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anushka

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Insgesamt 149 Bewertungen
Bewertung vom 29.05.2010
Die Schuld des Tages an die Nacht
Khadra, Yasmina

Die Schuld des Tages an die Nacht


ausgezeichnet

Der zehnjährige Younes wächst mit Vater, Mutter und einer kleinen Schwester in Algerien auf dem Land auf. Viele der Einwohner haben sich der Landflucht angeschlossen, aber Issa, Younes' Vater, ist stolz auf das Land, das schon seit Generationen der Familie gehört. Doch es sind die 1930er Jahre und das Leben ist schwer. Issa ist hoch verschuldet, aber die diesjährige Ernte verpricht Rettung ... bis Issa sein Glück im Dorf ausplaudert und kurze Zeit später die Felder lichterloh brennen. Nun hat die Familie nichts mehr und flüchtet selbst im französisch besetzten Algerien in die Stadt. Bei der Ankunft kommt die Stadt dem jungen Younes paradiesisch vor: wunderschöne Häuser, schöne und entspannte weiße Menschen, Gärten und Balkone. Mit Hilfe eines Onkels will die Familie wieder auf die Füße kommen. Doch wer nichts hat, lernt die dunkle Seite der Stadt kennen, die Vororte und Slums: "Es genügt, einen Häuserblock zu umrunden, schon gelangt man vom Tag in die Nacht, vom Leben in den Tod."
Issa ist stolz und hängt sehr an seiner Ehre. Daher will er von seinem Bruder, dem Apotheker, keine Hilfe annehmen, obwohl es diesem finanziell sehr gut geht. Issa gibt seine Familie somit dem Untergang preis. Sich hochzuarbeiten ist schwere Arbeit und dauert lange. Zudem erlaubt er Younes nicht, sich am Familienauskommen zu beteiligen. Als Issa durch einen Verrat schließlich alles bisher Erarbeitete verliert, ist er am Boden zerstört.

Ihm bleibt nichts anderes übrig als dem Drängen seines Bruders nachzugeben und Younes in dessen Obhut zu geben. Der Apotheker und seine Frau adoptieren den Jungen und ziehen mit ihm nach Río Salado. Aus Younes wird Jonas und als einer von sehr wenigen Arabern wächst Jonas mit anderen französischen, christlichen und jüdischen Kindern auf und genießt ein komfortables Leben. Dabe wird er immer wieder Zeuge, wie schlecht es den eigentlichen Algeriern geht, zu denen auch seine ursprüngliche Familie gehört. Er sieht auch, wie die Franzosen die Algerier misshandeln und ausbeuten. Doch Jonas kann sich nicht für eine Seite entscheiden, wird es aber bald müssen - so wie die Geschichte voranschreitet.

Yasmina Khadra ist das Pseudonym eines algerischen Schriftstellers, der zur Armee gehörte und sein Pseudonym erst lüften konnte, als er sich bereits im Exil befand. Seine Bücher sprechen gesellschaftsrelevante Themen der arabischen Länder (bspw. Afghanistan, Algerien, Iran) an. Die Selbstverständlichkeit moslemischer Werte machen dem Leser deutlich, dass es auch noch andere Kulturen gibt. Die Überraschung des jungen Younes darüber, dass Frauen unverschleiert auf den Straßen unterwegs sind, ist ein Beispiel dafür. Khadra öffnet dem Leser die Augen und ist in der Lage, diese Kulturen nicht als etwas Exotisches, sondern völlig Alltägliches darzustellen. Hinzu kommt Khadras wunderschöner Schreibstil, den ich einfach liebe. Die Beschreibungen und Vergleiche sind farbenprächtig, das Leben spürbar und für den Leser erlebbar. Die Sprache ist poetisch und anschaulich. Im Vergleich zu "Die Schwalben von Kabul", das einem sehr viel Konzentration abverlangte, ist "Die Schuld des Tages an die Nacht" sehr leicht und flüssig zu lesen. Khadra macht auch sehr deutlich, wie sehr die historischen Entwicklungen an Younes vorbeigehen und doch gelingt es ihm, dem Leser die Umbruchstimmung im Algerien der 60er Jahre nahezubringen.
Neben einer Geschichte über das Schicksal, die Freundschaft und die Liebe ist dem Autor auch eine spannende Darstellung der algerischen Geschichte von 1930 bis 1960 gelungen, in der ein Weltkrieg and Algerien vorbeizieht und das Land sich schließlich von Frankreich emanzipiert. Mich hat Khadra mit diesem neuen Werk absolut überzeugt, gefesselt und auch mitleiden lassen. Und ich kann es nur jedem ans Herz legen!

