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LichtundSchatten

Bewertungen

Insgesamt 241 Bewertungen
Bewertung vom 14.09.2023
Gruppe und Graus
Hecht, Martin

Gruppe und Graus


ausgezeichnet

Wer wirklich peinlich auffallen will, schließt sich einfach einer Gruppe oder einem Verein, gar einem Fan-Club an. Heute haben Verehrer von Florian Silbereisen oder Andrea Berg sogar die Chance, live im Fernsehen sichtbar zu sein. Oft habe ich den Eindruck, dass die Kameraeinstellungen alle Bewegungen dieser schunkelnden Gruppen einfangen und auf den TV-Screen zaubern.

Nichts spricht gegen Freunde und Gruppen, wirklich nichts. Es ist ein Urbedürfnis des Menschen, seit er von den Bäumen abgestiegen und zum besten Menschen aller Zeiten mutiert ist.

Was wir in diesem Buch lesen, sind jene Peinlichkeiten, die in völliger Gruppen-Enthemmung auftreten können. Z.B. bei den Junggesell*innen Abschieden, die heute unsere Städte, Flieger und Eisenbahnen überziehen.

Ein amüsantes Buch, das mich gefesselt und zu neuen Gedanken gebracht hat. Die Änderungsimmunität in Gruppen steigt mit der Zeit unerbittlich an und ihr Ersticken der Individualität scheint für viele ein echter Gesundbrunnen zu sein.

Wie das Lachen entstanden ist? Eine Gruppe von Menschen steht an einem See, während ein Bär heranschleicht und einen tötet. Alle anderen rennen davon und lachen wir irre. Eine Gruppe mithin steigert die Wahrscheinlichkeit, nicht alleine der Dumme zu sein. Sie gibt Wärme und Zuversicht, sie ist eine der unentbehrlichen Essenzen des Menschseins - trotz aller Widersprüche.

In der Über-Individualisierung unserer Zeit werden Gruppen als Gegenpol umso wichtiger, so meine Interpretation. Das Buch bietet keine wissenschaftlichen, soziologischen Grundlagen, sondern Erlebnis-Futter zum Gruppen-Verhalten. Die Sichtweise von Martin Hecht auf Gruppen ist eher negativ, aus der Position eines Individualisten, der vermutlich keiner Gruppe angehört.

Natürlich verweist Martin Hecht als öffentlich rechtlicher Journalist pflichtschuldigst auch auf sich radikalisierende Gruppen wie Pegida. Meine Frage wäre: Wenn Constantin Schreiber heute den Islam nicht mehr kritisieren will, weil er bedroht wird, dann haben solche Gruppen abseits einzelner, ängstlicher Personen durchaus eine höchst demokratische Notwendigkeit, Ideologien und Religionen zu kritisieren?!

Bewertung vom 13.09.2023
Das Amazon-Modell
Berg, Natalie;Knights, Miya

Das Amazon-Modell


ausgezeichnet

Ein wirklich hervorragendes Buch, das insbesondere von allen Einzelhändlern zu lesen wäre. Sie sind durch Amazon herausgefordert, so einfach ist es. Für sie ist insb. Pkt. 14 spannend: „Neudefinition des Ladengewchäfts: von der Transaktion zum Erlebnis.“

Bewertung vom 13.09.2023
Die Türken vor Wien
Bremm, Klaus-Jürgen

Die Türken vor Wien


ausgezeichnet

Ein hervorragendes Werk mit tiefen Einblicken in eine Zeit, die uns fremd ist. Habsburg, Balkan, Frankreich, Russland, England, Preußen, Griechenland, Polen, das osmanische Reich. Wenige können sich vorstellen, wie sich das Christentum bzw. seine Herrscher zu dem Herrscher an der Hohen Pforte (Istanbul) verhielten bzw. welche Ziele sie alle verfolgten.

