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Benutzername: 
Leserattenmama
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 152 Bewertungen
Bewertung vom 07.08.2019
Der Gesang der Flusskrebse
Owens, Delia

Der Gesang der Flusskrebse


ausgezeichnet

Eine Ode an das Marschland!
Catherine Danielle Clark, von allen nur Kya oder das Marschmädchen genannt, wird 1945 im Marschland von North Carolina geboren und wächst sehr ärmlich in einer abgelegenen Hütte ohne Strom oder fließend Wasser auf. Nach und nach wird sie von Geschwistern und Eltern verlassen und ist bereits mit 6 Jahren auf sich selbst gestellt. Doch sie hat bereits viel von der Natur gelernt und kämpft sich durch - auch ohne klassische Schulbildung gelingt ihr beachtenswertes, was ich aber nicht vorweggreifen will.
Ihre Beobachtungen kann man über die Bilder, die der Roman beschreibt, wunderbar nachvollziehen, wie dieses Beispiel von Seite 349: „Kya beugte sich behutsam vor, als wollte sie ein Baby küssen. Das Licht des Mikroskops spiegelte sich in ihren dunklen Pupillen, und sie holte tief Luft, als sie plötzlich einen Faschingszug von kostümierten Gestalten sah, die Pirouetten drehten und durcheinanderwimmelten.“
Neben den detaillierten Beobachtungen der Natur und Tiere um Kya herum wird auch ihre Entwicklung zur Frau sehr gefühlvoll beschrieben sowie ein Gerichtsverfahren im Jahr 1970, in das sie verwickelt ist, begleitet. Die Sprünge zwischen der Vergangenheit und den aktuellen Ereignissen nach dem Tod von Chase Andrews sind dank der Kapitelüberschriften mit Jahreszahl kein Problem.
Ein wunderbares Buch, das Respekt vor der Natur sowie dem Anderssein von Menschen lehrt und einfach toll geschrieben ist!

Bewertung vom 07.08.2019
Im Freibad
Page, Libby

Im Freibad


ausgezeichnet

Das Freibad, das von der Schließung bedroht ist, liegt im Londoner Stadtteil Brixton - aber die Story, dass ein Investor solch eine öffentliche Institution für mehr Komfort seiner Bewohner von Luxusimmobilien umwandeln will, könnte in jeder Stadt passieren...

Rosemary, 86, und Kate, eine junge Journalistin bei der Stadtteilszeitung, treffen erstmalig im Rahmen eines Zeitungsbeitrages über die geplante Schließung aufeinander. So unterschiedlich die beiden Frauen sind - was Alter, Lebensgeschichte und Bezug zum Schwimmbad angeht-, sie finden schnell freundschaftlich zueinander und fassen Vertrauen, so dass man als Leser immer mehr über die beiden erfährt. Das ganze in einer sehr schönen Sprache, ein Beispiel: „Kate lachte ebenfalls, und für einen Moment überbrückte das Lachen den Raum zwischen Ihnen und umarmte sie beide.“ schon bald wird der Kampf um den Erhalt des Schwimmbades, bei dem sie von einigen Freunden unterstützt werden, von ganz persönlichen Motiven geleitet... Liebe, Trauer, Freundschaft, Panik, Sinn des Lebens und des täglichen Aufstehens; man kann so vieles nachvollziehen!

Eine schön zu lesende, sommerliche Geschichte, die einen bewegt und mitfühlen lässt - ohne Einschränkungen empfehlenswert!

Bewertung vom 27.06.2019
Die Stille des Todes / Inspector Ayala ermittelt Bd.1
Garcia Saenz, Eva