9 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2010
Meister der Wünsche
Sethi, Ali

Meister der Wünsche


gut

Zaki Shirazi kehrt für die Hochzeit seiner Cousine von seinem Studium in Amerika in seine Heimatstadt Lahore in Pakistan zurück. Es ist für ihn aber nicht nur eine räumliche, sondern auch eine zeitliche Rückkehr. Er blickt auf die Geschichte seiner Familie, vor allem aber der Frauen in seiner Familie, zurück. Dabei wird deutlich, dass die vielen Einzelschicksale eng verwoben sind mit der Religion und der Geschichte des Landes, das nach der Unabhängigkeit von den Briten völlig zerrissen ist. Und mit der fortschreitenden Islamisierung Pakistans ändern sich auch die Rollen der Frauen in Zakis Familie.

"Meister der Wünsche" ist das Debüt des pakistanischen Autors Ali Sethi. Es lassen sich viele Parallelen zwischen seinen fiktiven Charakteren und seiner tatsächlichen Familie finden. Beispielsweise ist Zakis Mutter Redakteurin einer politik-kritischen Zeitschrift. Auch Sethis echten Eltern gehört ein kritisches Wochenmagazin.
Und dass es ein Erstlingswerk ist, merkt man leider auch an einigen Stellen sehr deutlich. Sehr detailliert werden die Hochzeitsvorbereitungen beschrieben, sodass anfänglich Bollywood-Feeling aufkommt, und der Leser sich zunächst auf eine etwas leichtere Lektüre einstellt. Doch gerade zu Beginn des Buches ist sie sehr anstrengend. Es werden übermäßig viele Urdu-Begriffe verwendet, sodass ich gerade auf den ersten 80 Seiten extrem oft zum Glossar am Ende des Buches blättern musste. Das hat den Lesefluss erheblich behindert und mir ist die Notwendigkeit nicht deutlich geworden. Beispielsweise geht doch nichts von der Exotik verloren, wenn man Kichererbsen übersetzt anstatt dafür den Urdu-Begriff zu verwenden, zumal in Pakistan die zweite Amtssprache sowieso Englisch ist, in dem dieses Buch geschrieben wurde.
Zudem wurde mir das Ziel der Geschichte nicht klar und daher wirkte es auf mich, als würde die Geschichte ziellos vor sich hinplätschern, zumal es streckenweise an Spannung fehlte. Dass die Geschichte einen Kreis bildet, der genau dort ankommt, wo er angefangen hat, wird erst auf den letzten Seiten deutlich. Bis dahin erfährt der Leser die Lebensgeschichte der konservativen Großmutter Daadi, ihrer auf dem Dorf lebenden Schwester Choti, Zakis liberaler Mutter Zakia und seiner rebellischen und modernen Cousine Samar Api. Dabei springt der Autor in der Zeit hin und her und erzählt zwischendurch sogar die Lebensgeschichte der Dienstangestellten.
Viele Dinge sind kulturbedingt unverständlich und werden für den westlichen Leser nicht zusätzlich erklärt, was dem Autor natürlich selbst überlassen ist. Doch dadurch blieb mir die Pointe von so manchem Dialog und mancher Situation verborgen. Auch die Geschichte Pakistans ist nicht leicht verständlich und steht auch nicht im Mittelpunkt, wie im Klappentext angepriesen. Sie bildet lediglich einen, manchmal unsichtbaren, Rahmen der Erzählung. Es ist beispielsweise von Vorteil, schon vorher etwas über Benazir Bhutto zu wissen, die übrigens 2007 Opfer eines Attentats wurde, was im Buch leider nicht thematisiert wurde.
Auch sprachlich überzeugt dieses Buch nicht auf ganzer Linie, wenn die Sprache auch sehr poetisch und bildhaft ist. Doch aneinandergereihte "er sagte" - "sie sagte" störten mich des Öfteren.

