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Blubie
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Schönau

Bewertungen

Insgesamt 178 Bewertungen
Bewertung vom 21.08.2022
Sag den Wölfen, ich bin zu Hause
Brunt, Carol Rifka

Sag den Wölfen, ich bin zu Hause


ausgezeichnet

Die Geschichte der 14jährigen June, die ihren an AIDS erkrankten Onkel verliert, entführt uns nach New York 1987. Eine Zeit, in der AIDS als Schreckgespenst die Menschen erschütterte und sich noch viele Missverständnisse darum rankten.
June wächst zusammen mit ihrer talentierten zwei Jahre älteren Schwester und ihren berufstätigen Eltern in einem Vorort New Yorks auf. Onkel Finn, Mutters jüngerer Bruder, ist Künstler, schillernd und großartig, Junes Patenonkel, für den sie vielleicht ein bisschen zuviele Gefühle hegt. Seine Homosexualität, das AIDS-Virus und vor allem sein langjähriger Lebenspartner Toby sind Tabuthemen der Familie.
Für June ist der Tod ihres geliebten Onkels eine Katastrophe, die sie kaum überwinden kann... und dann lernt sie Toby kennen, mit dem sie nicht nur die Trauer um Finn teilt.

Es ist eine ruhige und einfühlsame Geschichte, in der man sich an manchen Stellen allzuoft wiederfindet, nicht nur, wenn man ebenfalls seine Teenagerzeit in den 80er Jahren hatte. Das Buch handelt von Rivalität unter Geschwistern, diese Hass-Liebe, wie man sie oft nur unter Geschwistern findet. Es handelt von den dramatischen Gefühlen, wie man sie nur als Teenager empfinden kann, von Eifersucht, überbordender Liebe, vom Sterben, vom Verzeihen und von Selbstreflektion.
Was mich stark beeindruckt hat: die Autorin schafft es, ohne Holzhammermethode, die Vibes der 80er Jahre aufleben zu lassen und sie hat ein wunderbares Gespür für die Gefühle, die Teenager umtreibt - wenn sie zwischen Kindheit und Erwachsenwerden stehen. June kam für mich sehr authentisch rüber.
Die Geschichte hat mich immer wieder sehr berührt und manchmal hätte ich gerne eingegriffen, Dinge besser gemacht, den Protagonisten geholfen, früher zueinander zu finden... mit einem Wort: ich habe mitgelebt in diesem wunderbar erzählten Roman, der von Frauke Brodd großartige ins Deutsche übersetzt wurde.

Bewertung vom 18.08.2022
Liebe ist gewaltig
Schumacher, Claudia

Liebe ist gewaltig


ausgezeichnet

Der Debütroman von Claudia Schumacher ist wie ein gewaltiges Erdbeben: geschüttelt, durcheinander gerüttelt und betroffen lässt er mich am Ende zurück.
Es ist die Geschichte von Juli Ehre, einer jungen Frau, die mit ihren drei Geschwistern in einem Elternhaus voller Gewalt aufwächst. Nach aussen hin sind sie eine Vorzeigefamilie: beide Eltern Anwälte, angesehen in der Nachbarschaft, Haus und Garten in einer guten Süddeutschen Gegend.
Das Buch beginnt als Juli 17jährig in einer Kuranstalt sich von einer vemeintlichen Immunschwäche erholen soll, wir erfahren aber dass es die psychische und physische Gewalt des Vaters ist, die ihr Probleme bereiten.
Wir lernen eine junge erwachsene Juli kennen, die trotz Entfernung zum Elternhaus immer noch mit den Dämonen zu kämpfen hat, bis hin zur totalen Selbstverleugnung.

Wer aber nun denkt: "Puh, nä das ist mir zu düster...", Claudia Schumachers Schreibstil ist leicht, sogar humorvoll (trotz der schweren Thematik), teilweise poetisch... würde ich die besten Sätze in Büchern anstreichen, dieses Buch wäre jetzt nach dem Lesen zu 90% eingefärbt.

Diese Erzählung wird noch sehr sehr lange in mir nachhallen und gehört mit Sicherheit zu den absoluten Highlights dieses Jahres. Meine hundert prozentige Leseempfehlung!

