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Benutzername: 
Gurke
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 158 Bewertungen
Bewertung vom 20.05.2012
Mord unter den Linden
Pieper, Tim

Mord unter den Linden


sehr gut

„Ich bin vielmehr der Einzige, der die Gefahr erkennt. Diese Fahrräder sind Ungetüme aus Stahl und Blech, die die Sittlichkeit untergraben.“ (S.20)

Es ist kaum zu glauben, aber im Berlin des 19.Jahrhunderts war diese Ansicht noch normal und Fahrradfahrer kämpften um Recht und Ansehen, um ihren Sport legal auf der Straße wie z.B. Unter den Linden ausführen zu dürfen, wobei sie bei den angesehenen Bürgern der Stadt allerdings auf taube Ohren stießen.

Dr. Otto Sanftleben gehört den Anhängern der neuen Zweiradkultur an und ist gleichzeitig sehr bewandert auf dem Gebiet der Erforschung von Körpersprache, mit dem Ziel Lügen zu entlarven, und damit eine wahre Bereicherung für die Polizei. Diese hat es gerade mit einem skrupellosen Mörder zu tun, der seine weiblichen Opfer nicht nur kreuzigt, sondern auch noch verbrennt. Gleichzeitig sorgen verschiedene politisch motivierte Anschläge für einigen Trubel im Deutschen Kaiserreich; da ist ein kühler Kopf gefragt, um den Durchblick zu behalten. Als Otto aber die Zeugin Rieke trifft, verliert er sein Herz an die geheimnisvolle Revueschauspielerin – kann er trotzdem noch erfolgreich die Ermittlungen unterstützen? Und welche Geheimnisse bergen die sittsamen Bürger von Berlin hinter verschlossenen Türen?

Als Berlinerin war es für mich sehr interessant, einen kleinen Einblick in die Hauptstadt zur Kaiserzeit zu bekommen und das Cover sorgt in Verbindung mit den bildlichen Beschreibungen des Autors für eine gute Möglichkeit, das Flanieren am Brandenburger Tor lebendig zu machen. Die Protagonisten überzeugen mit ihrem eigenen Charme und sind gleichsam in ihrer bewegenden und zum Teil sogar verstörenden Vergangenheit jeder ein Unikat, die auch nicht so einfach zu durchschauen sind.

Lediglich die politischen Hintergründe hätten für mich gerne nicht so viel Platz in dem historischen Krimi einnehmen müssen, doch irgendwie sind diese auch wieder eng verbunden mit dem eigentlichen Handeln, was eine klare Abgrenzung schwierig gemacht hätte, doch diese Informationen langweilten mich, was sie allerdings auch im Geschichtsunterricht schon taten, deswegen will ich dem Autor da mal keine Vorwürfe machen. ;-)

Rund 120 Jahre sind Ottos Abenteuer her, doch Tim Pieper hat uns ohne Mühe einen abwechslungsreichen Roman vorgesetzt und veranschaulicht, dass diese Zeit auch über einigen Unterhaltungswert verfügt.

Die Titelseite aus der Berliner Gerichtszeitung, die im vorderen Teil abgedruckt ist, möchte ich noch gerne erwähnen, da diese kleinen Details ein Buch immer zu etwas Besonderem machen und erst so richtig auf die jeweilige Epoche einstimmen. Allerdings würde ich mir vom emons Verlag wünschen, dass die Lücken zwischen den einzelnen Kapiteln etwas größer wären, da ich gleich darauf folgende Kapitel als störend empfinde.

Bewertung vom 20.05.2012
Brennen muss die Hexe
Koch, Sven

Brennen muss die Hexe


sehr gut

Der Gießenbier kommt und holt dich

Lemfeld steht kurz vor der Walpurgisnacht mit ihren feierlichen Festlichkeiten vor einer schier unlösbaren Situation. Die Stadt mit ihrer tiefreichenden und dramatischen Geschichte in der Hexenverfolgung wird von einem irren Mörder heimgesucht, der sich selbst als rechtmäßiger Nachfolger des damaligen Scharfrichters Gießenbier sieht und Frauen wie vor vierhundert Jahren auf Scheiterhäufen verbrennt. Kann die Polizei ihn aufhalten, bevor er ein Blutbad anrichtet?