Alles in allem ist dieses Buch aber durchaus lesenswert, wenn es auch nicht an die Werke von Khaled Hosseini (ich denke, da dieser Autor im Klappentext zitiert wird, ist der Vergleich auch zulässig) oder Yasmina Khadra herankommt. Es versprüht jedoch Exotik und führt ein kompliziertes Leben in einem Land mit einer komplizierten Gesichte vor Augen. Und ab einem gewissen Punkt ist man auch in der Geschichte von Zaki angekommen und gefangen. Man braucht jedoch gerade am Anfang etwas Geduld und Durchhaltevermögen.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2010
Finstere Orte
Flynn, Gillian

Finstere Orte


ausgezeichnet

Libby Day ist 7 Jahre alt als ihre Mutter und ihre zwei Schwestern ermordet werden. Für diese Tat sitzt nun ihr Bruder seit bereits 24 Jahren im Gefängnis, auch dank Libbys damaliger Aussage. Er soll den Teufel angebetet, Tiere geopfert und Drogen genommen haben. Seit damals ist Libby von Bens Schuld überzeugt. Doch nun - mit 31 Jahren - muss Libby zum ersten Mal selbst Geld verdienen. Der Spendenfonds für die arme, kleine Überlebende des Kinnakee Farm Massakers ist aufgebraucht. Und so geht Libby auf das zweifelhafte Angebot des Kill Club ein, ein Verein von true-crime Fans und ehemaligen Polizisten, die sich in ihrer Freizeit gern mit ungeklärten Mordfällen beschäftigen. Nun wollen sie Libby Day davon überzeugen, dass ihre Aussage damals falsch war und bieten ihr Geld dafür, dass sie mit alten Verdächtigen und Beteiligten spricht. Obwohl sich Libby ihrer Vergangenheit nicht stellen will und die traumatischen Erinnerungen an einen Ort namens Darkplace verbannt, ist sie auf dieses Geld angewiesen. Kommen auch bei Libby Zweifel an Bens Schuld auf? Und wenn er es nicht war, wer war es dann? Und warum wurde derjenige damals nicht geschnappt? Wie gefährlich ist es, an der Vergangenheit zu rütteln?

Mit Libby Day hat Flynn eine überzeugende Protagonistin geschaffen. Libby ist schwer traumatisiert, depressiv und labil. Sie steht dem Leben zynisch gegenüber und wünscht sich oft, einfach zu sterben. Die Erinnerungen an das Massaker hat sie immer unterdrückt und will sich mit ihnen nicht auseinandersetzen. Wenn sie mit anderen Personen zu tun hat, überlegt sie immer wieder, wie sie daraus einen persönlichen Vorteil ziehen kann, erwartet immer Mitleid. Auch die anderen Charaktere sind gut ausgearbeitet und die Autorin kann zeigen, wie unsensibel und sensationsgierig Außenstehende - besonders, wenn sie Fans von wahren Kriminalfällen sind - sich benehmen können und dass ihr Interesse am Leid anderer teilweise krankhafte Züge haben kann.
Die Geschichte wird wechselweise aus verschiedenen Perspektiven erzählt: Libbys Sicht aus der heutigen Zeit (in der Ich-Perspektive) und die Sicht ihrer Mutter und ihres Bruders am Tag des Geschehens (in der dritten Person). Beide Stränge verlaufen parallel und ergänzen sich dahingehend, dass dem Leser das nahe gebracht wird, was Libby nicht weiß. Somit kann der Leser immer abgleichen, wie gut es Libby gelingt, die Wahrheit herauszufinden. Zudem wird Libby einige Dinge nicht erfahren, die der Leser trotzdem weiß. Allerdings wird die Auflösung nicht früh verraten, sondern fast zeitgleich mit Libbys Entdeckungen. So bleibt das Buch durchweg sehr spannend.
Libby ist nicht sympathisch, zumindest nicht am Anfang, aber trotzdem leidet der Leser bald mit. Die Charaktere sind tiefgründig und die Geschichte absolut überzeugend. Die Auflösung mag vielleicht etwas übertrieben und unwahrscheinlich sein, ist aber so kaum vorhersehbar und mit zunehmenden Informationen zweifelt auch der Leser immer wieder, so wie Libby. Der Leser fragt sich durchaus und oft zurecht, ob Ben es nicht doch getan hat. Denn Flynn gibt Einblicke in dunkle Teenager-Fantasien, die sich um Gewalt und Macht drehen. Ben ist ein klassischer Loser und gerät so an falsche und manipulative Freunde, zeigt selbst aber auch keinen Mut, für sich selbst einzustehen. Aber auch die Kraft von Gerüchten und (un)begründeten Verdächtigungen bleibt nicht unbeleuchtet.
Mit der Vorgabe einer vor 24 Jahren geschehenen Situation und dem langsamen Aufrollen dessen, was an den Gerüchten wirklich wahr ist und wie diese entstanden sind und dem sensiblen Einblick in die verschiedenen Charaktere hebt sich Flynn eindeutig von der Masse der Thriller und Romane in diesem Bereich ab und hat mich sehr an die Geschichte und seine Charaktere gebunden. Die Handlung war spannend und überzeugend, sodass ich dieses Buch gern und euphorisch weiterempfehle.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2010
Die Magier von Montparnasse
Plaschka, Oliver