Ich kann alle Darlegungen von Klaus-Jürgen Bremm (KJB) in der zeitlichen Herleitung bzw. Abfolge weitgehend begreifen und bewundere die detailreichen Erklärungen. Ich sehe aber nach wie vor eine prinzipielle Gegnerschaft zwischen dem Islam und dem Christentum. Sie begründet sich nicht nur historisch in unzähligen Kriegen, die auch von christlichen Herrschern durch Allianzen mit dem Sultan „bereichert“ wurden, aber trotzdem einen Kern übrig lassen, der in einer Religion wurzelt, die keine Trennung zwischen Staat und Religion kennt. Erdogan lebt das aktuell sehr deutlich vor. Der Islam begünstigt vor allem autokratische Führungen, ja, er ist in seiner Zerrissenheit geradezu prädestiniert dafür.

KJB widerspricht also dem Historiker Hans-Ulrich Wehler, der zurecht davon ausging, dass die Türkei unmöglich Teil der Brüsseler Staatengemeinschaft werden könne. Es gibt für mich kein akademisches Postulat für die unbedingte Suche nach Gemeinsamkeiten, wie von KJB formuliert. Was nicht zusammen klingt, geht nicht zusammen. Mohammed sah die Glocke als das Instrument des Teufels, es ist im Grund so schlicht, wenn man an Trennendes denkt. Die Trennlinien zwischen Islam als einer Einheit von Religion inkl. Staat im Unterschied zu jenen Staaten, die säkularisiert sind, verlaufen ultrascharf und unversöhnlich.

Selbstverständlich gibt es kein einheitliches Gedächtnis der osmanisch-europäischen Geschichte. Genau deshalb werden Ungarn und Polen heute von den Brüsseler Beamten ausgegrenzt. Die Knabenlese wirkt in diesen Ländern immer noch nach und zurecht beschreibt es KJB: „Ohne die riesig Zahl der zum Islam konvertierten Überläufer aus Italien, Frankreich und dem Reich, aus Dalmatien, Bosnien und Albanien mit ihren Kenntnissen und Fertigkeiten im Schiffbau, Geschützwesen und in der Architektur hätte es nie einen osmanischen Staat mit seiner gewaltigen Machtfülle gegeben.“

Dass dieses von Sklaven mit erbaute Imperium auf die Loyalität der Bewohner von christlichen Staaten zählen konnte, halte ich für ein Gerücht. Es waren Herrscherinteressen, hohe Politik, die das Gleichgewicht des Schreckens aufrechterhielten. Die Religion aber hatte und hat im Islam eine weitaus gewaltigere Kraft als das Christentum. Sie zielt auf Ungläubige mit einer überdauernden Kraft der Missionierung und dem Glauben an die finale Überwältigung der Welt durch den Islam.

Trotzdem ist die Schlussfolgerung von KJB richtig: „Tatsächlich muss man sogar von einer parasitären Existenz des osmanischen Staates sprechen, der jahrhundertelang in kaum vorstellbaren Umfang Güter, Menschen und Fachwissen aus den christlichen Ländern ansaugte, ohne dafür Bedeutsames zurückzugeben.“ Dass der Buchdruck 400 Jahre aufgeschoben wurde, weil im Koran alles Wesentliche steht, war einer der wesentlichen Irrtümer, begründet auch durch die Religion. Noch heute hört man oft genau dieses Argument.

Wer hofft, dass die Türkei (nach Erdogan) zu demokratischen Verhältnissen zurückkehrt, hat vom Islam nach meinem Empfinden wenig verstanden. Sein Wähler aus Deutschland mit Doppelstaatsbürgerschaft belegen dass ebenso wie alle Texte und Analysen, die man aus den Grundlagenwerke des Islam ziehen kann.

Als Ergänzung zu diesem Buch empfehle ich ein Werk von Karl Toifel: "Die Türken Vor Wien im Jahre 1683: Ein Österreichisches Gedenkbuch." Als Reprint erschwinglich erhältlich. Was mir bei Karl Toifel besser gefiel waren die unzähligen, grandiosen Illustrationen und die Beschreibungen sehr nahe an den (leidenden) Menschen. Erhellend auch die Kriegserklärung des Sultans vor 1683.