„Es war der Moment, in dem er begriff, dass nicht jede alte Geschichte bloß eine alte Geschichte ist. Es war der Moment, in dem er den Verstand verlor.“ (S. 88)

Sven Koch hat es geschafft, mit Sätzen dieser Art, die er gerne als Cliffhanger an das Ende der Kapitel setzt, die Spannung kontinuierlich hoch zu halten und mich so auf dieser Ebene vollständig überzeugt. In Verbindung mit dem für die Gegenwart nicht mehr alltäglichem Thema der Hexenverbrennung war „Brennen muss die Hexe“ ein kurzweiliges und gelungenes Werk, was mich den Autor in guter Erinnerung behalten und ungeduldig auf den Folgeband warten lässt.

Gerne hätte ich aber noch mehr über die Wicca-Kultur erfahren, die mich in einigen Ansätzen eher an eine Sekte als an eine uralte Naturreligion erinnerte und mich in speziellen Ritualen oder auch Einstellungen eher abschreckte.

Ein weiterer kleiner Kritikpunkt ist die durchaus clevere Polizeipsychologin Alex, die durch den Tod ihrer Jugendliebe allerdings ein ziemlich undurchlässiges Schutzschild für Emotionen errichtet hat und dem Leser dadurch eher kühl und fremd bleibt. Trotz fieser kleiner Anmerkungen zu dem Vorgänger „Purpurdrache“, die mich sehr neugierig auf den Krimi gemacht haben, denke ich, dass Alex' persönliche Probleme auf Dauer etwas nerven könnten und gerade sie mit ihren Qualifikationen unnötig hemmen. Ich würde mir für sie und uns Leser wünschen, dass sie in ihrem nächsten Fall ein wenig mehr über ihren eigenen Schatten springen und besser mit der Vergangenheit abschließen kann, nichtsdestotrotz ist sie mir mit ihrem Post-it- und Ordnungstick sehr ähnlich, was für einiges Schmunzeln sorgte. :-)

Als Ausgleich für diese Passagen darf sich der Thriller-Fan aber auf zahlreiche Einblicke in die Lemfelder Chronik freuen, die mit den „Peinlichen Befragungen“ und zahlreichen Toten einen traurigen Höhepunkt erreicht hat. Foltermethoden, die in dem (fiktiven) SM-Szeneclub „Castle“ trotz Brutalität und schauerlichen Verletzungen großen Anklang finden, werden von dem Autor in guter Dosis präsentiert und sorgen bei zartbesaiteten Lesern bestimmt für ein wenig Unbehagen, doch nur so kann der Schrecken auch noch nach vierhundert Jahren weiterleben und den Wahnsinn der Hexenverfolgung aufdecken, die hier mit einer Mischung aus Historie und Thriller von mir sehr gute vier Sterne bekommt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.03.2012
Der Sandner und die Ringgeister / Kommissar Sandner Bd.1
Krause, Roland

Der Sandner und die Ringgeister / Kommissar Sandner Bd.1


gut

„Le coq est mort - Der Hahn ist tot“

Dieser französische Kanon hat schon viele Kinderaugen beim Singen strahlen lassen, doch wenn dann tatsächlich ein toter Hahn vor deiner Wohnungstür liegt, da vergeht dir das Lachen. Der Hausmeister vom Sandner musste dieses grausige Geschenk leider eben dort finden und wendet sich postwendend an seinen lieben Polizei-Nachbarn, allerdings hat der noch andere Probleme, die ihm den schönen Sonntagmorgen verderben – eine Leiche auf dem Friedhof bzw. auf dem Grab drapiert wie ein Kunstwerk. Joa was soll das, fragt man sich da.

Als Kind habe ich mit meinen Eltern sehr gerne Urlaub im Bayerischen Wald gemacht, doch mehr verbindet mich mit diesem Bundesland nicht und so ist mir die Mundart als Hauptstadtkind fremd und schlichtweg nicht geläufig.
In „Der Sandner und die Ringgeister“ hat der Autor aber auf 310 Seiten eine Hommage an eben jenen Dialekt geschaffen, der mir beinahe die Nerven geraubt hat. Der Schreibstil erinnert an eine Unterhaltung unter Ur-Bayern in einem Biergarten und so musste ich mich derart konzentrieren, dass ich weder zum Miträtseln Zeit hatte, noch richtiger Lesespaß aufkam. Trotz Wörterkunde am Schluss habe ich einfach keinen guten Leserhythmus gefunden und mich teilweise von Zeile zu Zeile arbeiten müssen, was durch Lesepausen noch anstrengender wurde. Hinzu kommt noch, dass der Autor auf Kapitel-Einteilungen oder größere Absätze verzichtet, wodurch mir das Buch an einigen Stellen schier endlos erschien und ich am liebsten gereizt aufgehört hätte.
Der Sandner ist nämlich ein sehr spezieller Zeitgenosse, der schon gerne grantig wird und seine Gedanken während einer Zeugenbefragung Achterbahn fahren, da muss man aufpassen, dass man nicht den Anschluss verpasst. Das letzte Drittel des Krimis ist aus meiner Sicht auch der stärkste Teil, weil es dort eben etwas geradliniger und zielgerichteter vorangeht und man nicht durch unnötige Einschübe aufgehalten wird. Die Handlung ist recht vielversprechend, vor allem der kleine Nachbarschaftsstreit ist eine Mischung aus Komik und Ernst, doch die Umsetzung muss man mögen, sonst wird das nichts.
Gern hab ich den Hauptkommissar trotzdem gewonnen, denn bei seinen brummigen Charakter hat er doch das Herz auf dem rechten Fleck und ist manchmal auch wirklich ein lustiger Gesell, der mich auch mit einigen Verständnisproblemen zum Schmunzeln bringen konnte. :-)