Die Magier von Montparnasse


weniger gut

Mehr Schein als Sein

Blanche und Ravi glauben, das große Los gezogen zu haben, denn sie dürfen eine Woche lang eine Zaubershow im neuen Variété aufführen. Dafür versetzen sie sich in die Rollen historischer Liebespaare und der riskanteste Act ist der, in dem sich Romeo und Julia in sich mit Sand füllende Sarkophage einschließen lassen. Sechs Tage lang geht alles gut, doch am letzten Tag missglückt der Trick, eine Tricktür lässt sich nicht öffnen und die Aufführung wird lebensgefährlich. Doch nicht nur Ravis (der Zauberer) Leben ist bedroht, sondern auch das Wohl seiner Assistentin Blanche hängt davon ab, dass er sie rechtzeitig befreit. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als das Gesetz der Société, keine echte Magie einzusetzen, zu brechen.
Doch Ravis Einsatz von Magie hat Folgen. Denn die Magier sollen geheim bleiben und nicht lange, da hat er schon den ersten Abgesandten der Société auf den Fersen. Nun muss Ravi geschickt sein, denn fliehen kann er nicht. Nach dem Biss in einen magischen Apfel schläft seine Assistentin nämlich wie Schneewittchen und wacht am nächsten Morgen nicht wieder auf, sondern bleibt in ihrem Schlaf gefangen. Und auch die Zeit steht still und dieser verhängnisvolle Sonntag wiederholt sich. Wahrscheinlich sieben Mal, bis die Welt untergeht ...

Neben Ravi und Blanche gibt es noch zahlreiche weitere Beteiligte der Geschichte: Justine die junge Kellnerin, das Wirtsehepaar Alphonse und Esmée, den Möchtegernautor Gaspard, den Nichtsnutz Mischa und die nach und nach eintrudelnden Gäste der Société. Auch stilistisch spiegelt sich die Vielzahl an Personen wider: die Handlung wird im Wechsel von Justine, Gaspard, Esmée, Alphonse, Blache, Ravi und Barnaby erzählt, was mehr als einmal zu meiner Verwirrung führte.
Die ersten paar Kapitel lösten ein wahren Begeisterungssturm bei mir aus da sich die Geschichte sehr locker, leicht und flüssig lesen ließ, wobei der Autor keinen oberflächlichen oder seichten Stil hat, sondern eine poetische Sprache und bildhafte Metaphern verwendet. Die Geschichte versprühte geradezu Magie. Ich habe es schon als Lesehighlight 2010 gesehen. Und gerade optisch ist das Paket ja auch sehr viel versprechend.
Doch leider erlahmt die Geschichte sehr schnell, die Spannung bleibt auf der Strecke und fünf der sieben Tage bis zum Weltuntergang verbringen die Charaktere eigentlich nur mit Warten. Zudem ahlen sich besonders Ravi und Barnaby in ihrer Kultiviertheit und zu meiner Überraschung hat auch die Kellnerin keine Probleme mit dem elitären Sprachstil der beiden. Viele der Dialoge sind völlig vergeistigt und rein philosophierend. Magie und Zauberei bleiben lange Zeit ungenutzt und das Buch nimmt erst 100 Seiten vor Schluss an Fahrt auf. Auf mich wirkte es leider eher wie eine Mogelpackung. Ich habe mir sehr gewünscht, dass es genauso gut ist, wie es aussieht, doch leider war hier mehr Schein als Sein.

Da ich mich selbst streckenweise durch das Buch quälen musste und mir des Öfteren einen etwas weniger anspruchsvollen Sprachstil gewünscht hätte, kann ich das Buch nicht wirklich uneingeschränkt weiterempfehlen. Wer hier auf atemberaubende Fantasy mit viel Spannung hofft, wird hinterher sehr enttäuscht sein.

0 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2010
Denk an mich in der Nacht
Harris, Joanne

Denk an mich in der Nacht


gut

Die Geschichte findet auf zwei zeitlichen Ebenen statt, die auch anhand der Kapitelüberschriften gekennzeichnet sind. "Eins" steht für die Geschichte, die kurz nach dem zweiten Weltkrieg im Jahr 1948 spielt und von dem Protagonisten Daniel Holmes in Form von Tagebucheinträgen erzählt wird. "Zwei" spielt im Cambridge der Gegenwart und erzählt die Geschichte von Alice, Joe und Ginny aus Alices Sicht, wenn auch in der dritten Person erzählt. Ein einziges Mal gibt es auch "Drei", welches völlig aus dem Kontext gerissen ist und nicht wirklich zur Geschichte beiträgt. Es ist somit eigentlich völlig überflüssig.