Die Stille des Todes / Inspector Ayala ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Anspruchsvoller Thriller mit Spannungsbogen über 552 Seiten!
2016: in der Kathedrale von Vitoria, der Hauptstadt des Baskenlandes, werden an einem Feiertag die Leichen eines 20-jährigem Mannes und einer gleichaltrigen Frau gefunden. Ermittler sind Unai López de Ayala, genannt Kraken, und seine Kollegin Estibaliz Gauna (Esti). Der Fall ähnelt bis ins Detail in Durchführung und Arrangement an historisch bedeutsamen Orten einer Mordserie vor 20 Jahren, bei der ebenfalls paarweise gleichaltrige Säuglinge, 5- jährige und 10jährige Kinder sowie 15-jährige Jugendliche umgebracht wurden. Für diese Verbrechen wurde Tasio de Ortiz verhaftet und in Einzelhaft in den Hochsicherheitstrakt gesperrt; seine Freilassung für den ersten Hafturlaub steht allerdings kurz bevor. Für die Medien - vor 20 Jahren waren es vornehmlich Zeitungen, in der aktuellen Ermittlung auch Twitter- ein gefundenes Fressen.
Wie auch vor 20 Jahren bleibt es nicht bei einem Opferpärchen...
Zusätzlich wird noch ein Handlungsstrang, der im November 1969 beginnt, eingeflochten - hier sind Blanca Díaz de Antiñana und Doctor Álvaro Urbina die Hauptpersonen.
Durch die drei Handlungszeiträume -um 1970; die ersten Morde und Festnahmen 1996 und aktuell 2016- und den entsprechend vielen beteiligten Personen mit langen baskischen Namen plus Spitznamen ist der Thriller recht anspruchsvoll, zudem werden im Zuge der Ermittlungen sehr viele Details über die Stadt Vitoria und ihre Historie berichtet. Es sind außerdem nicht nur die zwei Ermittler und ihre Lebensumstände Thema, sondern noch die weiterer Personen - das Personenverzeichnis hinten im Buch hilft da weiter, wenn man den Faden bei den regionstypischen Namen verliert. Ebenso ist das Glossar sehr hilfreich, das auf 7 Seiten einige Begriffe erklärt, die für das Baskenland bzw die Stadt Vitoria von Bedeutung sind.
Das Buch ist jedoch so spannend geschrieben, dass ich es kaum aus der Hand legen konnte und entsprechend in der Geschichte „drin“ blieb - ich kann sehr gut verstehen, warum dieses Buch, ebenso wie die beiden folgenden Bände, in Spanien so ein Verkaufsschlager war und die Verfilmung bereits geplant ist! Klare Leseempfehlung für diesen packenden Thriller; gerichtet an alle, die nicht nur in einem über 552 Seiten spannenden Thriller über mehrere Leichen gehen wollen, sondern nebenbei noch einiges über das Baskenland lernen wollen und sich von etwas Komplexität in Zeiträumen und Personengeflecht nicht abschrecken lassen.

Bewertung vom 27.06.2019
Zwei in Solo
Janus, Elja

Zwei in Solo


ausgezeichnet

So viel mehr als eine kitschige Liebesgeschichte!
Dieses wundervolle Buch hat so ein kitschiges Cover und die (meines Empfindens ebensolche) Definition des Titels nicht verdient! SoLo als Vereinigung von SOphie und MiLO, naja...

Die Geschichte von Sophie, 31, Gesamtschullehrerin und Milo, 21, ihr ehemaliger Schüler aus der sog. „Unterschicht“ ist so viel mehr als eine leicht durchzulesende Liebesschnulze, wie Cover + Klappentext erwarten ließen. Abwechselnd erzählen die beiden ihre Geschichte. Beiden Personen wird eine unglaubliche emotionale Intelligenz gegeben, die nicht nur hinter die Fassade des anderen, sondern auch hinter die des eigenen Umfeldes blicken, was ja noch viel schwieriger ist. So unterschiedlich ihre Kindheiten auch waren, es werden Gemeinsamkeiten aufgedeckt - nicht nur das fehlende Schaukeln :)
Die sich entwickelnde Liebe wird wunderbar nachvollziehbar begleitet, wie sie zwischen diesen verschiedenen Welten entsteht - allen Vorurteilen zum Trotz. Die beiden helfen sich gegenseitig und entwickeln sich jeder weiter; über die Grenzen ihrer jeweiligen sozialen Umgebungen hinaus. In der einen Welt liest man nicht, in der anderen sagt man nicht, was man denkt/fühlt... welche ist da die „bessere“?! Ein lehrreiches Buch, das Gelegenheit gibt, die eigenen Denk- und Handlungsweisen noch mal zu überprüfen...

Das ganze in einem Schreibstil, der ebenso wenig wie der Inhalt als lockerleicht zu bezeichnen wäre - so einige Sätze habe ich mehrfach gelesen, weil ich die gewählten Worte so passend zusammengesetzt fand. (Bsp. Kapitel 39: „Aus meiner so lange gehegten Mauer sind eindeutig zu viele Worte herausgebrochen, deren Leine normalerweise nur bis auf das Papier reicht, auf dem ich ihnen Freiheit gewähre.“)

Ich kann das Buch nur rundherum empfehlen!

