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Sophie

Bewertungen

Insgesamt 153 Bewertungen
Bewertung vom 10.07.2021
RC2722
Moitet, David

RC2722


sehr gut

Ein starkes dystopisches Setting, das es sich in der Handlung manchmal etwas zu einfach macht

„RC 2722“ von David Moitet brilliert durch ein beklemmendes und erschreckend realitätsnahes Setting in der nahen Zukunft: Aufgrund des Klimawandels steigen die Temperaturen auf der ganzen Welt, und auch in Frankreich wird das Wasser knapp. Der Strom der Klimaflüchtlinge geht gen Norden, dann breitet sich jedoch eine Krankheit rasant in den Lagern aus, die einen Großteil der Menschheit auslöscht und den Rest in unterirdische Bunker zwingt. Dort wächst der mittlerweile fast erwachsene Oliver auf und lernt nie etwas anderes kennen, bis sein Bruder an die Oberfläche verbannt wird und er ihm folgen muss.

Oliver stellt bald fest, dass die Erdoberfläche zwar einer Wüste ähnlich sieht und teils radioaktiv verstrahlt, aber keinesfalls völlig unbewohnbar und vom Virus verseucht ist. Gemeinsam mit der gleichaltrigen Tsché, einer hartgesottenen jungen Frau, die sich schon lange in der rauen Wüste durchschlägt, macht er sich auf die Suche nach seinem Bruder. Dabei lernt er schnell die mannigfaltigen Gefahren dieser Welt kennen, die meistens von skrupellosen Mitmenschen und der unbarmherzigen Umwelt ausgehen. Nach und nach erfährt er, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte, und lernt einiges über seine eigene Familiengeschichte.

Die düster geschilderte Welt und das faszinierende Setting machen dieses Jugendbuch zu einer unterhaltsamen Lektüre mit viel aktuellem Potenzial. Leider verläuft die Handlung stellenweise jedoch recht oberflächlich und vorhersehbar und wird damit dem äußerst spannenden Setting nicht ganz gerecht. Viele Konflikte lösen sich zu einfach auf, wodurch die erbarmungslose verbrannte Erde und die brutale Vergangenheit auf merkwürdige Art konterkariert werden. So bleibt einiges etwas unbefriedigend – es ist zwar ein Jugendbuch, jedoch könnte man hier auch jüngeren Lesenden durchaus etwas mehr zumuten.

Alles in allem ein spannendes Buch mit vielen aktuelle Bezügen, einem atmosphärischen Setting und einer gut durchdachten Prämisse. Kleine Abzüge gibt es für die oft etwas stark vereinfachte Handlung, jedoch bleibt das Buch eine Leseempfehlung für Lesende ab 12 Jahren, die Lust auf Dystopien haben.

Bewertung vom 10.07.2021
Die Morgenröte - Sie nehmen dir dein Leben
Richter, Noah

Die Morgenröte - Sie nehmen dir dein Leben


sehr gut

Wie ein faschistischer Staat entsteht – ein erschreckendes Szenario

Mit „Die Morgenröte“ entwirft Noah Richter eine schockierende alternative Realität für das Jahr 2021, die so wirklichkeitsnah daherkommt, das einem angst und bange wird. Als der Youtuber Georg Herzfeld den Popstar Götz Wolf auf seinem Weg zum Bundeskanzler unterstützt, ahnt er noch nicht, dass er sich mitten im Aufbau einer neofaschistischen Bewegung befindet, angeleiert von der reichen Amalia von Bülow und dem skrupellosen Spindoctor Lorenz Ziffer. Als ihm diese Gefahr bewusst wird, ist es bereits zu spät und er steckt bis über beide Ohren in der Sache drin …