Roland Krause hat keinen gewöhnlichen Krimi geschrieben und wer spannende Ermittlungsarbeit gepaart mit Nervenkitzel sucht, kann nur enttäuscht werden, denn dafür rücken die Nebenhandlungen und Witzchen einfach zu sehr in der Vordergrund. Humorvolle Bayern oder eingefleischte Lokal-Krimi-Fans werden aber ihre Freude am Sandner haben und ein bisschen kann den Protagonisten sogar mit dem Franz Eberhofer von Rita Falk vergleichen, nur dass wir es hier mit einer etwas lokalpatriotischeren Form zu tun haben.

Von meiner eher gemischten Meinung möchte ich zukünftige Leser aber nicht von der Lektüre abhalten, sondern im Gegenteil dazu ermutigen, denn es sind zahlreiche interessante Charaktere zu entdecken und je nach Region variiert die vergebene Punktezahl wahrscheinlich enorm. Von mir gibt es daher leider nur sehr gute drei Sterne, aber liebe Grüße in den Süden von Deutschland. :-)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.03.2012
Flammenmond
Pax, Rebekka

Flammenmond


sehr gut

Während ihr Meister Julius Lawhead die Strafe für seinen Ungehorsam in einem verriegelten Sarg büßt, nutzen seine unsterblichen Anhänger Christina und Brandon die Zeit, um in dem Indianer-Reservat in Phönix auf den Spuren von Brandons Kindheit zu wandeln. Das unzertrennliche Vampir-Paar gerät allerdings schon bald in die Fänge des tot geglaubten Nathaniel Coe, der sein Recht auf Brandon fordert und dem Navajo zeigt, was es heißt, ein Vampir zweiter Klasse zu sein und das Martyrium damit seinen Lauf nimmt. Julius spürt die qualvollen Schmerzen seines Schützlings und beschließt, dem mächtigen Coe ein unmoralisches Angebot zu machen, was seine Liebe zu Amber auf eine harte Probe stellt.

„Septemberblut“ und „Flammenmond“ sind so verschieden wie Tag und Nacht. Erinnerte der erste Teil noch an einen Abklatsch von einer bekannten Vampir-Reihe, dessen Liebesbeziehung beinahe alles überschwemmte, so kann der Folgeband mit einer neuen Seite überzeugen.
Der erste Gefühlssturm der Protagonisten verebbt langsam und Amber wird sich im Klaren darüber, was es bedeutet einem Vampir die Treue zu schwören. Sie hinterfragt die steifen Regeln des Clans und lässt sich nicht mehr so einfach bevormunden, wagt sogar gefährliche Alleingänge, die ich dem Mädchen aus L.A. niemals zugetraut hätte.

Die Brutalität kennt in der Hitze der Wüste keine Grenzen und hat mich in ihrer Intensität und in ihren Einzelheiten etwas überrascht. Für zarte Gemüter sind diese Folter- bzw. Kampf-Szenen wirklich nicht geeignet und Kindern würde ich diese Stellen auch nicht zumuten wollen, doch sie haben sich eindrucksvoll in das Geschehen eingegliedert und für Action, Tempo und Spannung gesorgt. Coe ist als Gegner nicht zimperlich und Julius selbst wird in seiner ersten Mission als Meister auch härter, wie es eben seine Natur ist, wodurch diese Stilmittel notwendig waren, um die Abgrenzung zu seiner Liebe für Amber zu verdeutlichen.

Im letzten Drittel des Romans erfahren wir viel über den Sonnentanz als heiliges Indianer-Ritual, und die Ausführungen darüber waren sehr interessant. Die Zeremonie bringt nach der blutigen Metzelei wieder etwas Ruhe in die Geschichte, doch diese Passage hätte ohne weiteres gekürzt werden können!

