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Lesendes Federvieh
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München
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Hinter dem Namen Lesendes Federvieh verbirgt sich das Blogger-Duo kathiduck und Zwerghuhn. Wir lesen querbeet alles, was uns zwischen die Finger kommt und veröffentlichen die Rezensionen dazu auf unserem Blog (lesendes-federvieh.de). Dort gibt es übrigens noch viele weitere Beiträge rund ums Thema Buch. :)

Bewertungen

Insgesamt 539 Bewertungen
Bewertung vom 25.07.2021
Margherita und der Mond
De Carlo, Andrea

Margherita und der Mond


sehr gut

Schon nach dem Lesen des ersten Satzes war ich wieder mittendrin in der Lebendigkeit Venedigs und Italiens, also die ideale Voraussetzung um von der ersten Seite an direkt im Geschehen dabei zu sein. Sehr schön fand ich dabei die großartig skizzierten Charaktere, die ich sofort vor Augen hatte. Allen voran natürlich Achille, dieser außergewöhnliche, quirlige, leicht reizbare, störrische, laute, sich oft selbst im Weg stehende und doch im Grunde liebenswerte alte Herr, der seine Kochleidenschaft einfach im Blut hat und auch mit 87 Jahren noch voll sprühender Ideen steckt.

Seine Tochter Margherita erzählt aus ihrer Perspektive, unter anderem vom Fernsehauftritt ihres Vaters und dabei erfährt man so viel mehr über ihr Verhältnis zu ihrem Vater und auch von ihr, es ist ein aufschlussreiches Porträt einer schwierigen Vater-Tochter-Beziehung. Bei aller Begeisterung für die beiden, hätte ich jedoch gerne mehr darüber gewusst, wie es zu dem angespannten Verhältnis zwischen Achille und Margherita überhaupt gekommen ist. Auch das Ende bot mir diesbezüglich keine aufschlussreiche Erkenntnis.

Großartig hingegen fächert Andrea De Carlo die Scheinwelt der so beliebten Kochshows messerscharf auf. Dieser Blick hinter die Kulissen ist witzig, pointiert und so lebendig und locker beschrieben, die Szenen liefen wie ein Film vor meinem inneren Auge ab. Jede gelesene Seite mehr verdeutlicht die Austauschbarkeit eines solchen Fernsehformates mehr als deutlich. Es war ein Vergnügen, diese Passagen zu lesen.
Ebenso die bildhaften Beschreibungen und Szenen zu Venedig und der innovativen, ausgezeichneten italienischen Küche. Gerade Margheritas Überlegungen immer wieder neue Gerichte zu kreieren und wie viel dazu gehört, um einem vermeintlich leichten Essens das gewisse Etwas zu verleihen, vermittelt eine für mich interessante und spannende neue Sicht auf die Welt des Kochens.

Die Geschichte an sich ist wirklich gut erdacht, aber die Umsetzung konnte mich nicht vollständig überzeugen. Bis zum Schluss des Buches wusste ich etwa mit der Figur des Zauberers nicht wirklich etwas anzufangen. Dennoch sprachlich flott und unterhaltsam geschrieben, liest sich der Roman wie ein lockerer Kurzurlaub in Venedig. Und in Venedig sind ja oft auch zu viele Personen unterwegs, somit schließt sich der Kreis dann doch wieder.

Bewertung vom 25.07.2021
Wiener Blut / Die Totenärztin Bd.1
Anour, René

Wiener Blut / Die Totenärztin Bd.1


ausgezeichnet

René Anour hat mit diesem Auftakt zu einer Dilogie nach seinem grandiosen Debüt „Im Schatten des Turms“ abermals ein großartiges, lebensechtes Portrait einer schillernden Zeit geschaffen, welches das Wiener Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts mitsamt des rasanten technischen Fortschrittes sowie der bahnbrechenden Entwicklungen in der Medizin aufleben lässt.

