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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2014 Bewertungen
Bewertung vom 21.08.2024
Der Drahtzieher
Pines, Sarah

Der Drahtzieher


sehr gut

Afrikanischer Sonnenaufgang im Hochsauerland

Der Drahtzieher ist Sarah Pines erster Roman. Zuvor hat sie ein Kurzgeschichtenband veröffentlicht.
Der Drahtfabrikant Theodor hat eine Beziehung mit Alba, die aber auch Albert zugeneigt ist. Dazu kommt noch Marthe, die Beziehungen zu Theo und auch Albert hatte.
Latent erinnert mich die Figurenkonstellation und Stimmung an Goethes Die Wahlverwandtschaften.
Der Roman ist anfangs einigermaßen getragen gehalten. Das wird sich später ändern, z.B. spät im Buch bei einer Treibjagd.
Die Figuren sind sich ihrer selbst oft nicht sicher und gehen nur selten aus sich heraus.
Es kommt dennoch zu Auseinandersetzungen zwischen Theo und Alba. Die Autorin scheut keine drastischen Beschreibungen. Diese Abschnitte machen Eindruck. Die Stärke des Romans ist es, innere Bewusstseinszustände zu zeigen.

Bewertung vom 21.08.2024
Das Haus in dem Gudelia stirbt
Knüwer, Thomas

Das Haus in dem Gudelia stirbt


ausgezeichnet

Der Schmerz

Das Haus in dem Gudelia stirbt ist ein intensives Psychodrama, das den Leser emotional anspricht.
Gudelia und Heinz Krol erleiden den Verlust ihres 15jährigen Sohnes Nico. Möglicherweise war es ein Verbrechen aus Hass, denn es wurde behauptet, Nico wäre schwul und wurde möglicherweise von Mitschülern gemobbt.
Für das Paar bricht die Welt zusammen. Die Perspektive liegt bei Gudelia und man kann ihren Schmerz über den Verlust spüren und ihre Wut auf den möglichen Täter.
Thomas Knüwer baut die Handlung geschickt in drei immer wieder wechselnden Zeitebenen auf. 1984 als Nico zu Tode kommt, 1998 als sich Gudelia und Heinz trennen und 2024 als eine Flut kommt und auch das Haus der inzwischen 81jährigen Gudelia erreicht.
Die Intensität des Buches, das mehr als nur ein Krimi ist, bleibt von Anfang bis Ende hoch.

Bewertung vom 19.08.2024
Als wir Schwäne waren
Karim Khani, Behzad

Als wir Schwäne waren


ausgezeichnet

Der Bericht des Schwans
Behzad Karim Khanis zweiter Roman „Als wir Schwäne waren“ ist ein intensiver Text, auch poetisch. Der Autor zeigt die Wut seines Protagonisten, der als 9jähriger aus dem Iran ins Ruhrgebiet einwandert. Hier erlebt er die manchmal lebensfeindlichen Lebensbedingungen und die Gewalt, die er schließlich selbst ausüben wird. Ziemlich am Anfang wird gezeigt wie er einen Mitschüler, der es sicherlich verdient hat, brutal zusammenschlägt. Das löst beim Protagonisten ein Machtgefühl aus. So konsequent beschrieben, liest man das selten. Aber eine gewisse Faszination von Gewalt scheint zu bleiben, möglicherweise auch beim Autor. Etwas mehr Distanz täte auch gut. Ehrlicherweise muss man aber sagen, dass der Erzähler doch auch gereift und reflektierend wirkt.
Es ist nebenbei auch ein Buch über die Eltern, die in Deutschland sozialen Abstieg erlebten. Insbesondere der Vater ist eine melancholische Figur.
Das Buch wirkt wegen der Erzählweise des Berichts so stark.