Mit "Denk an mich in der Nacht" liegt erstmals der Debüt-Roman von Joanne Harris auch auf deutsch vor. Auch in englisch wurde er gerade wieder neu aufgelegt, obwohl das Original aus dem Jahr 1989 stammt. Die Autorin braucht sich also nicht dem Vorwurf zu stellen, auf der gerade vorherrschenden Vampirwelle zu reiten; dies könnte man lediglich dem Verlag anlasten. Und dabei ist "Denk an mich in der Nacht" so ganz anders als die Masse der heutigen Vampirromane. Harris' Vampire sind keine Kuscheltiere, sondern düstere, gefährliche und mörderische Raubtiere. Sie verbreiten Angst und Schrecken und hinterlassen jede Menge verstümmelte Leichen. Und doch wird das ganze Buch über fast nie ausgesprochen, was dem Leser klar ist. Aber auch der Leser wäre eher im Ungewissen, wenn nicht der Klappentext von Vampiren sprechen würde. Es ist nie die Rede von Fangzähnen und die Nachtwesen sind auch tagsüber unterwegs. Zudem sind sie in gewisser Weise von den Menschen abhängig.
Ich finde Harris' Konstruktion hoch interessant, da man lange glaubt, es würde sich um normale Menschen handeln und die Begründung, sie seien drogenabhängig erscheint völlig plausibel. Außerdem war es sehr authentisch, wie sich die Protagonisten immer wieder fragen, ob sie selbst nicht verrückt seien. Harris gelang es zudem, mir eine Gänsehaut über den Rücken zu jagen und meine Nackenhaare zu Berge stehen zu lassen. Sie erzeugt eine düstere, unheimliche Stimmung, in der auch ich mich vor Rosemary und ihren Freunden zu fürchten begann. Kein Wunder also, dass dieses Buch - wie von der Autorin beklagt - immer wieder fälschlicherweise im Horrorregal landete. Denn dort gehört es auf jeden Fall eher hin als zwischen die vielen Vampirromanzen.

Insgesamt hat mich dieses Buch absolut gefesselt, hat jede Menge Spannung und Action mit sich gebracht, und doch konnte ich mich lange Strecken nicht gut auf die Geschichte konzentrieren, war irgendwie immer abgelenkt und zwischenzeitlich auch verwirrt. Hin und wieder verlor ich den Überblick und einige Situationen habe ich auch nicht so richtig verstanden, bspw. warum Alice auf dem Jahrmarkt gejagt wird, nicht aber in ihrem eigenen Haus. Auch das Ende war sehr überstürzt und unübersichtlich, doch es gelang der Autorin dabei immer, den übernatürlichen Hauch der Geschichte zu bewahren. Und auch das letzte Ende passte gut in die Geschichte und verschaffte mir etwas Gänsehaut. Für mich war dieses Buch also insgesamt ein gutes Buch und mal eine Abwechslung zur derzeitig herrschenden "Vampirkultur", wenn es auch seine Mankos hatte. Aber es war nunmal ein Debütroman, und der konnte soweit eigentlich ganz gut überzeugen.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2010
Die Lebküchnerin
Schrödter, Sybille

Die Lebküchnerin


weniger gut

Benedicta wird als 12jährige von ihrer bösen Stiefmutter in ein Kloster abgeschoben, damit sie aus dem Weg ist und keinen Anspruch auf ihr Erbe erheben kann. Doch Benedicta ist für das Klosterleben nicht geschaffen. Immer wieder fällt sie durch Aufmüpfigkeit und Ungehorsam auf. Sie hilft lieber in der Küche beim Backen von Lebkuchen als sich in ihrer Zelle dem Gebet zu widmen. So hat sie sich auch mit der Klosterköchin Agnes angefreundet. Und ihr Herz schlägt zunehmend für den Fechtmeister Florian, den Neffen der Priorin des Klosters. Doch dann eskalieren Missgunst und Verleumdung und Benedicta und Florian müssen flüchten. Auch Agnes hat sich den beiden angeschlossen. Doch auf der Flucht wird Florian schwer verletzt und ihrer Freiheit zuliebe muss Benedicta ihn zurücklassen und mit Agnes allein weiterfliehen. Die beiden Frauen gehen nach Nürnberg, denn dort ist Agnes mit einem Bäckerssohn verlobt und sie stellt ihm Benedicta als ihre Schwester Brunhild vor. Doch Benedicta ist es nicht gewohnt, sich zurückhaltend und demütig zu verhalten. Und so fällt sie schnell auf und macht sich zahlreiche Feinde während die Häscher des Klosters nicht mehr weit sind, denn die Flucht aus dem Kloster und die körperliche Sünde stehen unter harter Strafe ...

