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Benutzername: 
westeraccum
Wohnort: 
Sauerland

Bewertungen

Insgesamt 208 Bewertungen
Bewertung vom 02.10.2021
Junge mit schwarzem Hahn
vor Schulte, Stefanie

Junge mit schwarzem Hahn


ausgezeichnet

Der elfjährige Martin ist ein lieber und freundlicher Junge und gerade deshalb wird er in seinem Dorf verachtet. Dort braucht man Ellenbogen, um zu überleben. Trotzdem hat er es geschafft ohne Familie irgendwie durchzukommen. Einige barmherzige Seelen helfen ihm dabei.
Als ein Maler ins Dorf kommt, packt Martin seine Sachen und geht mit dem Mann fort, um nach der Spur der verschwundenen Kinder zu suchen, die von schwarzen Reitern geraubt werden. Mit ihm geht sein schwarzer Hahn.
Das Buch hat etwas von einem Märchen, in dem der Held zuerst schwierige Prüfungen bestehen muss, bevor ihm Erlösung widerfährt. In einem leicht märchenhaften Ton, manchmal etwas altmodisch, ist es auch geschrieben.
Das macht neben der Geschichte auch die Qualität des Buches aus. Es hat mich von Anfang an fasziniert in diese fremde Welt einzutauchen und die Autorin hat die Geschichte ganz fabelhaft (in wahrsten Sinne des Wortes) geschrieben.
Das Buch hat mich bezaubert und begeistert.

Bewertung vom 01.10.2021
Reise durch ein fremdes Land
Park, David

Reise durch ein fremdes Land


ausgezeichnet

Das schwarzweiße Cover ist wunderschön und deutet schon an, worum es in dem Buch geht. Es ist eine Reise durch eine verschneite Landschaft, aber euch eine Reise zu sich selbst.
Tom reist von Nordirland nach England, um seinen Sohn abzuholen. Dabei verarbeitet er den Tod seines zweiten Sohnes David, der an Drogen gestorben ist. Er war ein wildes Kind und ging immer seinen eigenen Weg. Niemand konnte ihm helfen, als er im Drogensumpf versank. Auf der Fahrt durch die verschneiten Landschaften findet Tom langsam einen Zugang zu seinen Gefühlen und kann mit Davids Tod abschließen.
Das Buch hat mich sehr berührt. Es ist eine ganz intensive Leseerfahrung und hat mich lange beschäftigt. David Park gelingt es ganz sensibel mit dem Thema umzugehen und die Leser mitzunehmen in die tiefe Gefühlswelt von Tom und seiner Familie.
Ein Buch, das ich allen ans Herz legen möchte, auch wenn es nicht immer einfach ist den Emotionen standzuhalten!

Bewertung vom 18.09.2021
Die andere Tochter
Golch, Dinah Marte

Die andere Tochter


gut

Das Buch hat mich etwas ratlos zurückgelassen.
Aber vom Anfang an!
Toni hat bei einem Arbeitsunfall ihr Augenlicht verloren und bekommt eine Spenderhornhaut von einer jungen Frau. Den Namen der Frau erfährt sie von deren Mutter, die sie nach Frankfurt einlädt, um sich zu bedanken. Toni, die aus kleinen Verhältnissen stammt, ist beeindruckt vom Reichtum und der Eloquenz der Familie. Aber bald merkt sie, dass sie in die Tochterrolle hineingeschoben werden soll und will auf Distanz gehen. Doch das gelingt ihr nicht, weil sie merkt, dass mit dem Tod der jungen Frau etwas nicht stimmt. Auch in ihrer eigenen Familie gibt es große Probleme, der Vater sitzt im Gefängnis, weil er angeblich seine Frau umgebracht hat.
Das Buch erzählt auf zwei voneinander abgegrenzten Ebenen. Die Geschichte mit der Frankfurter Familie wird in einer objektiven Außensicht erzählt, während Toni selbst die eigene Familiengeschichte berichtet. Der Teil ist deutlich emotionaler.
Was mich verwirrt hat, ist die Fülle an Themen, die typisch für einen Erstlingsroman ist, und dass das Buch sich nicht entscheiden kann, ob es ein Thriller oder eine Familiengeschichte sein will. Mit den Themen hätte man gut zwei Romane füllen können.
Das Buch ist manchmal langatmig und die Ausflüge in die Esoterik stören mich. Am Schluss wird es noch ziemlich spannend, aber auch immer unglaubwürdiger.
Insgesamt leider nicht mein Buch!