Mein Medizinerherz ist bei den detailgetreuen wie historisch fundierten Schilderungen der Obduktionen förmlich aufgegangen. Gedanklich stand ich neben Fanny am Seziertisch, habe ihr das Besteck angereicht und sie dabei beobachtet, wie sie von den Körpern der Toten deren Geschichte abzuleiten versucht, aber auch wie sie im harten Kampf um Gleichberechtigung in einer absoluten Männerdomäne an ihrer Leidenschaft für die Gerichtsmedizin festhält.

Mit typischem Wiener Schmäh, ausdrucksstarken wie gewitzten Charakteren und einem fesselnden Kriminalfall findet man sich auch abseits des Sektionssaals inmitten einer spannungsgeladenen Verfolgungsjagd vor eindrucksvoller Kulisse wieder. Die Rasanz der Handlung, die Authentizität der fiktiven wie realen Protagonisten sowie die nervenaufreibenden Verwicklungen haben mich gar derart begeistert, dass ich „Die Totenärztin – Wiener Blut“ innerhalb weniger Stunden inhaliert habe und nun sehnsüchtig auf die Fortsetzung warte.

„Die Totenärztin – Wiener Blut“ hat alles, was ein fesselnder historischer Kriminalroman verlangt und begeistert obendrein durch so viel Spannung, Wiener Charme und authentische Einblicke in die aufstrebende Fachrichtung der Gerichtsmedizin.

Bewertung vom 21.07.2021
So wie du mich kennst
Landsteiner, Anika

So wie du mich kennst


ausgezeichnet

Nachdem mir die ersten drei Bücher der Autorin so gut gefallen haben, war es für mich ein absolutes Muss ihren neuesten Roman „So wie du mich kennst“ zu lesen. Und auch diesmal bin ich wieder komplett begeistert von dieser mutigen Autorin, die Dinge anpackt und ihre Leser mit klugen Überlegungen zum Nachdenken anregt. Dabei schafft sie es mit einer bewundernswerten Leichtigkeit durch ihren klaren, präzisen Schreibstil Stimmungen und Gefühle einzufangen und alles auf den Punkt zu bringen.

In diesem intensiven, melancholischen, traurigen und gleichzeitig so spannenden Roman über zwei Schwestern zeigt sie einen Ausschnitt unserer Gesellschaft, der uns alle aufhorchen lassen sollte. In ihrem authentischen, feinfühligen Porträt beschäftigt sie sich nicht nur mit familiären Themen wie Liebe, Zusammenhalt, Verbundenheit und Trauer, sondern auch mit dem sensiblen Thema häusliche Gewalt.

Abwechselnd aus der Sicht der beiden Schwestern erzählt, lässt sie den Leser ihren beiden Protagonistinnen immer näher kommen, so nah, dass man mit Karla und Marie unglaublich gut mitfühlen kann, es ist so als ob man sie schon ewig kennen würde. Karla, die dem Landleben in Franken treu geblieben ist und Marie, die in der Anonymität New Yorks versucht sich ein neues Leben aufzubauen, ein Leben ohne Gewalt und selbstbestimmt. Aus jeder Zeile wird dabei deutlich, wie schwierig es für die Betroffenen ist aus diesem Teufelskreis auszubrechen und ihre Scheu zu überwinden, darüber zu sprechen. Diese Passagen waren hochemotional und aufwühlend zu lesen, an manchen Stellen spürte ich nur noch Wut und Fassungslosigkeit.

„So wie du mich kennst“ ist ein berührender, tiefgründiger und warmherziger Roman vor der einzigartigen Kulisse New Yorks. Mitten aus dem Leben gegriffen, modern und von der ersten bis zur letzten Seite an einfach wundervoll zu lesen.