Insgesamt war das eine wirklich gute, solide Leistung, die endlich mal wieder den Kern des Vampir-Mythos' in den Mittelpunkt rückt und mit der Rebekka Pax beweist, dass die Angst vor den Blutsaugern, die Jahrhunderte überlebt hat, nicht umsonst über Generationen aufrecht erhalten wird. Vampire sind keine Freunde, die lieb und nett durch die Nacht streifen und sich in hübsche Mädchen verlieben – es sind Raubtiere mit animalischen Instinkten, die nach Blut verlangen und das ist in „Flammenmond“ deutlich geworden.
Die Steigerung zum ersten Band ist enorm, obwohl ich wieder feststellen musste, dass diese Wesen der Nacht wohl nicht mehr zu meinen Lieblings-Kreaturen in der Fantasy-Literatur werden – das ständige Beißen und Jagen ist doch auf Dauer etwas eintönig.
Dieses Buch ist zwar durchaus als eigenständiges Werk zu sehen und kann ohne Vorkenntnisse gelesen werden, allerdings war ich an einigen Stellen froh, genügend Hintergrundwissen über die strengen Vorschriften und Rituale zu kennen. Wem der erste Band also nicht gefallen hatte (ich zähle mich dazu) sollte der Autorin auf jeden Fall noch eine zweite Chance geben – es lohnt sich!
Rebekka Pax hat vielleicht keine Reihe für romantische Teenies geschrieben, doch davon gibt es mittlerweile auch eindeutig genug!

Bewertung vom 22.03.2012
Die Eifelgräfin
Schier, Petra

Die Eifelgräfin


ausgezeichnet

Elisabeth von Küneburg ist der Stolz ihres Vaters - wohlerzogen, wunderschön und mit einem Edelmann verlobt - doch eine drohende Familienfehde zwingt das Oberhaupt dazu, seine Tochter bei Freunden in Sicherheit zu bringen. Auf Burg Kempernich macht sie Bekanntschaft mit der Magd Luzia und durch ihr sonniges Gemüt entwickelt sich schnell eine innige Freundschaft zwischen den Frauen. Ganz und gar nicht freundlich ist dagegen das Treffen mit dem Ritter Johann von Manten, der sie mit seinem ungehobelten Temperament fast aus der Fassung bringt. Als dann aber Elisabeths Verlobter völlig überraschend verstirbt, muss sie sich Gedanken um einen geeigneten Nachfolger machen - doch eins weiß sie bestimmt: niemals schenkt sie ihr Herz Johann von Manten.

Ein bisschen geärgert habe ich mich darüber, dass ich "Die Gewürzhändlerin" vor "Die Eifelgräfin" gelesen habe, denn so wusste ich natürlich schon, wer die Geschichte überlebt und ob es ein Happy End zwischen den Streithähnen gibt. Nichtsdestotrotz war es wieder sehr unterhaltsam und ich habe mich keineswegs gelangweilt - dazu ist das Leben auf Burg Kempenich auch schlichtweg zu ereignisreich.

Die Pest darf in einem Roman des 14.Jahrhunderts natürlich nicht fehlen und so müssen wir um unsere liebgewonnenen Charaktere bangen, denn auch vor den dicken Mauern einer Festung macht das tückische Bakterium nicht halt und rafft die Menschen qualvoll dahin. Die schrecklichen Symptome sind hinlänglich bekannt und doch habe ich die Seiten mit Abscheu und zugleich Faszination verschlungen. Die teilweise verzweifelten Versuche die Krankheit aufzuhalten und hilflose Bemühungen, um es den Sterbenden in ihren letzten Atemzügen aus Loyalität ihnen gegenüber möglichst angenehm zu machen und sich dabei selbst zu infizieren, lassen uns mit dem heutigen Wissensstand nur den Kopf schütteln. Neu war für mich, dass es einigen glücklichen Seelen vergönnt war, diese unsagbare Krankheit zu überstehen und so gottesfürchtig wie die Menschen in der Eifel damals waren, wirkt es wie ein Geschenk des Himmels.

Bei dem Schreibstil konnte mich der typische Schier-Stil mit seiner Leichtigkeit und Bildhaftigkeit wieder komplett überzeugen und ich musste mich fast ein bisschen bremsen, um nicht durch das Buch zu rasen.