Bewertung vom 16.09.2021
Der Panzer des Hummers
Minor, Caroline Albertine

Der Panzer des Hummers


gut

Es geht um die drei erwachsenen Kinder der Familie Gabel, die nach dem Tod der Eltern zurückgeblieben sind und auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Verlust umgehen.
Während die älteste Tochter Ea in San Francisco lebt und dort durch ein Medium Kontakt zu der Mutter aufnehmen will, schlägt sich ihr Bruder in Kopenhagen als Plakatierer durch und unterstützt seine jüngere Schwester Sidsel, die es als alleinerziehende Mutter nicht leicht hat. Die Geschwister sind sehr unterschiedlich und sie haben keinen engen Kontakt miteinander. Das ist eigentlich eine interessante Konstellation, aber sie macht das Buch auch sprunghaft und man kann manchmal nur schwer den einzelnen Erzählsträngen folgen. Auch hat mich irritiert, das immer wieder ganze Abschnitte von der "Seherin" handelten, die den Kontakt zu Eas Mutter im Jenseits herstellen soll.
Das Buch hat mich nicht wirklich begeistert, da gab es schon erheblich bessere Familiengeschichten. Schade!

Bewertung vom 14.09.2021
SCHWEIG!
Merchant, Judith

SCHWEIG!


gut

Esther macht sich am Tag vor Heiligabend heftige Sorgen um ihre Schwester Sue, die allein in einer großen Villa im Wald lebt und an Weihnachten wahrscheinlich allein ist. Deshalb fährt sie zu ihr, um ihr ein Geschenk zu bringen und nachzusehen, ob es ihr gut geht.

Was so harmlos beginnt, entwickelt sich zu einer echten Horrorstory, bei der am Ende jemand stirbt.

Abwechselnd berichten Esther und Sue ihre Sicht der Dinge und manchmal schaltet sich auch Esthers Mann Martin ein, dazu ein Mädchen aus der Kindheit der beiden, das sich als Esthers Kindheits-Ich entpuppt. Die beiden Mädchen hatten eine schwere Kindheit, der Vater nahm sich an Weihnachten das Leben.

Esther ist eine echte Psychopathin, manipulativ und narzisstisch. Sie wirkt zuerst harmlos und besorgt, hat aber ihre Umgebung voll unter Kontrolle. Dagegen ist Sue eher das Opfer, das sich nicht wehren kann. Auch Martin hat sich anscheinend mit seiner Opferrolle abgefunden, bevor er sich dann doch aufbäumt. Die Mechanismen einer toxischen Beziehung sind recht gut beschrieben.

Die ersten 200 Seiten des Buchs zogen sich allerdings endlos hin, erst danach kam so etwas wie Spannung auf. Für meinen Geschmack war das zu wenig, um ein wirklich gutes Buch auszumachen. Ich mag eigentlich diese wenig blutigen Psychothriller, wie sie die Skandinavier meisterhaft schreiben. Von diesem Buch war ich trotz der vielen Vorschusslorbeeren eher enttäuscht, zu langatmig, zu wenig spannend. Nur der überraschende Schluss hat mich einigermaßen versöhnt. Mit dem Buch bin ich einfach nicht warm geworden.

Bewertung vom 03.09.2021
Die Tote mit der roten Strähne
Kent, Kathleen

Die Tote mit der roten Strähne


ausgezeichnet

Betty Rhyzyk, aus einer alten polnisch stämmigen Polizistenfamilie abstammend, ist in Dallas bei der Drogenfahndung gelandet, nachdem sie vorher jahrelang in New York gearbeitet hat. In Texas weht ein anderer Wind, als rothaarige, lesbische Frau hat man es da nicht leicht. Doch Betty ist hart im Nehmen und schlagfertig, sie setzt sich durch.
Sie ist mit ihrem Team auf der Spur eines mexikanischen Drogenbosses, doch ein Einsatz läuft aus dem Ruder und unbeteiligte Menschen sterben. Auch Betty gerät in große Gefahr, denn ein Killer legt ihr als Warnung eine rote Haarsträhne aufs Bett, als ihre Freundin im Nebenbett schläft. Dann findet man eine Spur zu der mysteriösen "Family", die angeblich niemand kennt.
Das Buch ist sehr spannend, aber auch sehr brutal. Die mexikanischen Drogenkartelle operieren ja in den USA und nehmen keinerlei Rücksicht, das weiß man aus den Büchern von Don Winslow. Hier kommt es zu ähnlich grausamen Konstellationen und das ist nichts für schwache Nerven.
Insgesamt ist das Buch gut geschrieben und spannend, man darf auf eine Fortsetzung gespannt sein, denn die Ermittler haben Potential.

