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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Blubie
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Schönau

Bewertungen

Insgesamt 183 Bewertungen
Bewertung vom 07.09.2022
Wildtriebe
Mank, Ute

Wildtriebe


ausgezeichnet

Ich muss ehrlich zugeben: nach ein paar Seiten habe ich mich gefragt, ob ich überhaupt das richtige Zielpublikum bin und die Handlung mich in irgendeiner Weise tangiert.
Das Setting - ländlich, Bauernhof;
die Thematik - Menschen, die ohne Kommunikation untereinander einfach ihre Arbeit erledigen und sich einsam und unverstanden fühlen.
Irgendwann habe ich allerdings nicht mehr darüber nachgedacht, war in der Story drin und habe mich in die Gedankenwelt der Frauen fallen lassen.
Da gibt es Lisbeth, die Bäuerin des Hofes, die fest in Traditionen verankert ist, nicht viel hinterfragt und so lebt, wie viele Frauen vor ihr. Und ihre Schwiegertochter Marlies, die als Teenager die ersten Hippies bewunderte und als Nichtbäuerin auf den Hof kommt, sich bevormundet fühlt und nicht angenommen - heimatlos auf einmal.
Zuletzt kommt die dritte Generation dazu, Joanna, Marlies Tochter und Lisbeths Enkeltochter, die sich keinen Zwängen unterwirft und, geboren in einer modernen Zeit, ganz andere Wege für sich und dem Miteinander findet.
Das Buch hat stellenweise heftig geschmerzt, weil all die ungesagten Dinge so viel Platz einnehmen und die Protagonistinnen so sehr leiden: unter den Missverständnissen, dem nicht anerkannt werden, der inneren Einsamkeit. Man schwankt zwischen Mitgefühl und Verständnislosigkeit - sieht sich mal der einen, dann wieder der anderen verbunden.
Ute Mank hat eine schlichte Sprache gewählt, die gut zum bäuerlichen Ambiente passt und auch unterstreicht, dass wir es hauptsächlich mit Gedanken zu tun haben, unausgesprochene Dinge, oftmals nicht zu Ende gedachte Sätze.
Letztlich fand ich das Buch sehr eindringlich und einnehmend und es hat mich sehr oft zum Nachdenken gebracht.

Bewertung vom 06.09.2022
Die Buchhändlerin von Paris
Maher, Kerri

Die Buchhändlerin von Paris


ausgezeichnet

Schon das Buchcover ist einfach zu verlieben, ein Gemälde wie von Hopper, stimmungsvoll und passend zum Roman.
Dieser beginnt mitten im Ersten Weltkrieg und wir lernen Sylvia Beach, eine junge literaturbegeisterte Amerikanerin kennen, die in Paris eine Buchhandlung betritt und sich sofort verliebt. Nicht nur in das Flair des Ladens, sondern auch in die Besitzerin Adrienne Monnier.

Die Erzählung ist keine erfundene Geschichte, sondern handelt von der Begründerin der "Shakespear and Company" Buchhandlung in Paris und somit der ersten Herausgeberin, des damals in den Staaten verbotenen Schriften "Ulysses" von James Joyce. Und um die Problematiken, die die Erstauflage, diese heute so verehrten Wälzers, begleiteten und um die schwierige Beziehung zwischen ihr und Joyce, aber auch um die Höhen und Tiefen des Ladens geht es vornehmlich. Kerri Maher versteht es, dieses Ereignis unheimlich lebendig und liebevoll zu schildern. Wir begegnen in dieser wundervollen Buchhandlung vielen literarischen Berühmtheiten, bevor sie dazu wurden. Maher hält sich dabei eng an die Fakten und haucht den Protagonisten liebevoll Leben ein, sie kommen mit Stärken, Schwächen und ab und zu auch mit Schrullen daher.

Immer wieder habe ich mich dabei ertappt, dass ich das eine oder andere alte Buch auf meine Wunschliste gesetzt habe, im Internet nach Fotos der Protagonisten suchte und tauchte völlig ab in diese Zeit.

Ein Muss für Literatur- und Historienfreunde, die viel Freude mit diesem Buch haben werden, dass von Claudia Feldmann übersetzt wurde.