Bewertung vom 10.08.2022
Für immer deine Tochter
Lind, Hera

Für immer deine Tochter


schlecht

Puuuuhhhh... hätte man mich nach der ersten Hälfte des Buches nach meiner Meinung gefragt, hätte ich geantwortet, dass ich erstaunt bin, dass Hera Lind sich mittlerweile solch eines Stoffes an nimmt. Ich habe mich bisher von ihren Büchern fern gehalten, da ich sogenannte "freche Frauen" (chick-lit für Ältere) nicht brauche. Tatsachenberichte sind dann schon eher meines.
Wie gesagt, bis zur Hälfte war ich beeindruckt, wird die Flucht aus Pommern doch sehr eindrücklich geschildert und rasant und man hat das unangenehme Gefühl, mitten drin zu stecken in den Wirren dieser Tage.
Aber dann ging es nur noch bergab...
"Roman nach einer wahren Geschichte"... tja, vielleicht ein bißchen, der gr0ße Rest wirkt aufgesetzt: viel zu viele Zufälle und total konstruiert.
Ich hab dann den letzten Rest nur noch überflogen, weil ich die Laientheater-Dialoge kaum noch ausgehalten habe und die völlig willkürlichen überdramatischen Handlungen ebenso.
Und dann komme ich zum Nachwort und hätte das Buch gerne an die Wand gepfeffert. Kein Wunder, dass die Handlung nur noch überladen wirkte - sie hat einfach zwei verschiedene Schicksale zusammen geschustert.
"In einer Zeit, in der die letzten Zeitzeugen (...) langsam versterben, müssen solche Lebensgeschichten unbedingt noch erzählt werden. " - Ja, da bin ich ganz bei Ihnen, Frau Lind, aber sicherlich nicht auf reisserische umsatzheischende Art. Das braucht kein Mensch!

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.08.2022
Der Heimweg
Fitzek, Sebastian

Der Heimweg


ausgezeichnet

Ach Du heilige Sch*piiiiiep*, was zum Henker hab ich da grad gelesen? Meine Finger sind nun ca. um ein halbes Kilo Haut leichter, meine Nacken- und Wangenmuskulatur sind überstrapaziert und was meine Familie die letzten zehn Stunden gemacht hat... keine Ahnung. Ich jedenfalls war tief in allen möglichen Wahnvorstellungen versunken und ... ja! Verdammt noch mal, das war eines der besten Bücher seit langem.
Dazu muss ich sagen, es war fast mein erster Fitzek. Fast, weil ich nicht mehr so genau weiss, ob ich damals, als der Hype um Herrn Fitzek begann, "Die Therapie" gelesen habe oder nicht. Wenn ich mich nicht daran erinnere, heißt das nicht, dass es nicht gut war (eher das Gegenteil), sondern damals befand ich mich zwischen Stilldemenz und erneuter Schwangerschaft, war also nicht ganz bei mir.
Vor ein paar Wochen probierte ich "Schreib oder stirb", was ich allerdings abbrechen musste, das lag aber am Beisenherz-Humor, der noch nie meines war.
Umso genialer fand ich nun "Der Heimweg", spannend von Anfang an, kranke Szenen, bei denen man einfach nur die Luft scharf zwischen die Zähne zieht und "Aaaah" oder "Uuuuh" von sich gibt, und ein Plottwist, der einem das Gehirn explodieren lässt.
Ja, ja und nochmal ja! Reiht mich ein in die hysterischen Fitzek-Groupies.
.... kann leider nicht weiter schreiben... muss mir alle anderen Bände von ihm besorgen....


Ach so, sorry! Leseempfehlung? Na aber sowas von!

Bewertung vom 08.08.2022
Vom Ende der Einsamkeit
Wells, Benedict

Vom Ende der Einsamkeit


ausgezeichnet

Jules ist der jüngste von drei Geschwistern, die früh ihre Eltern verlieren, er selbst ist gerade einmal zehn Jahre alt. Im Buch erzählt er in der Ich-Form seine Geschichte und wir begleiten ihn bis in seine Mittvierziger.
"Vom Ende der Einsamkeit" ist ein sehr ruhiges Buch, ein tiefgehendes philosophisches Werk, das stilistisch wunderschön geschrieben ist. Es handelt von Verlust, vom Verarbeiten von Verlust, von unerfüllten Träumen, von verpassten Gelegenheiten und vom Wiederfinden. Es ist ein trauriges, teilweise tragisches Buch und dennoch nicht hoffnungslos und es wartet nicht mit aufdringlichen Lebenstipps auf, es erzählt und schildert einfach nur.
Wer ruhige intelligente Bücher mag, wird dieses hier lieben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.08.2022
Für immer und noch ein bisschen länger
Leciejewski, Barbara