Wem diese Inhaltsbeschreibung schon kitschig und klischeehaft erscheint, der hat bereits den Kern des Buches erkannt. Benedicta fällt überall durch ihr schnelles und lautes Mundwerk auf, da sie jedem ihre Meinung sagt und manchen damit überrollt. Dass man so nicht in Deckung leben kann, wird schnell deutlich, denn sie bemüht sich auch nicht, misstrauische Charaktere zu besänftigen. In der Mitte des Buches war ich irgendwann so genervt von den beiden Einfaltspinseln Agnes und Benedicta, dass ich das Buch am liebsten zur Seite gelegt hätte. Denn wer sich derart laut im Wald verhält, während er sich eigentlich auf der Flucht befindet, braucht sich nicht zu wundern. Zudem wurden mir Probleme viel zu schnell gelöst. Agnes' Verlobter ist Schwarzbäcker und ihm ist somit untersagt, Weißmehl zu benutzen. Doch wie Lebkuchen backen ohne Weißmehl? Die Lösung bietet sich in Form eines Geistesblitzes an. So wie eigentlich jede Lösung, wenn die Frauen mit ihrem Lebkuchenteig nicht weiter wissen. Dazu kommt, dass Benedicta einfach viel zu vertrauensselig ist und jedem, der halbwegs nett zu ihr ist, ihre Geschichte auf die Nase bindet. Dagegen sind die, die es nicht gut mit ihr meinen, abgrundtief böse. Die junge Frau von gegenüber, die eigentlich usprünglich Agnes' Verlobten heiraten sollte, greift sogar zu mörderischen Mitteln. Diese Wendung kam mir viel zu plötzlich, da das selbst mit dem schlechten Charakter, der der jungen Frau zugeschrieben wurde, so nicht vorhersehbar oder logisch folgend war.

Leider ist es der Autorin nicht gelungen, mich mit der Geschichte vollends zu packen und sie konnte mir keinen der Charaktere nahe bringen. Nicht einmal die verliebten Gefühle wirkten auf mich authentisch. Alles ging etwas drunter und drüber, die Geschichte hatte merkwürdige Wendungen und die Protagonistin belastete meine Nerven immer wieder. Außerdem strotzte die Geschichte vor Klischees und Kitsch. Allerdings habe ich mich auch hin und wieder unterhalten gefühlt, sodass ich dieses Buch als mittelmäßig einstufe. Vielleicht gelingt der Autorin im angedrohten zweiten Band ja eine ausgewogenere und glaubhaftere Geschichte.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2010
Totenpfad / Ruth Galloway Bd.1
Griffiths, Elly

Totenpfad / Ruth Galloway Bd.1


gut

Die fünfjährige Lucy Downey verschwindet spurlos aus dem Haus ihrer Eltern. Das ist nun zehn Jahre her und immer noch fehlt jede Spur von Lucy oder ihrem Leichnam. Der die Ermittlungen leitende DCI Harry Nelson muss sich massive Kritik deswegen gefallen lassen, zumal der vermeintliche Täter die Polizei seit Jahren mit Briefen und rätselhaften Andeutungen verhöhnt. Als im Moor Knochen eines Kindes gefunden werden, wird die forensische Archäologin Dr. Ruth Galloway zu den Ermittlungen hinzugezogen. Sie kann die Knochen zwar als aus der Eisenzeit stammend identifizieren, wird jedoch weiter in die Ermittlungen eingebunden, da der Briefeschreiber starken Bezug auf eisenzeitliche Rituale nimmt und archäologische Fachbegriffe verwendet. Trotz Ruths anfänglicher Gegenwehr und ihre Abneigung gegen Nelsons ungehobeltes Verhalten ist sie vom Fall zunehmend fasziniert - und von Nelson nicht minder. Als ein weiteres kleines Mädchen verschwindet, drängt plötzlich die Zeit. Und die Spur führt schließlich ins Moor, zu einem geheimnisvollen, prähistorischen Dammweg und einem mystischen Henge.