Bewertung vom 13.09.2023
Amerikas Gotteskrieger
Brockschmidt, Annika

Amerikas Gotteskrieger


schlecht

In Deutschland ist es die N-Partei und in Amerika sind es die Gotteskrieger. Sie sind des Teufels und verteidigen ihre eigene Kultur. Amerika sei von Christen gegründet worden und bestünde darauf, auch weiterhin christlich sein zu wollen. Gegen Kommunismus und andere kollektive, auch religiöse Kulte. Das Ganze bündelt sich für die Autorin in der Person Trump, die schon jetzt rechtzeitig zu seiner Wiederwahl 2024 als Dämon des Schreckens an die Wand geworfen werden soll.

Dieses Buch liest sich wie eine lange Verschwörungstheorie und kann wenig bis keine konkreten Tatsachen benennen, es beschwört und phantasiert, es ist Futter für den kollektiven grünen, linken Geist und das völlige Gegenteil der Ziele amerikanischer Konservativer, die auch in England erfolgreich aktiv sind. Der Kampf gegen Weiß nimmt so immer absurdere Züge, jetzt stehen christliche Nationalisten am Pranger, die in den USA die Trennung zwischen Staat und Kirche nicht anerkennen wollten, phantasiert die Autorin.

James Bryce stellte z.B. Ende des 19. Jh. fest, dass in Amerika keine Glaubenskriege wie in Europa auftraten, gerade weil dort Staat und Kirche Gründung strikt getrennt wie in keinem andern demokratischen Land waren. Amerika wäre verrückt, wenn es diese Trennung auflösen wollte. Sehr wohl aber macht sich Amerika Gedanken darum, wer die bisherige Tradition weiterführen kann. Ist es ein multi-religiöses Amerika, ein Linkes, gar ein Islamisches? Wer hier keine Position bezieht, wird enden wie Frankreich oder England, das mit dem Brexit den kulturellen Not-Knopf gedrückt hat. Dank einer Kanzlerin in Deutschland, die Europa mit Personen segnen will, die wenig kulturelle Gleichklänge zum Abendland haben. Ihre Maßnahme zur Stärkung der eigenen Identität: mehr Weihnachtslieder singen.

Die Autorin hat von grundlegenden Unterschieden der Religionen leider wenig begriffen, ihre apokalyptischen Theorien sind ebenso falsch wie jene Angsttheorien, die uns heute überfluten in ihren religiösen Endzeiterwartungen, Panik und Angstinduktionen.

Im Christentum wurden Staat und Kirche getrennt, die Aufklärung ermöglicht, andere kollektive Ideologien bzw. Überheblichkeitsfanatiker arbeiten dagegen. In diesem Prozess globalisierter Gesellschaften schlägt das Pendel zur Freiheit und Eigenverantwortung, zur praktischen Vernunft, Entwicklungen also, die mit dem Christentum gut gefahren sind und sich seiner ursprünglichen Kraft erinnern.

Dabei denke ich auch an die Verfehlungen der katholischen Kirche, die mit Abbe´Meslier und Diderot, Voltraire u.v.m. in die Aufklärung überführt wurden. Ich denke an die echten Aussagen Jesu, die Franz Alt in seinem Buch „Was Jesus wirklich gesagt hat“ eindrücklich analysierte. Daran knüpfen amerikanisch-christliche Traditionen an, sie wissen, welche Religionen den Frieden stützen und welche nicht.

Schwarze Kirchen wurden zum Motor der Bürgerrechtsbewegung. Deren Höhepunkt war der Marsch auf Washington im August 1963. Malcolm X war das nicht radikal genug und welcher Ideologie er nachhing, ist bekannt. An dieser Grenzlinie sehen sich amerikanische Kirchen heute, sie haben noch ein Gefühl für ihre Herkunft, während die Kirchen in Europa vom fatalen Buntismus befallen sind und untergehen.