Bewertung vom 19.06.2019
So schöne Lügen
Burton, Tara Isabella

So schöne Lügen


ausgezeichnet

Ein Märchen in der heutigen Zeit!
Ein wunderschönes Cover, das glänzt und blendet - ebenso wie die vielen Selbstdarsteller, die sich heutzutage in den sozialen Medien tummeln...

in diesem aktuellen Setting spielt diese Geschichte - armes Mädchen (Louise, 29) trifft auf reiches Mädchen (Lavinia, 23) und wird in ihr Leben in der Upper East Side in New York aufgenommen. Ein modernes Märchen; nicht nur, was den grundsätzlichen Ansatz der Geschichte angeht, sondern ebenso modern in der Sprache und den Aktionen der Protagonisten. Es werden immer wieder Selfies gemacht, gepostet und die „Likes“ gezählt; mehr Schein als sein. Sehen und gesehen werden auf den richtigen Partys in (natürlich) wechselnden, auffallenden Outfits. Die Oberflächlichkeit der „Freundschaften“, wie sie in den sozialen Netzwerken genannt werden, wird gut in die Handlungen eingebaut - die „Freunde“ wissen oft sehr wenig voneinander und es entwickelt sich kaum Tiefgang. Auch die Sprache ist modern: oft kurze Sätze, mal auch Aneinanderreihungen von Beobachtungen auf einer Party.

Mich persönlich hat dieses Buch gefesselt und ich konnte es kaum aus der Hand legen, um das Ende zu erfahren: kann so eine „Freundschaft“ langfristig bestehen und wie sehr + lange lassen sich Menschen blenden? Wer Lust hat auf einen andersartigen Roman in vielerlei Hinsicht, der wird sich sicher gern auf dieses optisch schöne, inhaltlich so manches Mal böse Buch einlassen.

Bewertung vom 19.06.2019
Der Wal und das Ende der Welt
Ironmonger, John

Der Wal und das Ende der Welt


ausgezeichnet

Ein bisschen von allem ist hier die perfekte Mischung!
Ein bisschen Fischerdorf-Idylle im englischen Cornwall; ein bisschen Tierliebe für den Wal; ein bisschen Stochastik; ein bisschen Vergangenheitsbewältigung des Protagonisten; ein bisschen Welt- und Finanzpolitik; ein bisschen Herzschmerz - all das macht hier eine perfekte Mischung aus!

Ohne die Handlung vorwegzunehmen: ich finde es im Nachhinein sehr gut, dass der Klappentext kaum etwas über den Inhalt des Buches verrät und man eigentlich gar nicht so genau weiß, worauf man sich einlässt... um so besser waren die drei (langen) Leseabende, an denen ich dieses Buch verschlungen habe! Es ist toll geschrieben und der Verlauf der Geschichte, die man über längere Passagen auf andere, „echte“ Ereignisse übertragen kann, regt zum Nachdenken an. Was würde ich machen; wie würde mein Nachbar reagieren; könnte nicht dies oder jenes vielleicht sogar tatsächlich eintreten?!

Ein schön anzusehendes und noch viel besser zu lesendes Buch, das ich vielen -jungen und auch älteren LeserInnen- nur empfehlen kann und spätestens zur (im Buch über die christlichen Werte enthaltenen) Weihnachtszeit bestimmt verschenken werde