Dieses Buch ist vom Verlag ganz klar als Roman eingeordnet, und genau das ist es auch. Es ist weder ein Krimi noch ein Thriller und dementsprechend bleibt auch die atemberaubende Spannung aus, die man von diesen erwarten darf. Dafür gibt es eine ruhige Kleinstadt, eine nicht ganz so perfekte Protagonistin, die in der Einöde lebt, weil sie nicht gern Menschen um sich hat und die Düsternis des englischen Moores, das so manch historisches Geheimnis birgt. Unter dem Etikett des Romans kann sich die Autorin in Ruhe den archäologischen Details widmen und einen kleinen Einblick in das prähistorische Leben geben. Eher zufällig gerät die Protagonistin zudem in eine Mordermittlung, in der sie sehr aufgeht und die auf ihr Expertentum angewiesen ist.
Ruth Galloway ist eine sympathische Protagonistin mit vielen Selbstzweifeln und einer Konfektionsgröße > 38. Sie unterhält sich lieber mit ihren beiden Katzen als mit ihrer Freundin über deren Männerprobleme. Hinzu kommt der grummelige, einschüchternde, aber doch liebenswerte Harry Nelson und die beiden geben ein tolles und charmantes Ermittlerpaar ab.
Allerdings waren die verschiedenen Verwicklungen sowie das Ende schon deutlich früh vorhersehbar. Mit all den kleinen Hinweisen, die aufgedeckt werden und wenn man dann Schritt für die Schritt die Besetzung der Geschichte durchgeht, wird nur allzu schnell deutlich, wer wie in die Sache involviert ist. Schade, ein bißchen mehr Spannung hätte schon sein dürfen, doch dafür ist der Ort King's Lynn wahrscheinlich nicht groß genug gewesen.

Für mich hat der archäologische Anteil die Geschichte gerettet und ich bin nun doch auf einen weiteren Teil gespannt, da sich neue Entwicklungen andeuten. Zudem würde ich gern wissen, in welcher Art von Fall Ruth noch helfen kann mit ihrem doch eher begrenzten Expertengebiet. Ansonsten war dies für mich einfach ein klassischer, düsterer, britischer Kleinstadt"krimi" bzw. Roman, für den ich die aufgewendete Lesezeit nicht als Verschwendung betrachte und der als Roman seine unterhaltsamen Seiten hatte.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.12.2009
Ich will dich, ich krieg dich
Robertsen, Hedda H.

Ich will dich, ich krieg dich


schlecht

Die 19jährige Alba arbeitet in Oslo in einer Buchhandlung. Dort begegnet sie dem viel älteren Mads - oder besser: M.M., die Initialen des Mannes, der dort ein Buch bestellt hat und fast täglich in die Buchhandlung kommt, um seine Zeitung zu kaufen. Oder, wie Alba es nach einer Weile interpretiert, um ihr zu begegnen. Alba verliebt sich über beide Ohren, wird sogar obsessiv. Wenn Mads vor ihr steht, stammelt sie nur wirres Zeug, und wenn er nicht da ist, spielt er die Hauptrolle in ihren Sexfantasien. Dann, endlich, entschließt Alba sich, Mads eine SMS zu schicken um ihm ihre Gefühle zu gestehen. Doch wie wird der geheimnisvolle Fremde darauf reagieren?