Für immer und noch ein bisschen länger


ausgezeichnet

Das war nun mein drittes Buch von Barbara Leciejewski und ich kann nur bestätigen, was ich vorher schon gewusst habe: diese Frau schreibt so göttlich! Wann bitteschön ist es mir zuletzt passiert, dass ich die letzten zwanzig Seiten eines Buches nur erahnen statt lesen konnte, weil meine Augen permanent tränennass sind.
Hauptprotagonistin Anna verlor vor 6 Jahren ihren Verlobten durch einen Unfall, seither zieht sie sich komplett zurück und verbringt ihre Zeit alleine und zu Hause. Plötzlich ist sie gezwungen umzuziehen und findet sich in einer Senioren-WG wieder, die so liebenswert ist, dass man am liebsten dort sofort einziehen möchte.
Auch in diesem Buch sind die Charaktere extrem dreidimensional und agieren menschlich und authentisch. Es gibt Dialoge, die sind so wunderbar - ich sag nur: Anders und Anna am Balkon.
Es ist ein Buch darüber, dass jeder Mensch sein Päckchen zu tragen hat und dass diese Päckchen leichter werden, wenn man darüber spricht und sich seinen Problemen stellt. Es ist ein Wohlfühlbuch, dass einem beim Lesen dieses leicht bescheuerte Lächeln ins Gesicht tackert.
Und es kommt eine Liebesgeschichte vor, die ich - Liebesgeschichtenhasser - bejubelt und beklatscht habe.
Bitte lest dieses tolle Buch! *Euch mit tränennassen Augen flehentlich ansehe*

Bewertung vom 04.08.2022
Was ich nie gesagt habe / Gretchen Bd.2
Abel, Susanne

Was ich nie gesagt habe / Gretchen Bd.2


ausgezeichnet

Nachdem ich vor nicht allzu langer Zeit "Stay away from Gretchen" von Susanne Abel gelesen hatte, war mir klar, dass ich dieses Buch ebenfalls unbedingt lesen muss. Ich empfehle jedem, auf jeden Fall erst das "Gretchen" zu lesen, da der zweite Teil sich oft auf den ersten bezieht. Haben wir im ersten Band die Kindheit und das Leben Gretchen erfahren, so lesen wir in diesem Band von der Kindheit und dem Leben ihres Mannes Konrad - und das ist ebenso tragisch.

Susanne Abel scheut auch diesmal nicht vor heiklen Themen zurück und präsentiert diese großartig recherchiert, eingeflochten in die Gretchen-Familie, genauso wie aktuelles Zeitgeschehen. Es ist keine leichte Kost aufgrund der Themen, aber leicht zu lesen. Beide Bücher hatten eine starke Sogwirkung auf mich.

Mehrfach beim Lesen wird einem klar, wie nah die menschenverachtende Politik des sog. Dritten Reichs immer noch ist - nichts liegt wirklich weit in der Vergangenheit und kann getrost abgehakt werden. Vieles das in jenen unsäglichen Tagen passiert ist reicht bis ins Hier und Jetzt, wir spüren die Auswirkungen immer noch: gesellschaftlich und politisch. Und was innerhalb vieler Familien nie erzählt wurde, beeinflusst unbewusst Generationen danach auch immer noch und die sind es, die an den ungesagten und nicht aufgearbeiteten Dingen zu knabbern haben.

Auch diesmal gibt es eine absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 02.08.2022
Wir sehen uns zu Hause
Wünsche, Christiane

Wir sehen uns zu Hause


ausgezeichnet

Anne und ihr Mann Peter stehen kurz vor einer langen Europareise mit ihrem Campingwagen... als Peter ohne Vorzeichen stirbt. Erschüttert bleiben Anne und die gemeinsame erwachsene Tochter zurück, fassungslos über den plötzlichen Tod des Ehemanns und Vaters.
Anne beschließt die Reise alleine anzutreten, doch statt einer Nordeuropareise, wird es eine Reise durch den Osten Deutschlands, der ehemaligen Heimat Peters, der niemals von seiner Vergangenheit erzählt hat.