Bewertung vom 19.08.2024
Wünsche an die Wellen
Balen, Katya

Wünsche an die Wellen


ausgezeichnet

Das Licht in allem

Katja Balen hatte schon mit ihren ersten Roman October, October um ein junges, sensibles, aber auch starkes Mädchen überzeugt. Der neue Roman geht in eine ähnliche Richtung, aber diesmal sind es zwei Kids, die im Mittelpunkt stehen.
Zofia und Tom wechseln sich jedes Kapitel ab und man erfährt kontinuierlich von ihren Gedanken. Daher ist man ihnen schnell sehr nahe.
Zofia lebt allein mit ihrem Vater, Tom mit seiner Mutter. Dann kommen ihre Eltern zusammen und sie werden eine neue Familie, doch Zofia und Tom sind sehr verschieden und verstehen sich anfangs überhaupt nicht. Sie sind wie Öl und Wasser. Während Zofia lebhaft und laut ist, spürt man bei Tom eine Traumatisierung aufgrund früherer Misshandlungen. Zofia ist nicht begeistert, dass da neue Leute kommen und sich zwischen sie und ihren Vater dränge.
Als Toms Mutter schwanger wird, das Baby aber anscheinend krank ist, müssen sie sich zusammenraufen.
Es ist unmöglich, von dem Buch nicht berührt zu sein. Es ist eine gute Entscheidung der Autorin, beide Protagonisten ausgewogen und gleichwertig zu halten. Davon profitiert das Buch, dem es auch gelingt, einen guten Spannungsbogen aufzubauen.

Bewertung vom 19.08.2024
Wie ein wilder Gott
Calligarich, Gianfranco

Wie ein wilder Gott


ausgezeichnet

Ein Leben im Extrem

Zwar ist dieser neue Roman von Gianfranco Galligarich ganz anders als sein Erfolgsroman "Der letzte Sommer in der Stadt", aber das schriftstellerische Geschick und ein gewisser Ton sind vorhanden.
Thema ist der Afrikaforschers Vittorio Bottego (1860 bis 1897).
Um die Geschichte Bottegos zu erzählen, nutzt der Autor die Reflexionen eines 70jährigen im Jahr 1933. Der bedenkt nicht nur sein eigenes Leben sondern auch das Bottegos.
Der Erzähler stützt sich auf dessen Tagebücher. Direkt characterdriven ist der Roman nicht.

Galligarichs erzählerischer Einfallsreichtum erinnert mich latent an den portugiesischen Literaturnobelpreisträger Jose Saramago, stilistisch ist er aber zugänglicher. Der Text ist gut lesbar, hat aber auch immer wieder ausdrucksstarke Beschreibungen mit ausgezeichneten Formulierungen. dabei ist neben dem Weg der Karawanen in Afrika der Schauplatz Italien genauso wichtig.

Ein bemerkenswertes Buch!

Bewertung vom 18.08.2024
Das Dorf der acht Gräber / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.3
Yokomizo, Seishi

Das Dorf der acht Gräber / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

Eine Serie von Giftmorden

Der dritte Band der Kosuke Kindaichi-Reihe beginnt mit einem Prolog, der das besagte Dorf vorstellt.
In der Vergangenheit gab es hier ein Massaker durch die Dorfbewohner an 8 Samurais. Dadurch wurde das Dorf verflucht.
Ein weiteres Blutbad folgt 1920. Der Mörder Yozu, der 32 Menschen tötete, floh in die Berge.
Dann sind wir im Jahr 1946 und die eigentliche Geschichte beginnt.
Der Icherzähler Tatsuya ist ein ehemaliger Bewohner des Dorfe, der verlorene Sohn sozusagen. Er ist mit dem Detektiv Kosuke Kindaichi bekannt. Gleichzeitig ist Tatsuya auch das Bindeglied zu den Mordfällen, denn der Täter war angeblich sein Vater.
Der Großteil der Handlung zeigt die Geschehnisse während seiner Heimkehr.
Mehrere Männer starben, nachdem Tatsuya sie kennen gelernt hat, ist er beunruhigt. Sie wurden vergiftet.
Es ist ein dialoglastiger Roman, der ein Nachkriegsjapan zeigt.
Übersetzt wurde das überaus gelungene Buch durch die bewährte Übersetzerin Ursula Gräfe. Es ist meiner Meinung nach das bisher beste der Reihe.