Positiv bemerken muss ich noch, dass wir weiblichen Leser uns nicht mit ewigen Macht- oder Schwertkämpfen auseinandersetzen müssen, sondern einfach einen angenehmen Nachmittag mit einer leichten und doch historisch vielschichtigen Lektüre genießen können. "Die Eifelgräfin" mutet fast wie ein mittelalterliches Märchen an, bei dem sich die schöne Burggräfin mit Hilfe ihres mutigen Ritters gegen einen gemeinen Feind (ihren Onkel) verteidigen muss. :-)

Petra Schier ist es wirklich gelungen, mein Interesse für historische Romane neu zu entfachen!

Bewertung vom 20.03.2012
Septemberblut
Pax, Rebekka

Septemberblut


weniger gut

In Los Angeles' Untergrund tobt ein Kampf der Vampir-Clans. Der mächtige Meister Gordon rüstet seine Truppe mit wilden Jungvampiren auf, die Jagd auf menschliches Blut machen und sich nicht scheuen, zu töten - damit ruft er öffentlich zum Angriff. Nur ein magisches Messer kann ihn und seine Untertanten aufhalten. Der gefürchtete Vampirjäger Frederik ist der Träger dieser einflussreichen Reliquie und starb, bevor seine Verfolger ihm das Versteck der Waffe entlocken konnten. Er hat seine Schwester Amber als Adeptin auserwählt, die aber noch nichts von ihrer neuen Gabe weiß. Julius Lawhead hat von seinem Meister den Auftrag bekommen, sie zu seiner Dienerin zu machen, um Gordon das Handwerk zu legen.

Mit Vampiren kann man als Autor gerade wunderbar auf den erfolgreichen „Twilight“-Hype aufspringen und jung und alt mit diesen nachtaktiven Kreaturen begeistern. Mich selbst kann man in dieser Hinsicht nur mit dem Original Dracula überzeugen, jedoch nicht mit seinen liebestrunkenen Vertretern. Meine Erwartungen bei „Septemberblut“ waren demnach relativ gering und so wurde ich wenigstens in dieser Hinsicht nicht enttäuscht.

Bei der Lektüre stellt man schnell fest, dass die Beziehung zwischen Amber und Julius einen großen Raum einnimmt, doch schon der Beginn dieser Liebe ist in meinen Augen schlichtweg unglaubwürdig. Innerhalb weniger Stunden werden aus Fremden, zwei Menschen, die nicht mehr ohne einander leben wollen und besonders Amber vertraut beinahe blind Julius' Versprechen, obwohl er sie heimlich zu seiner Dienerin macht, ihre Gedanken beeinflusst und natürlich von ihr trinkt. Der Ärger über dieses Verhalten verfliegt aber in Sekundenschnelle und nicht einmal der dominante, zum Teil sogar herrische Tonfall ihres „Geliebten“ kann ihre Gefühle ins Wanken bringen.

Die Rangordnung und damit einhergehend auch der Gehorsam werden sowieso sehr in den Fokus gestellt und bereiten dem Protagonisten schon bald Probleme. Allerdings werden durch diese Szenen mit unterwürfigen Gesten die stolzen und starken Vampire für meinen Geschmack ins Lächerliche gezogen. Einige Gebaren erinnern zu deutlich an Hunderudel und werden durch häufige Wiederholungen etwas zäh und langweilig.

Für die Autorin ist L.A (laut Danksagung) zu einer zweiten Heimat geworden, doch ich finde diesen Schauplatz nicht unbedingt gelungen und habe auch nicht den Charme der Region gespürt. Die Straßen und der Sunset Boulevard hätten für eine Ortskundige gerne mit mehr Liebe zum Detail vorgestellt werden könne, obwohl Deutschland als Ort des Geschehens vielleicht sogar noch origineller gewesen wäre. Lediglich der „Hollywood Forever Cemetry“ - Friedhof und Julius' Ruhestätte – haben mich neugierig gemacht.

Die Bewertung ist mir ziemlich schwer gefallen und ich muss gestehen, dass ich diesen Roman wahrscheinlich nicht zu Ende gelesen hätte, wenn nicht der Nachfolger schon auf meine Rezension warten würde.
Trotz vieler Klischees, die aber bei der Fülle an vergleichbaren Büchern schwer zu umgehen sind, hat mir der Clan der Leonhardts besser gefallen als Edward Cullen und seine Familie, was für eine deutsche Autorin vielleicht im Endeffekt doch noch ein Kompliment ist. :-)
Auf „Flammenmond“ bin ich dennoch gespannt und hoffe auf viele vampirwürdige Gegner mit reichlich Action, denn die Brutalität der Folterszenen und die heftigen Duelle standen im guten Kontrast zu dem schnulzigen Pärchen. ;-)

Bewertung vom 16.03.2012
Unsichtbare Blicke
Reifenberg, Frank Maria

Unsichtbare Blicke


gut

„Das Übel kommt nicht von der Technik, sondern von denen, die sie missbrauchen.“
Jacques-Yves Cousteau

Josie wurde eines von diesen Missbrauch-Opfern und wird im Internet in Zukunft wohl bedeutend vorsichtig sein, wenn es um den sorglosen Umgang mit Chat-Bekanntschaften und den Einsatz ihrer Webcam geht.