Bewertung vom 19.06.2019
Mein Leben als Sonntagskind
Visser, Judith

Mein Leben als Sonntagskind


ausgezeichnet

Welches Kind ist schon normal... ... heutzutage gibt ja gefühlt fast kein Schulkind mehr ohne Diagnose wie ADHS, ADS, Legasthenie, Dyskalkulie, muss zur Logopädie, Physiotherapie, Psychotherapie etc; aber vor einigen Jahren sah das ja noch anders aus. Nicht nur bei uns in Deutschland, sondern auch im Nachbarland, den Niederlanden, wo Jasmijn im Januar 1978 geboren wird. Ein Sonntagskind, das gemeinsam mit ihrem älteren Bruder Emiel und den Eltern aufwächst und mit zwei Jahren die Hündin Senta bekommt, die schnell für sie zum wichtigsten Bezugspunkt wird. Menschen sind ihr oft zu laut, Gespräche strengen Jasmijn an, da sie zB keine Ironie versteht und alles wörtlich nimmt und Nebengeräusche wie Radio oder TV nicht ausblenden kann. Schon als Vorschulkind mit 4Jahren fällt sie dadurch auf; fremden Menschen (zB der Lehrerin...) antwortet sie nicht und findet keinen Anschluss an die Mitschüler.
Ihr Anderssein, wie dass sie sich gern abkapselt, es ihr schnell zu laut und zu hell wird, wird einfach von Eltern und Lehrern hingenommen. Heute unvorstellbar... aus Jasmijns Perspektive erzählt jedoch sehr gut, absolut logisch und leicht nachspürbar geschrieben.
Sätze in einer so einprägsam bildlichen Sprache wie „Warm und weich wie dicht behaarte Tierhaut; so musste Fell klingen, wenn es Klang wäre“ oder „In meinem Kopf wurde es hell vor Erleichterung“ tragen absolut zum Lesegenuss bei. Es gibt Höhen und Tiefen; Szenen zum Lachen, aber auch zum Weinen; zum Schmunzeln und trocken Schlucken.

Unterteilt ist die autobiographische Geschichte in 134 Kapitel, was bedeutet, das einige sehr kurz sind - manchmal hätte ich mir mehr Informationen zu bestimmten Szenen gewünscht. Auch der Sprung zwischen dem letzten Kapitel mit 18Jahren, also 1996, und 1999 fand ich persönlich schade - gerade in diesem Zeitraum passierte noch mal viel bei Jasmijn, was sicher nicht leicht war für sie als (noch nicht diagnostizierte) Asperger-Autistin. Die Jahre von der Vorschule mit 4 Jahren bis zum Ende der Schulpflicht mit 18Jahren werden jedoch insgesamt ausführlich beschrieben. Jasmijn wird im Buch also erwachsen - aber sie trinkt auch als Jugendliche nach Möglichkeit nur mit Strohhalm, um nichts zu verschütten; ihre Mutter markiert Schuhe mit L und R; bei Familienbesuchen bleibt sie konsequent auch während der Mahlzeiten im Zimmer etc. So manches mal fragt man sich, wenn man wie eingangs geschrieben die heutige, alltägliche Diagnosevielfalt vor Augen hat, wie das alles mit einem lapidaren „so ist sie nun mal“ durchgehen konnte. Das scheint mir irgendwie so unwahrscheinlich, dass es mir die sonst so realitätsnahe Geschichte dann doch fiktiver wirken lässt als es sich für ein autobiographisches Buch gehört...

Dennoch: Für mich ein sehr lehrreicher, 608 Seiten langer Ausflug in das Leben eines ganz besonderen Sonntagskindes, den ich jedem ans Herz legen kann - auch denen, die Elvis oder Hunde nicht mögen ;)

Bewertung vom 19.06.2019
Ich, Santa
Kay, Jay

Ich, Santa


gut

Fantastische Geschichte im Sinne von Fantasy- nicht weihnachtlich!
Anders als der Titel vermuten lässt, spielt diese Geschichte weder in der Weihnachtszeit noch ist der Weihnachtsmann das zentrale Motiv...
stattdessen beschreiben die ersten ca 80 Seiten das Leben des Ich-Erzählers nach dem Tod seiner Mutter - mit 16Jahren zieht er zu seinem Onkel und den zwei Cousins. Erst nach diesen Seiten hält das Phantastische Einzug in den Roman und es entwickelt sich eine Geschichte abseits des Vorstellbaren... :)

Die Sprache erfreut durch ihre Details und transportiert dadurch die Stimmung der jeweiligen Szenerie und die Gefühle der Personen sehr lebendig. Sätze wie „ Es war Ende Februar und der Morgen hatte verschlafen“ lässt jeden den Moment vorstellbar machen!

Die Kapitel sind eher kurz (260 Seiten sind unterteilt in 33 Kapitel) und mit jeweils 3 zentralen Wörtern aus dem folgenden Kapitel betitelt, die aber nichts inhaltlich vorwegnehmen - die Bedeutung erhalten sie erst beim Lesen! :)

Ein lesenswerter Roman für Fantasy-, nicht unbedingt für Weihnachtsfreunde.