In präzisen Worten und in journalistischem Stil erzählt Noah Richter von der Eskalation der Meinungsmache und der Aushöhlung der Demokratie – und zwar voller Elan, unter jubelndem Beifall und tosendem Applaus, mit Merchandise und Musik. Götz Wolf bringt ein gewaltiges Charisma mit, das seine Anhänger an seinen Lippen kleben lässt – und sie glauben ihm alles, auch die vergifteten Worte, die ihm „aus dem Off“ in den Mund gelegt werden. Er ist allerdings mehr als eine Marionette und der Dreh- und Angelpunkt der Bewegung. Georg ist anfangs ebenso hingerissen von ihm wie seine Fans, ignoriert die warnende Stimme seiner Freundin im Hintergrund und stürzt sich voller Elan in das Abenteuer. Dabei ist nicht ausschließlich Naivität seine Triebkraft, sondern der Wunsch nach einer Vaterfigur, aber auch finanzielle Sorgen, denn Georg droht eine kostspielige Klage aufgrund einer aus dem Ruder gelaufenen Enthüllungsepisode seiner Show.

So vielschichtig und interessant die Charaktere konzipiert sind, so wenig emotional erscheint der Roman. Hier liegt vielleicht seine einzige Schwäche. Denn während das erdachte Szenario hervorragend gestaltet ist, bleiben die Charaktere stets auf Distanz. Der Stil entspricht eher einer Chronologie, einem Enthüllungsartikel, und lässt nicht allzu viel Empathie zu. Das mindert das literarische Erlebnis ein klein wenig, untermalt dafür aber kraftvoll die Dystopie – die sich unerträglich nah an unserem heutigen Alltag bewegt und durch viele Verankerungspunkte in der Realität eine schockierende Nähe schafft.

Ein starkes Buch über den Faschismus, in dem Emotionen etwas zu kurz kommen, das aber vor allem durch ein herausragend erdachtes, realitätsnahes Szenario besticht. Es sollte uns allen eine Warnung sein!

Bewertung vom 10.07.2021
Erben wollen sie alle
Hennig, Tessa

Erben wollen sie alle


sehr gut

Charmante Urlaubslektüre mit viel Humor

Was macht man, wenn die eigene Mutter vermeintlich einem Erbschleicher auf Mallorca ins Netz gegangen ist und man seine Felle bezüglich des Erbes schwimmen sieht? Richtig, man packt die Koffer und reist spontan nach Mallorca! Das zumindest tun Anja mit Tochter Luisa und ihr Bruder Steffen mit Frau Yvonne, als sie hören, dass ihre Mutter Bianca das Anwesen auf Mallorca verkaufen und das zukünftige Erbe auf einer Weltreise mit dem neuen Lover Wolfgang durchbringen will. Das Chaos ist vorprogrammiert, denn der Kontakt ist seit dem Tod des Vaters spärlich, und einige Geheimnisse aus der Vergangenheit hängen über den Köpfen der Familie. Nur Enkelin Luisa pflegt eine innige Beziehung zu ihrer Oma und unterstützt sie tatkräftig im Umgang mit der lieben Familie.

Mit viel Humor und Liebe zu ihren Charakteren erzählt Tessa Hennig in „Erben wollen sie alle“ eine turbulente Geschichte über Selbstbestimmtheit im Alter, die Wichtigkeit von Familie – und über das herrliche Leben im Urlaubsparadies Mallorca, das in schillernden Farben geschildert wird. Das Buch ist eine unterhaltsame Urlaubslektüre, die jedoch auf leichtfüßige Art und Weise auch schwierige Themen wie Demenz anspricht.

Trotzdem bleibt „Erben wollen sie alle“ vor allem eine Familienkomödie – diesem Genre geschuldet kommt es manchmal zu recht vorschnellen Entscheidungen und rasanten Entwicklungen, die mich als Leserin bisweilen etwas ungläubig zurückgelassen haben. Der Wohlfühlfaktor ist jedoch unbestreitbar, und so ist „Erben wollen sie alle“ ein empfehlenswertes Buch für alle, die nach einer leichten Lektüre am Strand oder im Liegestuhl auf Balkonien suchen.