Ihr Vater ist Mitglied einer Glaubensgemeinschaft, deren Ansichten er auch Zuhause rigoros umsetzt. Seine Tochter versucht mit aller Kraft sich ein bisschen Freiraum zu erarbeiten und flüchtet nach ihrer Arbeit im Pflegeheim vor ihren Laptop zu Geronimo. Mit diesem Bekannten kann sie über all ihre Probleme sprechen und fühlt sich bei ihm geborgen. Als dann aber der süße Italiener Felix in ihr Leben tritt, will sie ihm zu Liebe den Kontakt zu dem Unbekannten abbrechen, doch der geht in die Offensive und zeitgleich tauchen sehr intime Bilder der Jugendlichen auf, die nur ein geschickter Computer-Hacker auf illegale Weise erschleichen konnte. Will er Josie erpressen oder steckt noch mehr dahinter?

Vor 34 Jahren hatte ein Junge dagegen ganz andere Probleme. Die Flucht seiner Familie aus der DDR verlief problematisch und der kleiner Sohn „Tommi“ muss nun elternlos in einem Heim untergebracht werden. Dort durchlebt er die schlimmsten Jahre seines Lebens und wird gemobbt, misshandelt und ohne Liebe großgezogen. Wie viel verkraftet eine unschuldige Kinderseele und wie hoch ist die Hemmschwelle, um in der Gegenwart selbst zum Monster zu werden? Zwei tote Mädchen pflastern schon seinen Weg..

Die Idee von Frank Reifenberg, Kinder mit Hilfe eines fiktiven Falls an die Problematik von Internet-Kriminalität zu führen, ist gut und wichtig. Leider werden die technischen Hintergründe nur am Rande behandelt und viel schlauer war ich als bekennender Technik-Loser hinterher auch nicht. Natürlich hätte eine intensive Durchleuchtung der Thematik den Rahmen des Thriller gesprengt, doch ein paar Tricks und Tipps zur Prävention mehr wären meiner Meinung nach passend gewesen.

Leider durchschaut man die Zusammenhänge der Handlung ziemlich schnell, wodurch schon nach ¼ der Seiten die Auflösung relativ klar war. Danach ist die Spannung natürlich etwas gedämpft und kommt auch nicht mehr richtig in Gang. Durch insgesamt vier verschiedene Perspektiven versucht der Autor zwar noch ein bisschen Schwung in die Geschehnisse zu bringen, doch dabei entscheidet er sich für die langatmigste Position, die der leitenden Ermittlerin Stella, als die ausführlichste Sichtweise. Über sie erfahren wir am meisten, allerdings mehr über ihr Privatleben und den Zwist im Präsidium, wodurch wiederum die Erzählweise etwas zäh wird und der Fall, insbesondere durch von ihr verordnete freie Wochenenden (trotz lebensbedrohlicher Situation des Mädchens) stagniert.
Insgesamt fehlt mir eindeutig die Tempo-Komponente und eine Portion Spannung in dem Thriller. Bücher aus meinem Lieblingsgenre verschlinge ich sonst ohne Probleme an einem freien Lese-Tag, doch bei „Unsichtbare Blicke“ habe ich für die Abschnitte sehr lange gebraucht und hätte statt dem Fokus auf Stellas eher langweiligen Arbeitsalltag lieber mehr von den Machenschaften solcher Hacker oder auch der Vergangenheit des Heimkinds Tommi als Zeitzeugen der DDR und ihrem totalitären Staat erfahren, was zusätzlich noch die Geschichtskenntnisse der Leser aufgefrischt hätte.
An dem Schreibstil lag die ungewöhnliche Lese-Dauer nicht, denn da hat der Autor sich optimal auf die Zielgruppe eingelassen – geradlinig und klar.

Es waren mir definitiv zu wenig Thriller-Elemente eingebaut, denn die entscheidenden Stellen, wie die Entführung oder die Leiden der gefangenen Mädchen waren mir einfach nicht genügend beschrieben. Es erinnert mehr an einen Roman, die vor den Folgen von Unachtsamkeit im Internet spircht, als an dramatische Lesestunden. Vielleicht hat das Buch auf das Publikum aber einen Lern-Effekt. :-)

Bewertung vom 15.03.2012
Vater, Mutter, Tod
Langer, Siegfried

Vater, Mutter, Tod


ausgezeichnet

„Du kannst vor dem davonlaufen, was hinter dir her ist, aber was in dir ist, das holt dich ein.“

Diese afrikanische Weisheit über die Psyche des Menschen hat Siegfried Langer in seinem Thriller-Debüt auf sehr hohem Niveau umgesetzt und mir dadurch beinahe den Schlaf geraubt!