Bewertung vom 29.08.2021
Harlem Shuffle
Whitehead, Colson

Harlem Shuffle


sehr gut

Nachdem ich von Whiteheads Roman "Die Nickelboys" sehr begeistert war, wollte ich natürlich auch sein neues Werk unbedingt lesen.
Schon der Umschlag des Buches führt die Leser direkt hinein in das Harlem der 1960er Jahre. Brownstone-Häuser, Polizisten, die eine Straßenkreuzung beobachten, fette Straßenkreuzer, wenige Menschen und das alles in einem Blickwinkel von schräg oben, als unbeteiligter Zuschauer. Genau das ist auch der Punkt, aus dem Whitehead seine Protagonisten beobachtet: mit Distanz, sachlich, und lakonisch.
Die Hauptperson des Buches ist Ray Carney, der einen kleinen Möbelladen besitzt und mit gebrauchtem Zeug handelt, das ihm auch manchmal sein Cousin Freddie beschafft. Angeblich ist es "vom Lastwagen gefallen". Ray bemüht sich um ein ehrliches Leben, will seiner Frau den der kleinen Tochter etwas bieten und spart auf eine schönere Wohnung abseits der Hochbahngleise. Die Eltern seiner Frau üben großen Druck auf ihn aus, er ist ihnen zu schwarz und zu arm. Seine Bemühungen scheitern immer wieder. Als Freddie ihn in einen gefährlichen Raub in einem Hotel hineinzieht, wird es noch gefährlicher.
Ray ist ein Mensch zwischen allen Stühlen. Auf der einen Seite ist er der ehrlich bemühte Möbelhändler, muss aber Schutzgeld zahlen, um überleben zu können und ab und zu eine kleine oder größere Straftat begehen, um im Leben voran zu kommen. Eine andere Chance bekommt er nicht und so führt er zwei Leben, eins am Tag und ein geheimes in der Nacht.
Das alles spielt vor dem Hintergrund der Rassentrennung am Ende der 1950er Jahre und der Hoffnung auf Besserung unter Kennedy. Der politische Aspekt ist im Hintergrund immer präsent und hat Auswirkungen auf das Leben der Menschen in Harlem. Man schlägt sich durch, auch manchmal illegal, aber das alles ist nichts gegen das, was die reichen weißen Menschen an illegalen Praktiken anwenden. Zwischen diesen Fronten stehen auch Ray und seine Familie.
Whitehead schreibt klug und sachlich, bringt immer wieder Rückblicke auf die Geschichte der handelnden Personen und hat die politische Situation immer im Blick. Er vermeidet Schwarz-weiß-Malerei, alle Personen sind vielschichtig beschrieben und ihre Motive nachvollziehbar. Seine klare Sprache hat eine Melodie, die immer unterschwellig mitschwingt.
Das Buch erfordert Aufmerksamkeit, man kann es nicht nebenbei lesen.
Obwohl mich das Buch nicht so begeistert hat wie "Die Nickelboys" ist es doch ein unbedingt lesenswertes Buch.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.08.2021
Von hier bis zum Anfang
Whitaker, Chris

Von hier bis zum Anfang


ausgezeichnet

Das Buch wurde angepriesen als Nachfolger von "Der Gesang der Flusskrebse", das ist ein hoher Anspruch, den das Buch fast erfüllt, aber ganz reicht es nicht an es heran.
Hauptperson ist die 13jährige Duchess, die mit ihrer depressiven Mutter Star und ihrem kleinen Bruder Robin zusammenlebt und praktisch allein für die Familie verantwortlich ist. Star ist immer noch geschädigt vom Mord an ihrer kleinen Schwester. Nun kommt deren Mörder Vincent nach 30 Jahren wieder frei.
Die zweite Hauptperson ist der Polizist Chief Walker, er ist der gute Mensch von Cape Haven, achtet auf die Schwachen, warnt die Aggressiven und hat auch ein Auge auf Duchess, die sich selbst als Outlaw bezeichnet und wie einen Löwenmutter für ihren kleinen Bruder kämpft.
Alles bricht zusammen, als Star ermordet und Vincent verhaftet wird.
Zuerst hatte ich einige Probleme mich an den Schreibstil zu gewöhnen, aber nach ein paar Seiten wurde es besser.
Das Buch ist sehr spannend und die Figuren kommen dem Leser sehr nahe. Man kann sich gut in ihr Handeln hineinversetzen. Nicht ganz klar wurde mir allerdings das Geschehen um den Immobilienbesitzer Darke, seine wirkliche Rolle bleibt im Dunkeln.
Das Buch hat zahlreiche Nebenschauplätze, das ist manchmal verwirrend, aber lockert das Buch auf. Man muss es deshalb sehr aufmerksam lesen, nicht nur nebenbei.
Insgesamt ein wirklich gutes Buch, das aber nicht ganz an die "Flusskrebse" heranreicht.