Bewertung vom 21.06.2021
Das Buch des Totengräbers / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.1
Pötzsch, Oliver

Das Buch des Totengräbers / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.1


ausgezeichnet

Ein packender Kriminalfall mit faszinierenden Einblicken in das Wien der 1890er

Oliver Pötzsch ist mit „Das Buch des Totengräbers“ ein meisterhafter historischer Kriminalroman gelungen, der spannende Phänomene des späten 19. Jahrhunderts aufgreift, z. B. die Etablierung des Fahrrads, das Aufkommen von einfach verfügbarer Photographie und die Kriminalistik. Im Vordergrund stehen dabei immer die randständigeren Figuren der Wiener Gesellschaft: ein deutscher Ermittler mit jüdischen Wurzeln, eine junge Telefonistin mit Ambitionen, ein Totengräber …

Ausgangspunkt der Geschichte sind die grausamen Morde an einer Reihe junger Frauen. Leo von Herzfeldt ist neu in Wien, genau wie seine Ermittlungsmethoden. Der junge Inspektor wendet begeistert alle technischen Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen, an, um die Tatorte zu analysieren, einschließlich der gerade aufkommenden individuellen Photographie – dabei stößt er jedoch bei seinen traditionsverbundenen Kollegen und Vorgesetzten meist auf taube Ohren. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als auf eigene Faust zu ermitteln. Unterstützt wird er dabei von der Telefonistin Julia und dem Totengräber August, der zwar eine Menge Know-how mitbringt, Leo jedoch als der komische Kauz, der er ist, auch gehörig auf die Palme bringt.

„Das Buch des Totengräbers“ ist sowohl ein wunderbar konstruierter Krimi mit vielen Wendungen und sich stetig aufbauender Spannung als auch ein hervorragend recherchierter historischer Roman. Persönlichkeiten der 1890er Jahre in Wien wie die Musiker-Familie Strauss werden organisch in den Handlungsverlauf eingewoben, damals neue Technologien werden mit all ihrem Diskussionspotenzial geschickt eingesetzt, um ein authentisches Bild der Gesellschaft dieser Zeit und ihrer Herausforderungen zu schaffen. Dabei stehen der Kriminalfall und Leos Ermittlungen, die ihn in immer düstere Bereiche der Wiener Oberschicht führen, stets im Vordergrund – historische Informationen werden nie um ihrer selbst willen gegeben, sondern fügen sich stets organisch in den Handlungsverlauf ein und sind Teil der Geschichte, die erzählt wird. Der Wiener Zentralfriedhof, Augusts Wirkungsstätte, wird dabei trotz seiner abgelegenen Lage zu einem zentralen Schauplatz der Geschichte, der Ton und Atmosphäre des ganzen Romans deutlich prägt.

Ein unglaublich spannender Krimi mit authentischen Figuren und ein detailliertes Porträt der Stadt Wien in den 1890ern. All das in einer stets düster oder verrucht anmutenden Atmosphäre mit viel Friedhofsromantik. Eine unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 06.06.2021
Schwarzwälder Morde / Schwarzwald-Krimi Bd.2
Graze, Linda

Schwarzwälder Morde / Schwarzwald-Krimi Bd.2


sehr gut

Ein unterhaltsamer Regionalkrimi mit wenig Krimi, aber viel Unterhaltung!

„Schwarzwälder Morde“ von Linda Graze ist in vielerlei Hinsicht ein typischer Regionalkrimi: Schauplatz im Schwabenländle, breiteste Dialekte, beschauliches Dorfleben, ein Rätsel aus der Vergangenheit – und ein irgendwie kleinlich wirkendes Verbrechen in einem Nachbarschaftsstreit.

Kommissar Schmälzle und Kommissar Scholz ermitteln im Fall eines Grundstücksdisputs, im Laufe dessen ein Beteiligter eine Kugel ins Bein abbekam. Der örtliche Schnapsbrenner mit seinem Neubau scheint der naheliegendste Verdächtige, aber erweist sich als wenig kooperativ, sodass die Kommissare einen großen Teil ihrer Zeit damit verbringen, ihm hinterherzulaufen. Gleichzeitig taucht eine Moorleiche auf, und rätselhafte Einschübe aus der Vergangenheit scheinen Anhaltspunkte darüber zu geben, wie sie ihr Ende fand.