Bewertung vom 23.04.2019
Worauf wir hoffen
Mirza, Fatima Farheen

Worauf wir hoffen


ausgezeichnet

Die Geschichte und die Konflikte innerhalb einer indisch-stämmigen, muslimischen Familie, die in Kalifornien lebt, werden hier auf eine besondere Art erzählt - die mich nach erst 150 Seiten so richtig gepackt hat.
Das Ehepaar Laila und Rafik siedelt kurz nach der arrangierten Hochzeit aus dem indischen Hyderabad nach Kalifornien um, wo sie drei Kinder bekommen: Hadia, Huda und Amar. Amars Schwestern sind 3 bzw 4 Jahre älter als er. Die Kinder werden streng nach dem schiitischen Glauben erzogen - eine wirkliche Wahl hat ein 9-jährigem Mädchen ja nicht, wenn es gefragt wird, ob es ein Kopftuch tragen und den Eltern gefallen will oder nicht... entsprechend schwer habe ich mich am Anfang des Buches getan, da mir diese tiefe Gläubigkeit recht fremd ist und ich die diversen spezifischen Begriffe im Buch, die es rund um die Rituale nicht gibt, nicht kenne und hier leider auch keine Erklärungen in Fußnoten oder einem Glossar geliefert wurden.
Dann wird im zweiten der vier Teile des Buches auch noch immer wieder erheblich in den Zeiten gesprungen, was ich zunächst absolut irritierend und unnötig fand - mal war ein Freund gestorben, dann lebte er wieder usw. Doch mit der Zeit kam ich rein und war dann plötzlich sehr gefangen von dem Buch, als die engen Geschwisterbeziehungen differenziert wurden. Die Kinder leben ja im Kalifornien des 21. Jahrhunderts, aber gleichzeitig in der von den Eltern gewählten traditionellen Glaubensgemeinschaft, bei der zB Jungen und Mädchen ab einem gewissen Alter strikt getrennt werden. Entsprechend nah sind sich die drei, aber doch nicht zu 100% loyal - was fatale Auswirkungen hat, wie man erst später erkennt. Die Sicht auf den Vater -und auch auf die Mutter- ändert sich nach dem Lesen des letzten Kapitels und es lässt mich, ebenfalls Mutter, mit einigen Gedanken zurück - denn solch ein „trotz aller Tragik versöhnliches Ende“, wie es im Klappentext heißt, wünscht man sich nicht.
Allen Interessenten an diesem Buch: haltet etwas durch, dann geht es auch bald um die aufgeworfenen Fragen zur Familienkonstellation!

Bewertung vom 23.04.2019
Niemals ohne sie
Saucier, Jocelyne

Niemals ohne sie


ausgezeichnet

Die Großfamilie Cardinal, die im ländlichen Kanada zur Mitte des 20. Jahrhunderts lebt, hat so ihre eigenen Gesetze durch die unvorstellbare (und unwahrscheinliche) Anzahl von 21 Kindern - die Mutter ist mit Kochen statt Kindererziehung beschäftigt, so dass die Kinder sich gegenseitig in ihre Schranken weisen. Der Zusammenhalt in diesem chaotischen, sehr einfachen bis ärmlichen Haus ist groß - bis zu einem Ereignis, dass die Familienmitglieder innerlich erstarren und in alle Himmelsrichtungen auseinandergehen lässt. Jeder hat über diesen tragischen Tag ein Teilwissen, auch als Leser erfährt man erst im letzten Kapitel die ganze Wahrheit.

Der Schreibstil ist angenehm zu lesen, einzig die vielen Personen verwirren etwas - es gibt an keiner Stelle eine Auflistung, wer wann geboren wurde und welchen Spitznamen, mit denen sich die Kinder untereinander anreden, innehat. Ist aber letztlich auch nicht wichtig - es reicht, wenn man die zentralen 5 Figuren, welche jeweils ein Kapitel aus ihrer Sicht berichten, kennt. (Die Geschichte wäre auch mit einer realistischeren Anzahl von 10Kindern packend gewesen)
Die Kinder scheinen oberflächlich mit permanenten Machtkämpfen beschäftigt zu sein, aber aus den Kapiteln kommt dann doch heraus, wie viel Gespür sie für die Besonderheiten der anderen haben. Dieses Einfühlungsvermögen, gepaart mit dem Wunsch, die anderen Familienmitglieder zu schützen, beeindruckt.
Ein schöner Roman über Familie, Rücksichtnahme und Zusammenhalt, der relativ schnell gelesen ist, aber dann eine Weile nachklingt.