Bewertung vom 27.07.2021
Wild Card
Thompson, Tade

Wild Card


gut

Weston Kogi kehrt nach vielen Jahren in London zur Beerdigung seiner Tante in sein fiktives westafrikanisches Heimatland zurück. Er will nur wenige Tage bleiben, doch dann trifft er einen alten Kumpel, der ihn in seiner Schulzeit massiv gequält hat, und erzählt ihm, er sei bei der Londoner Kriminalpolizei beschäftigt. Diese Information ruft zwei einheimische Rebellengruppen auf den Plan und sie zwingen Weston in einem alten Kriminalfall zu ermitteln. Damals wurde ein bekannter Politiker ermordet, der sich für den Frieden im Land einsetzte. Damit beginnen Westons Probleme, denn er gerät zwischen alle Fronten.
Weston ist eine eher sympathische Hauptfigur, doch seine Umgebung ist geprägt von Korruption und Gewalt. Menschenleben zählen nicht, wer zufällig im Weg steht, wird gnadenlos umgebracht. Die Unterschiede zwischen sehr armen und sehr reichen Menschen sind gewaltig und bedrückend, Gesetze zählen nicht und die Menschlichkeit bleibt auf der Strecke.
Obwohl ich das Buch spannend und die Personen interessant fand, war das Buch für mich doch zu brutal. Die grausamen Szenen häufen sich und bleiben im Gedächtnis.
Vermutlich wird es eine Fortsetzung mit Weston Kogi geben, doch das nächste Buch werde ich mir vermutlich nicht antun.

Bewertung vom 25.07.2021
Raumfahrer
Rietzschel, Lukas

Raumfahrer


sehr gut

Nachdem ich vor einiger Zeit das erste Buch von Lukas Rietzschel gelesen hatte, interessierte ich mich auch für sein neues Werk. Ich bin in der BRD aufgewachsen und hatte keine Beziehungen in den Osten Deutschlands, möchte aber gern mehr über die gut 40 Jahre der DDR und ihre Menschen erfahren.
Jan arbeitet in einem Krankenhaus und lernt dabei Thorsten kennen, der im Rollstuhl sitzt. Eines Tages übergibt er Jan einen Karton voller alter Dokumente und Fotos, die Jan in die Vergangenheit seiner Eltern führen. Thorsten ist der Neffe des berühmten Malers Georg Baselitz, der eigentlich Georg Kern heißt und in den Westen ging. Die Beziehung zu seiner Familie in der DDR brach vollkommen ab, weil die Stasi die Briefe von beiden Seiten beschlagnahmte. Nun erfahren Jan. und die Leser mehr über die Kindheit und Jugend des Malers und was das alles mit Jans Eltern zu tun hatte.
Der Titel des Buches hat mich zuerst irritiert und wurde erst im Laufe der Lektüre klarer. Durch die Wende wurden die Menschen aus ihrer gewohnten Umgebung und ihren Beziehungen gerissen und schweben frei und orientierungslos wie Raumfahrer im All.
Das Buch ist zeitlich nicht chronologisch aufgebaut und man muss sehr aufpassen, dass man die verschiedenen Zeiten nicht durcheinanderbringt. Da wäre eine Überschrift für jedes Kapitel hilfreich gewesen.
Rietzschels Stil dagegen ist unaufgeregt und sachlich, das gefällt mir gut. Man entwickelt Empathie für Jan, er hatte es nicht leicht mit seinen Eltern. Erst gegen Ende des Buches erfährt man, warum es so viel Probleme gab und warum das Private politisch ist und die Politik ins Privatleben hineinregierte.
Für dieses Buch gibt es auf jeden Fall eine Leseempfehlung!