Bewertung vom 31.08.2022
Was auf das Ende folgt
Whitaker, Chris

Was auf das Ende folgt


ausgezeichnet

Nach diesem Buch bin ich mir tausendprozentig sicher: Chris Whitaker ist ein Schriftstellergott!
Sein erster in Deutschland erschienener Roman "Von hier bis zum Anfang" hatte mich ja schon total gepackt und überzeugt, aber sein Debütroman, der jetzt erst in Deutschland veröffentlicht wurde, ist der absolute Wahnsinn!
Mir fehlen einfach die Worte, ausser Superlativen fällt mir nichts ein, das auch nur annähernd sein erzählerisches Können beschreibt.
Der Kern der Geschichte ist kurz und knapp: der dreijährige Harry verschwindet nachts einfach aus seinem Zimmer und seine alleinerziehende Mutter ist am Boden zerstört. Die ganze Kleinstadt Tall Oaks ist auf den Beinen, um den kleinen Harry zu suchen.

Das Buch beginnt mit dem Verschwinden Harrys und wir lernen drei Monate später einige der Bewohner von Tall Oaks kennen. Zugegeben, anfangs muss man dran bleiben, es ist ein wenig verwirrend, die vielen verschiedenen Personen zuordnen zu können, aber mit ein wenig Aufmerksamkeit ist man schnell sortiert und kann sich auf die einzelnen - mitunter sehr skurrilen - Charaktere einlassen.
Mit Humor und beeindruckender Dramatik gelingt es Whitaker die Charaktere so zu vertiefen, dass man vergisst ein Buch zu lesen und die einzelnen Personen wahrhaftig vor dem inneren Auge Gestalt annehmen und lebendig werden. Was für eine erzählerische Gabe!
Das Buch entwickelt sich rasch zum Pageturner und man kann es kaum aus der Hand legen, weil man einfach wissen muss, was es mit der einen oder anderen Gestalt auf sich hat und wohin die Handlung geht. Und im letzten Drittel stönt man hin und wieder schon mal "Jesses!" oder "ach du Sche..." - es ist einfach packend bis zur letzten Seite.

Und Wolfgang Müller hat dieses großartige ergreifende Werk ganz wunderbar übersetzt

Bewertung vom 29.08.2022
Am liebsten sitzen alle in der Küche
Karnick, Julia

Am liebsten sitzen alle in der Küche


ausgezeichnet

Oh, was für ein schönes Wohlfühlbuch. Das war genau das richtige für Zwischendurch.
Ganz ehrlich: das Cover hat mich Null angesprochen, aber dann habe ich ein paar sehr schöne Rezensionen darüber gelesen und konnte in der Buchhandlung nicht mehr widerstehen.
Es ist eine wunderbare Alltagsgeschichte über drei Frauen um die Fünfzig, die Freundinnen werden obwohl sie völlig unterschiedliche Leben führen.
Es ist die Geschichte über die Stärke, die sich aus solchen Freundschaften entwickelt, der Halt den sich die Freundinnen gegenseitig geben, um den nicht immer einfachen Alltag zu bewältigen.
Die drei Charaktere sind unglaublich liebevoll beschrieben (genauso wie die Nebenakteure) und irgendwann hat man während des Lesens das Gefühl, Teil dieser Freundesrunde zu sein.
Schöne unterhaltsame Lektüre zum Entspannen.

Bewertung vom 29.08.2022
Unwert - Der Weg des Kirschmädchens
Alinaghi, Yasmin

Unwert - Der Weg des Kirschmädchens


ausgezeichnet

Wow... selten hat ein Buchcover so wenig gepasst wie in diesem Fall. Obligatorische Frau von hinten, vor beliebigem Hintergrund (so irre kreativ!... nicht). Was optisch wie ein schnulziges Historiendrama daher kommt, ist extrem harter Stoff, der mit Sicherheit nichts für zart Besaitete ist.
Dieser großartig recherchierte Roman (bitte Nachwort unbedingt lesen!) beschreibt ein Kapitel des sogenannten Dritten Reichs, das kaum auszuhalten ist: die Verhinderung "unwerten" Lebens, also die Sterilisation bei Menschen, die vermeintlich Erbkrankheiten weiter geben könnten. Wie willkürlich die Auswahl getroffen wurde, wie Ärzte ihre Macht missbrauchen und wie Menschen unschuldig unter diesem Missbrauch leiden mussten - das alles kann man in diesem hochwertigen Buch lesen.
Die Erzählform ist recht trocken und aus unterschiedlichen Perspektiven, und nur durch diese leichte Distanz erträgt man das Gelesene auch.
Wer sich für diverse Themen aus diesem historischen Zeitraum interessiert, wir in diesem Buch mit einer Thematik konfrontiert, die nicht so häufig zu finden ist und ich kann ganz klar eine Leseempfehlung aussprechen.