Fazit: Bewegendes, großartiges Porträt zweier so unterschiedlichen Schwestern

Bewertung vom 01.07.2021
#DerApotheker. Die Wahrheit über unsere Medikamente
#DerApotheker

#DerApotheker. Die Wahrheit über unsere Medikamente


ausgezeichnet

„Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“ Am besten wendet man sich direkt an #DerApotheker, denn in seinem Buch „Die Wahrheit über unsere Medikamente“ gibt er nicht nur praktische Anwendungstipps und räumt mit dem Homöopathie-Aberglauben auf, sondern übersetzt nebenbei medizinisches Kauderwelsch leichtfüßig in verständliche Worte. Somit benötigt man keinerlei medizinisches Vorwissen, um in den vielfältigen Alltag eines Apothekers einzutauchen und allerhand Nützliches daraus mitzunehmen.

Dabei findet #DerApotheker elegant wie ein Ninja, als welcher er auf Twitter unterwegs ist, die Balance zwischen Unterhaltung und fachkundiger Aufklärung, indem er dazu einlädt ihn bei seinem Arbeitsalltag zu begleiten. Währenddessen räumt er mit zahlreichen Medikamenten-Mythen auf, wie beispielsweise dem Irrglauben man dürfe bei der Einnahme von Antibiotika generell keine Milchprodukte zu sich nehmen, erklärt fundiert wieso die Grapefruit der Feind mancher Arzneimittel ist und warum man sich das Geld für homöopathische Mittelchen sparen kann. Gerade Letzteres zieht sich wie ein roter Faden durch dieses lehrreiche wie kurzweilige Nachschlagewerk, das mit scharfzüngigem und stets pointiertem Humor für jede Menge Amüsement sorgt.

Dass auch die Menschlichkeit nicht auf der Strecke bleibt, zeigen die authentischen Kunden, die kapitelweise ihre Gastauftritte haben und den Apotheker in ihrem Facettenreichtum mit dem ein oder anderen gängigen Klischee beglücken. So gibt es die unbeirrbaren Hitzköpfe gleichermaßen wie das sympathische ältere Ehepaar, das nur mal eben Tablettennachschub benötigt, oder die Familie, die für ihren Urlaub auf der Suche nach der geeigneten Sonnencreme ist.

„Die Wahrheit über unsere Medikamente“ gewährt auf äußerst humorvolle Art spannende Einblicke in den Alltag eines Apotheker und eignet sich auch im Nachgang als fundiertes Nachschlagewerk für die korrekte Einnahme zahlreicher Arzneimittel.

Bewertung vom 27.06.2021
Die goldene Ananas
Kornblum, Dennis

Die goldene Ananas


sehr gut

In Gestalt des liebenswürdigen Mittzwanzigers Elias Bach lässt Dennis Kornblum seine eigenen Erfahrungen mit der Diagnose Asperger Syndrom einfließen, wodurch man einen überaus authentischen Eindruck von den alltäglichen Herausforderungen sowie der spannenden Gedanken- und Gefühlswelt eines Betroffenen gewinnt. Seine ansteckende Begeisterung für Death Metal, die sich in den ausführlichen Erläuterungen zu den Ursprüngen und der technischen Schwierigkeit des Gitarrenspiels zeigt, ist gleichermaßen nachfühlbar wie seine ungelenken, liebenswerten Versuche die Aufmerksamkeit eines bestimmten Mädchens auf sich zu ziehen. Dabei spiegelt sich Elias strukturierter, genau auf die Minute getakteter Alltag mitsamt seiner Wiederholungen in der Einfachheit der Sprache wider, was der Erzählung additional an Eindringlichkeit verleiht.

Obendrein begeistert dieser Roman durch die mitreißende Dynamik seiner lebensechten Charaktere, die mitsamt ihrer Eigenheiten wie direkt aus dem Leben gegriffen wirken. Am liebsten wäre ich direkt selbst in den Taubenweg 8 zu Elias, Joe, Willi, Betti, Mara und Konstantin gezogen, um Teil dieser bunten, chaotischen und zugleich absolut liebenswerten Mischung zu werden.

