie kennengelernt hat, bittet Horowitz, ein Buch über seinen aktuellen Fall zu verfassen. Hawthorne wird in besonders kniffligen Fällen noch von der Polizei zu den Ermittlungen hinzugezogen. Horowitz ist von der Idee nicht übermäßig angetan, lässt sich aber schließlich doch überreden.
Es geht um den Mord an Diana Cowper, die eines Tages zu einem Beerdigungsinstitut ging, alle Details für ihre zukünftige Beerdigung festlegte und dann nur wenige Stunden später in ihrer Wohnung ermordet wurde. Warum? Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Vorkehrungen für diese Beerdigung und dem Mord? Hatte sie geahnt, dass sie ermordet werden sollte? Zur Beerdigung reist auch Dianas Sohn Damian aus Amerika an, der ein beliebter und prominenter Schauspieler ist.
Es bietet sich ein Zusammenhang an mit einem Vorfall, in den die Cowpers vor zehn Jahren verwickelt waren: Diana Cowper hatte zwei achtjährige Jungen angefahren, die plötzlich auf die Straße liefen. Der eine starb, der andere blieb schwerbehindert am Leben. Diana wurde freigesprochen, was die Eltern der beiden Jungen als große Ungerechtigkeit empfanden.
Hawthorne und Horowitz sind ein Gespann, das an Holmes und Dr. Watson erinnert. Hawthorne ist Horowitz immer ein paar Schritte voraus und hält Horowitz ziemlich auf Abstand, so dass dieser sich fragt, wie er ein Buch über einen Mann schreiben soll, den er kaum kennt und den er auch nicht besonders mag. Denn Hawthorne kommt ziemlich arrogant und selbstgefällig daher, nicht gerade sympathisch. Er ist sehr verschlossen, sowohl was seine Person als auch was den Fall angeht. Nach einer Weile sieht Horowitz sich regelrecht im Wettstreit mit ihm, ermittelt selbständig und versucht, etwas vor Hawthorne herauszubekommen. Meistens jedoch muss er nur Hawthorne zu diversen Vernehmungen begleiten, den Mund halten und Protokoll führen.
Die Beschreibung dieser Ermittlungen steht im Wechsel mit Horowitz‘ Überlegungen, wie er aus diesem Material ein Buch machen kann oder zum Beispiel einem Exkurs über eine geplante Zusammenarbeit mit Steven Spielberg. Das liest sich zwar auch recht amüsant, unterbricht jedoch den Spannungsbogen, so dass ich zwischendurch einige Hänger hatte. Am Schluss nimmt die Erzählung jedoch wieder gehörig Fahrt auf, der Fall ist sehr spannend, gut durchdacht und wird überzeugend aufgelöst.
Ich könnte mir vorstellen, dass der nächste Fall von Hawthorne/Horowitz noch runder läuft und werde ihn auf jeden Fall wieder lesen.