Auf der einen Seite haben wir einen Roadtrip durch die "neuen" Bundesländer, der wahnsinnig bildgewaltig beschrieben ist ( ich habe sowas von Lust auf genau so eine Reise bekommen). Anne lernt auf ihrer Reise in die Vergangenheit ihres Mannes, diverse Menschen kennen, die manchmal sehr warmherzig beschrieben sind und aufgrund der authentischen Dialoge sehr lebendig wirken.

Auf der anderen Seite erleben wir eine Frau Anfang Fünfzig, die lernt mit ihrer Trauer umzugehen aber auch Hoffnung schöpft, dass es weiter geht.

Und dann gibt es den Einblick in die Ostdeutsche Vergangenheit, die einen beim Lesen erschüttert und berührt. Die Geschichte zeigt aber auch die unsichtbare Mauer, die noch in vielen Köpfen herrscht, teils aus Unverständnis und Unwissenheit.

Dieses Buch ist bewegend und regt zum Denken an. Von mir gibt es volle Punktezahl und eine absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 01.08.2022
Die Definition von Glück
Cusset, Catherine

Die Definition von Glück


ausgezeichnet

Dieses Buch erzählt von Clarisse und Eve, zwei völlig unterschiedlichen Frauen, die beide in Frankreich in den 60er Jahren geboren wurden. Wir begleiten beide Frauen abwechselnd durch ihre Jugend, beim Älterwerden und Familie gründend. Jede so völlig anders. Und wir erfahren wie beider Leben miteinander verknüpft sind.

Schnörkellos schildert Catherine Cusset die jeweiligen Ereignisse in einfacher klarer Sprache auf und das macht dieses Buch sehr intensiv. Ohne dramatischen Kitsch werden wir Zeugen von unfassbar ergreifenden Szenen, ohne viel Getöse spüren wir beim Lesen Schmerz, Enttäuschung, Entsetzen, Kummer. Aber auch Glück, Liebe, Freude und Hoffnung.
Ich liebte und hasste beide Frauenfiguren, manchmal fand ich sie stark, dann wieder hätte ich gerne das Buch geschüttelt und meinen Unmut geäußert über diverse Fehlentscheidungen. Ich hatte Verständnis und Unverständnis, ich habe mitgelitten, ich habe mich gefreut... und ich habe mich einfach in vielen Szenen wiedererkannt.
Dieses Buch ist einnehmend, wahrhaftig und berührend und am Ende hat man das Gefühl, dass man von realen Personen Abschied nehmen muss, die man ein Leben lang begleitet hat.
Wow! Meine Empfehlung kommt von Herzen... und übersetzt wurde alles von Sabine Schwenk.

Bewertung vom 31.07.2022
Schicksalszeiten / Schneiderei Graf Bd.1
Kriesmer, Susanne

Schicksalszeiten / Schneiderei Graf Bd.1


sehr gut

Bei diesem Buch handelt es sich um den Auftakt einer Familiensaga die im Jahr 1958 beginnt.
Geschickt läßt Susanne Kriesmer historische Begebenheiten in den Roman einfliessen und baut auch reale Persönlichkeiten in die Handlung ein.
Die Mischung aus mitreissender Familientragödie und geschichtlichen Ereignissen mitten in Deutschland ist gelungen und Susanne Kriesmer hat auch genau recherchiert.
Insgesamt lässt sich das Buch schnell lesen (schon allein weil man wissen möchte wie es weiter geht) und beschert kurzweilige Lesezeit.
Mich persönlich hat der Schreibstil ein wenig ratlos zurückgelassen. "Sie spürte wie ihr Herz einen Sprung machte", "Ihr Herz setzte für einen kurzen Moment aus", "Das Herz schlug hart in seiner Brust".... "seine Wangen waren vor Zorn gerötet", "ihre Wangen glühten rot", "die Kälte und die Liebe ließen ihre Wangen rot werden" ... so geht das im Wechsel gefühlt auf jeder Seite. Hätte ich bei jedem Wangenrot und Herzhüpfer einen Kurzen trinken müssen, wäre ich jetzt definitiv Alkoholikerin.
Aber das ist Jammern auf hohem Niveau - das Buch mag ich gerne an geschichtsinteressierte LeserInnen weiterempfehlen.