Zwar konnten die bunt-ökologischen Toleranz-Anhänger in Deutschland aktuell einen Sieg einfahren, er scheint aber brüchig. Die dafür notwendige Energie wurde von fleissigen Menschen erzeugt und ihre Zerstörung wird fatale Wirkungen haben, vor allem auch die kulturellen Implikationen. Gut, dass Amerika hier gläubige Christen hat und keine Gotteskrieger, ein Begriff den die Autorin ganz bewusst an die eigentlich islamistische Herkunft des Wortes geknüpft hat, ein Vorgehen, das per se eine völlig haltlose Verdrehung ist.

Zentrales Schulwissen sollte heute der Unterschied zwischen den Religionen darstellen und die dabei auftretenden radikalen Linien, die echte Gotteskrieger beschreiten. Gestern, am 12. September, war der 340 Jahrestag der Befreiung Wiens von der Belagerung der Osmanen. Bremm schrieb über sie in seinem Buch "Die Türken vor Wien": „Tatsächlich muss man sogar von einer parasitären Existenz des osmanischen Staates sprechen, der jahrhundertelang in kaum vorstellbaren Umfang Güter, Menschen und Fachwissen aus den christlichen Ländern ansaugte, ohne dafür Bedeutsames zurückzugeben.“

Bewertung vom 11.09.2023
June und Helmut Newton
Alvarez, José

June und Helmut Newton


ausgezeichnet

Wer die Fotografie Newtons verstehen will, erfährt mit diesem Buch die notwendigen Hintergründe bzw. Beeinflussungen und Sehnsüchte, die er in seiner Entwicklung erlebte.

Die ganze Welt nur ein Theater und wir die Schauspieler, so zelebrierte er das ihm eigene, überhöhende Schreiben mit Licht. Personen wie Skulpturen in zeitlosen, majestätischen Raum platziert, hocherotisch meist, nur einen Hauch weg von Pornografie.

Helmut Newton war ein begeisterter Könner, der durch den Nationalsozialismus musste und danach weltweit eine Karriere startete, die Bewunderung verdient. Seine Ehefrau June, ebenfalls Fotografin, stand zu ihm auch in schweren Zeiten. Beide haben bis zum Schluss ihre Begeisterung für das Fotografieren zelebriert.

Den Fotos im Anhang, die ich alle kannte und jetzt gebündelt vorliegen habe, würden einige Schaltstellen der Macht heute einen Warnhinweis voranschicken.

Großartige sw Bilder ab Seite 192. Sie entziehen sich einer sachlichen Analyse, Frauen werden überhöht wie Göttinnen dargestellt, aber auch die Männer Portraits strahlen etwas Besonderes aus.

Meine Vermutung ist, dass Menschen, die den Faschismus hinter sich gebracht haben mit allen Einschränkungen der persönlichen Freiheit, später umso freier und unabhängiger agieren. Reich-Ranicki war ein ähnlicher Fall, der begeistert und den Frauen lustvoll zugewandt, lebte und arbeitete.

Newton auf dem Totenbett: es war bestimmt sein Wunsch, aber hier geht er vielleicht doch einen Schritt zu weit. Das wollte ich. nicht sehen.

Bewertung vom 12.08.2023
Abaddon
Jörges, Hans-Ulrich;Vormbäumen, Axel

Abaddon


weniger gut

Wer völlig negiert, dass Trump in seiner ersten Amtszeit keine Kriege geführt hat, kann zu einem solchen Plot kommen. Putin und Trump ziehen darin die Schraube des Irrsinns fest an und stürzen die Welt in den 3. Weltkrieg.

Zudem müsste man negieren, dass der Ukraine Krieg weit vor dem ersten Schuss der Russen begonnen und eine lange Vorgeschichte hat. Wer hier die Schuld trägt, USA oder Russland, wäre zu diskutieren.