Nach einer Leseprobe im Internet, die die ersten paar Kapitel des Buches enthält, war ich sehr neugierig auf dieses Buch. Und so stand ich das erste Mal in meinem Leben am Tisch mit den Frauenromanen und griff zu. Leider stellte sich das Buch jedoch nach dem Lesen als totaler Fehlkauf heraus. Und ich habe es auch nur deshalb zuende gelesen, weil es lediglich 190 Seiten hat und somit nach zwei Tagen "erledigt" war.
"Ein waghalsiges Romandebüt voll fieberhafter Gefühle" steht unter dem Klappentext. Für mich wirkte es eher wie ein alptraumhafter Fieberwahn. Alba steigert sich immer stärker in ihre "Verliebtheit" hinein und fast jedes dritte Kapitel stellt eine sexuelle Fantasie dar. Dabei hat Alba zudem ganz spezielle Vorlieben, sodass diese Szenen in keiner Weise romantisch oder erotisch sind, sondern einfach nur explizit, billig und derbe. Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass 19jährige Mädchen einen Vibrator besitzen und ihn derart oft benutzen ... All dies passt so überhaupt nicht zum Cover und den Erwartungen, die ich an das Buch hatte. Das Beschwingte und Humoristische fehlt völlig. Alba ist unglücklich "verknallt", deprimiert, zieht sich zurück und steigert sich in ihre Fantasien. Zudem ist sie ständig am Heulen und wenn sie Mads tatsächlich einmal gegenüber steht, bekommt sie kaum einen Ton heraus. Als sie dann beginnt, Mads SMSe zu schicken, benimmt sie sich völlig unreif, da sie ihn fast schon belästigt. Das Verschwimmen zwischen Realität und Wirklichkeit - wie so angepriesen im Klappentext - stellt sich nur für den Leser als Problem dar. Denn Alba weiß ganz genau, was echt und was fantasiert ist. Jedoch darf der Leser an dieser Kenntnis nicht teilhaben und muss sich immer wieder fragen, welche der Szenen nun tatsächlich passieren und welche nicht. Überaus anstrengend.
Selten war mir ein Buch so unangenehm, weil ich mich ständig fremdschämen mußte und mir auch die Sexszenen viel zu ausführlich und detailliert waren. Eine der letzten überschritt dann auch meine Ekelgrenze. Wenn ich "Feuchtgebiete" gelesen hätte, könnte ich hier bestimmt etwas zu einem Vergleich sagen. So liegt bei mir aber nur die Vermutung nahe, dass beide Bücher in die gleiche Kategorie gehören. Irrtum jedoch nicht ausgeschlossen.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.11.2009
In Todesangst
Barclay, Linwood

In Todesangst


sehr gut

Nach einem Streit mit ihrem Vater verschwindet Syd und kehrt abends nicht mehr nach Hause zurück. Tim Blake macht sich auf die Suche nach seiner Tochter und muss plötzlich feststellen, dass er sie kaum zu kennen scheint. Sie verbringt den Sommer bei ihm, wohnt sonst aber bei seiner geschiedenen Frau, ihrem Freund und dessen Sohn. Syd hat einen Ferienjob in einem Hotel angenommen, doch auf seiner Suche nach ihr behaupten die Angestellten, Syd nicht zu kennen und dass sie nie dort gearbeitet habe. Warum hat Syd ihren Vater belogen, woher hatte sie das viele Geld um sich eine Designer-Sonnenbrille zu kaufen und wo ist sie nun? Ist sie wirklich bloß fortgelaufen, wie die Polizei anzunehmen scheint oder ist ihr Schlimmeres passiert? Tim gibt die Suche nicht auf und bemerkt, dass seltsame und verdächtige Dinge geschehen.

Mit "In Todesangst" legt Barclay seinen inzwischen dritten Thriller vor. In gewohnter Manier geht sich die Geschichte erst einmal langsam an um dann immer spannender zu werden und eine atemberaubende Wendung nach der anderen zu nehmen. Langsam nutzt sich dieses Format allerdings ab und in diesem Buch stören zu viele Details, Rückblenden und Alltagsgeschehen die Spannung. Jedoch kann Barclay deutlich zeigen, welche Hölle Eltern durchleben, wenn das eigene Kind verschwunden ist und wie aussichtslos und unbeholfen die Suche ist, wenn sie auf sich selbst angewiesen sind, da die Polizei glaubt, es mit einem Ausreißer zu tun zu haben. Etwas merkwürdig kam mir allerdings vor, dass Tim so schnell in den Alltag zurückgekehrt ist und neben seinen Sorgen um Syd weiter versucht, Autos zu verkaufen. Irgendwann beginnt jedoch die Spannung und ich konnte lange Strecken das Buch kaum weglegen. Dann wieder verlaufen sich Spuren im Sand und die Spannung erlahmt etwas, während Tim ein neues Geheimnis oder Rätsel aufdecken muss. In diesem Buch ist dann allerdings dem Leser ab einem gewissen Punkt klar, was die Motive und Absichten zentraler Figuren sind, lange bevor der Protagonisten "dahintersteigt". Daher war die Auflösung für mich dann doch etwas ernüchternd. Zudem wirkten einige Szenen doch etwas weit hergeholt und in klassischer, nordamerikanischer Actionmanier konstruiert. Auch das zentrale Thema kommt etwas zu kurz, das hätte man stärker herausarbeiten können. Zudem scheinen Barclays Charaktere oft unschuldig in Situationen hineinzugeraten.

Insgesamt ist Barclay jedoch auch dieses Mal wieder ein solider, teils sogar sehr spannender Thriller gelungen. Der Autor konnte jedoch damit nicht uneingeschränkt an die Qualität des ersten Buches ("Ohne ein Wort") anknüpfen.

4 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.