Der Kriminalfall in diesem Roman ist nicht unbedingt der spannendste, und die Ermittlungen von Scholz und Schmälzle bleiben insgesamt ebenfalls ein wenig blutleer. Die große Stärke des Romans liegt jedoch nicht in seinen typischen Elemente, sondern darin, was ihn von anderen Vertretern des Genres unterscheidet: Das sind vor allem seine Charaktere und sein Stil. Schmälzle ist gebürtiger Karlsruher und damit als Badener in Schwaben eigentlich sowieso schon fremd. Zusätzlich ist er aber auch schwarz, was die Einheimischen immer wieder kommentieren. Schmälzle nimmt es meist mit Humor, und insgesamt ist der Ton des Romans eher leicht, aber dass ihm dieser Alltagsrassismus zusetzt, lässt er doch immer wieder durchblicken.

Der humorvolle, fast drehbuchartige Stil und die schnellen, oft leicht absurden Dialoge unterfüttern die ernsteren Töne des Buches mit dem nötigen Humor. Schmälzle als Veganer, der es mit der pflanzlichen Ernährung im Schwarzwald nicht immer leicht hat, Scholz als schwäbisches Urgestein, der mit dem Verdächtigen schon auch mal einen Kirschschnaps kippen kann, und die zupackende Assistentin Leonie, die eigentlich ebenso fester Bestandteil des Ermittler-Teams ist wie die Putzkraft Frau Meichle – nur eben inoffiziell. All diese Figuren bringen ihren ganz eigenen Charme und Witz mit und machen „Schwarzwälder Morde“ zu einer lohnenswerten, unterhaltsamen Lektüre, bei der man nur in Sachen Krimihandlung leichte Abstriche machen muss.

Bewertung vom 31.05.2021
Teufelsberg / Kommissar Wolf Heller Bd.2
Kellerhoff, Lutz W.;Kellerhoff, Lutz Wilhelm

Teufelsberg / Kommissar Wolf Heller Bd.2


gut

Ein Agentenroman im West-Berlin der 60er Jahre

„Teufelsberg“ ist ein Spannungsroman mit historischen Bezügen, die die Leserschaft in der Zeit zurückversetzen – ein Kriminalroman ist es nicht.

Kommissar Wolf Heller ermittelt zunächst in einem Mordfall, auf den sich jedoch bald eine Reihe weiterer Fälle und ein drohender Bombenanschlag auf die jüdische Gemeinde häufen. Das Chaos wird perfekt, als nach und nach Verbindungen in die Sowjetunion ans Licht kommen und einige zwielichtige Gestalten in diesem Zusammenhang auftauchen.

„Teufelsberg“ spinnt eine Geschichte um eine Reihe historischer Fixpunkte, was an sich sehr reizvoll ist. Den Zeitgeist fängt das Autorentrio „Lutz Wilhelm Kellerhoff“ wunderbar ein – so könnte das Leben damals tatsächlich gewesen sein. Über all die zeitgeschichtlichen Aspekte verlieren sich die Autoren aber immer wieder in dem dichten Geflecht an Kriminalfällen und Verdächtigen, das sie aufgebaut haben. Das sorgt für Verwirrung, streckenweise sogar für etwas Langatmigkeit.

Heller hat alle Hände voll zu tun und steht auch persönlich aus mehreren Gründen unter Stress, sodass es menschlich nachvollziehbar ist, dass er hin und wieder den Überblick über seine Fälle verliert. Als Leserin lässt es mich allerdings etwas unbefriedigt zurück, dass die Ermittlungen immer weiter in den Hintergrund rücken und einzelne Fälle im Laufe des Buches einfach untergehen. Nach und nach kristallisiert sich heraus, dass eigentlich nicht eine Mordermittlung im Vordergrund steht, sondern Geheimdienste, Agenten und Unterwanderungsversuche aus der Sowjetunion. So präsentiert sich der vermeintliche Kriminalroman nach einer Weile viel eher als Agenten- oder Spionagethriller.