Dem Roman gelingt es leider an keiner Stelle, emotionalen Tiefgang oder Spannung aufzubauen. Es klingt wie der Sachstandsbericht eines Agenten, ohne berührende, tiefer gehenden schriftstellerischen Momente.

Dabei ähnelt das Szenario den angstinduzierenden Informationen, die uns von letzten Generationen und Klimaschützern erzählt wird.

Beide Präsidenten werden völlig wahnsinnig, bitterböse und rachsüchtig dargestellt, Choleriker ohne Verantwortungsgefühl für die ihnen anvertrauten Menschen.

Die Sätze ertrinken in einer Vielzahl von Klischees, von denen der wohlig wärmende Single Malt (gibt es auch andere Whiskeys?) am häufigsten fiel.

Jörges habe ich früher schon anhand einer Reihe von Aussagen mit der Realität abgeglichen. Sehr selten lag er richtig und in diesem Buch liegt er weit daneben.

Unsere Welt wird leider täglich von Journalisten dargestellt, die nichts aufzuweisen haben als den Hang zur schlechten Nachricht und dem vernichtenden Bösen.

Bewertung vom 28.06.2023
Der Schrei des Hasen
Jörges, Hans-Ulrich

Der Schrei des Hasen


gut

Hans Ulrich Jörges hat klare Ansichten und ist in der Lage, diese verständlich und mit Nachdruck zu äußern. An sich zweifeln liegt ihm nicht. Wenn ich ihm zuhöre, fühle ich eine starke, unabhängige Persönlichkeit, die ihre Meinung auch gegen den Mainstream richten kann. Mit seinem Weggang habe ich aufgehört, den Stern zu lesen.

Neulich sagte er bei BILD TV mit großer Überzeugung, dass der SPD Generalsekretär Klingbeil wohl Verteidigungsminister werden solle, weil seine Eltern Offiziere waren/sind. Das klang gut, liest man dann bei Wikipedia nach, wird klar, dass er Wehrdienstverweigerer war.

Zuverlässig hat Jörgs gehört, dass Lauterbach nicht Gesundheitsminister wird. Sehr wahrscheinlich war also, dass der Spahn-Nachfolger Karl mit Vornamen heißt. Ich mag Jörgs Statements trotzdem, auch wenn er selten meine Meinung trifft. Er kann auch mit vermeintlichen politischen Gegnern reden und grenzt sie nicht aus. Das ist heute schon sehr, sehr viel. Alle Aussagen kann jeder heute in Sekundenschnelle im Netz selbst gegen-checken.

Ein spannendes Buch mit unglaublichen, aberwitzigen Geschichten und Einsichten, die mich bereichert haben, eine Sittenbild des deutschen Journalismus von den 80ern bis heute.

Keinesfalls bin ich damit einverstanden, dass Sarrazin Rassist sei oder alle Religionen zu Deutschland gehören oder gar die häufige Behandlung dieses Themas im Fernsehen schuld am Erstarken der AfD sei. Das Gegenteil ist richtig. Weil dort die einzige Plattform vorhanden war und ist, um die dritte monotheistische Religion zu kritisieren, hat sich um und in dieser Partei ein Areal der Kritik gebildet. Es ist ein verhängnisvoller, schwerer Fehler von HUJ, dass er keine Ahnung von Religionen hat und Wulff einen falschen Satz in eine Rede geschmuggelt hat.

Ganz generell stört mich die enge Liaison zwischen Politik und Journaille, für die Jörges viele Beispiele anführt. Sein starker Einfluss soll mit diesem Buch klar werden, ein Macht-Journalist legt Zeugnis ab. Das alles nervt. Und doch ist Jörges keinesfalls ein Opportunist, er hat Prinzipien und moralische Grundlegungen, die er in diesem Buch erläutert.