Den prolligen Joe, der für seinen Bodybuilding-Wettkampf trainiert und es mit der Wahrheit nicht immer so eng sieht, habe ich gleichermaßen ins Herz geschlossen wie den stets gutgelaunten Willi, der für Elias die Rolle des väterlichen Kumpels einnimmt und allerhand Lebensweisheiten parat hat. Auch die einfühlsame Betti, die ihn stets in seinem Handeln bestärkt und ihm die interessante Theorie der Geber, Nehmer und Energievampire näherbringt sowie die kluge Mara, auf die Elias zeitweise aufpasst, und den zurückgezogen lebenden Literaturkritiker Konstantin, unter dessen rauer Schale sich ein weicher Kern verbirgt, habe ich am Ende nur schweren Herzens zwischen den Buchdeckeln zurückgelassen.

„Die goldene Ananas“ bietet einen eindringlichen wie faszinierenden Einblick in den Alltag eines Menschen mit Asperger-Syndrom und berührt mit lebensechten Charakteren, die man einfach nur mögen muss!

Bewertung vom 27.06.2021
Das Liebesleben der Pinguine
Heckler, Bernhard

Das Liebesleben der Pinguine


sehr gut

Was für ein toller, warmherziger und unterhaltsamer Coming-of-Age Roman über Freundschaft, Sehnsucht und wahrer Liebe in unserer schnelllebigen Zeit. Einer digitalen Gesellschaft, in der man ohne Smartphone und Laptop aufgeschmissen ist und es ohne Dating-Apps schwer zu sein scheint, den Partner fürs Leben zu finden. Apropos Dating auf digitaler Basis: Durch dieses Buch bin ich wieder am Zahn der Zeit angekommen. Bisher wusste ich nicht, dass es dafür sogar Ghostwriter gibt; gerade die Passagen dazu waren herrlich zu lesen.

Es macht einfach einen heiden Spaß, die Charaktere auf ihrer Reise durch die Höhen und Tiefen des Lebens ein kleines Stück zu begleiten. Sie sind so realistisch und sympathisch gezeichnet, mit all ihren Unsicherheiten, ihren Schwächen und Problemen, ich mochte sie alle von Anfang an. Franco allerdings noch ein kleines bisschen mehr, er ist das beste Beispiel für den Typ „harte Schale, weicher Kern“. Einfach großartig. Neben den wunderbaren Figuren schafft Bernhard Heckler durch seinen flotten, modernen und kurzweiligen Schreibstil ein wahres Lesevergnügen. Das Kopfkino beginnt sofort zu surren und so verfliegen die Seiten in kürzester Zeit leider viel zu schnell.

„Das Liebesleben der Pinguine“ ist ein absolut lesenswerter Roman mit liebenswürdigen, schrägen Figuren, die sich eine gewisse kindliche Frische bewahrt haben und eigentlich nie wirklich erwachsen geworden sind. Gerade das verleiht der Geschichte eine solche spritzige Leichtigkeit und Authentizität. Ich hätte noch endlos weiterlesen können.

Bewertung vom 27.06.2021
Das Buch des Totengräbers / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.1
Pötzsch, Oliver

Das Buch des Totengräbers / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.1


ausgezeichnet

Oliver Pötzsch ist mit seinem neuen Roman „Das Buch des Totengräbers“ ein grandioser Auftakt seiner neuen Krimireihe gelungen. Von der ersten Seite an war ich von diesem atmosphärisch dichten und spannenden Krimi gefesselt. Hervorragend und detailgetreu recherchiert lässt der Autor die Vergangenheit lebendig werden. Man fühlt sich hineinversetzt ins Wien 1893 zur Zeit der Jahrhundertwende, sieht die Fiaker fahren, schlendert an den herrlichen Palästen in der Ringstraße vorbei und genehmigt sich einen Kaffee in einem der zahlreichen, traditionellen Kaffeehäuser. Gleichzeitig sieht man aber auch die bittere Armut eines großen Teils der Bevölkerung.