In dem Prolog werden wir Zeuge einer Familientragödie, denn im Streit verletzt der alkoholisierte Vater mit einem Brotmesser seinen Sohn, der sich schützend vor seine Mutter stellen will und stirbt. Diese drei Menschen, die vorerst noch namenlos bleiben, stehen stellvertretend für viele Hartz 4 – Familien, die in der Anonymität der Neuköllner Plattenbausiedlung kaum Chancen haben aus ihrer Situation auszubrechen und hier einen traurigen Tiefpunkt erreicht.

Dem gegenüber steht die erfolgreiche Architektin Jacqueline Adam, die ein Leben wie aus dem Bilderbuch führt. Zusammen mit ihrem Sohn Lukas und Anwalt René lebt sie in einer idyllischen Neubausiedlung in Kleinmachnow und hat gerade den Zuschlag für ein großes Projekt ergattert. Nach einem Einkaufsbummel mit ihrer Mutter entdeckt sie plötzlich auf der anderen Straßenseite eine Frau mit leuchtend roten Haaren, die sie penetrant anstarrt und immer wieder verfolgt.
Heftige Kopfschmerzen in Verbindung mit Gedankenaussetzern beunruhigen ihren Ehemann zusehends, als er dann aber auch noch erfährt, dass Jacqueline sich mit ihrer Mutter getroffen haben will, obwohl diese bereits vor zwei Jahren gestorben ist, überzeugt er sie davon, einen Arzt aufzusuchen. Kurz darauf wird Lukas entführt und die heile Welt der Adams droht zusammenzustürzen – steckt die ominöse Rothaarige dahinter?

Viel mehr darf man gar nicht zu dem Inhalt sagen, da sonst das perfekt aufgebaute Konstrukt des Autors zerbricht, was ich mir als begeisterter Thriller-Leser selbst nicht verzeihen könnte und bei diesem genialen Verwirrspiel auch schlichtweg eine Schande wäre. ;-)

Der Aufbau der Handlung ist wirklich brillant, denn die Kapitel wechseln nicht nur von „Jacquelines Berichterstattung“, in der sie ihre Sicht der Dinge einem Psychologen schildert, zu den verheißungsvollen Passagen mit der Überschrift „x (1,2..) Tage vor der Katharsis“ (dem Showdown), die sich mit der Suche nach Lukas und der objektiven Rekonstruktion der Ereignisse befassen, sondern diese werden ebenfalls in einer scheinbar wahllosen, zeitlichen Reihenfolge angeordnet.
Wir werden also in eine Handlung geworfen, die wir unter keinem Umständen zu diesem Zeitpunkt durchschauen können und müssen, wie die verzweifelte Protagonistin, um ein klares Bild kämpfen. Dabei beweist Siegfried Langer ein sehr gutes Gespür, um den Leser aus dem Konzept zu bringen. Immer wenn ich eine Ahnung aufgebaut hatte, wie das Geschehen mit dem Prolog in Verbindung stehen könnte, musste ich kurz darauf feststellen, dass meine Theorie eine Schwachstelle hat.
So ahnungslos habe ich mich schon lange nicht mehr bei einem Thriller gefühlt, was vor allem an dem unglaublichen Einblick in die menschliche Psyche liegt, die hier auf eine spezielle Weise zeigt, zu was wir Menschen fähig sind und wie uns das eigene Denken bzw. die Erinnerungen einen Streich spielen können, die ich aber in diesem Ausmaß nicht für möglich gehalten hätte.
Es ist sehr schwer, sich aus dem Teufelskreis zu befreien, da die innere Phantasie-Welt immer weitere Kreise zieht und eine lange (vielleicht auch erfolglose) Behandlung braucht.
Selbst der ermittelnde Beamte hat schon Erfahrungen mit den Tücken von Nervenkrankheiten im persönlichen Bereich gemacht und sein Schicksal gliedert sich lückenlos in jenes der Adams ein.

Die Dringlichkeit des Falls, an dem ein Kinderleben hängt, wird durch die gehetzte, aber zugleich kühle Wirkung von kurzen Kapitel noch verstärkt und „Vater, Mutter, Tod“ ist ein Thriller, den man am besten in einem Stück verschlingt, denn dank eines sehr flüssigen Schreibstils war es ein sehr intensives, wenn auch nicht sehr langes Lesevergnügen.