Btw: Geschäftsführer und Verleger-Magnaten, auch Journalisten sollten nie im Leben Doppelnamen tragen, keinen einzigen habe ich mir gemerkt. Leider habe ich in der Vergangenheit auch Jürgs und Jörges immer mal wieder verwechselt. So ist es, lieber Herr Jörges: außerhalb Eurer Meinungsblasen seid Ihr viel weniger bekannt als ihr euch einbildet!

Zusammenfassend fest-gestellt: Jörges wurde nach kurzen linksradikalen Auswüchsen ein Kapitalist reinsten Wassers, mit dem Traum Pilot zu werden gesegnet, umgeben von blonden Schönheiten, hungernd in der Jugend und später mit einem benzinschluckenden Daimler kutschierend, ein rhetorischer Boxer mit echten Wirktreffern, großem rhetorischem Geschick inkl. guten Provokationen ausgestattet. Viele seiner Ziele hat er erreicht, er ist nicht langweilig und nach wie vor höre ich ihm gerne zu.

Davon war und ist Jörges weit entfernt: „Die Aufgabe der Journalisten ist es, die Wahrheit zu zerstören, gerade heraus zu lügen, zu verdrehen, zu verunglimpfen, vor den Füßen des Mammons zu kuschen und sein Land und seine Rasse um sein tägliches Brot zu verkaufen. Sie wissen es und ich weiß es.“ John Swinton (1829 - 1901), US-amerikanischer Redaktions-Chef der New York Times

Juni 23: Jörges kommentiert nicht mehr, hat aber einen dystopischen Roman veröffentlicht, der den Trump-Putin-Pakt hell-sehen will. Na ja.

Bewertung vom 26.06.2023
Die Kunst, ein kreatives Leben zu führen
Berzbach, Frank

Die Kunst, ein kreatives Leben zu führen


ausgezeichnet

Ein Leben lang war ich in der Kreativbranche tätig - und hatte das Glück, auch meine eigenen Ideen umzusetzen. Vom reinen Berater hin zum Texter, ein weiter, spannender Weg. Hart im Raum trafen sich immer Geschmacksfragen und wer glaubt, dass in Werbeagenturen Intellektualität herrscht, irrt sich gewaltig.

Es steht das Konzept „Ideen und machen“ im Vordergrund. Man sieht im Verlaufe von 40 Jahren viele kreativen Konzepte mehrfach und muss wissen, wann sie reif sind, wie man sie intellektuell verkaufen bzw. an Marketingverantwortliche bringen kann, die immer mal an andere (BWL_Mode-) Konzepte glauben.

Es gibt nur einen Zustand, der in kreativen Berufen dominiert:
Termindruck, Hektik, Stress und schneller machen.

Dieses Buch ist - vom Äußeren her - die Gegensehnsucht dazu:

es ist liebevoll, haptisch ausgezeichnet und vom Layout (außen und innen) und der Typo her ein Genuss. Natürlich hat es die Lieblingskreativfarbe Orange und Schlammgrau drin. Könnte nicht sagen, dass mir das nicht gefällt.

Die Inhalte sind so wie alles in der kreativen Branche: ab- und zugeschrieben.

Dies muss nicht schlecht sein, in keinem Fall. Ich liebe es, wenn Menschen zugeben, wo sie abgeschrieben bzw. drumrum geschrieben haben. Die Inhalte lassen eine Fülle an Zitaten fließen. Sie verquicken sich zu einem gut lesbaren Genuss der Dinge, die man immer schon mal so machen wollte, zumindest in Gedanken, während von außen der Kontakter nach der fertigen Lösung schreit. Umso langsamer sein, genau dann, darauf kommt es an. Lieber nichts präsentieren als das durchschnittliche Mittelmaß.

Danach ruft dieses Buch und selten nur wird es gelingen. Trotzdem ist der Ruf danach richtig und ich habe alle Inhalte gerne gelesen, mit den Gedanken ein Atemholen in der Atemlosigkeit der Zeit genossen.