Bewertung vom 22.03.2019
Das Echo der Wahrheit
Chirovici, Eugene

Das Echo der Wahrheit


sehr gut

Erinnerungslücken und subjektive Wahrheiten
Ein spannender und interessanter Roman um die Aufklärung eines Mordes vor 30 Jahren an einem Abend in Paris.
Der New Yorker Psychiater und Psychotherapeut James Cobb wird nach einem Vortrag von dem tödlich erkrankten Multimillionär Joshua Fleischer angesprochen und gebeten, ein paar Tage zu ihm nach Maine zu kommen, um ihm per Hypnose zu helfen, die Ereignisse an jenem Abend in Paris zu beleuchten. Fleischers Erinnerungen sind lückenhaft und er befürchtet, damals einen Mord begangen zu haben. Bevor er stirbt, möchter er darüber Klarheit gewinnen. Sein ganzes erwachsenes Leben hat der erfolgreiche Finanzexperte sich als Philanthrop gezeigt und mit seinem Geld viel Gutes getan. Alles, um sich von der vermeintlichen Schuld reinzuwaschen? In Fleischers Erzählung spielen noch zwei weitere Personen eine wesentliche Rolle, sein Kommilitone und Mitbewohner Abe Hale und die Französin Simone, in die die beiden jungen Männer anscheinend verliebt waren.
In Cobbs eigenem Leben gibt es auch ein dunkles Kapitel: vor etwa drei Jahren hatte er eine Patientin, Julie, mit der er sich - entgegen aller Konventionen seines Berufsstandes - auf eine intime Beziehung eingelassen hatte. Diese Patientin beging später Selbstmord, woran Julies Eltern ihm die Schuld gaben; jedoch wurden die Ermittlungen gegen ihn im Endeffekt ohne Anklage wieder eingestellt.
Im Zuge von Fleischers Therapiesitzungen werden Cobbs Erinnerungen und Schuldgefühle wiederbelebt. Fleischer stirbt, bevor der damalige Abend rekonstruiert werden konnte, aber Cobb forscht nach seinem Tode trotzdem wie besessen weiter, fliegt sogar nach Paris.
Wie auch schon beim "Buch der Spiegel" schafft E.O. Chirovici es wieder, den Leser (jedenfalls mich) sofort zu fesseln und in die Handlung hineinzuziehen. Es liest sich sehr spannend, wir erfahren immer mehr kleine Puzzleteile, die sich teilweise aber auch widersprechen. Die endgültige Auflösung wirkt dann nach dem vorangegangenen Spannungsaufbau allerdings etwas enttäuschend, fade und auch konstruiert. Trotzdem eine spannende Lektüre, die einen bis zum Ende gefangen hält und der Schreibstil des Autors liest sich sehr angenehm und flüssig.
Also insgesamt eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 22.03.2019
Der Hunger der Lebenden / Friederike Matthée Bd.2
Sauer, Beate

Der Hunger der Lebenden / Friederike Matthée Bd.2


sehr gut

Krimi im Köln der Nachkriegszeit
Den ersten Band der Reihe kenne ich nicht, aber das ist auch nicht nötig, um in die Handlung einzusteigen. Die großbürgerlich in Königsberg aufgewachsene Friederike Matthée lebt nach der Flucht aus der Heimat mit ihrer Mutter nun in einer Schrebergartensiedlung in Köln. Sie hat sich der relativ neuen weiblichen Polizei angeschlossen und wird nun in den Fall einer ermordeten Gutsherrin im Bergischen Land verwickelt. Gleichzeitig werden in derselben Gegend die Leichen dreier junger englischer Soldaten gefunden, wodurch Richard Davies ins Spiel kommt, ein Angehöriger der britischen Militärpolizei. Friederike hat in ihrem ersten Fall schon mit ihm zusammengearbeitet und fühlt sich zu dem verschlossenen Mann hingezogen. Er ist eigentlich deutscher Jude, konnte aber durch einen der letzten Kindertransporte nach England 1939 dem Holocaust entkommen. Seine Eltern sind jedoch im KZ zu Tode gekommen. Auch Friederike hat ihr Päckchen zu tragen: ihr Vater ist in Rußland gefallen, ihr Bruder Hans gilt als vermisst.
Es liest sich sehr spannend, wie die Ermittler immer wieder Fährten folgen, daraus falsche Schlüsse ziehen, diese dann verwerfen bis sie endlich die Puzzleteile richtig zusammensetzen können. Auch in der Beziehung der beiden gibt es ein stetes Auf un Ab, denn Davies ist in seiner Ablehnung alles Deutschen und seiner Zuneigung zu Friederike hin und her gerissen. Die Atmosphäre und Stimmung der Nachkriegswirren wird von der Autorin sehr anschaulich gezeichnet - eine fremde Welt für jemanden, der selbst nie einen Krieg miterlebt hat. Ein sehr spannender und informativer historischer Krimi, eine sehr lohnende Lektüre die fesselt und unterhält.