Bewertung vom 21.08.2022
Sag den Wölfen, ich bin zu Hause
Brunt, Carol Rifka

Sag den Wölfen, ich bin zu Hause


ausgezeichnet

Die Geschichte der 14jährigen June, die ihren an AIDS erkrankten Onkel verliert, entführt uns nach New York 1987. Eine Zeit, in der AIDS als Schreckgespenst die Menschen erschütterte und sich noch viele Missverständnisse darum rankten.
June wächst zusammen mit ihrer talentierten zwei Jahre älteren Schwester und ihren berufstätigen Eltern in einem Vorort New Yorks auf. Onkel Finn, Mutters jüngerer Bruder, ist Künstler, schillernd und großartig, Junes Patenonkel, für den sie vielleicht ein bisschen zuviele Gefühle hegt. Seine Homosexualität, das AIDS-Virus und vor allem sein langjähriger Lebenspartner Toby sind Tabuthemen der Familie.
Für June ist der Tod ihres geliebten Onkels eine Katastrophe, die sie kaum überwinden kann... und dann lernt sie Toby kennen, mit dem sie nicht nur die Trauer um Finn teilt.

Es ist eine ruhige und einfühlsame Geschichte, in der man sich an manchen Stellen allzuoft wiederfindet, nicht nur, wenn man ebenfalls seine Teenagerzeit in den 80er Jahren hatte. Das Buch handelt von Rivalität unter Geschwistern, diese Hass-Liebe, wie man sie oft nur unter Geschwistern findet. Es handelt von den dramatischen Gefühlen, wie man sie nur als Teenager empfinden kann, von Eifersucht, überbordender Liebe, vom Sterben, vom Verzeihen und von Selbstreflektion.
Was mich stark beeindruckt hat: die Autorin schafft es, ohne Holzhammermethode, die Vibes der 80er Jahre aufleben zu lassen und sie hat ein wunderbares Gespür für die Gefühle, die Teenager umtreibt - wenn sie zwischen Kindheit und Erwachsenwerden stehen. June kam für mich sehr authentisch rüber.
Die Geschichte hat mich immer wieder sehr berührt und manchmal hätte ich gerne eingegriffen, Dinge besser gemacht, den Protagonisten geholfen, früher zueinander zu finden... mit einem Wort: ich habe mitgelebt in diesem wunderbar erzählten Roman, der von Frauke Brodd großartige ins Deutsche übersetzt wurde.

Bewertung vom 18.08.2022
Liebe ist gewaltig
Schumacher, Claudia

Liebe ist gewaltig


ausgezeichnet

Der Debütroman von Claudia Schumacher ist wie ein gewaltiges Erdbeben: geschüttelt, durcheinander gerüttelt und betroffen lässt er mich am Ende zurück.
Es ist die Geschichte von Juli Ehre, einer jungen Frau, die mit ihren drei Geschwistern in einem Elternhaus voller Gewalt aufwächst. Nach aussen hin sind sie eine Vorzeigefamilie: beide Eltern Anwälte, angesehen in der Nachbarschaft, Haus und Garten in einer guten Süddeutschen Gegend.
Das Buch beginnt als Juli 17jährig in einer Kuranstalt sich von einer vemeintlichen Immunschwäche erholen soll, wir erfahren aber dass es die psychische und physische Gewalt des Vaters ist, die ihr Probleme bereiten.
Wir lernen eine junge erwachsene Juli kennen, die trotz Entfernung zum Elternhaus immer noch mit den Dämonen zu kämpfen hat, bis hin zur totalen Selbstverleugnung.

Wer aber nun denkt: "Puh, nä das ist mir zu düster...", Claudia Schumachers Schreibstil ist leicht, sogar humorvoll (trotz der schweren Thematik), teilweise poetisch... würde ich die besten Sätze in Büchern anstreichen, dieses Buch wäre jetzt nach dem Lesen zu 90% eingefärbt.

Diese Erzählung wird noch sehr sehr lange in mir nachhallen und gehört mit Sicherheit zu den absoluten Highlights dieses Jahres. Meine hundert prozentige Leseempfehlung!