Es ist die Zeit der Jahrhundertwende und damit auch die des wissenschaftlichen Fortschrittes, alles ist im Umbruch. In atemberaubender Geschwindigkeit gibt es immer neue Entwicklungen, wie Telefone, Elektrizität, Automobile, Fotografie und neue Methoden der noch jungen Kriminalistik. Genau hier tritt der junge Polizeiagent Leopold von Herzfeldt seine neue Stelle in Wien an und stolpert sogleich in seinen ersten schauerlichen Fall hinein, bei dem Aberglaube eine große Rolle zu spielen scheint. Mit ihm erlebt man als Leser die Fortschritte der neuen Ermittlungstechniken, aber auch die damit verbundenen Hindernisse und Ablehnungen, die von alt eingesessenen Kollegen gehegt werden, hautnah mit.

Das wäre an sich schon ein absolut lesenswerter Krimi mitsamt außergewöhnlicher Kulisse, doch das i-Tüpfelchen ist der wirklich grandiose Totengräber Augustin Rothmayer, ein schräger Vogel, der seinen eigenen Almanach für Totengräber verfasst und zur damaligen Zeit ein Ass in Forensik ist, nur nimmt das niemand zur Kenntnis. Er lebt und arbeitet auf dem Wiener Zentralfriedhof, der ein weiterer schauriger, morbider und unheimlicher Schauplatz dieses Buches ist. Zusammen mit Leopold von Herzfeldt trägt er einen Großteil zur Lösung des Falles bei. Die Art und Weise der Ermittlungen dieser beiden unterschiedlichen, so herrlich unangepassten, aufmüpfigen Figuren ist einfach nur wunderbar zu lesen. Durch immer neue falsche Fährten und unvorhersehbaren Wendungen bleibt die Suche nach dem Täter fesselnd bis zum für mich völlig überraschenden Schluss, der den Krimi perfekt abrundet.

Bewertung vom 20.06.2021
Die Glücksschneiderin
Sosnitza, Ulrike

Die Glücksschneiderin


ausgezeichnet

Nachdem ich schon alle Bücher von Ulrike Sosnitza mit großer Begeisterung verschlungen habe, konnte sie mich auch diesmal mit ihrem neuen Roman „Die Glücksschneiderin“ wieder voll und ganz überzeugen.

Die Geschichte um Clara, Sonja und Finn ist unterhaltsam, humorvoll und voller Wärme geschrieben. Das liegt zum einen an den mit viel Herzblut geschaffenen sympathischen Charakteren und am flotten, angenehmen Schreibstil der Autorin. Zum anderen aber auch an ihrer lebendigen, authentischen Erzählweise. Gerade Claras Nähkurse sind so detailliert geschildert, ich hätte am liebsten gleich ein Schnittmusterheft gepackt, den Stoff zugeschnitten und an einem der Nähtische mitgeschneidert, obwohl ich mit Nadeln und Faden eigentlich auf Kriegsfuß stehe.

Eingebettet in eine mitreißende Geschichte mit liebenswerten Charakteren, die mir sofort ans Herz gewachsen sind, erfährt man jede Menge über die Kunst des Nähens. Gleichzeitig schwingt ein ernster Unterton mit, ohne jedoch unangenehm aufdringlich zu sein, denn die durch die Modeindustrie bedingten Auswirkungen auf den Klimawandel werden eingehend thematisiert. Für mich war es gleichermaßen faszinierend wie ernüchternd einen Blick hinter den schönen, funkelnden Schein zu werfen, da mir bisher nicht bewusst war, in welchem erschreckenden Ausmaß die Modeproduktion unsere Umwelt tatsächlich belastet.

Als kleines Extra finden sich passend zur heimeligen Café-Kulisse des Romans im Anhang übrigens zwei Rezepte, unter anderem für einen Zimtkaffee, mit welchem sich „Die Glücksschneiderin“ besonders gut genießen lässt.

Bewertung vom 20.06.2021
Die einsame Bodybuilderin
Motoya, Yukiko

Die einsame Bodybuilderin


sehr gut

11 Kurzgeschichten aus der Feder DER neuen Stimme aus Japan. Storys, die hinter die Kulissen unseres Alltags blicken und das Fantastische, das Groteske, das Fremde zum Vorschein bringen. Und hintergründig die Freiheit...