Wer das mag, der wird sicher viel Freude an diesem authentisch angelegten Buch haben. Für Krimifreunde, die in der Erwartung einer komplexen Ermittlung an das Buch herangehen, ist das Leseerlebnis ein wenig enttäuschend. Insgesamt aber ein spannendes Buch, das vor allem durch seine zeitgeschichtliche Einbettung Pluspunkte sammeln kann.

Bewertung vom 24.05.2021
Girl A
Dean, Abigail

Girl A


gut

Ein wunderbar konzipiertes Buch, das leider etwas sprunghaft daherkommt

Von „Girl A“ von Abigail Dean habe ich mir ein Buch vom Kaliber von „Raum“ erwacht. Vorweg: Das ist es nicht. Trotzdem ist es eine lohnenswerte Lektüre zu einem komplexen und emotionalen Thema.

Lex hat als Kind und Jugendliche Furchtbares durchgemacht: Ihr Vater war ein fanatisch religiöser Mann, der Lex und ihren sechs Geschwistern durch seine fixen Ideen und Wutanfälle das Leben im Gefängnis ihres Hauses zur Hölle gemacht hat, bis Lex mit 15 Jahren aus dem „Horror-Haus“ fliehen und das Leid beenden konnte. Von der passiven und unterwürfigen Mutter konnten sich die Kinder nie Unterstützung erhoffen, dennoch ernennt sie Lex, mittlerweile eine erfolgreiche Anwältin, als Testamentsverwalterin nach ihrem Tod. Nun muss sie sich ihrer Vergangenheit stellen und die teils schwierigen Beziehungen zu ihren Geschwistern wieder aufleben lassen.

„Girl A“ ist ein Buch, das weniger auf Schockmomente setzt, sondern eher auf emotionale Verarbeitung und Psychisches. Das sorgt für Tiefgang und einige wirklich bestürzende Realisierungen, die wir als Leser*innen hautnah mitmachen und miterleben. Jedoch sind diese Momente eher rar gesät und werden überlagert von viel Belanglosem, manchmal zäh Erzähltem. Die Erzählweise ist episodenhaft mit vielen Zeitsprüngen und Figurenwechseln, was immer mal wieder verwirrend wirkt oder sogar den Lesefluss ganz unterbricht. Teilweise ist dies als Stilmittel sehr clever eingesetzt und spiegelt den inneren Konflikt, die Schwierigkeiten beim Erinnernmüssen wider, teilweise wirkt es einfach erratisch.

Das Konzept und die Idee hinter „Girl A“ sind großartig, an der Umsetzung hapert es leider hier und da, auch wenn der Roman stilistisch angenehm lesbar ist. Da es sich um ein Debüt handelt, denke ich, dass die Autorin ihre Stimme vielleicht noch finden muss – hervorragende Anlagen sind auf jeden Fall vorhanden, und es lohnt sich mit Sicherheit, ihre weiteren Veröffentlichungen zu verfolgen.

Bewertung vom 24.05.2021
Die Geschichte von Kat und Easy
Pásztor, Susann

Die Geschichte von Kat und Easy


ausgezeichnet

Ein poetisches, authentisches Buch über Freundschaft und Vergebung

„Die Geschichte von Kat und Easy“ von Susann Pásztor beginnt mit einem ersten Satz wie ein Donnerschlag: „Kat hat die Macht. Sie hat die Macht, Wörter zum Leuchten zu bringen und Räume mit Wut zu verpesten.“ Dieser erste Satz trägt bereits so viel Schönes und Schreckliches in sich, dass man einfach weiterlesen muss – und es lohnt sich.