Bewertung vom 10.08.2022
Für immer deine Tochter
Lind, Hera

Für immer deine Tochter


schlecht

Puuuuhhhh... hätte man mich nach der ersten Hälfte des Buches nach meiner Meinung gefragt, hätte ich geantwortet, dass ich erstaunt bin, dass Hera Lind sich mittlerweile solch eines Stoffes an nimmt. Ich habe mich bisher von ihren Büchern fern gehalten, da ich sogenannte "freche Frauen" (chick-lit für Ältere) nicht brauche. Tatsachenberichte sind dann schon eher meines.
Wie gesagt, bis zur Hälfte war ich beeindruckt, wird die Flucht aus Pommern doch sehr eindrücklich geschildert und rasant und man hat das unangenehme Gefühl, mitten drin zu stecken in den Wirren dieser Tage.
Aber dann ging es nur noch bergab...
"Roman nach einer wahren Geschichte"... tja, vielleicht ein bißchen, der gr0ße Rest wirkt aufgesetzt: viel zu viele Zufälle und total konstruiert.
Ich hab dann den letzten Rest nur noch überflogen, weil ich die Laientheater-Dialoge kaum noch ausgehalten habe und die völlig willkürlichen überdramatischen Handlungen ebenso.
Und dann komme ich zum Nachwort und hätte das Buch gerne an die Wand gepfeffert. Kein Wunder, dass die Handlung nur noch überladen wirkte - sie hat einfach zwei verschiedene Schicksale zusammen geschustert.
"In einer Zeit, in der die letzten Zeitzeugen (...) langsam versterben, müssen solche Lebensgeschichten unbedingt noch erzählt werden. " - Ja, da bin ich ganz bei Ihnen, Frau Lind, aber sicherlich nicht auf reisserische umsatzheischende Art. Das braucht kein Mensch!

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.08.2022
Der Heimweg
Fitzek, Sebastian

Der Heimweg


ausgezeichnet

Ach Du heilige Sch*piiiiiep*, was zum Henker hab ich da grad gelesen? Meine Finger sind nun ca. um ein halbes Kilo Haut leichter, meine Nacken- und Wangenmuskulatur sind überstrapaziert und was meine Familie die letzten zehn Stunden gemacht hat... keine Ahnung. Ich jedenfalls war tief in allen möglichen Wahnvorstellungen versunken und ... ja! Verdammt noch mal, das war eines der besten Bücher seit langem.
Dazu muss ich sagen, es war fast mein erster Fitzek. Fast, weil ich nicht mehr so genau weiss, ob ich damals, als der Hype um Herrn Fitzek begann, "Die Therapie" gelesen habe oder nicht. Wenn ich mich nicht daran erinnere, heißt das nicht, dass es nicht gut war (eher das Gegenteil), sondern damals befand ich mich zwischen Stilldemenz und erneuter Schwangerschaft, war also nicht ganz bei mir.
Vor ein paar Wochen probierte ich "Schreib oder stirb", was ich allerdings abbrechen musste, das lag aber am Beisenherz-Humor, der noch nie meines war.
Umso genialer fand ich nun "Der Heimweg", spannend von Anfang an, kranke Szenen, bei denen man einfach nur die Luft scharf zwischen die Zähne zieht und "Aaaah" oder "Uuuuh" von sich gibt, und ein Plottwist, der einem das Gehirn explodieren lässt.
Ja, ja und nochmal ja! Reiht mich ein in die hysterischen Fitzek-Groupies.
.... kann leider nicht weiter schreiben... muss mir alle anderen Bände von ihm besorgen....


Ach so, sorry! Leseempfehlung? Na aber sowas von!

Bewertung vom 08.08.2022
Vom Ende der Einsamkeit
Wells, Benedict

Vom Ende der Einsamkeit


ausgezeichnet

Jules ist der jüngste von drei Geschwistern, die früh ihre Eltern verlieren, er selbst ist gerade einmal zehn Jahre alt. Im Buch erzählt er in der Ich-Form seine Geschichte und wir begleiten ihn bis in seine Mittvierziger.
"Vom Ende der Einsamkeit" ist ein sehr ruhiges Buch, ein tiefgehendes philosophisches Werk, das stilistisch wunderschön geschrieben ist. Es handelt von Verlust, vom Verarbeiten von Verlust, von unerfüllten Träumen, von verpassten Gelegenheiten und vom Wiederfinden. Es ist ein trauriges, teilweise tragisches Buch und dennoch nicht hoffnungslos und es wartet nicht mit aufdringlichen Lebenstipps auf, es erzählt und schildert einfach nur.
Wer ruhige intelligente Bücher mag, wird dieses hier lieben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.