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.03.2012
Operation Eaglehurst / Null-Null-Siebzig Bd.1
Ferber, Marlies

Operation Eaglehurst / Null-Null-Siebzig Bd.1


ausgezeichnet

Man ist so alt wie man sich fühlt.

James wäre nach dieser Redensart in der Blüte seines Lebens, dabei ist er schon siebzig Jahre alt und denkt aber keineswegs daran, sein Dasein als trostloser Rentner zu fristen. Als Ex-Geheimagent wartet nämlich schon der nächste und gleichzeitig sehr persönliche Fall auf ihn.
Sein bester Freund William Morat hat sich nach dem Tod seiner Frau in eine Seniorenresidenz in Hastings, Südengland zurückgezogen und starb nur kurze Zeit später völlig überraschend an einem angeblichen Herzstillstand. Eine Postkarte mit einem Limerick und der dringenden Bitte um Rückruf lässt bei James aber die Alarmglocken klingeln. War sein Freund in Schwierigkeiten?
Ohne zu zögern mietet er sich ein Zimmer in dem schönen Altersheim „Eaglehurst“ und stolpert beinahe über die nächste Leiche. Was hat das alles zu bedeuten?

„Who is the cat,
who is the mouse,
beware of the trap
and try to find out.“

Bei literarischen Reisen in das schöne London packt mich immer das Fernweh und ich würde am liebsten sofort zum Ort des Geschehens fliegen, weil die Uhren dort im wahrsten Sinne anders ticken und bei einer schönen Tasse Tee die heimtückischsten Morde stattfinden.
Bei diesem Buch ist es ein ganz besonderer Ausflug, denn ein Pflegeheim ist eigentlich kein Schauplatz für einen humorvollen Krimi, doch die Umsetzung dieser Idee ist einfach nur amüsant und überzeugt mich von der ersten bis zur letzten Seite. Mit britischem Humor werden wir durch die teilweise gefährlichen Ermittlungen geleitet und die Verbindung zu der unvergleichlichen Miss Marple endet nicht mit dem Namensvetter und Polizisten „Ruthersford“, sondern fängt da erst an und führt wie ein roter Faden an gelungener und spannender Täter-Suche durch die Lektüre.

Im Epilog wird deutlich, wie sehr der Autorin ihre Charaktere ans Herz gewachsen sind und genau darum macht das Lesen so viel Spaß, weil es nicht einfach Personen sind, die schnell zu Papier gebracht wurden, sondern wie alte Freunde auf den Leser wirken und mit ihrer herrlich skurrilen Art bezaubern.
Ältere Menschen werden ja sehr gerne als meckernde Rentner oder unzufriedene Greise verspottet, doch Marlies Ferber schafft Protagonisten, die so fit in Kopf und Körper sind und dazu noch viel Humor beweisen, dass ich in manchen Situation als 22-Jährige gerne mit ihnen Zeit verbracht hätte. Wie kleine Kinder freuen sie sich auf ihren monatlichen „Eaglehurst-Ball“ und schmuggeln von außerhalb massenweise Alkohol in ihre Zimmer, zudem hat James von seiner reizenden Assistentin einen futuristischen Rollator bekommen, der beweist, dass auch mit siebzig Jahren der Spaß an schnellen und außergewöhnlichen Fahrmobilien bei Männern nicht stirbt. ;-)

Auf 272 Seiten habe ich so viele tolle Charaktere kennen gelernt und über noch mehr witzige Szenen gelacht, sodass ich mich gar nicht entscheiden könnte, wer mein absoluter Liebling ist – doch selbst eigentlich unscheinbare Personen, wie ein eifriger Taxi-Fahrer habe ich in mein Herz geschlossen, deshalb freue ich mich riesig auf eine Fortsetzung, die voraussichtlich im Winterprogramm 2012 des dtv-Verlags erscheinen wird.

Ich habe nur einen einzigen James Bond Film gesehen und das hat mir gereicht um seitdem einen großen Bogen um Pierce Brosnan & Co. zu machen. Ich bin sehr froh und dankbar, dass Marlies Ferber uns Frauen ein echt sympathisches „Bond-Girl“, welches nicht nur gut aussieht, sondern die Fahne von starken Damen hochhält, und zusätzlich noch einen Bond-Opi geschenkt hat, der viel cooler, liebenswürdiger und tougher ist, als jeder amerikanische Mitvierziger. :-)

Thank you for such a wonderful time.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.