Der Roman wird in zwei Zeitebenen erzählt, wobei auf geschickte Weise und mit großen Effekt auch Erzählstimme und Tempus wechseln: 1973 sind Kat und Easy Teenager in einer Kleinstadt, sie rauchen, nehmen Drogen, erleben den ersten Sex. Fünfzig Jahre später finden sich die beiden über Kats Lebenshilfe-Blog wieder und verbringen gemeinsam eine Woche auf Kreta. Eine Woche voller offenbarter Geheimnisse, über der stets die Frage schwebt: Warum ist diese Freundschaft einmal zerbrochen?

In mal wunderbar poetischer, mal trocken-humorvoller Prosa wird nach und nach in Gesprächen und Rückblicken enthüllt, was sich damals zugetragen hat und was zum Bruch einer engen Jugendfreundschaft führte. Schonungslos ehrlich treten Kats Gefühle in beiden dieser Lebensabschnitte zutage, die nicht immer nobel und gerecht und großzügig sind – eben menschlich. Denn Easy und Kat waren sich nah, aber nicht offen miteinander. Für eine kurze Zeit waren sie unzertrennlich, aber auf eine intensive, schnelle Art, wie nur eine impulsive Jugendfreundschaft sein kann, in der die eine zur anderen aufschaut. Dass der Sommer eines Jahres als Jugendliche Einfluss auf ein gesamtes Leben haben kann, wird hier eindrucksvoll illustriert.

„Die Geschichte von Kat und Easy“ ist leicht zu lesen, aber schwer zu verarbeiten. Das Buch enthält eine subtile und unaufdringliche Weisheit, die zum Reflektieren einlädt und berührt. Es ist die Geschichte von zwei ganz und gar unperfekten Menschen, die im fortgeschrittenen Alter beschließen, dass es Zeit wird, mit der Vergangenheit abzuschließen. Und das macht diese Buch so wunderbar ehrlich und einfühlsam.

Bewertung vom 24.05.2021
Nachrichten von Männern
Decker, Anika;Berlin, Katja

Nachrichten von Männern


sehr gut

Humorvoll, scharfzüngig und unterhaltsam – und oft aus dem Leben gegriffen

„Nachrichten von Männern“ liefert, was man sich von den Autorinnen Katja Berlin und Anika Decker erwartet hat: gute Unterhaltung mit viel Selbstironie, ein scharfer Blick auf die Dinge und viele Momente des bestätigenden schmunzelnden Nickens.

Das Buch stellt 37 verschiedene „Männertypen“ vor, die aus über Jahre hinweg gesammelten Textnachrichten hervorgehen, darunter etwa „Der Einsilbige“, „Der Autoverkäufer“ oder „Die Massenkarambolage“. In kurzen, knackigen Kapiteln werfen die Autorinnen einen humorvoll-analytischen Blick auf (anonymisierte) Nachrichten, die so tatsächlich an sie oder Frauen in ihrem Umfeld versendet wurden. Da muss frau schon manchmal ungläubig lachen, findet aber erschreckend vieles auch in ihrer eigenen Chat-Biographie wieder.

Der Schreibstil dieses kurzen Büchleins ist flott, locker und stets mit einem Augenzwinkern versehen. Ab und zu blitzen für meinen Geschmack ein paar Klischees zu viel durch (sowohl auf männlicher als auch auf weiblicher Seite), insgesamt ist „Nachrichten von Männern“ jedoch ein großer Lesespaß. Zugegeben: Sehr viel lernen kann man daraus nicht, sich aber prächtig darüber amüsieren. Der Humor steht eindeutig im Vordergrund, sodass Kritik oder auch echte Hinweise, wie frau mit manchem Männertyp umgehen könnte, wenig vertreten sind.

„Nachrichten von Männern“ ist für mich eine ideale Lektüre für zwischendurch, mit viel Unterhaltungspotenzial, aber etwas weniger Anspruch als erwartet. Insgesamt trotzdem ein tolles Buch und zwei starke Frauenstimmen, von denen ich gerne immer mehr lesen möchte!