Bewertung vom 17.08.2024
Das Wohlbefinden
Lenze, Ulla

Das Wohlbefinden


sehr gut

Drei Frauen

Ulla Lenze ist eine Autorin, die einen eleganten Stil hat und weiß, einen Plot geschickt zu gestalten. Sie nutzt 3 Zeitebenen. 1908 mit der Schriftstellerin Johanna und der hellsichtigen Anna, die als Medium wirkt. Dann 1967, die Zeit der Studentenunruhen und der jetzt alten Johanna, die sich mit ihrer Autobiografie beschäftigt. Zuletzt 2020 mit ihrer Urenkelin Vanessa, die begonnen hat, sich mit ihrer Ahnin zu beschäftigen. Das greift alles mühelos ineinander.Der Autorin gelingt es die Stimmungen der Zeiten zu vermitteln.
Ein Buch, das man empfehlen kann!

Bewertung vom 16.08.2024
Bevor es geschah
Spierer, Céline

Bevor es geschah


gut

Die Familie Haynes

Bevor es geschah vom Celine Spierer ist ein Roman um eine Familie in der Krise und hat interessante Ansätze. Doch leider kann der Roman die erweckten Erwartungen dann nicht erfüllen. Die komplexen Familienbeziehungen erschließen sich nicht. Die einzelne Mitglieder der Familie Haynes (zum Beispiel Elizabeth, Rose, Winston, Sean, Jacqueline) bleiben konturlos und gewinnen eigentlich die ganze Handlung durch nicht an Substanz. Da helfen auch die motivationslosen Zeitenwechseln nicht. Der Text erscheint mir nicht schlüssig.

Bewertung vom 15.08.2024
Pi mal Daumen
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


sehr gut

Die Länge der Primzahlen

Alina Bronskys Romane sind immer sehr unterhaltsam, amüsant, aber stets auch mit einem kleinen, ernsten Hintergrund. Da bildet auch Pi mal Daumen keine Ausnahme.
Die Handlung spielt im Bereich der Universität und dem Studienfach Mathematik. Der junge Oscar ist sehr begabt und entsprechend von sich selbst überzeugt. Außer Mathematik interessiert ihn nicht. Kein Wunder das er ein wenig isoliert ist. Das ändert sich als er auf eine neue Studentin trifft. Moni Kosinsky, 53 Jahre alt und mit nebenbei mit drei Jobs unterwegs. Sie ist ein Original und immer direkt und geradeheraus. Schnell bildet sie mit Oscar ein Team, indem Studieren und Privatleben miteinander verschwimmen.
Oscar ist schon sehr an Young Sheldon angelehnt, aber man kann nicht von Plagiat sprechen. Die Vorstellungen von wunderlichen Wunderkindern gab es auch schon früher.
Das Buch ist vielleicht nicht das originellste, aber routiniert geschrieben. Es funktioniert und bietet großartige Unterhaltung. Das Lesen war fast wie einen amüsanten Film sehen.

Bewertung vom 15.08.2024
Fast wie ein Bruder
Sulzer, Alain Claude

Fast wie ein Bruder


sehr gut

eleganter Stil

Alain Claude Sulzer ist ein Autor, den ich wegen seinem eleganten Stil bewundere, der auch in diesem Roman zu finden ist. Er erzählt von der Freundschaft zweier Männer, die zusammen aufgewachsen sind und fast wie Brüder waren.
Mit 17 Jahren wurden sie getrennt. Frank ging in die USA. Es ist aber die Zeit von Aids, und Frank erkrankte.
Den Erzähler lässt das nicht los und er reflektiert die Situation.
Ein lesenswertes Buch!