Seit „Friday Black“ bin ich ein großer Fan von Kurzgeschichten geworden. Egal ob als kleine Lektüre vor dem Schlafengehen, als Badewannenlektüre oder einfach, wenn man Lust auf eine kleine Portion Literatur verspürt, eine kurze Geschichte geht immer.

So war ich also gespannt auf „Die einsame Bodybuilderin“ der jungen japanischen Schriftstellerin Yukiko Motoya. Sie beschreibt darin in elf herrlich skurrilen Storys das Alltägliche, das vermeintlich langweilige Leben aus einem flotten, frischen, modernen weiblichen Blickwinkel heraus. Sie seziert die Rolle der Frau in ihren Beziehungen, im Berufsleben und in der Gesellschaft so treffend, es war eine wahre Freude darüber zu lesen. Dabei nimmt sie ihre Leser mit in eine surreale, bizarre, teils groteske Welt und gerade dadurch kommen die Themen, die sich hinter diesen Geschichten verbergen, noch deutlicher zur Geltung. Die Storys sind mal fragmentarisch angelegt, mal sehr ausführlich geschrieben, aber immer unterschiedlich und spannend. Jedes neue Kapitel bietet neue Feinheiten, die es zu entdecken gilt. Es lohnt sich auf jeden Fall sich Zeit zu nehmen, um das Gelesene so richtig wirken zu lassen.

Obwohl ich das Buch insgesamt super finde und sehr gerne gelesen habe, fand ich nicht alle Kurzgeschichten gleich stark, die Botschaften, welche die Autorin darin verpackt hat, jedoch schon. Meine Lieblingsgeschichten sind dabei „Die Hunde“ und „Die Freundinnen“.

Bewertung vom 10.06.2021
Stay away from Gretchen / Gretchen Bd.1
Abel, Susanne

Stay away from Gretchen / Gretchen Bd.1


ausgezeichnet

Ich bin einfach nur begeistert von diesem grandiosen Familienroman, in dem so viel mehr als eine bittersüße, letztlich unerfüllte Liebesgeschichte steckt, wie es der Titel erwarten lässt. Susanne Abel erzählt mitreißend und feinfühlig die Lebensgeschichte von Greta Monderath, die mich von der ersten Seite an in ihren Bann gezogen hat. Dabei spannt sie den Erzählbogen von der Vergangenheit bis in die Gegenwart.

Fundiert und klasse recherchiert nimmt sie den Leser mit in die Zeit des Nationalsozialismus und zeigt auf, wie der Alltag in dieser Zeit aussah. Ehrlich und objektiv schildert sie, dass es durchaus Sympathisanten des Regimes gab. Das habe ich so bisher noch in keinem Roman gelesen. Auch die Kriegswirren, die Nachkriegszeit mit der entbehrungsreichen, gefährlichen Flucht und den schwierigen, aufreibenden Neuanfang in der amerikanisch besetzten Zone beschreibt sie so lebendig und authentisch, ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen. Erst recht nicht, als sie den für mich völlig unbekannten Aspekt der Brown Babys in die Geschichte einfließen ließ, der einen äußerst unrühmlichen, beschämenden Punkt der deutschen Nachkriegsgeschichte darstellt.

Durch ihre liebevoll und detailliert skizzierten Charaktere verleiht sie der Handlung eine solche Lebendigkeit, man glaubt alle Figuren zu kennen, ihre Gefühle und Sorgen zu spüren. Diese Nähe lässt die Heftigkeit des Gelesenen noch eindrucksvoller wirken.

„Stay away from Gretchen“ bietet ein vielschichtiges, absolut lesenswertes Porträt, nicht nur einer außergewöhnlichen Frau, sondern auch unserer Gesellschaft in der Vergangenheit und im Heute. Gerade auch im Gegenwartsteil packt sie auf brillante Art unsere heutige Flüchtlingsproblematik und den Rassismus in unserer Gesellschaft an.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.